Wie HART sind WEICHE Kontaktlinsen? - DOZ

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Wie HART sind WEICHE Kontaktlinsen? - DOZ
K L - M AT E R I A L
Dipl.-Ing. (FH) S. Marx, JENVIS Research, Jena
Wie HART sind WEICHE Kontaktlinsen?
Teil 2: Anpass-Charakteristika
Im ersten Teil der Veröffentlichung (DOZ 09/07) wurden die Grundlagen zu kontaktlinsenrelevanten Materialkennwerten dargestellt. Im vorliegenden Teil 2 dieser
Veröffentlichung wird über die Auswirkung dieser Materialkonstanten auf die Anpass-Charakteristika eingegangen. Unter dem häufig genannten Begriff Modulus ist die physikalische Kenngröße Elastizitästmodul
gemeint. Dieser ist, ähnlich wie der DK Wert, eine Materialkonstante. Hingegen ist die Steifigkeit, Analog
dem DK/t Wert, eine Kenngröße einer definierten
Kontaktlinse. Doch welche Bedeutung haben nun diese
Begriffe Modulus und Steifigkeit für die Kontaktlinsenanpassung?
Eine dünne Linse aus einem Material mit höherem Modulus
kann die gleiche Steifigkeit aufweisen wie eine dickere Linse
aus einem Material mit niedrigerem Modulus. Der Modulus
allein macht eine Kontaktlinse weder komfortabel noch
unkomfortabel. In einer modifizierten Abbildung 1 [01] ist dargestellt, dass der Komfort einer Kontaktlinse von mehreren
Faktoren abhängig ist. Neben den Materialkennwerten kommen einige andere exogene Faktoren, wie zum Beispiel
Umwelteinflüsse, Ablagerungen, Kosmetika, mechanische Defekte hinzu, die den Komfort ebenfalls beeinflussen können.
Widerstand gegen Durchbiegung und die Druckverteilung
der KL über der Auflagefläche können den Komfort beeinflussen. Beispielweise kann eine Änderung der Basiskurve den
Linsensitz und damit den Komfort verändern. Hier besteht folgender Zusammenhang in den einzelnen Materialklassen. Bei
formstabilen Kontaktlinsen ist der Einfluss der Basiskurvenänderung auf den Komfort am größten gefolgt von Silikonhydrogelkontaktlinsen.
Formstabile Kontaktlinsen können sehr komfortabel getragen werden können, wenn die Geometrie der formstabilen
Kontaktlinse so gewählt wird, dass optimale Sitzeigenschaften
in Bezug auf Bewegung und Zentrierung erzielt werden. Mittelund hochwasserhaltigen weichen Kontaktlinsen mit geringer
Steifigkeit erreichen eine sehr hohe Abdeckung von Hornhautgeometrien und bedürfen in aller Regel nicht einer individuellen Anpassung. Uniparameter erzielen hier teilweise eine
80%ige Abdeckung.
Dies wird z.B. durch die hohe Akzeptanz von standardisierten Austauschlinsen in den letzten Jahren deutlich. Nach einer
Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK 2006)
nehmen standardisierte Austauschkontaktlinsen 82% des
gesamten Kontaktlinsenmarktes ein. Davon entfallen auf die
Gruppe der 2- bis 4-Wochenlinsen 60% und auf die Gruppe
der Eintageskontaktlinsen 22% Anteile.
Abbildung 2 zeigt den Zusammenhang zwischen Kontaktlinsengeometrie und Modulus. Je höher der Modulus eines Kontaktlinsenmaterials ist, desto wichtiger wird die Geometrie
bzw. das Kontaktlinsendesign.
Abb. 2: Modulus im Verhältnis zur Bedeutung der Geometrie
Abb. 1: Multifaktorielle Abhängigkeit des KL-Komforts
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Im Durchschnitt blinzelt ein Kontaktlinsenträger ca. 12000
mal pro Tag. Ein höherer mechanischer Widerstand gegen das
Augenlid und die Hornhaut kann bei vernachlässigter Geometrie zu einer schlechteren Anpassung an die Hornhautform
führen, was ein Abstehen des Kontaktlinsenrandes zur Folge
haben kann. Komplikationen wie SEALs in Abbildung 3 (bogenförmige Läsionen des superioren Hornhautepihtels) [02] und
Bildung von Mucin Balls [03] unter der Kontaktlinse, Abbildung 4,
können die Folge sein. Dies wurde bei der ersten Generation
von Silikonhydrogellinsen beobachtet. Nach der Weiterentwikklung der Rückflächengeometrie verschwanden diese Komplikationen aus dem Alltag.
DOZ 1-2008 KONTAKTLINSE
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Abb. 3: SEAL
Gerade bei individuellen Silikonhydrogelkontaktlinsen
kommt es auf die Anpassung an. Diese unterscheidet sich aufgrund des Materials und der Geometrie teils erheblich von der
Anpassung von klassischen Hydrogelkontaktlinsen. Die alte
Faustformel Mittelwert der zentralen Hornhautradien + 1mm
bei einem Standarddurchmesser ergibt die Basiskurve sollte
für diese Materialklasse verworfen werden. Auch wenn es sehr
erstaunlich ist, eine weiche KL teils nahezu parallel zum
flachen Hornhautmeridian anzupassen, so ist dies bei kleinen
Durchmessern mit tendenziell steileren Basiskurven bei individuell anzupassenden Kontaktlinsen der Fall. Asphärische
Geometrien tragen ihren Teil zusätzlich dazu bei, die Linsen
vom Basiskurvenwert eher steiler anzupassen, ohne jedoch einen steilen Sitz zu erzeugen.
Abb. 5: Spontankomfort [05] von Hydrogelkontaktlinsen
(blauer Balken) vs individuelle KL aus Sifilcon A, * p<0,05
Abb. 4: Mucin Balls
Vor diesem Hintergrund wäre es nicht korrekt, das Thema
Modulus losgelöst vom Thema Linsengeometrie zu betrachten. In der Praxis zeigt sich, dass die Anpassung bei steiferen
Linsen mehr in den Vordergrund rückt. Das ist vor allem bei
den formstabilen Kontaktlinsen nachzuvollziehen. Aber auch
bei Silikonhydrogelkontaktlinsen muss darauf geachtet werden, da es mittlerweile unterschiedliche Materialien gibt,
deren Eigenschaften teils sehr unterschiedlich sind.
Tabelle 1: Eigenschaften von Kontaktlinsen [04]
Es ist falsch zu vermuten, dass Silikonhydrogelkontaktlinsen
aus Materialien mit Modulus über 1,0 MPa einen schlechteren
Komfort bieten. Die Praxis zeigt, dass viele bestehende Träger
von Pure Vision oder AIROPTIX Night & Day über exzellenten
Komfort berichten. Bezüglich des Spontankomforts scheinen
Kontaktlinsen mit Modulus unter 1,0 MPa besser abzuschneiden. Bei individuellen Anpassungen, wie es zum Beispiel mit
der AIROPTIX Individual der Fall ist, kann dies nicht mehr
behauptet werden. Dies wird aus Abbildung 5 ersichtlich.
KONTAKTLINSE DOZ 1-2008
Dem Anpasser stehen heute eine fast unüberschaubare
Vielzahl von Material- und Geometrievarianten zur Verfügung.
Diese Vielfalt erlaubt eine individuelle Anpassung, die sowohl
die Kundenerwartungen als auch den physiologischen und
geometrisch optischen Gegebenheiten Rechnung trägt. Allerdings ist die genaue Kenntnis der Anpassphilosophien vor
allem über die neuen Systeme nötig, um diese fachgerecht
einzusetzen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass jedes der heute auf dem Markt befindlichen Materialien mit der optimalen
Geometrie so angepasst werden kann, dass die Kontaktlinse
komfortabel getragen werden kann. Um den Komfort über
den ganzen Tag zu erhalten bedarf es vieler anderer Materialeigenschaften. Hier wäre vor allem folgende zu nennen: Hohe
Sauerstoffdurchlässigkeit, hohe Lubrizität, Ablagerungsresistenz und hervorragender Benetzbarkeit. Die Kontaktlinsenindustrie hat gerade in den letzten beiden Jahren diese Notwendigkeit erkannt und versucht sowohl bei Kontaktlinsen als auch
bei Pflegemitteln Neuentwicklungen zu berücksichtigen.
Kontakt:
[email protected]
Quellen:
[01] Osborn, Veys: OPTICIAN, Juni 2005,# 6004, Vol. 229
[02] Dumbleton K.: Adverse events with silicone hydrogel
continuous wear. CLAE, 2002;25:137- 46.
[03] Tan J, Keay LM Jalbert I et al. Mucin balls with wear of
conventional and silicone hydrogel contact lenses.
Optom Vis Sci, 2003; 80:4 291-7
[04] French K., Why is modulus important?,
www.siliconehydrogels.org + Herstellerangaben
[05] Sickenberger/Marx: VDC Tagung 2007 Berlin, JENVIS Research
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