COMPLIANCE Anleitung zum Fairplay
Transcription
COMPLIANCE Anleitung zum Fairplay
ICompliance-Kommunikation Gebranntes Kind: Die Ergo-Versicherung will weiteren Skandalen mit einer eigenen Compliance-Abteilung vorbeugen. COMPLIANCE Anleitung zum Fairplay Fouls vermeiden, wach ble iben für Regelverstöße - darauf zielt Compliance-Management. Vorsicht: Ungelenkes Vorgehen schürt leicht Misstrauen in der Belegschaft. Von Martin Bell Mancher Stoff bettelt geradezu um Schlagzeilen: Eine Versicherung, die ihre erfolgreichsten Ver käufer mit einer Sexparty in Ungarn belohnt. Fürs leibliche Wohl sorgt TV-Koch Stefan Marquard, Moment: für Häppchen zwischendurch. Das Hauptprogramm bestreiten zwanzig Prostituierte. Auf ihrem Arm tragen sie einen "Frequentierungs stempel", der absolvierte Nummern zählt. Leis tungsbezogenes Honorar in der Budapester Gel Iert -Therme. Aufräumarbeiten bei Ergo Die ungarische Bumssause von 2007 hinterließ Spuren am Ruf der Ergo-Versicherung. Und nicht 18 nur dort. Der Düsseldorfer Konzern setzte eine neue Incentive-Richtlinie in Kraft, die diesen Feb ruar in überarbeiteter Fassung erschien. "Incenti ves müssen im Einklang mit dem Leitbild der Ergo und den Unternehmenszielen gestaltet werden", heißt es da. Denn (Obacht!): "Sie entfalten auch ei ne Wirkung in der Öffentlichkeit und können er hebliche Reputationsrisiken verursachen." Unter 1.1 halten die "Allgemeinen Regelungen" fest: Be suche von "Bordellen, Table-Dance-Bars oder ähn lichen Etablissements mit erotischen oder sexuel len Unterhaltungsangeboten" sind "nicht gestat tet" (zumindest als betriebliches Anreizsystem). Die Richtlinie ist Teil des Benimmunterrichts, den sich der Versicherer nach Bekanntwerden der Budapester Nummernrevue verordnete. Neu deutsch: Compliance. "Es geht schlicht um die Ein haltung gesetzlicher und interner Regelungen", er klärt Stefanie Held, seit Anfang 2012 als Chief PR Report Mai 2013 Compliance-Kommunikation Compliance Officer oberste Anstandsdame im Konzern. Die Juristin, bekennender Fußballfan mit Faible für Borussia Dortmund, sieht sich als eine Art Schiedsrichter. "Der steht zwar außerhalb der Mannschaften", räumt sie ein. "Aber er versteht das Spiel und weiß es zu lesen." Helds Aufgabe: Fouls eindämmen, ohne den Spielfluss zu stören auf einem Spielfeld freilich, das sich über mehr als 30 Länder bis nach Asien erstreckt und auf dem sich fast 50.000 Mitarbeiter tummeln. Affären wie Ergos Lustreise (oder spätestens die Schlagzeilen darüber) geben häufig den Anstoß zu Compliance-Offensiven. Imageschäden durch Skandale mögen schmerzen, sind aber nicht selten "Vorbildlich - nicht nur zu Hause" "Ehrlich. Nicht nur zu besten Freundin", wünscht (fordert?) eines der Motive. Und ein anderes:"Vorbildlich. Nicht nur zu Hause." Die Plakate, ersonnen von A&B One, Frankfurt, sind Teil der Kampagne, mit der die Deutsche Bahn intern für Compliance wirbt:"Wissen, was unsere Werte schützt:' Der Konzern geriet in der Vergangen heit immer wieder in die Schlagzeilen. Schmiergelder in Millionenhöhe in Alge rien, Ruanda, Griechenland, um Aufträge an Land zu ziehen. Scheinfirmen, über die Mitarbeiter Gelder in die eigene Tasche wirtschafteten. Korrupte Entscheider, die sich als Gegenleistung für Aufträge Autos schenken ließen. Grund genug, das Thema Compliance voranzutrei ben. Und diesmal nicht hinter dem Rü cken der Belegschaft. 2009 war be kannt geworden, dass die Bahn Mitar beiter und deren Angehörige in gro ßem Stil ausgespäht hatte, um Korrup tion aufzudecken . Vertrauensbildend wirkt das nicht. Die Plakatkampagne schlägt einen neuen Weg ein."Leitidee ist, persönli che Werte mit dem Alltag im Job zu verbinden", erläutert A&B-Geschäfts führer Hartwin Möhrle. Kein Verhal tenskodex, der von oben diktiert ist, kein erhobener Zeigefinger. Stattdes sen ein Appell ans eigene Urteilsver mögen, emotional und nicht ganz frei von Pathos. "Die Kampagne hält I das geringste Übel. In Fällen von Bestechung und Korruption drohen Haftstrafen, falsch deklarierte Ausgaben rufen die Steuerfahndung auf den Plan, und wenn Gelder über US-Banken fließen, haben Firmen neben der deutschen Staatsanwaltschaft rasch amerikanische Justizbehörden am Hals. "Compliance-Verstöße", warnt Jurist und Compli ance-Berater Andreas Kark aus Horb am Neckar, "können ein Unternehmen ruinieren." Fingerspitzengefühl ist gefragt Horrorszenarien und Abschreckung freilich stellt Compliance-Management bewusst nicht in den Mittelpunkt. "Einschüchtern und verängstigen [> kriminelle Charaktere gewiss nicht von ihrem Treiben ab", so Möhrle."Aber sie stärkt jenen den Rücken, die es ehrlich meinen, und ermuntert sie, Fehlverhal ten zur Sprache zu bringen." Darüber hinaus gehe es darum, zu sensibilisieren für zweifelhafte Situationen:"Bewege ich mich schon im Graubereich oder nicht? Wie verhalte ich mich jetzt korrekt?" Mit Papieren und Plakaten allein lassen sich solche Fragen nicht unbedingt be antworten. Daher sind Ansprechpartner vonnöten, die sich in der Materie ausken nen."Eine entscheidende Funktion von Compliance-Abteilungen ist nicht nur Kontrolle oder Strafverfolgung, sondern das offene Ohr und konkrete Hilfe", erklärt Möhrle."Compliance dient dazu, Kollegen und Mitarbeiter zu schützen, nicht zu des avouieren. Und schon gar nicht zu diffa mieren:' Offen bleibt, ob A&Bs nicht unsympa thischer Ansatz auch Früchte trägt. Denn das konstitutive Element der gern ange führten Work-Life-Balance ist gerade der Unterschied zwischen Work und Life. Und zu dem gehört auch, dass man der besten Freundin eben das erzählt, was man im Büro aus gutem Grund unerwähnt lässt. Wir bei der Deutschen Bahn wissen , worauf es ankommt: Nur im Team und auf Basis gemeinsamer Werte können wir erfolgreich sein. Deshalb sch ützen wir sie. Und werden unsere Werte im Umgang mit Geschäftspartn ern und Kollegen einmal auf die Probe gestellt, helfen wir uns gegenseitig dabei. ehrlich zu bleiben. Weitere Informationen: www.fntranet.deutschebahn.com/portalc OB Compliance. Wissen, was unsere Werte SChützt. PR Report Mai 2013 19 I Compliance-Kommunikation Der Jurist Andreas Kark Jurist und selbstständiger Der promovierte Volkswirt Jörg Viebranz ist Compliance-Berater aus Horb am Neckar Compliance Partner bei Digital Spirit in Berlin [> ist der falsche Weg", betont Kark, der vor allem Mittelständler berät. "Stattdessen gilt es, die Beleg schaft zu stärken in Sachen Regel- und Gesetzes treue." Eine sensible Angelegenheit. Allein das Thema auf die Tagesordnung zu setzen, provoziert leicht Misstrauen: Stehe ich etwa unter Verdacht? Zweifelt wer an meiner Integrität? Nicht zu reden vom Fremdeln, das der unanschauliche Begriff Compliance selbst auslöst. "Eine Erkläraufgabe" , so Kark. Er empfiehlt: "Augenmerk auf die positi ven Seiten. Compliance verbessert Prozesse, er höht die Transparenz - und schützt Mitarbeiter da vor, sich strafbar zu machen." Solche Rhetorik der Annäherung geht einher mit der Einführung von Verhaltensrichtlinien. Sie formulieren (Kark: "lesbar und zugleich juristisch korrekt"), was Gesetz und Brötchengeber ver "Wenn jemand mit krimineller langen. Ergo etwa stellt Energie bewusst Regeln umgehen seine Incentive-Richtli will, wird ihm das gelingen" nie als PDF im Internet zur Verfügung. Schulun Stefanie Held, Chief Compliance Officer bei Ergo in Düsseldorf gen, nicht nur für Füh rungskräfte, festigen und vertiefen Kenntnisse, begleitet von Papieren, die Situationen aus dem Unternehmensalltag durchspielen: Was ist tolerabel, was geht gar nicht? Lernerfolge lassen sich mit E-Learning via Intra net prüfen. Nicht nur Ergo setzt das ein. Versiche rungen wie Allianz und Gothaer, Generali, Talanx nehmen die Berliner Beratung Digital Spirit in An spruch, die auf Compliance-Software spezialisiert 20 ist. "Verhaltensweisen und Dilemma-Situationen lassen sich durchaus mittels E-Learning trainie ren" , meint Jörg Viebranz, Compliance Partner der Beratung. Für Integrität gilt das leider nicht. Auch Ergos Chief Anstandsdame Stefanie Held weiß: "Wenn jemand mit krimineller Energie be wusst Regeln umgehen will, wird ihm das gelin gen." Compliance-Management zielt deshalb vor rangig darauf, die Lauteren und Unbescholtenen zu ermutigen: Hin-, nicht wegschauen , Fragwürdi ges ansprechen gegenüber dem Kollegen oder den Vorgesetzten. "Whistleblowing" nennt sich das mancherorts. "Nicht zu verwechseln mit Denunzi antenturn" , unterstreicht Hartwin Möhrle, Ge schäftsführer der Frankfurter Agentur A&B One. "Die Idee dahinter ist vielmehr die soziale Selbst kontrolle der Belegschaft." Undercover-Einsatz? Manches Unternehmen, munkelt man, lässt es da bei nicht bewenden und beauftragt einen Agent Provocateur, der Mitarbeiter auf die Probe stellt. Mystery-Shopping unter Korruptionsanfälligen. Ein delikates Unterfangen. Fällt das auf, vergiftet es die Atmosphäre im Betrieb. Stefanie Held lehnt sowas ab: "Ich halte nichts von internen Underco ver-Einsätzen." Sie strebt anderes an: "Eine Wertekultur, in der Kollegen Verhaltenskodizes verinnerlichen und Compliance in Fleisch und Blut übergeht." Der An fang, denkt sie, ist gemacht: "Wir sind auf einem sehr guten Weg." 0 PR Report Mai 2013