Nikolaus - St. Paulus, Buxtehude

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Nikolaus - St. Paulus, Buxtehude
Es hat jemand an dich gedacht
Mein gelber Gummistiefel war immer gut
genug. Der Nikolaus störte sich nicht an
Äußerlichkeiten. Die Schrammen an der
Fußspitze, der ausgefranste Stiefelrand,
das fiel nicht ins Gewicht. Am Morgen des
6. Dezember klopfte das Herz ein
bisschen mehr als sonst. Schnell aus
dem Bett, Zimmertür auf: Da stand er, der
gelbe Gummistiefel gefüllt mit Mandarinen, Keksen und Schokoladen-Talern.
Natürlich habe ich mir damals viel mehr
Gedanken über den Stiefel gemacht und
wie viel da rein passt, als über den Nikolaus selbst. Was interessierte mich der
„echte” Nikolaus, Bischof von Myra im vierten Jahrhundert.
Sie staunten, wenn ich, noch im Schlafanzug, den Ertrag auf dem Küchentisch
ausbreitete.
Und sie freuten sich - ob mit mir oder
über mich, das war nicht zu erkennen und
ja auch nicht so wichtig. So behielt der
Nikolaustag lange sein Geheimnis und
seine Aufregung für mich.
Den gelben Gummistiefel gibt es nun
nicht mehr. Ich habe vergessen, wann ich
ihn zum letzten Mal gesehen habe. Und
am Nikolaustag dieses Jahr werde ich
wohl auch keinen anderen Stiefel vor meiner Zimmertür finden.
Für die Sache mit dem Stiefel war es nicht
notwendig zu wissen, dass der gute
Mann damals heimlich in der Nacht armen Leuten Geld gespendet hat. Ich
wusste doch eigentlich genau, wer meinen Stiefel füllt.
Aber diese Nikolaus-Erlebnisse fallen mir
ein, wenn ich heute dem nachspüre, was
Advent und Weihnachten für mich bedeuten. Dieses Gefühl, dieses wohlige Kribbeln, habe ich mitgenommen: Was für ein
Geschenk, morgens aufzustehen und zu
entdecken: Es hat jemand an dich gedacht
heute Nacht.
Meine Eltern spielten ihre Unschuld perfekt. Neugierig erkundigten sie sich, ob
denn was drin gewesen sei im Stiefel.
Pastor Lutz Tietje