DOZ A4 - DOZ Verlag
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OPTOMETRIE KONTAKTLINSEN Der Praxisfall: Versorgung nach durchtrennter Hornhaut mit einer grenzlimbalen Kontaktlinse Rudolf Proyer Anamnese Bei der Kundin handelte es sich um eine 24-jährige Studentin. Sie kam auf Empfehlung einer Bekannten zur Kontaktlinsenanpassung am rechten Auge. Die junge Frau erlitt am rechten Auge eine schwere Augenverletzung durch eine Glasscherbe von einer zerbrochen Bierflasche. Betroffen von der Verletzung war die Hornhaut, welche durchtrennt wurde, die Iris und die Augenlinse. Die Hornhaut wurde mit neun Stichen genäht und die Iris konnte wieder zurückversetzt werden. Vier Monate später wurde die zerstörte Augenlinse durch eine IOL ersetzt. Weitere drei Monate später wurde die augenärztliche Behandlung durch den behandelnden Arzt abgeschlossen. Der Studentin wurde zur Wiederherstellung einer guten Sehleistung die Versorgung mit Kontaktlinsen bei einem Kontaktlinsenspezialisten oder eine Hornhauttransplantation empfohlen. Bisher wurde beiderseits bis zum Unfall eine Monatstauschlinse mit –2,50 dpt getragen, nach der Verletzung bis zur Neuversorgung wurde nur links eine Monatstauschlinse getragen. Das rechte Auge blieb unversorgt. Subjektive Refraktion: Rechts: Visussc 0,1 Links: Visussc 0,25 Spaltlampenuntersuchung rechtes Auge linkes Auge Bulbäre Injektionen Grad 2 Grad 2 Limbale Injektionen Grad 1 Grad 1 Tarsale Injektionen Grad 0 Grad 0 Corneale Neovaskularisationen Grad 1 Grad 1 Corneal Stippungen Grad 0 Grad 0 Diffuse Stippungen Grad 0 Grad 0 3-9-Uhr Stippungen Grad 0 Grad 0 Striae / Descement Falten o.B. o.B. Mikrozysten / Vakuolen o.B. o.B. Tränenzusammensetzung Lipidgleichgewicht (Interferenzfarben gelb – rot) Tränenminiskus = 0,2 Lidschlagfrequenz häufig Klassifizierungschlüssel: Jenvis Rechts: +2,00 sph. –7.50 cyl. A = 70° Visuscc 0,50 Links: –2,50 sph. Visuscc 1,25 HSA 13 mm Die Bilder (Abb.4 und 5) zeigen die große Hornhautnarbe, welche durch eine Glasscherbe einer Bierflasche hervorgerufen wurde. Die Narbe geht von sieben Uhr parazentralinferior über die zentrale Hornhaut bis nahe an den Limbus bei 3-Uhr. Corneatopometrie Versorgungsverlauf Abb. 1 und Abb. 2 zeigen die Aufnahme des rechten Auges mit einem Keratographen (Oculus, Wetzlar). Bei Abb. 1 löste das Gerät aufgrund der abnormen Radien nicht automatische aus. Die Auslösung erfolgte hier manuell. In Abb. 2 sieht man die Aufnahme des rechten Auges mit einer aufgesetzten dünnen Eintages-Linse. In Abb. 3 ist die Topographie des linken Auges mit den zentralen Hornhautradien 7,70 A 171°/ 7,60 und einer gemittelten n.E. 0,58 zu erkennen. Es wurde nur das rechte Auge neu mit einer Kontaktlinsen versorgt. Das linke Auge wurde bereits mit einer Monatslinse (Omafilcon A BC 8,60 –2,50 dpt Ø 14,20 mm) von einem Mitbewerber versorgt. Auf Wunsch der Kundin wurde zu Beginn eine Versorgung des rechten Auges mit einer weichen Kontaktlinse versucht. Das Resultat war, wie vermutet, nicht sehr zufriedenstellend und die Kundin konnte überzeugt werden, die Anpassung mit einer formstabilen Kontaktlinse fortzusetzen. 72 DOZ 03 | 2013 Formstabile Kontaktlinsen Probelinsen 1: Ascon 4 Die Auswahl der ersten Probelinse erfolgte auf Vorschlag der Anpass-Software (Oculus). Radius sph. Ø Exz. Mat. 8,20 +0,25 9,60 04 Boston ES Diese Kontaktlinsen dezentrierte stark temporal und war viel zu flach. Beim Blick nach oben rutschte die Linse über den Limbus auf die Bindehaut, dort bildete sich sofort eine Luftblase. Abb. 1: Rechtes Auge, manuelle Auslösung. Probelinse 2: Perit 0 Die Auswahl der zweiten Probelinse wurde anhand der Hornhauttopographie des linken Auges getroffen. Eine grenzlimbale Kontaktlinse kam zum Einsatz, um die Narbe der Hornhaut gut zu entlasten und einen zentrischen Sitz zu erreichen (Abb. 6). Radius sph. Ø Exz. Mat. 7,30 –0,37 11,00 06 Boston EO Überrefraktion: –2,00 sph. –0,50 cyl. 81° V = 0,80 Tragekomfort 2 spürbar, noch verträglich Benetzung 0 hydrophil Bewegung –1 Bewegung durch Lidschlag vorgetäuscht Zentrierung 4 ständiger Hochsitz, temporal Fluobild +1 Tendenz flach Abb. 2: Rechtes Auge mit einer 1-Day Acuvue Moist BC 8,5 –0,50sph Ø14,2; die Auslösung der Aufnahme wurde automatisch durchgeführt. Die Probelinse 2 dezentrierte temporal und leicht nach oben. Die Ursache zeigt sich in der Aufnahme Abb. 7. Ohne Einfluss des Oberlides ist der Sitz der gleichen Kontaktlinse zentral. In Abb. 7 sieht man im Bereich von 10-Uhr bis 12-Uhr, dass die Kontaktlinse im Randbereich zu flach sitzt. Durch das Oberlid wird die Kontaktlinse temporal und leicht nach oben dezentriert. Als Maßnahme gegen das Problem wurde versucht, mit einem Prisma dieser Dezentration entgegenzuwirken. Sollte das noch zu wenig sein, besteht die Möglichkeit, die Kontaktlinse im oberen Bereich zu ovalisieren. Probelinse 3: Perit 0P Radius sph. Ø Exz. Mat. 7,30 –2,75 11,00 05 Boston EO Überrefraktion: +1,00 sph. –1,00 cyl. 95° V = 1,0 Stab. Achse 0° Abb. 3: Linkes Auge. Tragekomfort 2 Benetzung 0 Bewegung 0 Zentrierung 0 Fluobild –1 Abb. 4: Hornhautnarbe hervorgerufen durch Glasscherbe. Abb. 5: Hornhautnarbe hervorgerufen durch Glasscherbe. spürbar, noch verträglich hydrophil kontinuierlich zentrisch Tendenz steil Auf der Abb. 8 ist zu erkennen, dass die Maßnahme erfolgreich war. Das angebrachte Prisma 1,00 pdpt im unteren Bereich und die etwas reduzierte Exzentrizität lässt die Kontaktlinsen nun zentrisch sitzen. u DOZ 03 | 2013 73 OPTOMETRIE KONTAKTLINSEN Rechtes Auge Überrefraktion: plan V = 1,0 Stab. Achse 10° Abb. 6: Perit 0 BC7,30 –0,37dpt Ø11,0 n.E. 0,6 Boston EO. Abb. 7: Perit 0 BC7,30 –0,37dpt Ø11,0 n.E. 0,6 Boston EO mit hochgezogenen Oberlid. Bulbäre Injektionen Limbale Injektionen Tarsale Injektionen Corneale Neovaskularisationen Corneal Stippungen Diffuse Stippungen 3-9 Uhr Stippungen Striae / Descement Falten Mikrozysten / Vakuolen Tragekomfort Benetzung Bewegung Zentrierung Fluobild 1 0 0 0 0 Grad 2 Grad 1 Grad 0 Grad 1 Grad 0 Grad 0 Grad 1 o.B o.B gut, leicht spürbar hydrophil kontinuierlich zentrisch parallel Fazit Abb. 8: Perit 0P BC7,30 –2,75dpt Ø11,0 n.E. 0,5 Boston EO. Abb. 9: FSAQPT BC7,30 –1,75sph. –1,00cyl. A95° Ø10,8 n.E. 0,6 0,6 0,5 0,6 Boston EO. Die Kontaktlinse überbrückt die gut sichtbare Narbe, in der Vorbevelzone liegt die Kontaktlinse etwas fest auf. Aus diesem Grund wird die Exzentrizität nasal, inferior und temporal von 0,5 auf 0,6 erhöht, zudem wird der Durchmesser etwas verkleinert. Rezeptlinse (Abb. 9): FSAQPT Radius sph. cyl. Ax Ø Exz. 7.30 –1,75 –1,00 95 10,80 06 06 05 06 Mat. Boston EO Überrefraktion: plan V = 1,0 Stab. Achse 5° Tragekomfort Benetzung Bewegung Zentrierung Fluobild 1 0 0 0 0 gut, leicht spürbar hydrophil kontinuierlich zentrisch parallel Nachkontrolle Nach einer Woche wurde eine Kontrolle durchgeführt. Die Kontaktlinse war seit sieben Stunden am Auge. Der Entscheidung, bei der Anpassung in Richtung grenzlimbaler formstabiler Kontaktlinse zu gehen, lagen folgende Überlegungen zugrunde: Die Kundin wollte ursprünglich nur eine weiche Kontaktlinse. Da der Erfolg der dicken weichen Kontaktlinse bescheiden war, konnte die junge Frau zum Tragen einer formstabilen Kontaktlinse motiviert werden. Der größere Durchmesser im Vergleich zu einer herkömmlichen formstabilen Kontaktlinse bewirkt eine höhere Spontanverträglichkeit im Bezug auf den Tragekomfort, was die Kundin zur Fortsetzung des Anpassvorgangs motivieren sollte. Die unregelmäßige Hornhaut hätte die Anpassung einer normalen kleinen formstabilen erschwert, da die stärkste Vernarbung zentral und parazentral vorliegt. Diese Steigerung des Tragekomforts war der entscheidende Punkt, die Kundin von ihren Vorbehalten gegenüber formstabilen Kontaktlinsen abzubringen. Die erreichte Sehleistung gab ihr überdies Recht. Die Versorgung erfolgt weiterhin am rechten Auge mit einer formstabilen Kontaktlinse und am linken Auge mit einem weichen Tauschsystem. n Kontaktdaten: Rudolf Proyer Schrammelgasse 14 A-6850 Dornbirn [email protected] Anzeige –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Die DOZ veröffentlicht unter der Rubrik Optometrie Beiträge, die vom Wissenschaftlichen Beirat der DOZ begutachtet, auf ihre fachwissenschaftliche Tragfähigkeit überprüft und freigegeben wurden. Nähere Auskünfte erteilt Dr. Andreas Berke ([email protected]) oder die Chefredaktion unter [email protected] 74 DOZ 03 | 2013