kinema kommunal - Bundesverband kommunale Filmarbeit eV

Transcription

kinema kommunal - Bundesverband kommunale Filmarbeit eV
KINEMA
KOMMUNAL
AUSGABE 2 | 2013
VERANSTALTUNGEN
Bundeskongress:
Mit Blick zurück
nach vorn
BERICHTE
UND PORTRÄTS
Das Arsenal
wird 50!
FILMGESCHICHTE
Eisensteins
Eskapaden
Bild Cover:
Kino Arsenal
© Marian Stefanowski
Impressum
Herausgeber:
Bundesverband
kommunale
Filmarbeit e.V. (BkF)
Ostbahnhofstraße 15
60314 Frankfurt am Main
Tel. 069/62 28 97
Fax 069/60 32 185
[email protected]
www.kommunale-kinos.de
Redaktion:
Claudia Engelhardt
Cornelia Klauß
Entwurf:
formfellows,
Frankfurt am Main
www.formfellows.de
Layout:
Reinhard Georg Starzner
Autoren:
Wolfgang Börnsen
Esther Buss
Lars Henrik Gass
Karola Gramann
Ulrich Gregor
Anke Hahn
Cornelia Klauß
Hans Helmut Prinzler
Erika Richter
Fabian Schauren
Heide Schlüpmann
Ernst Schreckenberg
Sabine Schöbel
Druck:
Bertold Druck, Offenbach
ISSN
0938-2054 / 21. Jahrgang
Ausgabe 2 / 2013 Heft 87
KINEMA KOMMUNAL kann
gegen eine Schutzgebühr von
5.00 Euro über die Geschäftsstelle bezogen werden.
Das Foyer des Arsenals
im Filmhaus am Potsdamer Platz
© Marian Stefanowski
INHALT
Impressum
2
IN EIGENER SACHE
Editorial
Impressionen
4
4
FILM- UND
KULTURPOLITIK
Über den Technikbestand der Kommunalen Kinos Fabian Schauren
Filmpolitischer Ticker Cornelia Klauß
Barrierefreiheit bei Film, TV und Kino Wolfgang Börnsen
Alle Macht dem Geschäftsführer Lars Henrik Gass
Bundeskongress
des BkF in Frankfurt
Seite 13
5
6
7
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STICHWORTE
ZUR FILMGESCHICHTE
Sergej Eisensteins Eskapaden Ernst Schreckenberg
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VERANSTALTUNGEN
Caligari Preisträger
„Hélio Oiticica“
Seite 16
Kolloquium der Deutschen Kinemathek Anke Hahn
Bundeskongress des BkF in Frankfurt/Main Cornelia Klauß
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13
ZU EMPFEHLEN
Caligari Preisträger „Hélio Oiticica“
Filmtipps: Afrikanisches Kino
Buchtipp: Denkmal Film Hans Helmut Prinzler
Living Archive: El Cine de la Transición Sabine Schöbel
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BERICHTE UND
PORTRÄTS
Die Kuratorin Madeleine Bernstorff Cornelia Klauß
Das Arsenal wird 50!
Das alte Arsenal Karola Gramann & Heide Schlüpmann
Das neue Arsenal Esther Buss
Das Arsenal und der Osten Erika Richter
Bericht aus Cannes Ulrich Gregor
Die Kuratorin
Madeleine Bernstorff
Seite 23
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SERVICE
Spielplan
Termine
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35
Das Arsenal wird 50!
Seite 26
Quelle: Arsenal – Institut für
Film- und Videokunst
3
IN EIGENER SACHE
LIEBE MITGLIEDER,
LIEBE LESER,
mit etwas zeitlicher Verzögerung möchten wir im ersten regulären Heft
des Jahres nicht versäumen zu erwähnen, dass auf der Mitgliederversammlung in Berlin für drei Jahre ein neuer Vorstand gewählt wurde:
Wiedergewählt wurden, als Vorsitzende, Christiane Schleindl (Filmhaus
Nürnberg), als Kassier Waldemar Spallek (Kino 81/2, Saarbrücken),
als Vertreter Andreas Heidenreich ( u.a. Caligari, Wiesbaden) und
Claudia Engelhardt (Filmmuseum München). Ausgeschieden sind auf
eigenen Wunsch Gisela Gerst (ehem. Guckloch, Villingen-Schwenningen
und Kinokompetenz-Agentur) und Jörg Frieß (Zeughauskino, Berlin).
Fabian Schauren (CineAsta, Trier) wechselte vom Vorstand in die Geschäftsführung nach Frankfurt. Neu gewählt wurden Rita Baukrowitz
(Metropolis, Hamburg), Manja Malz (B-Movie, Hamburg), Lena Martin (Studentischer Filmkreis Darmstadt) und Pascal Meißner (Akademischer Filmkreis Karlsruhe).Wir danken dem alten Vorstand und freuen
uns auf die Zusammenarbeit mit dem neuen, der sich bereits im April
zu einer Klausurtagung getroffen hat und jetzt nur noch die vielen Ideen
für den Verband in die Tat umsetzen muss ...
Thematisch dreht sich in der Branche nach wie vor viel um die Digitalisierung des Films und der Kinos; ein erstes Umfrageergebnis bei unseren
Mitgliedskinos hat Fabian Schauren in diesem Heft kurz zusammengefasst. Auf dem internationalen Kongress der Filmarchive im April in
Barcelona wurde auf der Mitgliederversammlung sogar der Beschluss
gefasst, die Kampagne des mexikanischen Kameramanns Guillermo
Navarro und der britischen Künstlerin Tacita Dean zu unterstützen,
die den photochemischen Film als UNESCO-Weltkulturerbe schützen
lassen wollen. Digitale Daten seien für sie kein annehmbarer Ersatz für
das Arbeiten mit haptischem Filmmaterial.
Auch sprachlich ist das Festhalten am Analogen immer wieder bemerkenswert. Geht es um Filmrezensionen, scheinen viele Journalisten
häufig nicht nachzudenken, denn in Zeiten des digitalen Umbruchs,
wo nur noch wenige Kinos photochemische Filmstreifen durch den
Projektor schicken, sondern digitale Daten auf die Leinwand werfen,
hört man in Filmkritiken noch häufig von „Zelluloid, das belichtet
wurde“ (dabei wird schon seit Jahrzehnten nicht mehr dieses leicht
brennbare Material verwendet) und wird über den neuesten „Streifen“
des Regisseurs XY gefachsimpelt. Geschäfte in Kleinstädten dekorieren
– wenn in ihrer Stadt jährlich ein Filmfest stattfindet – ihre Schaufenster
noch immer gerne mit alten Filmrollen und Filmdosen. Diese sind nun
wirklich dekorativ und vermitteln vor allem eine sinnliche Vorstellung
von dem, was dann auf der Leinwand buchstäblich ablaufen könnte.
Eine Festplatte in einem Plastikköfferchen hingegen wird sich kein Optiker und kein Schuhgeschäft jemals in die Auslage legen. Und seien wir
ehrlich: Auch der BkF macht sich Gedanken darüber, ob das Logo mit
der Filmrolle eigentlich noch zeitgemäß ist. Aber auch wir wollen keine
Festplatte im Vereinsemblem und haben die Diskussion darüber wegen
dringlicherer Belange aufgeschoben.
Wir wünschen viele Anregungen bei der Lektüre von Kinema Kommunal und freuen uns, viele von Euch auf dem Bundeskongress vom
14.-16. Juni in Frankfurt zu sehen, gemeinsam Filme zu gucken, zu
diskutieren und auch einfach nur zu feiern.
Die Redaktion
4
FILM- UND
KULTURPOLITIK
WAS GEHT DENN NOCH ANALOG?
ÜBER DEN TECHNIKBESTAND
DER KOMMUNALEN KINOS
Stephan Lacant, Regisseur von
Freier Fall, während der Berlinale im Filmmuseum Potsdam
Preisverleihung beim „Go EastFestival“ im Caligari, Wiesbaden
Im Februar und März wurde von der Geschäftsstelle der Technikbestand der Kinos
abgefragt. An dieser Stelle sei allen Kinos für ihre Antworten und Carina Thomys
für ihre Hartnäckigkeit bei der Befragung gedankt, somit konnte eine Rücklaufquote
von 80% erreicht werden. Geantwortet haben 74 Kinos mit eigenen Sälen und neun
weitere, die als Untermieter in Sälen gewerblicher Kinos spielen. Insgesamt handelt es
sich um 97 Säle, für die Daten vorliegen.
Das besondere Augenmerk lag in diesem Jahr auf dem analogen Technikbestand
und den alten digital projizierten Videoformaten. Jedoch wurde natürlich auch der
aktuelle Stand der digitalen Umrüstung festgestellt: Von den 82 eigenen Leinwänden sind 31 DCI-konform und acht DCI-kompatibel ausgerüstet, mindestens zehn
weitere Säle planen die Umrüstung für dieses Jahr. Von den restlichen Sälen haben
nur zwei Kinos angegeben, keinen Bluray oder DVD-Spieler zu besitzen und somit
nicht digital projizieren zu können. Es lässt sich folglich feststellen, dass die meisten
Kinos, welche Digitalisierungsförderung erhalten können (etwa die Hälfte der Säle),
umgerüstet haben oder am Umrüsten sind. Bei den sogenannten Drop-Out-Kinos ist
die Situation weiterhin schwierig, aber fast immer ein „BluRay-Notbetrieb“ möglich.
Bei den Untermieterkinos gibt es nur einzelne Problemfälle, was die Digitalisierung
betrifft. Hier ist vor allem auch anzumerken, dass in allen Fällen, wo Säle gastweise
in gewerblichen Kinos genutzt werden, die 35mm Projektion erhalten geblieben ist.
Bei den Kinos mit einem eigenen Saal wurde in zwei Fällen der 35mm-Projektor ausgebaut. Zehn weitere Säle besaßen nie einen 35mm-Projektor; somit hat etwa einem
Zehntel unserer Mitgliedskinos keinen 35mm-Projektor zur Verfügung. Von den
Kinos mit einer 35mm Projektion sind 47 % mit zwei Projektoren ausgerüstet, und
53% mit einem einzelnen 35mm-Projektor; letzteres meistens mit Spulenturm oder
Teller und nur selten als Vorführung mit Pause zum Wechsel der Spulen direkt am
Projektor. Weiterhin ist bei 44% der Projektoren die Geschwindigkeit für das Abspiel
von Stummfilmen regelbar. In 22 Fällen gibt es die für Archivkopien ideale Abspielbasis einer regulierbaren Überblendprojektion.
Regisseur Andreas Dreesen bei
der Freiwilligen Feuerwehr in
Potsdam (Filmreihe: Land in
Sicht)
Großer Preis der Stadt
Oberhausen: Aykan Safoglu
ARTE-Preis: John Smith,
zus. mit Hilke Doering
56 Kinos haben in mindestens einem Saal die Möglichkeit 16mm-Kopien zu zeigen,
vornehmlich mit mobilen Projektoren, welche teilweise seit längerem nicht mehr benutzt wurden. Von den oben genannten zehn Kinos ohne 35mm-Abspiel besitzen drei
einen 16mm-Projektor. Die Abspielmöglichkeit von Super8 bzw. Normal8 Filmen ist
noch seltener: Hier sind es 31 Spielstätten, denen dies möglich ist. Teilweise handelt
es sich auch um Geräte, die aus dem Privatbesitz der Vereinsmitglieder ausgeliehen
werden. Fast ebenso viele Filmtheater, nämlich 29, sind mit BetaSP-Playern ausgestattet, während nur noch neun Kinos das Videoformat U-Matic auf die Leinwand
bringen können. Das Arsenal 1 in Berlin und das Kino im Deutschen Filmmuseum
in Frankfurt können zudem – sozusagen als Krönung aller Formate – 70mm-Kopien
abspielen.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die überwiegende Zahl der Kinos das
Ziel eines Hybridbetriebes, der die Kinoformate DCP und 35mm umfasst, verwirklicht hat, wenn es gelingt die DropOut-Kinos zu digitalisieren. In fast allen Spielstätten ist ein Abspiel des aktuellen Endverbrauchermediums BluRay möglich. Bezüglich
der Schmalfilmformate und der alten professionellen Videotechnik ist jedoch festzustellen, dass nur noch 16mm-Kopien eine hohe Chance haben, auch in Zukunft noch
flächendeckend abgespielt zu werden.
Fabian Schauren
Das Umfrageergebnis ist als geschützte pdf-Datei – das Passwort ist bei der Geschäftsstelle abrufbar – unter www.kommunale-kinos.de zu finden.
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FILM- UND
KULTURPOLITIK
FILMPOLITISCHER
TICKER
Die Filmbranche ist aufgewühlt: In Brüssel wird gerade ein Freihandelsabkommen zwischen der
EU und den USA verhandelt, bei dem auch Subventionen, die in den Bereichen Kultur und audiovisuelle Medien zur Disposition stehen, weil hier keine „Wettbewerbsverzerrungen“ erwünscht
seien. Erinnert sei an die GATT-Verhandlungen 1993, wo nach vielen Protesten seinerzeit die sogenannte „kulturelle Ausnahme“ (l’exception culturelle) durchgesetzt wurde. Der Bundesverband
hat gemeinsam mit der AG Kino-Gilde eine Stellungnahme hierzu verfasst (siehe www.kommunale-kinos.de), um die gewachsenen Strukturen und die Vielfältigkeit unserer Kulturlandschaft zu
verteidigen und sie nicht kommerziellen Paradigmen zu unterwerfen.
Beim Bayrischen Rundfunk verkündete unlängst die neue Fernsehdirektorin Bettina Reitz, dass der Sender zukünftig Einsparungen
bei der Beteiligung an Kinofilmen vornehmen werde. Die Filmschaffenden sind empört – alle wollen Kino (und gerne auch den
roten Teppich), aber keiner will es finanzieren. In Zusammenhang
mit der Debatte um wegfallende Sendetermine für Dokumentarfilme und radikalen Einsparungen bei Eigenproduktionen – und das
angesichts der neuen Gebührenordnung, die noch mehr Geld in
die Kassen der öffentlich-rechtlichen Sender spült – haben Reitzs
Äußerungen für weiteren Unmut gesorgt.
Das neue Filmfördergesetz wurde dieser Tage mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen im
Parlament verabschiedet, wenngleich nur auf drei Jahre befristet.
Zu den wichtigsten Änderungen gehören: Das Heranziehen von
Video-on-Demand-Anbietern mit Sitz im Ausland zur Filmabgabe,
die Verpflichtung zur Herstellung einer barrierefreien Fassung der
geförderten Filme, die Aufnahme der Digitalisierung des Filmerbes
in den Aufgabenkatalog der Filmförderungsanstalt und die Flexibilisierung der Sperrfristen. Auf den Punkt der „Barrierefreiheit“
konnten sich alle Fraktionen am schnellsten einigen. Wolfgang
Börnsen, der kulturpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion
hat sich hierfür schon lange engagiert. Sein Plädoyer an die Kinos
zielt nicht nur darauf, angesichts der Förderungen für die digitale
Umrüstung ihre Häuser baulicherseits und die Aufführungen für
Seh- und Hörgeschädigte mittels neuer Technologien behindertengerecht einzurichten, sondern vor allem auch für ein verstärktes
generelles Bewusstsein. Seinen Appell drucken wir in gekürzter
Form nebenseitig ab.
liegt beim Bundesverfassungsgericht und würde bei Erfolg das
gesamte Solidarmodell kippen. Mit anderen Worten: Die Bundestagswahlen stehen an und niemand weiß zu prognostizieren,
welcher nächste Kulturstaatsminister kommt und wie filmaffin
dieser oder jene sein wird. Ein Bernd Neumann, der wie ein Fels
in der Brandung die vielen verschiedenen Interessen unter den
Verbänden, Produzenten und Verwertern zu moderieren wusste,
wird auch in Zukunft gebraucht, um der Filmkultur – auf welcher Ebene auch immer – den Rücken zu stärken, auszugleichen,
abzuwägen und die Konfrontation nicht zu scheuen. Immerhin
wurde in den letzten zwei Jahren auch ganz im Sinne der filmkulturell arbeitenden Kinos, Einrichtungen und Archive erreicht,
dass die Rettung des audio-visuellen Erbes zu einer Angelegenheit
mit hoher Priorität wurde, auch wenn die Verteilung der Mittel
sporadisch wirkt. Immerhin muss man jeden Film, der noch eher
in den Genuss der Rekonstruktion und Digitalisierung kommt,
als ein weiteres gerettetes Werk sehen. Da die Kosten pro Kopie
immer noch zwischen 10.000 und 20.000 Euro liegen, kann man
sich die exorbitanten Summen in etwa vorstellen, die gebraucht
werden. Neumann scheute sich zudem bei öffentlichen Auftritten
nicht, das Fernsehen an seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu
erinnern und unter anderem mehr Sendezeit für Dokumentarfilme
einzufordern. Dies mag zwar nur ein Appell sein, aber zumindest
ist die Debatte darüber in Gang gesetzt worden. Die Stimmen, die
einen radikalen Umbau der Film-und Förderlandschaft fordern,
mehren sich, wobei vornehmlich lautstarke Einzelinteressen aus
dem Chor zu vernehmen sind, wo ein umsichtiger Blick für das
Große und Ganze vor dem Hintergrund der Konvergenz und
Verteilungskämpfe geboten wäre.
Cornelia Klauß
Die Beschränkung des FFG auf drei Jahre verweist von vornherein auf eine gewisse Vorläufigkeit. Die runden Tische werden gar
nicht erst beiseite geschoben, die Hinterzimmerpolitik wird weiter
vorangetrieben. Der Hintergrund dafür ist, dass das FFG von einer großen Kinokette grundsätzlich in Frage gestellt und attackiert
wird, u.a. mit dem Argument, dass man „nur ein geringes Interesse“ an der Produktion von deutschen Filmen hätte. Die Klage
6
IM RAHMEN DER 7. NOVELLE DES FILMFÖRDERUNGSGESETZES (FFG) GEHT ES AUCH
UM EINE HÖHERE VERBINDLICHKEIT FÜR DIE
BARRIEREFREIHEIT VON FILM UND KINO.
BARRIEREFREIHEIT
AUCH BEI FILM, TV
UND KINO!
Barrierefreiheit bedeutet mehr als rollstuhlgerecht. Dieser Satz erhebt den Anspruch, dass Menschen trotz ihrer Beeinträchtigung beim Hören, Sehen, Sprechen oder durch Körperbehinderungen
ungehinderte gesellschaftliche Teilhabe möglich wird. Davon sind wir noch weit entfernt. Gesenkte Kantsteine bei Gehwegen, behindertengerechte Toiletten, Fahrstühle, spezielle Angebote auf
Sportplätzen, bei Bus und Bahn machen deutlich: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Aber es geht um mehr, wenn die freie gesellschaftliche Partizipation das Ziel sein soll. In unserem Land leben mehr als 9,6
Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die gehandicapt sind,
11,7 Prozent der Bevölkerung. Jeder Zehnte von uns gehört dazu.
Um ihnen gerecht zu werden, haben die UN 2006 die weltweit
geltende Behindertenkonvention verabschiedet. Drei Jahre später
trat sie bei uns in Kraft. Für Kunst und Kultur ist besonders der
Artikel 30 maßgebend. Er schreibt einen ungehinderten Zugang
zu Film und Fernsehen, zu Kino und Theater vor. Eine Zielvorgabe ohne Wenn und Aber. Bereits bei der fünften Novellierung
des Filmförderungsgesetzes unterstützten alle die Initiative von
Bernd Neumann, dem Staatsminister für Kultur und Medien, der
die Schaffung von Barrierefreiheit als Fördertatbestand in das
Gesetz eingebracht hatte. Parlament und Regierung hofften, dass
diese Kann-Bestimmung eine Signalwirkung für die Filmwirtschaft
haben würde, mehr für Behinderte zu tun. Das Resultat nach vier
Jahren Laufzeit des Gesetzes ist mehr als ernüchternd. Die FFA
ermittelte, dass nur 1 % aller Filme als barrierefrei gelten können.
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband stellte fest,
dass kein einziger Auftrag einer Hörfilmproduktion auf die Gesetzesänderung zurückzuführen war. Und auch bei vielen Kinomodernisierungen – nicht bei allen – waren an Behinderten orientierte Umbauten nicht zu erkennen. Der Eingang für große Rollstühle
blieb zu eng, ein Fahrstuhl wurde vergessen. Anlass genug für
die Abgeordneten, im neuen Filmförderungsgesetz verbindliche
Regelungen für Filme und Kinosäle zu fordern.
Für Seh- und Hörbehinderte ist die Miterlebnistechnik ausgereift,
und die Kosten sind überschaubar. Für Blinde und Sehbehinderte
bietet sich die Audiodeskription an, für hörbehinderte Menschen
die Untertitelung. Die Audiodeskription eines 90-Minuten-Films
kostet ca. 5.000 Euro, die Untertitelung ca. 1.000 Euro. Gemessen an den Produktionsbudgets vieler Kinofilme sind dies sehr
kleine Summen! Über die oben erwähnte Neuerung in der letzten
FFG-Novelle hinaus gab es bisher schon Fördermöglichkeiten für
praktisch alle Glieder der Produktions- und Verwertungskette
Barrierefreies Kino:
Im Kino Eschborn K schon
Realität
von Filmen: die Verleihförderung und die Förderung des Video-/
DVD-Bereichs sowie für die Filmtheater. Die Resonanz auf alle
diese Förderangebote war verschwindend gering. Es besteht
Handlungsbedarf. Wir leben in einer alternden Gesellschaft.
Allein 1,3 Millionen Menschen meiden das Kino, weil ihre Augen
und Ohren schwächer geworden sind. Die verdienstvolle Initiative Vision Kino geht von der zehnfachen Zahl von Menschen
aus, die zwar nicht als behindert gelten, aber sich von Film und
Kino ausgegrenzt fühlen, weil auf ihre Schwächen nicht eingegangen wird. Hier kann der Kinobetreiber, wenn er es denn will,
mit der Digitalisierung nicht nur die Abspielqualität verbessern,
sondern durch die neue Technologie individuelles Hören und
Sehen in noch nie dagewesener Form ermöglichen. Unterstützung
ist notwendig, Darlehen helfen, gehören dazu. Was für den Film
gilt, gilt in Zukunft verstärkt auch für das Fernsehen, besonders für die öffentlich-rechtlichen Sender. Die 2013 eingeführte
Haushalts- und Betriebsstättenabgabe muss auch von Seh- und
Hörgeschädigten gezahlt werden muss. Dann müssen auch die
Fernsehsender barrierefreie Filme anbieten.
Mit der Siebten Novelle des Filmförderungsgesetzes bringt der
Deutsche Bundestag auf Initiative der christlich-liberalen Koalition die Barrierefreiheit nun verbindlich voran: Von allen durch
die Filmförderungsanstalt geförderten Filmproduktionen muss
zukünftig eine barrierefreie Fassung hergestellt werden. Die
Unterstützungsmöglichkeiten für die barrierefreie Umrüstung der
Kinosäle wurden verbessert.
Doch Beschlüsse alleine reichen nicht aus. Es muss zu einer
verbesserten Wahrnehmung bei allen Beteiligten und in unserer
Gesellschaft kommen, dass für Menschen mit Handicap eine
uneingeschränkte Teilhabe auch an Kunst und Kultur möglich ist,
so wie es die UN-Konvention sichergestellt wissen will.
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) MdB Kultur- und medienpolitischer Sprecher
der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
7
FILM- UND
KULTURPOLITIK
ALLE MACHT
DEM
GESCHÄFTSFÜHRER
Kunst & Geld in der Kulturpolitik werden zunehmend von
Stiftungen bestimmt – mit verheerenden Folgen für den deutschen
Film. Über die Strukturschwäche der deutschen Förderlandschaft.
Ohne Stiftungen geht kaum mehr etwas im Kulturbereich. Gäbe
es keine Stiftungen, säße das Museum auf seinen Beständen, der
Kunstverein könnte nichts ausstellen, das Filmfestival seinen
Wettbewerb zwar abhalten, aber keine Retrospektive zeigen, das
Stadttheater seine Pflichten den Abonnenten gegenüber erfüllen,
aber kaum mit Uraufführungen und Projekten den Sprung ins
überregionale Feuilleton schaffen. Hier entsteht eine neue Macht,
denn die Entscheidung über die Verwendung öffentlicher Mittel
wird mit erklärtem Willen von Politik und Ministerialbürokratie zunehmend in solche mehr oder weniger privatrechtlich
strukturierten Körperschaften verlagert. Das Land Sachsen etwa
erwog vor einiger Zeit, sämtliche Mittel der öffentlichen Kulturförderung in privatrechtliche Strukturen zu überführen. Dem
einen oder anderen kamen dann aber doch noch ein paar verfassungsrechtliche Bedenken. In Nordrhein-Westfalen sollten zuletzt
alle noch ministerialer Hoheit unterstellten Mittel für Festivals,
Werkstätten und Publikationen im Bereich Film der Film- und
Medienstiftung NRW übertragen werden, nachdem dort die kulturelle Förderung bereits vor Jahren wegen „Ineffizienz“ aufgelöst
und an die erkennbar wirtschaftlich ausgerichtete große Schwester
übertragen worden war. Die Geschäftsführung der Stiftung hätte
dann ohne Gremien auch über all jene entschieden, die über die
von ihr geförderten Filme zu entscheiden haben. Nach Protesten
der Betroffenen wurde das Vorhaben durch die Ministerpräsidentin abgeblasen. Die Film- und Medienstiftung NRW fördert
seit einigen Jahren großzügig das Kinofest Lünen, das regelmäßig
zahlreiche von ihr geförderte Filme zeigt. Zwischenzeitlich war
dessen Festivalleiter sogar bei der Stiftung angestellt.
In Deutschland sind auf diese Weise und ohne dass dies in der
Öffentlichkeit besondere Wahrnehmung erfahren hätte, bereits
fast alle Mittel der Filmförderung – ob für Filme selbst oder für
Festivals, Publikationen usw. – und auch wichtige Bestandteile
der Kunstförderung solchen Strukturen übergeben worden. Die
Tendenz dieser Entwicklung ist steigend.
SYSTEM DES ROTEN TEPPICHS
Wer auf diese Weise etwas abstößt, will etwas gewinnen. Die
Entwicklung wird nicht von den einfachen Abgeordneten vorangetrieben, sondern durch die politische Elite der Fraktionsvor8
© Kurzfilmtage/Volker Hartmann
stände und Ministerien, die hinsichtlich der Aufgaben, die sie in
Aufsichtsräten und anderen Organen volksvertretend ausübt, seit
jeher ein enges Verhältnis zur Macht pflegt. Die Politik gewinnt
Selbstdarstellungsmöglichkeiten; das ist der Pakt. Sichtbarkeit ist
alles. Die nächste Landtags- oder Senatswahl kommt bestimmt.
Einer der Fraktionssprecher im nordrhein-westfälischen Landtag
machte deutlich, worum es im Grunde geht und worin der Vorteil
einer Verlagerung öffentlicher Mittel für die Zuwendungsempfänger liegen soll: der Unbeständigkeit parlamentarischer Entscheidungen zu entgegnen. Mit anderen Worten: Sind die Fördermittel
einmal verlagert, hat das Parlament nichts mehr mitzureden. Entscheidungen sind somit demokratischer Dynamik entzogen und
der zumindest strukturell möglichen Willkür Einzelner nunmehr
fast schutzlos ausgeliefert. Gleichwohl fühlen sich viele Volksvertreter und Beamte – selbst im engen Korsett von Erlässen und
Sparzielen – durch ein solches System von der Last der Verantwortung und der sachlichen Komplexität entlastet und erhoffen
sich einen personellen wie finanziellen Handlungsspielraum, den
sie längst verloren haben.
Die neu gegründeten Stiftungen und GmbHs bieten Politik und
Ministerialbürokratie allemal bessere und attraktivere Darstellungsmöglichkeiten bei gleichzeitig abnehmendem Aufwand. Auf
einmal sitzt man selbst in den Aufsichtsräten und immer in der
ersten Reihe, man nimmt selbst maßgeblich Einfluss auf Personalentscheidungen, und das schafft eine neue Verbindlichkeit. Auf
Pressekonferenzen, auf Fotos, auf Premieren und Empfängen,
immer in glanzvollem Rahmen, gerne auch im Ausland, ist man
nun prominent vertreten. Es ist das System der roten Teppiche.
DER FÖRDERINTENDANT
So wird zugleich ein neuer Typus des Kulturförderers geschaffen.
Während die Ministerialbürokratie stets weitgehend auf eigene Initiativen verzichtete und bemüht war, im Stillen und unter direkter
Aufsicht der Politik immer ebenso gesichts- wie auch farblos eine
konjunkturunabhängige, sachverständige und dauerhafte Fördersituation zu erzielen, ist der Geschäftsführer der immer mächtiger
werdenden Stiftungen tendenziell von ganz anderen Motiven geleitet, da er öffentlich stärker unter Beobachtung steht und daher
unter kurzfristigem Erfolgsdruck.
Der Geschäftsführer bewegt sich mit den großen Namen und den
Vertretern der Presse auf Du und Du und fährt mit einem relativ
kurzfristigen Förderhorizont mit absehbaren Ergebnissen und
Evaluierungen allemal besser als mit einer unspektakulären institutionellen Förderung oder der Unterstützung unbekannter junger
Künstler, bei der er sich mit der Darstellung des Logos zufriedengeben müsste. Kulturförderer aber werden selbst zu einem Teil der
künstlerischen Umsetzung in dem Maße, wie ihre persönlichen
Interessen in das Projekt einfließen. Der Kulturförderer wird zum
Förderintendanten. Somit besteht die Gefahr, dass finanzielle Entscheidungen in erster Linie der kurzfristigen Legitimation dienen,
nicht der langfristigen Investition.
GREMIENFREIE ZONE
Die Gewaltenteilung zwischen denen, die Kultur fördern, und
denen, die Kultur machen, erodiert. Es entsteht ein Unbehagen
über eine strukturelle Konzentration und Alleinstellung von
Fördermitteln, nicht selten in der Hand einer Person, die teilweise
ohne Gremien über große Fördersummen entscheiden kann, von
denen eine große Anzahl von potenziellen Zuwendungsempfängern direkt oder indirekt abhängig ist, weil keine oder nur wenige
Alternativen bestehen. Der Förderintendant konzentriert Entscheidungsgewalt und reklamiert zugleich Sichtbarkeit. Er wird
zum Mäzen, ohne notwendigerweise für künstlerische Qualität
einzutreten. So wird Kulturförderung zum Repräsentationszweck
und Standorteffekt. Das ist neu und wirft die Frage auf, wie
verfassungskonform eine solche Entwicklung ist, die Kulturförderung zunehmend politisiert. Was staatsrechtlich korrekt sein mag,
kann kulturpolitisch gesehen doch eine erhebliche Einschränkung
demokratischer Prinzipien darstellen. Norbert Lammert hielt in
einer klugen Rede zum zehnjährigen Jubiläum der Kulturstiftung
des Bundes fest: „Der Zweck der Kulturpolitik ist Kultur, nicht
Politik“.
Das Medienboard Berlin-Brandenburg, das mit fast 30 Millionen
Euro pro Jahr ebenfalls in nicht unwesentlichem Umfang öffentliche Mittel verausgabt, hat schon vor geraumer Zeit ein Intendantenmodell als gremienfreie Zone eingerichtet. Aber auch Gremien
garantieren kein künstlerisches Niveau, wenn sie treue Diener
von Herren sind, deren Interessen in der Regel kaum kulturell
genannt werden können. In vielen Gremien sitzen Vertreter, die
von den Gesellschaftern entsandt werden. Dies gilt nicht nur für
die zur Film- und Medienstiftung NRW Entsandten aus den Fernsehanstalten, die dafür sorgen, dass die geförderten Filme ihren
Normen entsprechen.
Selbst eine vergleichsweise kleine, mit weitaus weniger als einer
Million Euro ausgestattete Stiftung wie das Kuratorium junger
deutscher Film, das einmal so etwas wie kulturelle Filmförderung
in Deutschland überhaupt begründete, ist mittlerweile in fester
Hand all derer, die auch in den großen Stiftungen das Sagen
haben: Dies ist in erster Linie die Fernsehwirtschaft, es sind aber
auch die Förderanstalten selbst, die sich auf diesem Wege mittelbar selbst unterstützen, da Filmprojekte in der Regel nicht nur
mithilfe einer einzigen Förderung zustande kommen. Derzeit werden Förderentscheidungen, die den deutschen Film unmittelbar
oder mittelbar betreffen, fast ausschließlich durch Gremien getroffen, die von institutionellen Interessen abhängig sind, das Amt des
Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM)
einmal ausgenommen.
Gleichwohl hat das BKM – abgesehen von den Preisgeldern für
Kurzfilm – die Mittel des Deutschen Filmpreises einer Institution
überlassen, die zur Entscheidungsfindung eine Abstimmung unter
ihren Mitgliedern, denen Sachverstand offenbar von Berufs wegen
unterstellt wird, als hinreichend ansieht. So hat sich ein Preis für
künstlerische Qualität, der zuvor auf Grundlage einer Diskussion
unter Juroren vergeben wurde, in der Deutschen Filmakademie
zu einem Preis für den beliebtesten Film entwickelt. Auch hier
gilt also das Diktat der Quote. Das Leitbild des Preises ist nicht
mehr qualitativer Anspruch, sondern Erfolg; die Unterscheidung
zwischen Qualität und Erfolg wird aufgehoben.
Dies ist Ausdruck eines politisch-industriellen Komplexes, der
in seinen Entscheidungen unentwegt eigene reduktionistische
Ansprüche und institutionelle Interessen reproduziert. Ein solches
System droht, der Kultur die Extreme zu amputieren.
Immer weniger Personen entscheiden über immer mehr Mittel
und sind dabei immer weniger unabhängig. So werden Antragsteller von einem kleinen Kreis von Entscheidungsträgern abhängig.
Das befördert ein Klima der Angst und kulturellen Uniformität.
Mit Widerspruch ist kaum zu rechnen, sind doch die Betroffenen
zugleich Abhängige. Bei dem Leiter einer großen Filmstiftung
durften Medien und Institutionen nicht mehr mit Förderung oder
Anzeigen rechnen, wenn sie sich kritisch zeigten.
Wie weit der Einfluss der Geschäftsführer mittlerweile reicht,
kann man daran ablesen, dass die ehemalige Generalsekretärin
einer Kunststiftung den ihr unliebsam gewordenen künstlerischen
Leiter absetzen konnte. Als Hauptförderin durfte sie sich zugleich
als Trägerin fühlen. Eine Nachfrage im zuständigen Ministerium
wurde zunächst gar nicht und dann nach einem Jahr und weiteren
Nachfragen lapidar mit einem Schreiben beantwortet, das am
Ergebnis freilich nichts änderte. Nicht aber die Personen sind das
Problem, sondern Strukturen, in denen Personen zum Problem
werden können.
Lars Henrik Gass
veröffentlicht in der Wochenzeitschrift „Freitag“ vom 17.01.2013
9
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Slawoj Zizek, internationaler Philosophie-Star mit Hang zu provokanten Thesen, auch Kenner der Filmgeschichte, hat im Rahmen eines Vortrags in Zürich eher beiläufig angemerkt: „Schauen
wir uns Eisensteins Montagetheorie an. Alles die Sprache eines
Folterers, es wird geschnitten, es wird umkomponiert, es ist eine
extrem brutale Sprache denaturalisierter Realität, wie Frankensteins, die man neu zusammensetzt.“
Eisenstein als Dr. Frankenstein? Die Provokation einmal beiseitegelassen – Zizek greift hier durchaus einen interessanten Aspekt
auf. Nicht von ungefähr ist gerade die Massakerszene auf der
Hafentreppe von Odessa aus dem Panzerkreuzer Potemkin (1925)
die Szene, die in der Filmgeschichte wie keine andere Szene auf
vielfältige und unterschiedlichste Art und Weise nachhallt. Die vielen Zitate, Hommagen und Parodien dieser Szene summieren sich
in ihrer Gesamtheit zu einem eindrucksvollen Beleg für die andauernde Faszination, die bis heute von ihr ausgeht – völlig losgelöst
vom ursprünglichen politischen Kontext des Films. So kann, um
nur ein bekanntes Beispiel zu nennen, in Brian de Palmas The
Untouchables (1987) aus einem vom zaristischen Militär verübten
Massaker an der Zivilbevölkerung ein exzessiver Schusswechsel
zwischen Polizisten und Gangstern auf der Marmortreppe des
Hauptbahnhofs von Chicago werden. Neben der Verbeugung
vor einer ikonischen Szene der Filmgeschichte orientiert sich de
Palma bei seiner Szene an der meisterhaft gehandhabten dramaturgischen Mechanik der Originalszene, an deren unerbittlichem
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Schnittrhythmus, an der emotionalen Zuspitzung auf den Kinderwagen, der führungslos die Treppe herunterrumpelt und immer
wieder als Zitat in der Filmgeschichte auftaucht, so wie die
Hafentreppe in Odessa noch immer eine Touristenattraktion ist.
So gesehen, könnte man die Eisenstein’sche Treppenszene auch
in einen neuen historischen Zusammenhang einordnen. Dann
stünde sie am Anfang einer Reihe von filmhistorischen Schlüsselszenen, die sich alle durch eine „gewalttätige“ Montage auszeichnen: Der Entscheidungskampf zwischen Samurais und Banditen
in Akira Kurosawas Die sieben Samurai (1954), dem erklärten
Vorbild für die blutigen Schießorgien in Sam Peckinpahs The
Wild Bunch (1969) und Arthur Penns Bonnie and Clyde (1967).
Von der Duschszene in Psycho (1960) ganz zu schweigen …
Das alles sind Beispiele für die von Zizek vorgeworfene „extrem
brutale Sprache“ Eisensteins, die inzwischen zur gängigen Münze
in jedem aktionsbetonten Genrefilm geworden ist. Also Eisenstein
als einer der Ahnherren filmischer Gewaltdarstellung? Spinnen
wir den Gedanken etwas weiter, und schauen wir uns Streik
(1924) an, kurz vor dem Panzerkreuzer entstanden.
Auch hier kommt es am Ende zu einem Massaker, wenn die
zur Niederschlagung des Streiks heranreitenden Kosaken die
fliehenden Arbeiter mit ihren Familien vor sich her treiben und
sie regelrecht abschlachten – versinnbildlicht durch eine kurze
Montagefolge vom Abschlachten eines Ochsens. Auf sie folgt ein
langer Kameraschwenk über ein von so vielen Körpern bedecktes
Die berühmt gewordene Treppe
in Odessa aus Eisensteins
Panzerkreuzer Potemkin,
UdSSR 1925
Stachka/Streik
von Sergej Eisenstein,
UdSSR 1924
Feld, dass vom Boden kaum mehr etwas zu sehen ist. Die Leichen
liegen, das muss man so sagen, malerisch hindrapiert, wie auf
einem Gemälde nach der Schlacht. Dieses Muster eines sorgsam
komponierten Leichen-Arrangements kehrt in Filmen immer
wieder, jüngst erst in Steven Spielbergs Lincoln (2012), als Daniel
Day-Lewis als Abraham Lincoln ein mit gefallenen Soldaten drapiertes Schlachtfeld abschreitet. Unwillkürlich ertappt man sich
als Zuschauer dabei, dass der Aufnahmeleiter durchs Megaphon
„fertig“ brüllt und alle „Leichen“ aufstehen, sich recken und
strecken.
Unter diesem Aspekt kann man auch Streik neue Facetten abgewinnen. Trotz seines dramatischen Sujets und seines tragischen
Ausgangs, trotz seines klassenkämpferischen Pathos’, hat der Film
etwas Verspieltes, man merkt ihm eine große Lust an der Inszenierung an, als wenn das Motto geheißen hätte: Wir vom ProletkultTheater mischen jetzt mal das revolutionäre Kino auf, mit schrägen Typen wie Spionen mit Schlapphüten, Lumpenproletariern
wie aus dem Zirkus, Zigarre rauchenden, feisten Kapitalistenfieslingen, bei denen ein Liliputanerpaar zwischen Champagnerkübeln auf dem Tisch tanzt, und mit doch recht farblos wirkenden, aber moralisch vorbildlichen Arbeitern – die dann zum Ausgleich aber ihre konspirativen Treffen auf dem Männerklo oder
auf dem Friedhof, beim Baden im Hafenbecken oder während
eines Musikumzuges abhalten. Eisenstein lässt in seinem ersten
großen Film die Puppen tanzen. Streik hat eine ironisch-subversi-
ve, das politische Pathos unterlaufende Aura, die dem in strengere
Form gegossenen Panzerkreuzer abgeht.
Dieses subversive Element kommt dann später noch einmal beim
zweiteiligen Iwan, der Schreckliche (1944) ins Spiel, der während
des Krieges weitab von Moskau in Alma-Ata gedreht wurde.
Ganz anders als im vor dem Krieg entstandenen Heldenepos
Alexander Newskij (1938) spürt man hier die Gratwanderung
zwischen auftragsgemäßer Stalin-Apologetik und der Darstellung
eines der Hybris der Macht verfallenen Zaren. Die sich immer
mehr verdüsternde Stimmung im zweiten Teil gipfelt in einer
gespenstischen Tanzeinlage der Opritschniki, der persönlichen
Leibgarde Iwans – einer Art schwarz gewandeten Terrortruppe
des Zaren zur Ausschaltung seiner politischen Gegner, der adligen
Bojaren. Dass diese Szene in Farbe, auf erbeutetem Agfacolor-Material, gedreht wurde, verstärkt noch den Charakter einer latent
subversiven Shownummer: Hier tanzen nicht nur die Opricniki,
sondern auch die Geheimdienstleute des amtierenden schrecklichen Zaren Stalin. Die völlig aus dem Kontext des Films fallende
musikalische Einlage hat einen konkreten Bezug: Musikfilme
waren ein populäres Genre im sowjetischen Tonfilm, und Stalin
ihr prominentester Fan. Er war über den zweiten Teil des Herrscherporträts „not amused“, und so kam dieser erst nach seinem
Tod an die Öffentlichkeit.
Ernst Schreckenberg
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veranstaltungen
Kolloquium
der Deutschen Kinemathek
am 13. und 14. September 2013
Sammeln, Sichern, Sehen:
Was ist eine Kinemathek?
Kinematheken als Kulturinstitutionen sind keine hundert Jahre alt
und somit erheblich jünger als die ihnen verwandten, altehrwürdigen Bibliotheken. Zwar müssen sich diese wie jene angesichts des
radikal veränderten Nutzungsverhaltens und der technologischen
Möglichkeiten neu ausrichten, doch sind die Herausforderungen
für die Kinematheken ungleich größer, denn ihr Gegenstand selbst
verändert sich rasant, nimmt unterschiedliche Formen an und ist
gesellschaftlich und medial viel verflochtener
als Bücher und Texte es sind. Gleichzeitig sind
sie mit ihren Archiven dem Erhalt verpflichtet
und pflegen somit einen wortwörtlich konservativen Zugang.
Anlässlich des 50jährigen Bestehens der Deutschen Kinemathek nimmt das Kolloquium
am 13. und 14. September eine Standortbestimmung vor. Dabei soll es auch – aber nicht
vorrangig – um die Geschichte dieser spezifischen Institution gehen. Die Beschäftigung mit
den Ursprüngen, der Entwicklung sowie dem
derzeitigen Selbstverständnis und der weiteren
Zielsetzung der Deutschen Kinemathek soll
vielmehr symptomatisch den Wandel der sozialen, politischen und ästhetischen Rolle abbilden, dem zumindest die westlichen Kinematheken unterliegen. Es
ist an der Zeit, Bedeutung, Aufgaben und Perspektiven einer modernen Kinemathek neu zu definieren: Wie können Kinematheken
und Filmarchive weiterhin oder erneut zu einem zentralen Ort der
Filmkultur und der Generierung, Speicherung und Vermittlung
filmischen Wissens werden? In Vorträgen und Gesprächsrunden
wird es um die Aufgaben von Archiven gehen, um Sammlungspraktiken und ihre Fallstricke und nicht zuletzt um das Zeigen und
Vermitteln der Archivgüter, sei es in Ausstellungen, in Kinoprojektionen oder auf ganz neuartigen Wegen. Im Vordergrund wird
dabei die Frage stehen, wie Kinematheken dazu beitragen können,
Filmkultur lebendig zu halten, auch unter neuen technischen Bedingungen und veränderten gesellschaftlichen Erwartungen.
Auch ein Kinderkolloquium findet wieder statt,
bei dem sich parallel zu diesem Thema alles um
das Archiv drehen wird: Die Reise ins Archiv führt
in die Vorzeit des Kinos und erkundet die Laterna
Magica. Filme rund ums Sammeln zeigen, wie viel
Spaß das Kindern und Erwachsenen machen kann.
Kinopreis des Kinematheksverbundes
Am Freitag, dem 13. September 2013, wird wieder
der Kinopreis des Kinematheksverbundes in der
Deutschen Kinemathek vergeben. Bei der vierzehnten Preisverleihung wird erneut das filmkulturelle
Engagement und die Auseinandersetzung mit einer vielfältigen Filmgeschichte ausgezeichnet. Die
Jury besteht weiterhin aus Stefanie Eckert (DEFAStiftung, benannt vom Kinematheksverbund),
Birgit Gamke (Die Filmagentinnen, benannt von der AG Verleih),
Rosemarie Schatter (Filmprogrammmacherin, Kritikerin u.v.m.,
benannt vom Verband der Filmjournalisten), Angela Haardt (Festivalkuratorin, Kinoleiterin u.v.m., benannt vom Bundesverband
kommunale Filmarbeit) und Gunter Hanfgarn (Regisseur und Produzent, benannt von der AG Dokumentarfilm).
Anke Hahn
Information
Das vollständige Programm des Kolloquiums wird im Juli 2013 unter
www.deutsche-kinemathek.de veröffentlicht.
Fragen und Anmeldungen zu Kolloquium, Kinderkolloquium und
Kinopreis beantwortet Anke Hahn: [email protected],
Tel. 030/30090331
Die Bewerbungsfrist für den Kinopreis ist der 30. Juni 2013.
Informationen und Unterlagen zum Kinopreis gibt es unter
www.deutsche-kinemathek.de: Filmverleih: Kinopreis 2013
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9. KONGRESS
DES BUNDESVERBANDES
KOMMUNALE FILMARBEIT
IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM
DEUTSCHEN FILMINSTITUT
MIT BLICK ZURÜCK
NACH VORN 14.06. – 16.06.2013
FRANKFURT-MAIN,
KINO IM DEUTSCHEN
FILMMUSEUM
Die Geschwindigkeit, mit der sich die Kinolandschaft verändert,
erfordert eine permanente Neujustierung. Der Schlüssel, um
neben den diversen parallelen Abspielformen von Bewegtbildern
zu bestehen, ist für Kinomacher die ständige (Er-)Findung neuer
Präsentationsformen mit Bekenntnis zum Kinoformat sowie die
Stärkung des Kinos als sozialen Ort.
Claudia Dillmann, Leiterin des Deutschen Filmmuseums in
Frankfurt, wird über Bestand und Gefährdung von „Filmkultur
in der digitalen Ära“ berichten und das Großprojekt „Europeana:
Erster Weltkrieg in Alltagsdokumenten“, dass bezeichnend dafür
ist, wie die Aufbereitung von historischen Filmen und Materialien
für das Internet immense Aufmerksamkeit erfährt, vorstellen.
In den Zusammenhang der Etablierung des Hybridmodells, das
analoge und digitale Projektion gleichberechtigt versteht, gehört
auch die 3D-Projektionstechnik. Diese hat im künstlerischen
Segment ebenso wie im historischen Rückblick ihre Berechtigung
bewiesen. Stefan Drößler, der Leiter des Filmmuseums München,
wird die Entwicklung des 3D-Formats in einem Parforceritt durch
100 Jahre Film-und Kinogeschichte nachvollziehen.
Paart sich diese Tendenz mit dem allmählichen Verschwinden
des Repertoirefilms im Kino? Torsten Frehse vom Verleih Neue
Visionen weiß einerseits von einem neuen Interesse der jüngeren
Generation an Klassikern zu berichten. Andererseits wird die
Arbeit mit dem Repertoire immer komplexer.
Eine kühne Variation des Daumenkinos bietet Volker Gerling
mit seinem Rückgriff auf die Filmgeschichte: Daumenkino heute:
Bilder lernen laufen, indem man sie herumträgt. Dieser Vorform
des Kinos fügt er eine ganz zeitgenössische Interpretation hinzu,
indem er Projektion mit Performance und Dokumentarisches mit
Daumenkino auf kongeniale Weise verknüpft.
Bei der Suche nach neuen Präsentationsformen kommt ein Modell
ins Spiel, das bislang dem Internet vorbehalten war und nun
den Weg zurück ins Kino findet: Cinema on demand. Beruhend
auf der Idee der „Collaborative Consumption“-Bewegung, dem
Prinzip „teilen, statt kaufen“, findet sich über Plattformen eine
Community von Cineasten zusammen. So werden Risiko und
Vergnügen gleichermaßen geteilt.
Mit einem weiteren Programmpunkt wollen wir an die Anfänge der Kommunalen Kinobewegung anknüpfen. Kulturelle
Filmarbeit ist von Beginn an eng mit einem bildungspolitischen
Auftrag verbunden, der insbesondere bei kleineren Häusern seine
Praxis in der nicht-gewerblichen Filmarbeit gefunden hat. Für
diesen Bereich existieren rechtliche Rahmenbedingungen, die
durch den Wegfall des 16mm-Verleihs und der Hinwendung zum
BluRay-Format eine Transformation erfahren haben. Vor dem
Hintergrund der Frage, was überhaupt „Öffentlichkeit“ ist, wird
über Verlagerungen und Abgrenzung diskutiert. Der Tradition
der letzten Kongresse folgend, wollen wir einen Blick auf unsere
europäischen Nachbarländer werfen. Wie hat sich die Kinolandschaft dort im Einzelnen verändert? Bastian Sillner, Projektkoordinator bei Europa Cinemas, wird über den Entwicklungsstand in
verschiedenen Ländern referieren.
Cornelia Klauß
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PROGRAMM
FREITAG, 14.06.13
15.30
BEGRÜSSUNG
Christiane Schleindl (Vorsitzende BkF e.V.)
ERÖFFNUNGSVORTRAG
Claudia Dillmann (Leiterin des Deutschen Filminstituts und Direktorin des Deutschen Filmmuseums):
Filmkultur in der digitalen Ära
17.15
VORTRÄGE
Reinhold Schöffel (Geschäftsführer, Bundesverband Jugend und Film):
Gewerblich / nicht-gewerblich – Bildungsarbeit im Wandel
Johannes Klingsporn (Geschäftsführer Verband der Filmverleiher):
Von der Allgegenwart an Filmen
Anschließend Diskussion mit Peter Bär (Jurist des BKF), Stefan Drößler (Filmmuseum München),
Johannes Klingsporn und Reinhold Schöffel
20.30
ÖFFENTLICHE VORFÜHRUNG
Volker Gerlings Daumenkino:
Bilder lernen laufen, indem man sie herumträgt
3000 Kilometer ist er zu Fuß durch Deutschland gelaufen und
porträtiert dabei Menschen, denen er auf seiner Wanderschaft
begegnet. Dann auf der Bühne blättert er die Fotos, projiziert sie
in Echtzeit auf die Leinwand und erzählt die Geschichten der Porträtierten. Die vom Daumen bewegten Bilder lernen per Videotechnik das Laufen auf der Leinwand und aus Daumenkino wird großes
Kino en miniature.
Im Anschluß:
Empfang des Bundesverbandes Kommunale Filmarbeit und des Deutschen Filminstituts
SAMSTAG, 15.06.13
10.00
VORTRÄGE
Aidin Ahmadi (Betreiber der Plattform BeMyMovie):
Zuschauer entscheiden! Über die Chancen von Cinema-on-Demand
Susanne Heinz und Yvonne Dessoy (Förderverein Kinokultur Bingen e. V.):
Trailer-Werbung auf dem Marktplatz
11.30
VORTRAG
Bastian Sillner (Projektkoordinator Europa Cinemas):
Digitaler Rollout in Europa. Ein Überblick über die aktuelle Situation und die Folgen der Digitalisierung
14.30
(I) DISKUSSIONSRUNDE
Arbeitsgruppe Hochschulkinos:
Wege und Strategien für die Zukunft der Unikinos
14.30
(II) ÖFFENTLICHE VORFÜHRUNG
Rekonstruktionen des Filmmuseums München
Female Comedies aus den 1920ern und 1930ern
mit Anita Garvin, Marion Byron, Thelma Todd und ZaSu Pitts, USA, OF, ca. 80 min, am Flügel: Ulrich Rügner
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Der große Erfolg der Laurel & Hardy-Filme Ende der 1920er
Jahre ließ im Hal-Roach-Studio schon bald die Idee aufkommen,
ein Pendant mit zwei weiblichen Darstellern zu finden. Mit Anita
Garvin und Marion Byron kreierten sie ein geniales Couple, deren
Zusammenarbeit aber nur drei Filme währte. Thelma Todd spielte
zwischen 1926 und 1935 allein in rund 40 Filmen, bevor sie 29jährig unter mysteriösen Umständen starb. ZaSu Pitts, auch bekannt
aus Erich von Stroheims Greed, stand den männlichen Kollegen ins
nichts nach. Es gibt zahlreiche Querbezüge zwischen den Filmen,
in denen auch Stan Laurel und Oliver Hardy Gastauftritte haben.
16.00
VORTRAG
Stefan Drößler (Leiter des Filmmuseums München):
Die Geschichte des 3D-Films
Verblüffenderweise haben bereits die Pioniere des Films, Max
Skladanowsky, Louis Lumière und Georges Méliès, bewusst oder
unbewusst mit stereoskopischen Filmaufnahmeverfahren experimentiert. Während der Olympischen Spiele 1936 wurden die
ersten deutschen 3D-Filme hergestellt, 1946 entstand in der Sowjetunion der erste abendfüllende 3D-Spielfilm der Filmgeschichte,
der in einem Kino mit Rasterleinwand und ohne Brillen aufgeführt
wurde. Stefan Drößler zeigt anhand von seltenem historischem
Bildmaterial die Entwicklung der verschiedenen technischen Systeme einer parallelen Filmgeschichte.
20.00
ÖFFENTLICHE 3D-VORFÜHRUNG
Man in the Dark (Der Mann im Dunkel)
R: Lew Landers, D: Edmond O’Brien, Audrey Totter, USA 1953, 70 min, OF
Ein Verbrecher verliert bei einer Gehirnoperation nicht nur seine
kriminellen Anlagen, sondern - sehr zum Leidwesen der Komplizen – auch die Erinnerung daran, wo das Geld aus dem letzten
Überfall versteckt ist. Durch Hinweise auf die richtige Fährte
gesetzt, liefert er sich mit einem Versicherungsagenten ein Wettrennen um die Beute.“ (Lexikon d. intern. Films) Und dieses dann
aber in 3D...
22.00
ÖFFENTLICHE VORFÜHRUNG
Aus dem Archiv des Deutschen Filminstituts:
I married a Witch (Meine Frau, die Hexe)
R: René Clair, D: Fredric March, Veronica Lake
USA 1942, 77 Min, OmU
Während der Hexenverfolgung in Salem gegen Ende des 17.
Jahrhunderts wird Jennifer von dem Puritaner Jonathan Wooley
verleumdet und daraufhin lebendig verbrannt. Vor ihrem Tode
verflucht sie ihn und seine Nachkommen dazu, stets die falschen
Frauen zu heiraten. Im Jahre 1942 kehrt sie in Gestalt einer jungen
Frau als Geist auf die Erde zurück und begegnet einem WooleyNachfahren, an dem sie ihre Rache ausleben will. Mit leichter
Hand, und der seiner Regie stets eigenen Poetik, schuf René Clair
eine buchstäblich „zauberhafte“ Komödie.
SONNTAG, 16.06.13
10.00
DISKUSSIONSPODIUM
Ist der Repertoire-Film-Markt tot?
Jörg van Bebber (Drop-out-Cinema eG), Torsten Frehse (Neue Visionen Filmverleih), N.N.
12.00
RUNDGANG
Deutsches Filmmuseum: Besichtigung der neuen Dauerausstellung
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ZU EMPFEHLEN
DER GEWINNER DES
FILMPREISES IST ...
HÉLIO OITICICA
Zum nunmehr 28. Mal hat der Bundesverband Kommunale Filmarbeit gemeinsam mit dem Kinomagazin FILM-DIENST den Caligari-Filmpreis vergeben. Die von den Kommunalen Kinos und dem
FILM-DIENST gestiftete Auszeichnung ist mit 4.000 Euro dotiert. Der Preisträger/die Preisträgerin
erhält 2000 Euro, die andere Hälfte des Betrages wird für Werbemaßnahmen verwendet, um weitere
Kinoaufführungen in Deutschland zu begleiten.
2011 konnte die Firma Trikoton als Sponsor eines ungewöhnlichen Preises dazugewonnen werden.
Das junge Modelabel aus Berlin stiftet eine Decke aus ihrer „Voice Knitting Collection“, in die Partitur-Auszüge der Komposition Guiseppe Becces zu dem expressionistischen Stummfilm Das Cabinet
des Dr. Caligari eingestrickt sind. Arsenal-Distribution hat den Film in seinen Verleih übernommen.
Ab Anfang Oktober kann der Film Hélio Oiticica als BluRay und DCP in der Originalfassung mit
deutschen Untertiteln bei Arsenal Distribution ausgeliehen werden.
Hélio Oiticica
Regie + Buch: Cesar Oiticica Filho, Brasilien 2012, 94 min, OmU
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DIE JURYBEGRÜNDUNG:
Ganz im Sinne Jack Smith’ muss man Hélio Oiticica einen flammenden Film nennen. Die Found-Footage-Montage von Cesar
Oiticica Filho, Neffe des brasilianischen Künstlers Hélio Oiticica,
ist eine rauschhafte Erzählung aus Bildern, Bewegungen und Texturen, aus Farben, Rhythmen und Tönen, die Oiticicas Grenzgängertum – zwischen Kunst und Film, zwischen Malerei, Skulptur
und körperlicher Erfahrung – zu ihrem zentralen Gestaltungsprinzip macht. Unterschiedliche, teils heterogene Medien und Materialien treffen aufeinander und werden organisch miteinander
verwoben, von Film- und Tonarchivaufnahmen über Fotografien
bis hin zu Skizzen und Zeichnungen, vom groben Korn des Filmbildes mit seinen Kratzern und seinem wilden Geflackere bis hin
zu den glatten Oberflächen digitaler Bildmedien.
Hélio Oiticica ist ein musikalischer Film und nicht nur, weil
in ihm wunderschöne Musik zu hören ist: er ist bestimmt von
Rhythmen und Tempowechseln, mal fließt er dahin, dann wieder
produziert er einen kaum zu bändigenden Überschuss; so werden
rasante Schnittfrequenzen aus Standbildern mit fluiden Kamerafahrten durch Räume und Installationen des Künstlers abgewechselt.
Der schillernde Erzähler des Films ist dabei Hélio Oiticica selbst.
Ebenso wie der Künstler die Malerei in den Raum erweiterte und
Körper in Skulpturen verwandelte, geht auch seine Erzählung
über die Grenzen einer Künstlerbiographie weit hinaus. Die Slums
von Rio de Janeiro, die Tropicália-Bewegung als Gegenentwurf
zur repressiven Politik der Militärdiktatur, künstlerische Produktivität in London und die Kunst des Müßiggangs in New York:
Oiticica streift das urbane Leben ebenso wie die brasilianische
Musik- und Filmszene und den New Yorker Underground. Und
er berichtet mitunter geradezu entfesselt von seinen vielfältigen
Interessen, Einflüssen und Begegnungen, von der Schönheit und
Gefahr der Straße – eine „sexuelle Initiation“ – , von Samba,
Kokain, Jimi Hendrix’ intensiver Beziehung zu seiner E-Gitarre,
von Karnevalsumzügen, den labyrinthischen Architekturen der
Favelas, dem Navigationssinn der Ameisen. Hélio Oiticica ist
anti-akademische (Kunst)geschichtsschreibung und eine Absage
an freudlose kuratorische Verwaltungsarbeit. Seiner kreativen
Praxis gab der Künstler zuletzt den Namen „Delirium Ambulatório“. Was immer das bedeuten mag: Hélio Oiticica ist eine
Einladung, sich davon infizieren zu lassen.
Die Jurymitglieder:
Esther Buss (FILM-DIENST)
Jutta Beyrich (Filmkuratorin,
Lena Martin (Studentischer
Wiesbaden)
Filmkreis, Darmstadt)
© Arsenal Distribution, Berlin
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ZU EMPFEHLEN
FILMTIPPS:
AFRIKANISCHES KINO
Les mécréants, Marokko/Schweiz 2011
YOOLE (SACRIFICE)
Regie: Moussa Sene Absa, Senegal 2010, 75 min, OmU
(Festplatte, USB-Stick, DVD)
Sie waren 53 Engel auf einer Pilgerfahrt in den Himmel. Auf
halber Strecke mussten sie einen riesigen Ozean überqueren – über
ihnen ein Albatros mit weiten Schwingen, der ihnen zusah. Doch
eines Tages, spät in der Nacht und bei mildem Mondschein, verschwanden sie plötzlich. Sie waren die letzten Seelen, die sich auf
hoher See opferten, und der Albatros am Himmel lächelte. Jahre
später wurden ihre Leichname an einer Küste angespült. Niemand
wusste, wer sie waren, nicht einmal ihre Nachfahren. Dieser Film
ist eine Aufforderung, ihnen und ihren Träumen Respekt zu erweisen.“ Das schreibt Regisseur Moussa Sene Absa über seinen Film
Yoole. Als einer der bedeutendsten westafrikanischen Filmschaffenden lehrte er an einer Hochschule in Barbados, als dort ein
Wrack mit einer gespenstischen Fracht angeschwemmt wurde: elf
Leichen von Flüchtlingen aus Westafrika. Das Boot kam aus Senegal, dem Heimatland des Regisseurs, und er machte sich mit seiner
Kamera auf den Weg dorthin um herauszufinden, was die Opfer
dazu bewegt hatte, ihr Land zu verlassen. Das Ergebnis ist eine
bedrückende Anklage gegen die Politik im Senegal und in Europa,
die Menschen ihrer Lebensperspektiven beraubt.
Yoole, Senegal 2010
LES MÉCRÉANTS
(THE MISCREANTS/
DIE UNGLÄUBIGEN)
Regie: Mohcine Besri, Marokko/Schweiz 2011, 88 min, OmU
(BluRay)
Auf Befehl ihres religiösen Anführers kidnappen drei junge Islamisten eine Gruppe von Schauspielern, die gerade mit ihrem
neuen Theaterstück auf Tournee gehen. Da die Kontakte der Entführer zu ihrer Organisation abbrechen, müssen sie sieben Tage
mit ihren Gefangenen in einem abgelegenen Versteck verbringen.
Eine lange Zeit, in der beide Seiten gezwungen sind, sich näher
kennen zu lernen. Regisseur Mohcine Besri: „Da sind auf der einen Seite Männer, die ihre elenden Lebensbedingungen satt haben
in einem Land wie Marokko, das sich in totaler Unordnung einem
Wandel zur Moderne verschrieben hat. Sie sehen für sich keine
Perspektiven und verrennen sich deshalb in religiösen Obskurantismus. Auf der anderen Seite stehen Männer und Frauen, die
zwar aus anderen Gesellschaftsschichten kommen, aber ebenso
unter dem korrupten System leiden. Auch sie können mit ihren
kulturellen Aktivitäten nicht mehr daran ändern als die anderen
in ihrem religiösen Extremismus. Diese Seiten begegnen sich in der
Regel nicht und vermögen deshalb hinter dem Bart des einen und
dem Minirock der anderen kaum den Menschen zu erkennen. Erst
die ungewollte Nähe bringt sie dazu, bisherige Gewissheiten in
Frage zu stellen.
Information
FilmInitiativ Köln e.V. | Projekt „Filme aus Afrika“
Heidemannstraße 76a, D-50825 Köln
Tel.0221-4696243
[email protected]
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DENKMAL FILM
ZWEI BÄNDE ÜBER DEN
FILM ALS KULTURERBE
VON ANNA BOHN
In zwei Bänden stellt die Kunsttheoretikerin Anna Bohn die Grundlagen zum Schutz des internationalen Filmerbes dar. Der Blick zurück
(Band 1) handelt von der Geschichte der Filmarchivierung, von nationalen und internationalen Konditionen und beschreibt vor allem Verluste. Die Perspektiven (Band 2) verbinden sich mit einem Lexikon der Schlüsselbegriffe, im Zentrum stehen dabei Sicherung, Konservierung, Restaurierung, Rekonstruktion. Die Autorin verfügt über große Kompetenz, nennt viele konkrete Beispiele und stellt das Filmerbe in
den größeren Zusammenhang der Kunst-, Bibliotheks-, Kultur- und Geschichtswissenschaft. Die beiden Bände sind Pflichtlektüre für alle,
die es ernst meinen mit dem Schutz des audiovisuellen Kulturgutes.
Anna Bohn (*1968) hat moderne Philologien mit filmwissenschaftlichem Schwerpunkt (Slawistik, Polonistik, Hispanistik) in
Madrid, München und Moskau studiert und 2000 an der LudwigMaximilian-Universität in München promoviert. Ihre Dissertation setzt sich mit der Kunsttheorie Sergej Eisensteins 1930-1948
auseinander („Film und Macht“, München: diskurs film, 2003).
Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin des
Projekts „DVD als Medium kritischer Filmeditionen“ an der
Universität der Künste Berlin und hat mit Enno Patalas die DVDStudienfassung von Metropolis erarbeitet. Ich habe Anna Bohn
als Koordinatorin des Panzerkreuzer Potemkin-Projekts kennen
und schätzen gelernt, das von der Deutschen Kinemathek betreut
wurde. Die Aufführung in der Volksbühne während der Berlinale
2006 werde ich nicht vergessen.
Es ist ein Glücksfall, wenn sich Problembewusstsein, Sachkenntnis
und Darstellungsvermögen so eindrucksvoll verbinden wie bei der
Autorin von „Denkmal Film“. Beide Bände – der eine im Blick
zurück, der andere im Blick auf Gegenwart und Zukunft – sind
klug strukturiert und auch für Nicht-Fachleute gut verständlich.
Sie müssen sich nur für das Thema interessieren, was man auch
bei Filmliebhabern nicht unbedingt voraussetzen kann. Andererseits ist die Aufmerksamkeit für den Film als zentrales Medium
der Erinnerungskultur in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsen. Und die Kommunalen Kinos in der Bundesrepublik tun vieles
dafür, dass die Filmgeschichte lebendig bleibt. Ihr Zusammenspiel
mit den Archiven ist natürlich auch Thema der Publikation.
Rechtsfragen, technische Entwicklungen, ökonomische Abhängigkeiten, kulturpolitische Prioritäten und private Passionen
spielen beim Umgang mit dem Filmerbe die wichtigsten Rollen.
Anna Bohn hat sie im ersten Band historisch geordnet und – nach
Klärung bestimmter Begriffe – nachvollziehbar katalogisiert. Das
geschieht bei ihr nicht im abstrakten Raum, sondern verbindet
sich mit konkreten Erzählungen. Vorbildhaft dafür sind die beiden
Kapitel „Probleme der filmischen Überlieferung am Beispiel der
Filme Friedrich Wilhelm Murnaus“ (sein Werk ist bekanntlich besonders von Zerstörungen und Verlusten betroffen) und „Aufstieg
und Fall des Reichsfilmarchivs 1934-1945“. Auch das Kapitel
„Positionen zur Geschichte der Filmarchivierung“ ist bestens
recherchiert. Es ergänzt in mancher Hinsicht die Geburtstagslite-
ratur zum 50jährigen Bestehen der Deutschen Kinemathek.
Sehr umfangreich ist die Darstellung der internationalen Vereinbarungen zum Schutz des filmischen Kulturgutes, zunächst
weltweit im UNESCO-Zusammenhang und dann in der Europäischen Gemeinschaft. Die Empfehlungen und Richtlinien sind
in dieser Vollständigkeit meines Wissens noch nie dokumentiert
worden. Das muss man nicht alles lesen, aber es wird klar, welche
Bedeutung dem Filmerbe vor allem in den letzten zehn Jahren
beigemessen und wie den Herausforderungen der Digitalisierung
begegnet wird. Sehr informativ ist dann das letzte große Kapitel, die nationalen Gesetzgebungen zum Filmerbe in den USA,
Frankreich, der Russischen Föderation und Deutschland, wobei
die USA immer ein bisschen Vorbildcharakter hatte, der Zentralismus in Frankreich gewisse Vorteile besaß, während die deutsche
Teilung bis 1990 und der Föderalismus in der Bundesrepublik die
Probleme noch vergrößert haben. Der Kinematheksverbund war
immer ein Kompromiss.
Den ersten Band schließen zwei Interviews ab: das eine mit Wolfgang Klaue, dem ehemaligen Direktor des Staatlichen Filmarchivs
der DDR, der dort über viele Jahre hervorragende Arbeit geleistet
hat, aber mit den Folgen der deutschen Einigung, was die Filmarchivierung betrifft, nicht zufrieden sein kann. Das bestimmt auch
den etwas resignativen Ton des Gesprächs. Im zweiten Interview
berichten Robert Gitt und Edward Richmond über ihre Arbeit
am UCLA Film & Television Archive, das Ende der 1960er Jahre
gegründet wurde und nach der „Library of Congress“ das zweitgrößte Filmarchiv der USA ist.
Bei allen Verlusten, die Anna Bohn benennt und beklagt, werden
auch Hoffnungen formuliert, die in den Bereichen der modernen
Technik und Kommunikation heute realisierbar sind. Natürlich
geht es dann auch immer um Geld, aber wichtig sind vor allem
Information und fachliches Wissen. Deshalb ist es wunderbar,
dass diese Publikation jetzt erschienen ist.
Hans Helmut Prinzler
Information
Anna Bohn: „Denkmal Film“, Band 1: „Der Film als Kulturerbe“,
Band 2: „Kulturlexikon Filmerbe“, Böhlau Verlag, Köln 2012,
880 Seiten, 211 Abbildungen, 119 Euro
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ZU EMPFEHLEN
Ocaña, etrat intermitent,
Ventura Pons, Spanien 1978
LIVING ARCHIVE:
EL CINE DE LA TRANSICIÓN
NACHRICHTEN VOM ENDE EINER DIKTATUR
UND DEM AUFBRUCH EINER GESELLSCHAFT
IN EUROPA (1967–1978)
Als Vertreterin des BkF nahm Sabine Schöbel am Projekt LIVING ARCHIVE des Arsenal – Institut für
Film und Videokunst teil. Entstanden ist eine Filmreihe zum spanischen Kino der Übergangszeit zwischen
Diktatur und Demokratie, die im Rahmen eines Festivals im Juni 2013 im Arsenal zu sehen sein wird.
Eine Kinotournee als gefördertes BkF-Projekt ist geplant.
Seit dem spanischen Bürgerkrieg, an dem in internationalen
Brigaden Freiwillige aus vielen Ländern teilgenommen hatten, um
die junge Republik im Kampf gegen Militärs und Falange zu unterstützen, ist Spanien ein Fixpunkt nicht nur der westdeutschen
Linken gewesen. Ein für Jahrzehnte gewissermaßen erstarrter Bezugspunkt, an dem die Geschichte still zu stehen schien. Denn erst
nach dem Tod des Diktators Franco 1975 neigte sich die Zeit der
politischen Verfolgungen, Verbote und gesellschaftlichen Tabus
dem Ende zu. Der größte Teil der aus Spanien stammenden Filme
in der Sammlung des Arsenals stammt aus den beiden Dekaden
vor und nach 1975. In diesen Archivfilmen bildet sich die Phase
des politischen und gesellschaftlichen Übergangs von der Diktatur
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zur Demokratie, die sogenannte „Transición“, aus einer linken,
systemkritischen, politisch und ästhetisch subversiven Perspektive
ab.
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der (West-)Berliner Institution werden nun in einem den ganzen Monat Juni ausfüllenden
Festival die Ergebnisse von LIVING ARCHIVE präsentiert. Die
für den Bundesverband konzipierte Filmreihe konzentriert sich
auf eine Auswahl von elf Arbeiten unterschiedlichster Formate
und Provenienz aus dem Zeitraum 1967 bis 1978. In ihnen wurde
damals etwas sichtbar, das offenbar nur darauf wartete, ans Licht
und auf die Leinwand zu kommen. Etwas, das mit wachsendem
Shirley Temple Story,
Antoní Padros, Spanien 1976,
16mm, Forum 1978
politischem Widerstand und zunehmender Renitenz der Kulturschaffenden sich aufs Neue entfaltete: die filmische Darstellung
eines „anderen Spanien“. Heute – in der historischen Rückschau
– wird in diesen Undergroundfilmen, unabhängigen Produktionen
und Kinoproduktionen, diesen kurzen und langen Experimental-,
Dokumentar- und Spielfilmen etwas in einer Dichte sichtbar, das
exemplarisch ist für die Verschränkung von Film, Politik und
ästhetischem Programm, für die die „Freunde der deutschen
Kinemathek“ standen. Die insgesamt acht Veranstaltungen laden
ein zu einer kuratorischen Gratwanderung zwischen geschichtlicher Rekonstruktion eines gesellschaftlichen Umbruchs und seiner
(erneuten) utopischen Aufladung. Angesichts der großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme, in denen sich das EU-Land
Spanien im Moment befindet, bekommt dieser Blick zurück an
den Ausgangspunkt seiner „Reise nach Europa“ ein besonderes Gewicht. Er vergegenwärtigt noch einmal die Integrität, das
enorme Potential und die großen Hoffnungen dieser kollektiven
Bewegung und macht deutlich, wie stark man sich von den damals virulenten Diskursen doch entfernt hat.
UNDERGROUND BARCELONA
Dreh- und Angelpunkt der ausgewählten Filme ist bis auf einige
Ausnahmen das katalanische Barcelona. 1967 stellte dort der
Avantgardekünstler und Filmproduzent Pere Portabella No
compteu amb els dits vor, einen surrealen Experimentalfilm von
großer Schönheit. Von Llorenç Soler, einem weiteren Vertreter
der unabhängigen Kino- und Filmemacherszene im Untergrund,
stammen die beiden Filme Carnet de identidad und 52 Domingos. Der erste ein im Stil der klassischen Avantgarde montierter
systemkritischer Experimentalfilm. Der zweite eine Milieustudie
über junge Arbeiter in den Armutsquartieren der Vorstadt, die in
ihrer Freizeit das symbolgeladene Metier des Stierkämpfers lernen.
In Barcelona entstanden auch La Torna (1978), Ocaña, retrat
intermitent (1978) und die Serie Noticiari de Barcelona, alternative
Wochenschauen des Institut del Cinema Catalá, das sich 1975 aus
der antifranquistischen Opposition heraus gründete. Sie wurden
an der Zensur vorbei für Aufführungen in Kinos in Barcelona
produziert. Aus den unabhängig produzierten und systemkritischen
16mm-Filmen dieser Zeit ragt Antoní Padros Shirley Temple Story
wie ein Monolith von subkulturellem Eigensinn hervor. Dieser
vierstündige Underground-Marathon von 1976 ist ein freches,
unterhaltsames und musikalisches Schurkenstück in Schwarz-Weiß
auf die jüngste Geschichte. Darin spielt Rosa Morata mit großen
Locken eine Shirley-Temple-Lolita-Figur, die sich als Allegorie auf
die spanische Nation in den Südstaaten der USA auf die Suche
nach dem Zauberer von Oz, einem Vampir (!), macht. Sie wird
begleitet oder heimgesucht – je nachdem – von anderen allegorischen Gestalten: drei nervtötenden, herausgeputzten Damen der
Gesellschaft Pit, Pot und Put, die eindeutig für die franquistische
Reaktion stehen, und drei jüngeren Männern Paco, Jesus und Luis,
die in zeitgenössischem Outfit die Revolution, die fortschrittlichen
Kräfte der spanischen Gesellschaft verkörpern.
AUF LEBEN UND TOD
Die Tatsache, dass Mitte der 1970er Jahre Shirley Temple Story
auf den Weg gebracht wurde, kann nicht darüber hinwegtäuschen,
dass es auch noch in den letzten Jahren der Franco-Diktatur bei
der Machtfrage um Leben und Tod ging. Sie waren geprägt von
21
ZU EMPFEHLEN
Schauprozessen, Hinrichtungen und Widerstandsaktivitäten, auch
Attentaten aus dem bewaffneten Untergrund heraus. Zwei Filme
der Reihe handeln von der tödlichen Repression des Regimes:
Iñaki Nuñez, Vertreter einer sich neu formierenden baskischen
Kinematographie, inszenierte in Toque de Queda, ausgehend von
den im Sommer 1975 vollzogenen Hinrichtungen, die Geschichte der Widerstandskämpferin Marta. La Torna von Francesc
Bellmunt ist die filmische Dokumentation der politischen Parabel
von Albert Boadella und dem Ensemble „Els Joglars“. Eine
bitterböse Farce, die vom Strafverfahren gegen den polnischen
Straßenmusiker Heinz Chez handelt, der den Mord an einem
Guardia Civil gestanden hatte und 1974 hingerichtet wurde. Um
den politischen Mord an dem Anarchisten Salvador Puig Antich
mit der Hinrichtung eines „normalen Kriminellen“ zu bemänteln,
wurden die beiden am gleichen Tag getötet. Daher der Titel La
Torna: die „Zugabe“. Das Stück wurde 1977 verboten, Albert
Boadella und drei weitere Personen verhaftet. Diese Willkürmaßnahme löste eine große auch internationale Protestwelle aus, in
Barcelona streikte die Gewerkschaft der Film- und Theaterarbeiter. Davon zeugt die Wochenschau Libertat d´Espressió (1978)
von Antoni Ribas. Ulrich Gregor, der Leiter der „Freunde der
Deutschen Kinemathek“, schmuggelte eine 16mm-Kopie im
Koffer aus dem Land, um den Film im Forum der Berlinale 1979
zeigen zu können.
GESCHICHTE DER MASSEN
In den ausgewählten Filmen haben Staatsgeschichte, Krieg und
gesellschaftlicher Aufruhr eine solche Präsenz, dass man sich ihr
kaum entziehen kann. Nach 1975 entstand eine Vielzahl von
Kinofilmen, die die Geschichtsschreibung gegenüber der jahrzehntelang allein gültigen Version des Regimes zurechtrückte. In
La Vieja Memoria von Jaime Camino etwa werden zum einen
Zeitzeugen befragt, u.a. die Kommunistin Dolores Ibárruri, die
Anarchisten Abad Santillán und Ricardo Sanz. Zum anderen
konfrontiert der Film mit einer langen Kette von historischen
Aufnahmen aus den 1930er und 1940er Jahren, deren Subjekt in
der Regel die „Masse“ ist: Im steten Wechsel zu den Interviewten
in ihren Privaträumen sehen wir Staatsempfänge, Versammlungen
in Stadien, Demonstrationen, Soldatenformationen, marschierende Falangisten, Kriegsereignisse. Eine neue historische Dimension erhalten diese Bilder in der heutigen Zusammenschau mit
Aufnahmen, die die Massenereignisse der 1970er Jahre bezeugen.
Die beiden Beispiele der Noticiari im Programm sind solche Dokumente: La Diada de Catalunya (handelt von „einer der größten
Kundgebungen der Nachkriegszeit in Europa“, der Demonstration zum katalanischen Nationalfeiertag am 11.9.1977. Die
bereits genannte Wochenschau Libertat d´Espressió (1978) zeigt
die Proteste der „Asamblea Permanente de los trabajadores del
espectaculo“ gegen die Verhaftung von Albert Boadella und das
Verbot von La torna.
SEXUELLE IDENTITÄT
Die beiden Filme des Programms, die sich dem Thema der sexuellen Identität widmen, beziehen sich beide auch auf den 1936
von Falangisten ermordeten Schriftsteller Federico Gracía Lorca.
Dieser international anerkannte, homosexuelle Künstler wird
gewissermaßen zur Leitfigur des Neubeginns. In Jaime Chavarrís
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A un dios desconocido ist der verehrte Dichter auch Teil des Plots.
Wie Lorca wurde auch der Vater des schwulen Zauberkünstlers
José 1936 in Granada Opfer der mordenden Falangisten.
Für den Maler, Performancekünstler und Transvestiten Pepe
Ocaña, ist Lorca ebenfalls ein großes Vorbild. Der Protagonist des
Dokumentarfilms Ocaña, retrat intermitent (1978) von Ventura
Pons, ist Teil der mittlerweile zum Mythos gewordenen Subkultur
Barcelonas. Zugleich radikal und verletzlich erleben wir diesen
außergewöhnlichen Menschen in seiner Wohnung, in seinem
Atelier, auf der Bühne und – zumeist in Frauenkleidern – auf
den Straßen Barcelonas. LIVING ARCHIVE ist ein Projekt, das
mitten im historischen Umbruch von der analogen zu digitalen
Bildtechnologie realisiert wird. Die spanischen 16mm-Kopien, die
seit über 30 Jahren im Archiv des Arsenal „schlummerten“, sind
zum großen Teil in einem problematischen Zustand. Auf schlechtes Material, Kopierwerksreste etc. kopiert, haben sie die Farbe
verloren und zeigen sich nun in allen möglichen Varianten von
lilarot bis orangerot. Der sichtbare Verfall des Filmmaterials ist
Teil der Historizität von Film. Das Programm im Juni im arsenal
wird deswegen auch einige Kopien beinhalten, die diesen Verfall
dokumentieren.
In ihrer Untersuchung zum spanischen Kinofilm der Jahre 19781983 konstatiert Josefina Martínez, dass in diesen „Momenten
künstlerischer Freiheit“ sich „paradoxerweise“ keine eigene
Filmsprache herausgebildet hat. Die Filme des vorliegenden
Projektes stammen aus der Zeit vor und unmittelbar nach 1975,
und sie sind keineswegs ausschließlich Kinofilme, sondern auch
Untergrundfilme und Filme, die privat an der Zensur vorbei im
Kunstkontext entstanden sind. Schon deswegen kann man hier
keine formalen Gemeinsamkeiten ausmachen. Aber etwas anderes
wird vielleicht in dieser genreübergreifenden Zusammenschau
einer spezifischen Epoche der spanischen Kinematografie sichtbar:
ein ästhetisches Programm, das schon in der Sammlungspolitik
von Ulrich und Erika Gregor angelegt ist, und das aufgrund seiner
Offenheit gegenüber allen filmischen Ausdrucksformen wie ein
Seismograph gesellschaftliche Umwälzungen in einer größtmöglichen Bandbreite abbildet. Die Autoren des Programms betreten
mit ihren Filmen allesamt unbeirrt Neuland. Sie haben mehr
Fragen als Antworten, und mit diesen Fragen wollen sie die eigene
Zukunft bestreiten. Diese radikal offene Haltung zum Gegenstand
verbindet die Autoren der Filme mit den Westberliner Kino- und
Festivalmachern, die ihre Filme zeigten, sammelten und bewahrten.
Sabine Schöbel
Information
2015 jährt sich zum 40. Mal der Tod Francos und damit das Ende der
Diktatur in Spanien. Die Reihe soll in Kooperation mit anderen Institutionen als gefördertes Projekt des Bundesverbands auf Tournee geschickt und auf dem Kongress 2014 vorgestellt werden. Interessenten
melden sich nach Möglichkeit bitte schon jetzt bei sabine.schoebel@
nexgo.de oder der Geschäftsstelle des BkF: [email protected]
BERICHTE UND
PORTRÄTS
WAS WARUM
AUS DEM
BEDEUTUNGSHUBERNDEN
KANON DER
FILMGESCHICHTSSCHREIBUNG
HERAUSFÄLLT
DIE KURATORIN
MADELEINE BERNSTORFF
Wann und wie hat es angefangen, dass Du Dich für das Kuratieren inte-
In den 90er Jahren lag Dein Schwergewicht auf Reihen mit Filmema-
ressierst, also mehr, als nur Filme zu programmieren?
cherinnen, wie Trinh T. Minh-ha, Babette Mangolte, Joyce Wieland,
Vielleicht beginne ich mal mit meiner filmischen Sozialisation,
die im weiteren Umkreis des Werkstattskinos in München und
des damaligen Münchner Filmmuseums anzusiedeln ist, also des
Programms von Enno Patalas, und der Texte aus der Filmkritik,
vor allem von Frieda Grafe und Helmut Färber. Zudem erinnere
ich mich - als 15-Jährige - an eine Campingplatz-Vorführung des
Films Obedience (1962) über das Milgram-Experiment und die
nachfolgende Diskussion darüber, wie autoritätshörig Menschen
seien und bereit, andere zu quälen - also filmische Re-education
Anfang der 1970er Jahre. In München gab es ein anarchistisches
Stadtteilzentrum, in dem zahlreiche 16mm-Filme gezeigt wurden.
Das Werkstattkino entwickelte sich Ende der 1970er Jahre stark
in Richtung Punk, was hieß, Trash, Horror und Splatter zu zeigen
und darin politisch zu sein, aber nicht in der Zeigefinger-Programmatik der klassischen Linken – dort sah ich auch ‚meinen’ ersten
Schwulenporno: Bijou (1972) von Wakefield Poole. 1982 zeigte
ich Sally Potters Kurzfilm Thriller (1979) in einer Lesbendisco in
Zürich auf 16mm. 1984 haben wir dann in West-Berlin als Kollektiv das Sputnik-Kino gegründet. Ich war zwar nur dreieinhalb
Jahre dabei – aber es war mein Leben. Es war uns wichtig, selten
gezeigte Filme sichtbar zu machen. Programmatisch war für uns
das Buch Kino wider die Tabus von Amos Vogel. Als wir anfingen,
gab es ja noch kaum Videokassetten, und so haben wir einfach oft
die Filme bestellt, die wir nur aus der Literatur kannten und sehen
wollten. Und in den damals üblichen ‚Langen Nächten’ gab es
Doppel- oder Dreifachprogramme in sehr seltsamen, sehr produktiven Zusammenstellungen.
Jayne Parker oder den (Anti-) Suffragetten-Filmen aus den 10er
Jahren. Warum waren sie von der Filmgeschichtsschreibung so lange
übersehen oder ignoriert worden? Nur, weil sie Frauen sind, oder
weil sie auf andere Weise radikal arbeiten? Hat sich im öffentlichen
Bewusstsein im Unterschied zu den 90ern etwas geändert?
Tatsächlich interessiert mich viel grundsätzlicher, was warum aus
dem bedeutungshubernden Kanon der Filmgeschichtsschreibung
herausfällt, und die Frage, wo Filme gesellschaftspolitisch einhaken. Ich habe z.B. auch eine Veranstaltung zur Pestizid-Verwendung in der globalisierten Nelkenproduktion gemacht - mit dem
Film Liebe, Frauen, Blumen (1989) von Martha Rodriguez und
Jorge Silva, den ich in Oberhausen gesehen hatte, oder 1996 Vorführungen in Zusammenarbeit mit der afrodeutschen Zeitschrift
Afro-Look zu dem problematischen, aber interessanten Film
Toxi von Robert Stemmle, 1952 ganz im Stil von „Opas Kino“
gedreht: ein spätes Projekt versuchter und gescheiterter anti-rassistischer Re-education: Toxi ist gewissermaßen die populistische,
sozialpädagogische Altlast aus den frühen fünfziger Jahren, und
damit auch ein ziemlich ungelenker Finger, der auf die Wunden
der (damaligen) Mehrheitsgesellschaft deutet. 1998 kam dann ein
großes Programm im FSK-Kino mit der Gruppe „baustop_randstadt“, in dem es um neoliberalen Stadtumbau, also Privatisierung von öffentlichem Raum, neue Arbeits- und Migrationsformen und strukturellen Rassismus ging. Natürlich habe ich auch
ein Interesse an feministischen Positionen im weitesten Sinne, das
teilten wir in unserer langjährigen Kino-Gruppe „Blickpilotin“
(1989 – 2003) – mit folgender Vorgeschichte: Als einzige Frau
23
BERICHTE UND
PORTRÄTS
im Sputnik-Kollektiv ging es mir bald extrem auf die Nerven,
wie beispielsweise auf eine Vergewaltigungsszene in Dirty Harry
(1971) mit Clint Eastwood im Kinosaal reagiert wurde ... Dann
gab es eine denkwürdige Nacht – zufällig Halloween – in der wir
anlässlich der 1. Lesbenwoche (ladies only!) den Vampirinnenfilm
Blut an den Lippen (1971) von Harry Kümel zeigten und es zu
einem Aufstand im Kino kam. Ich habe den Film vorgeführt und
sah, wie unten im Kinosaal eine Gruppe von Frauen versuchte,
die 60-m2-Leinwand mit hochgehaltenen Jacken und Pullovern zu
verdecken. Sie verlangten die „Hetero-Gewalt“ sofort abzuschalten. Ich forderte darauf die Protestierenden zu Geduld auf, weil
sich der Film ganz anders entwickelt, habe aber dann doch aus
Angst, dass der Vorhang runtergerissen wird, den Film angehalten. Ich ging runter in den vollen Saal mit ca. 350 Ladies, und wir
wussten auch nicht recht, wie darauf zu reagieren sei, eigentlich
verschlug es uns die Sprache. Es kam fast zu einer Schlägerei
zwischen den Fraktionen – sehr vereinfacht ausgedrückt: den
Cinephilen, der SM-Szene und den Land-Lesben. Dann sprang
Ulrike Ottinger auf die Bühne und sagte: „Schaut Euch den Film
zu Ende an! Delphine Seyrig hat vermutlich mehr für die Frauenbewegung getan als viele von Euch!“ Was ich damit sagen will,
ist, dass es einfach eine Zeit der heftig umstrittenen Bilder war, die
vielleicht mit jetzt nicht vergleichbar ist. Und dass ich nach diesem
Erlebnis eigentlich erst anfing, mich mit feministischer Filmtheorie
zu beschäftigen.
WAS WARU
AUS DEM
BEDEUTUN
KANON DE
FILMGESCH
in einer Episode von Heises Material zu sehen. Oder es kam
2003 bei unserem Filmfestival Kabul/Teheran 1979ff zu heftig
eskalierenden Debatten in der hiesigen afghanischen Community
über einen alten Film des vermeintlich prosowjetischen Filmemachers Ingenieur Latif Ahmadi. Die Öffentlichkeiten sind vielleicht
noch segmentierter geworden, zugleich ist die Zugänglichkeit von
Bewegt-Bildern explodiert, aber die Frage, aus welcher (mehrheitsnormativen) Perspektive repräsentiert wird und auf Kosten
von wem, ist ja durchaus weiterhin virulent.
Postkarte zur Filmreihe „Ohne
Genehmigung. Die Filme von
René Vautier“, Filmreihe mit
Sebastian Bodirsky, 12 / 2012
Zusammen mit Sebastian Bodirsky und Brigitta Kuster hast Du im
Zeughaus-Kino kürzlich eine Reihe mit Filmen von René Vautier kuratiert. Dieser steht auch für ein „anderes Kino“, eine Initiative, die er in
der Bretagne ausgerufen hat. Was für eine Art Kino ist damit gemeint?
Taugt seine Vision noch für heute?
Foto *durbahn:
“Carole Roussopoulos-caméra
au poing” Videoprogramm mit
Manuela Schininá, 3 / 2013
René Vautier hat einfach einen ganz besonderen Humor, verbunden mit einem insistierenden Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse und einem großen Bewusstsein für Aufführungssituationen.
Wir haben mit unserer Reihe René Vautiers Filme in eine Konstellation mit zeitgenössischem ‚aktivistischem’ Filmemachen gestellt,
und genau die Frage nach der Aktualisierung gestellt: also welche
Kämpfe gibt es jetzt und wie sähe eine angemessene, gleichermaßen wirksame und ästhetische Darstellung aus? Welche Strategien
eines möglicherweise kollektiven, nicht-viktimisierenden Filmemachens gibt es heute?
Du berichtest aus einer Zeit, als Filme noch wirklich für Aufregung
Du machst zuweilen auch Filme und unterrichtest – gibt es diesbezüg-
sorgten, das Kino ein Schauplatz der Auseinandersetzung und des
lich Überschneidungen zu Deiner kuratorischen Arbeit, wie bedingen
Diskurses war. Wann hat das Kino Deiner Meinung nach angefangen,
sich diese Felder gegenseitig?
diese Kraft zu verlieren?
Meine eigene Filmarbeit bewegt sich eher in der ‚kleinen Form’ –
ich produziere (oft in Zusammenarbeiten) Super8-Filme, Trailer,
Videobriefe, Kompilationen, manchmal sind es ‚Abfallprodukte’ von ausführlichen Recherchen. Im Unterricht ist die Arbeit
mit kurzen Filmen und Videos sehr produktiv, weil zu meinem
Lern- und Lehrprozeß das kollektive Gespräch gehört; die kurzen
Arbeiten passen besser ins Zeitregime, zudem geht es beim Lehren
Es gibt immer wieder solche Kämpfe: Z.B. Mitte der 90er Jahre
die Auseinandersetzungen über den Film Beruf Neonazi, und
auch über Thomas Heises Stau, jetzt geht’s los – da ging es um die
(jetzt auch wieder aktuelle!) Problematisierung der Medienpräsenz von Rechtsradikalen – bei ja tatsächlich sehr unterschiedlichen Ansätzen dieser Filme – die Aufregung darum ist sehr schön
24
WARUM
EM
TUNGSHUBERNDEN
N DER
ESCHICHTSSCHREIBUNG
HERAUSFÄLLT
natürlich auch darum, evokative Zusammenhänge und Argumentationen herzustellen, sichtbar zu machen. Es gibt einige Filme der
Filmgeschichte, die wie ‚philosophical toys’ funktionieren: indem
sie eine ‚unerhörte Erfahrung’ herstellen.
Foto Madeleine Bernstorff: Projektionsprobe Open air (Anti-) Suffragettenprogramm,
Niederösterreich, 6 / 2009
Foto *durbahn:
“Carole Roussopoulos-caméra
au poing” Video-Programm mit
Manuela Schininá, 3 / 2013
Dazu gehört auch, das Publikum in seiner Zeitgenossenschaft
und seiner Intelligenz zu adressieren und in der Programm- ‚Erzählung’ Raum zu lassen, verschiedene, weitreichende, evtl. auch
widersprüchliche Argumentationen und Bezüge nachzuempfinden.
Welche Erfahrung machst Du mit den jeweiligen Orten, wo Deine
Programme zu sehen sind – wie beeinflusst der Ort die Wahrnehmung?
Welche Art von Kino würdest Du Dir im Idealfall wünschen?
Die Orte prägen natürlich, aber über die Generierung des Publikums, die für mich mit zur Programmarbeit gehört, lassen sich
auch leichte Gegenläufigkeiten erzeugen. Was jedoch oft passiert,
dass unsere (externe, und oft mit mitgebrachtem Budget) Programmarbeit ganz von der jeweiligen Institution angezogen wird,
auch von einigen institutionsopportunistischen Journalistenkollegen, die es eigentlich besser wissen müssten! Ich wünsche mir ein
Kino, dass uns als Programmmachenden solidarische Autonomie
zugesteht, ein Kino, das als sozialer Raum vor, während und nach
der Vorführung funktioniert: Es ist etwas zu spüren im Raum, da
sind lauter sehende, denkende, fühlende Einzelwesen zu einem
gemeinschaftlichen Erlebnis versammelt ... Und das muss natürlich nicht nur der Kinoraum sein. Die Konzentration des Publikums und der Kontakt mit den Zuschauer_innen läßt sich auch
anderswo finden...
Foto Madeleine Bernstorff:
Sichten am Schneidetisch,
Filmtitel unbekannt.
Um an den Anfang zurückzukehren: Welche Themen treiben Dich um?
Wie ist Dein Selbstverständnis als „Kuratorin“ definiert?
Ich nenne mich gar nicht so gerne Kuratorin, da steckt mir zu viel
Einschreibewillen drin... Inzwischen wird ja auch schon Festivalauswahl Kuratieren genannt! Und Kurator_innen schicken youtube-links, um sich die Filme beschaffen zu lassen. Allerdings benutze ich den Begriff trotzdem in meinem Lebenslauf. Gerne gehe
ich den Rechercheweg und mache dann die Programmarbeit mit
anderen zusammen. Ansonsten finde ich Programme dann gut,
wenn die einzelnen Arbeiten in ihrer Materialität ernst genommen werden, und etwas geöffnet wird in ihrer Wahrnehmbarkeit.
Information
Interview von Cornelia Klauß mit Madeleine Bernstorff im Mai 2013,
teilweise basierend auf einem Gespräch mit Dietmar Schwärzler
aus dem Jahre 2010 für die österreichische Filmzeitschrift kolikfilm.
www. madeleinebernstorff.de
25
DAS ARSENAL WIRD 50!
WIR GRATULIEREN ...
Quelle: Arsenal – Institut für Film- und Videokunst
Quelle: Arsenal – Institut für Film- und Video-
DIE RÄUME UND DIE DINGE:
DAS ALTE ARSENAL
Das Arsenal lag im Berliner Westen, nahe dem Wittenbergplatz.
Fußläufig von der Konstanzer Straße, wo wir unser Gastdomizil
hatten, zu erreichen. Bog man in die Welserstraße ein, sah man oft
schon eine Menge der Kinobesucher vor der Tür stehen. Das
Foyer war klein, eher nur ein Gang am Tresen vorbei, wo man
Karten kaufte, auch das eine oder andere der Kinemathekshefte
erwerben konnte, die an der Wand hinter der Kasse aufgereiht
standen. Nach dem Film fand sich das Publikum wiederum draußen im Gespräch zusammen.
Das Haus fiel in der Front der Wohnhäuser nur durch das große
Billboard auf, das die gerade laufenden Filme oder Filmreihen in
roten Buchstaben anzeigte, und durch die Schaukästen mit Fotos,
Filmkritiken oder Plakaten. Ging man durch den schmalen Vorraum ins Kino, so zeigte dieses sich ebenfalls räumlich bescheiden
- großzügig waren nur die hochgezogenen Stills aus Filmen der
sowjetischen Avantgarde an den Wänden. Der Vorführraum ließ
sich über die Straße erreichen, die einzige Toilette über den Hof.
Eine Erweiterung neben dem Kino stellte das Arsenal 2 dar, mit
Schaufenster zur Straße. Dort residierten Karl Winter und der Arsenalverleih. Daneben befand sich der Hauseingang zu den Büros
im ersten Stock.
Hatte man dort geklingelt, so fing oben in Alf Bolds Büro, rechter
Hand neben der Etagentür, eine rote Lampe zu blinken an (oder
war sie gelb?). Wie ein Schiffssignal. Drei Räume gab es zu besuchen: Alfs Werkstatt, in der die Programme entstanden, dann
linker Hand ein geräumigeres Sekretariat, in dem auch Sylvia
Andresen ihren Schreibtisch hatte und sich die Forumskataloge
stapelten. Dahinter das Allerheiligste, Erika und Ulrich Gregors
Büro. In ihm stand das legendäre Sitzensemble in abgewetztem
Grün, legendär ob der unzähligen Filmemacher und Filmema26
cherinnen, die dort schon Platz genommen hatten. Bücher- und
Papierberge türmten sich überall. Büro und Kino waren den
räumlichen Gegebenheiten abgetrotzt, die Bedürfnisse der Filme,
ihres Publikums und der für das Kino Arbeitenden hatten an den
materiellen Widerständen eine spürbare Präsenz gewonnen. Die
Beschränkung behielt nicht das letzte Wort.
Das verband das Arsenal mit anderen ihm in dieser Existenzform
ähnlichen Filmorten überall auf der Welt. Die Form drückte etwas
Sperriges aus, Nichtintegriertheit, Underground. Hier wurde eine
andere Weltpolitik gemacht als die offizielle. Es war die Zeit des
Kalten Krieges. Nach zwei Richtungen insbesondere hatte das Arsenal seine Antennen gerichtet: auf die US-amerikanische Avantgarde, den Experimentalfilm, das schwule Kino von Jack Smith,
Kenneth Anger und anderen, und auf den filmgeschichtlichen
Untergrund der Sowjetunion, des sowjetischen Revolutionskinos
und dessen verborgene Dauer. Alf Bold ging für ein Jahr nach
New York, um das Programm der Filmcoop zu machen, Erika
und Ulrich Gregor schlossen Freundschaften im Eisenstein-Archiv.
Das Wunderbare des alten Arsenals war, dass in der Enge der
Räume nicht nur ihre Bewohner, sondern mit ihnen weite Welt
gegenwärtig war – Welt die dort ein- und ausging in Personen,
Filmen, Schriften. Über Telefon, Postkarten, Briefe. In Alfs Büro
stand ein überdimensional großes Rolodex, das für jede Adresse
ein Einzelkärtchen enthielt, prall gefüllt, und immer noch nahm es
zu. Der Ort, die Dinge bezeugten die Internationale des Kinos und
der Kinomacher, fern der Globalisierung mit ihren architektonischen und designerischen Manifestationen des einfallslos Immergleichen wie des zwanghaft Neuen.
Karola Gramann & Heide Schlüpmann
ÖFFNUNG DER RÄUME:
DAS NEUE ARSENAL
In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends war noch viel von
dem „alten Arsenal“ die Rede, das ich selbst nur aus Erzählungen kenne. Aus den Berichten klang so etwas wie heftige Liebe,
Wehmut, natürlich auch Legendenbildungslust, in jedem Fall aber
das Bewusstsein, einer Geschichte beigewohnt zu haben, die nun
zu Ende war. Diese spürbare Welle der Melancholie hielt noch
eine ganze Weile an – auch weil die so unwirtliche wie gesichtslose
Nachwende-Architektur des Filmhauses am Potsdamer Platz, in
das die „Freunde der Deutschen Kinemathek“ gezogen waren,
zu einer einfachen Fortsetzung der „Arsenal“-Geschichte nicht
eben einlud. Mit der Zeit aber, und das eher leise, wurde das
neue Arsenal zu einer Selbstverständlichkeit und das geografisch
wie thematisch expandierende Programm hatte neben die alten
Erzählungen ein neues und bedeutendes Stück Gegenwart gestellt.
Das „Arsenal – Institut für Film und Videokunst“ wie es sich seit
fünf Jahren nennt, und das seit bald zehn Jahren von den Filmwissenschaftlerinnen und -kuratorinnen Milena Gregor, Birgit Kohler
und Stefanie Schulte Strathaus in Co-Direktion geführt wird, steht
seitdem für das Nebeneinander unterschiedlicher kinematographischer Formen, Erzählweisen und Ästhetiken, für Theoriediskurse, globale Filmgeschichte und filmische Experimente: von den
Avantgarde-Arbeiten James Bennings über das taktile Kino Claire
Denis’ und die hypnotischen Erzählungen Apichatpong Weerasethakuls bis hin zu den politisch klugen filmischen Recherchen
Philip Scheffners – um nur ein paar wenige schöne Beispiele zu
nennen. Eine Vielfalt, die nie etwas Beliebiges hat, sondern immer
sorgfältig kuratierten Konzepten folgt.
Nicht zu vergessen sind die begleitenden Symposien (etwa die
sehr schillernde Veranstaltung zu Jack Smith), die Filmgespräche, Publikationen und Podiumsdiskussionen und natürlich
auch die wichtige Rolle des Arsenals in den Bereichen Vertrieb
und Archivierung. Dass diese Aufgaben einer Kinemathek dem
Publikum teilweise auch zugänglich gemacht werden – etwa im
Rahmen der öffentlichen Archivsichtung „Living Archive“, die
wiederum neue Arbeiten (Filme, Installationen, Performances
und Texte) initiiert – , macht nicht zuletzt die Beweglichkeit und
Offenheit dieser Institution aus, die natürlich auch wiederholt
mit den schlechten Launen der Kulturpolitik zu kämpfen hat.
Auf die film- und medienkulturellen Veränderungen, etwa die
zunehmende Präsenz von Film und Videokunst im Feld der
Bildenden Kunst, antwortete das Arsenal mit einer programmatischen Erweiterung: 2006 wurde das „Forum Expanded“
neben dem Internationalen Forum des Jungen Films als Teil der
Berlinale eingerichtet, ein Programmformat, das den klassischen
Kinoraum verlässt und sich an andere, institutionelle, informelle
oder sich temporär formierende Orte verstreut. In diesem Jahr
schwappte das „Erweiterte Kino“ sogar bis in die Hallen eines
Schwimmbads. Im Liquidrom wurde eine Installation des brasilianischen Künstlers und Vielfilmers Hélio Oiticica gezeigt, der vor
allem für seine interaktiven Objekte und partizipativen Installationen bekannt ist. Die Luft war heißfeucht und es herrschte ein
wahres Gewimmel: angeregte, aber entspannte Leute in Bikinis,
Badehosen oder seidigen Morgenmänteln. Ich hatte meine Badesachen leider nicht dabei.
Esther Buss
Fotos:
links: © Marian Stefanowski
Mitte: Stefanie Schulte-Strathaus, Birgit Kohler, Melina Gregor;
29.02.2000 © Marian Stefanowski
rechts: Mitarbeiter Kino Arsenal 2013 © Jürgen Keiper
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DAS ARSENAL WIRD 50!
WIR GRATULIEREN ...
DAS ARSENAL UND DER OSTEN
Ein wunderbares Jubiläum, das ich mit ganzem Herzen feiere! Seit Anbeginn ist das Kino »Arsenal« für mich ein Leuchtturm der Filmkunst und ein Leuchtturm der Liebe zum Film und des Vertrauens in die die Menschen bildende und aufklärerische Kraft des Kinos!
Um korrekt zu sein, wurde vor 50 Jahren von Ulrich Gregor
gemeinsam mit sechs anderen »Filmverrückten«, u.a. Karena
Niehoff, Friedrich Luft und Helmut Käutner der Verein »Freunde
der Deutschen Kinemathek« gegründet, der zunächst mit einzelnen Vorführungen an verschiedenen Orten, dann ab Januar 1970
im eigenen Kino seine Vision von Film und Kino realisierte. Diese
Vision beinhaltete die Auffassung vom Film als der Kunst des 20.
Jahrhunderts, als einem »anderen Kino«, jenseits des Kommerziellen und Konventionellen: Dokumentarfilme, filmische Außenseiter, Experimentalfilme, politische Filme, Filme von Frauen, Filme
aus noch unbekannten Filmländern. Es bedeutete zugleich die
Verweigerung gegenüber den Praktiken, Film als Wegwerfware
zu benützen, die Ablehnung des scheinbar eisernen Rhythmus
des geschäftsmäßigen Umgangs mit Film, der darin besteht, neue
Filme auf den Markt zu werfen, sie solange zu spielen, solange
sie Geld einspielen und sie danach wegzuwerfen. Von Anfang
an gehörte Bildungsarbeit dazu: Filmgespräche, Filmblätter und
Broschüren, überhaupt Schriften zum Kino. Jeder Film wurde in
einen historischen und kulturellen Zusammenhang gerückt. Das
»Arsenal« war der Vorreiter für einen neuen Typ von Kino, der
sich dann allmählich in vielfältigsten Formen, etwa als Filmkunstkinos, Programmkinos oder Kommunale Kinos in ganz Europa
und in der Welt durchzusetzen begann. Dieses Verständnis von
Kino wurde vertieft und ausgeweitet, als der Verein »Freunde der
deutschen Kinemathek« ab 1971 das »Internationale Forum des
Jungen Films« als einen selbständigen Teil der Berlinale veranstalten konnte und Ulrich Gregor als Leiter des Forums gleichberechtigter Chef der Berlinale neben Moritz de Hadeln wurde. Das
»Forum« ließ uns den Puls des internationalen zeitgenössischen
»anderen Kinos« spüren und spülte jährlich frisches Blut in den
Organismus des »Arsenals«. Denn ein großer Teil der im »Forum« gezeigten Filme wurde dabehalten, in den verschiedensten
Zusammenhängen immer wieder gezeigt und auch verliehen. Also
ein wichtiger Schritt von der Eventkultur zur Alltagskultur!
28
Dass es dabei nicht nur um eine ästhetische Konzeption ging,
sondern auch um eine politische, machte allein schon der Name
des Kinos »Arsenal« deutlich, bezog er sich doch auf den gleichnamigen sowjetischen Revolutionsfilm von Alexander Dowshenko
(1928). Der frühe sowjetische Film war von Anfang an prominent
im Programm vertreten. Das erste große Projekt des Vereins,
»Das Thema der Revolution und die Synthese der Künste«, war
Eisenstein gewidmet und wurde gemeinsam mit Naum Klejman
und dem Moskauer Eisenstein-Archiv veranstaltet. Die Großfotos
aus Eisensteins Filmen Panzerkreuzer Potemkin, Die Beshinwiese
und Iwan Grosnyj hingen von Beginn an im Kino und hängen
auch heute noch da. Mit Hartnäckigkeit und Diplomatie gelang
es Erika und Ulrich Gregor sogar, Konrad Wolfs damals aktuellsten Film Der geteilte Himmel (1964) nach West-Berlin einladen
und Konrad Wolf zum Filmgespräch begrüßen zu können. Das
war Konrad Wolfs Einfluss zu danken. Denn ansonsten machten
es die DDR-Offiziellen den Kinomachern vom »Arsenal« und
vom »Forum« schwer, ihre Auswahl aus guten DDR-Filmen zu
treffen. Von allen sozialistischen Ländern war die DDR bzw. der
DEFA-Außenhandel für die Gregors der schwierigste Partner.
Einziger DEFA-Spielfilm, der zu DDR-Zeiten von den Gregors für
das Forum ausgewählt wurde, war Evelyn Schmidts Debütfilm
Seitensprung (1980). Ansonsten war die DDR mit Dokumentarfilmen vertreten, wie etwa mit den Lebensläufen von Winfried
und Barbara Junge (1982), Busch singt von Konrad Wolf, Erwin
Burkert und Peter Voigt (1983), In Georgien von Jürgen Böttcher
(1988), Winter adé von Helke Misselwitz (1989).
Das aufwühlendste Ereignis mit DEFA-Spielfilmen im Forum
war jedoch die Präsentation von sieben Verbotsfilmen 1990. Das
war so etwas wie ein magischer historischer Moment, der nicht
vergessen werden kann und darf. Bekanntlich hatte Rolf Richter
auf einer Versammlung des Filmverbandes der DDR im Oktober
1989 vorgeschlagen, die im Zusammenhang mit dem 11. Plenum
N
Erika Gregor
© Marian Stefanowski
Team im Arsenal Welser Straße
© Marian Stefanowski
ausgesprochenen Verbote von DEFA-Filmen zu überprüfen. Sofort
war eine Kommission gegründet und Rolf Richter zum Vorsitzenden gewählt worden. Diese Kommission hatte ohne Verzug
die Arbeit aufgenommen, gemeinsam mit den Filmemachern die
in Frage kommenden Filme angesehen, diskutiert und angesichts
ihrer Qualität die Verbote für null und nichtig erklärt. Rolf Richter
hatte beim Filmminister Horst Pehnert, der die Meinung der
Kommission akzeptierte, alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die
schnellstmögliche Aufführung der Filme zu sichern, und das hieß
bei mehreren Filmen erst einmal die Endfertigung zu organisieren,
was zusätzliche Mittel und Arbeitskapazitäten für das DEFASpielfilm-Studio bedeutete. Die Mittel wurden bereitgestellt, es
wurde mit Hochdruck gearbeitet, und im November 1989 konnte
Rolf Richter während der Nordischen Filmtage Lübeck mit gutem
Gewissen Erika und Ulrich Gregor, die sich für diese Filme leidenschaftlich interessierten, eine Präsentation dieses Filmpaketes im
Forum 1990 zusagen. Es handelte sich um Das Kaninchen bin ich
von Kurt Maetzig und Manfred Bieler, Denk bloß nicht, ich heule
von Frank Vogel, Manfred Freitag und Joachim Nestler, Der Frühling braucht Zeit von Günter Stahnke. Hermann O. Lauterbach
und Konrad Schwalbe, Berlin um die Ecke von Gerhard Klein
und Wolfgang Kohlhaase, Jahrgang 45 von Jürgen Böttcher und
Klaus Poche, Karla von Herrmann Zschoche und Ulrich Plenzdorf und Wenn Du groß bist, lieber Adam von Egon Günther und
Helga Schütz. Spur der Steine von Frank Beyer und Karl Georg
Egel nach dem gleichnamigen Roman von Erik Neutsch, der achte
Verbotsfilm, lief im Wettbewerb der Berlinale außer Konkurrenz.
Die Aufführung dieser sieben Filme im Internationalen Forum des
Jungen Films, auf der Berlinale 1990, hatte etwas Unwirkliches.
Dreiundzwanzig Jahre waren sie verboten, total weggesperrt,
nicht einmal der Forschung zugänglich. Und nun liefen sie auf
einem großen internationalen Festival. Kaum einer konnte sich der
Gewalt des Augenblicks entziehen. Die merkliche Erschütterung
der anwesenden Filmemacher steigerte diesen Eindruck des Un-
Filmschätze in Kisten
© Marian Stefanowski
Quelle: Arsenal – Institut für Film- und Videokunst
wirklichen. Zwar waren die Filme kurz vorher schon einmal in der
Akademie der Künste der DDR öffentlich aufgeführt worden. Ein
Ereignis, das vom dort anwesenden Berliner Publikum mit tiefer
Betroffenheit wahrgenommen wurde. Aber jetzt liefen sie vor einem internationalen Publikum. Das war etwas anderes und rückte
die seinerzeit ausgesprochenen Verbote noch einmal in ein anderes
Licht. Immer wieder wurde die Frage gestellt: Warum wurden diese
Filme verboten? Es war und blieb unverständlich.
Den Eindruck des absolut Einmaligen wurde durch manche
Besonderheiten verstärkt. Zum Beispiel hatte Jahrgang 45 keinen
kompletten Ton, und so wurde die Vorführung des Films von dem
Regisseur Jürgen Böttcher in einer Mischung aus gesprochenem
Dialog und Kommentar live begleitet. Egon Günther hatte bei der
neuerlichen Beschäftigung mit seinem Wenn Du groß bist, lieber
Adam festgestellt, dass wesentliche Teile des Dialogs in der Tonspur fehlten, und so hatte er die fehlenden Sätze aus dem Drehbuch
kopiert und als Insert in den Film gesetzt, was als eine Art V-Effekt
dem aufklärerischen Charme des Films zugute kam. Gerhard
Klein, der Regisseur von Berlin um die Ecke, war 1970 gestorben,
aber Wolfgang Kohlhaase, Kleins vertrauter Kollege und Mitstreiter gerade bei den Berlin-Filmen, hatte bereits früher erklärt, dass
die unfertige Tonseite von Berlin um die Ecke gerade so bestehen
bleiben solle. „Man soll Berlin um die Ecke sein Schicksal durchaus ansehen können; er soll ein Fragment sein.“ Alle diese Merkwürdigkeiten unterstrichen den magischen Moment dieser Präsentation, der sich in unsere Seelen senkte und unvergesslich bleibt.
Möge das »Arsenal« in den bevorstehenden Unwägbarkeiten
des medialen Umbruchs weiterhin der Leuchtturm der Filmkunst
bleiben und, wie bisher, die Heimstatt der Gleichgesinnten, der
Liebhaber des »anderen Kinos«.
Erika Richter
29
BERICHTE UND
PORTRÄTS
LAV DIAZ,
DAS EREIGNIS
VON CANNES 2013
Zu den Filmfestspielen nach Cannes zu fahren, ist – trotz aller Schwierigkeiten der
Akkreditierung und des Zugangs zu den Vorführungen – ein „Muss“ für alle Filmkritiker
und Cinephilen. Und das aus gutem Grund. Man erhält einen Überblick über das Filmjahr, man kann Entdeckungen machen. Man drängt sich allerdings auch in Warteschlangen, inzwischen ist die Zahl der Pressevertreter auf 4.800 gestiegen.
In diesem Jahr fiel das Echo aufs Programm meist zustimmend
oder sogar begeistert aus. Gut für die Programmacher von
Cannes. Trotzdem gab es für den kritischen Beobachter neben
einzelnen Höhepunkten auch viel Leerlauf und Konvention. Obwohl fast alle konkurrierenden Werke von der Kritik hochgelobt
wurden wie der glitzernde Liberace-Film von Steven Soderbergh
Behind the Candelabra, Paolo Sorrentinos Fellini-Imitat La grande
Bellezza oder auch der sympathische, aber kurzgreifende CountryMusic-Film der Coen-Brüder, Inside Llewyn Davis, fragte man
sich oft: Warum eigentlich sehe ich diesen Film?
Manchmal gab es wenigstens Stoff zum Nachdenken, dazu könnte
man den Film des emigrierten Iraners Asghar Farhadi rechnen, Le
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Epos Norte, the End of History
von Lav Diaz, Philippinen
passé, oder Arnaud Desplechins Jimmy P., die Psychotherapie eines
nordamerikanischen Indianers durch einen Anthropologen, den
philippinischen Death March von Adolfo Alix jr. (Drangsalierung
von Gefangenen des Zweiten Weltkriegs durch die Japaner), oder
auch den Preisträger der goldenen Palme La vie d’Adèle von Abdellatif Kechiche. Dieser Film beschreibt mit viel Leidenschaft und
Engagement die Liebesbeziehung zwischen einer jungen Studentin
und einer Malerin, zeigt Szenen, die man vorher noch nie auf einer
Leinwand sah, er hat auch literarische und politische Dimensionen,
die schauspielerischen Leistungen sind exzellent, und doch bringt
dieser Film das Kino kaum weiter, sprengt er keine Konventionen
– er ist nicht vergleichbar mit Holy Motors von Léos Carax, der im
vergangenen Jahr das Festival spaltete.
Welches waren die wirklichen Höhepunkte von Cannes? Hier sind
zu nennen: der Film des Chinesen Jia Zhang-ke, A Touch of Sin,
Rithy Panhs L’image manquante und der vier Stunden und zehn
Minuten lange Norte, the end of history von Lav Diaz aus den
Philippinen. Jia Zhang-ke kommt aus der unabhängigen Filmszene Chinas (er begann mit illegal gedrehten Filmen wie Xiao wu,
Staudte-Preis auf dem Forum 1998), hat sich aber inzwischen einen
Namen als wichtigster junger Regisseur seines Landes erworben. In
A Touch of Sin (der Titel ist eine Anspielung auf den chinesischen
Klassiker A touch of Zen von King Hu, 1971) erzählt er vier parallele Geschichten, die das Klima von brutaler Gewalt, Korruption
und krasser sozialer Ungerechtigkeit im heutigen China illustrieren.
Überraschend ist die Tonart des Films für einen Regisseur, der bis-
her eine eher stille Erzählweise zu bevorzugen schien, aber Jia hat
auch hier eine großartige Form für sein Thema gefunden, die Bilder
der Films schockieren und faszinieren zugleich, der Protagonist
einer Episode erinnert an Glauber Rochas Rächer-Figur Antonio
das Mortes.
Faszinierend gleichfalls ist Rithy Panhs Essayfilm L’image manquante („Das fehlende Bild“). Thema ist hier die Epoche des
Steinzeit-Kommunismus, wie ihn der Diktator Pol Pot in Kambodscha praktizierte. Zwischen 1975 und 1979 fielen Millionen
Kambodschaner durch Hunger, Repression und drakonische
Strafen dem Pol Pot-Regime zum Opfer. Rithy Panh erlebte diese
Epoche selbst als Heranwachsender, sie bildet das Thema fast aller
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BERICHTE UND
PORTRÄTS
A Touch of Sin
von Jia Zhang-kes, China
seiner bisherigen Filme. Hier beschäftigt er sich mit dem Fehlen
von Bildern der Pol-Pot-Zeit. Es gibt nur Propagandastreifen von
Massenaufmärschen und ameisenhaft wuselnden Arbeitern, die
Erde in Körben schleppen. Panh analysiert diese wenigen Bilder, da
aber das reale Leben, das die Menschen damals führen mussten, in
Bildern nicht existiert, hat er eine Armada kleiner Figuren aus Holz
schnitzen lassen, die die kambodschanische Bevölkerung darstellen,
eine Form einfacher, aber stilisierter Animation. Einmal sitzen seine
kleinen Holzfiguren vor einer Leinwand, auf der ein Propagandafilm läuft. Aus der Suche nach dem nicht existierenden Bild ist ein
großer, bewegender Film geworden.
Ein weiteres filmisches Faszinosum lieferte der auf Langfilme
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spezialisierte Philippino Lav Diaz mit seinem Epos Norte, the End
of History. Die Geschichte beginnt wie Dostojewskis „Schuld und
Sühne“: Ein junger Mann aus einem Kreis von Studenten und
Intellektuellen, die endlose Debatten über Politik führen, begeht
einen Mord an einer Pfandleiherin und ihrer Tochter. An seiner
Stelle wird ein Unschuldiger verhaftet, der Jahre im Gefängnis
verbringt, während der eigentlich Schuldige sich in Selbstvorwürfen zerfleischt. Lav Diaz greift aus diesen Schicksalen jeweils kurze
Einzelmomente heraus, diese schildert er mit äußerster Insistenz
in seinem charakteristischen Stil minutiöser Beobachtung und
Tiefenschärfe. Jede einzelne Einstellung, die meisten werden lange
Zeit durchgehalten, ist in sich ein Mikrokosmos an Details und
Bedeutungen, Bewegungen vollziehen sich oft in zeitlupenartiger
L’image manquante
(„Das fehlende Bild“) von
Rithy Panh, Kambodscha
Langsamkeit. Aus dieser einzigartigen filmischen Sprache entfaltet
sich bei Lav Diaz ein Universum von biblischer Dimension. Auch
die Geschichte des Landes, seine politischen und sozialen Verhältnisse zeichnen sich deutlich ab. Nach vier Stunden zehn Minuten
Spieldauer dieses Films war der Saal nicht mehr voll besetzt, die
verbliebenen Zuschauer spendeten aber frenetischen Beifall, denn
sie wussten, dass sie das Ereignis von Cannes gesehen hatten.
Ulrich Gregor
33
SERVICE
SPIELPLAN
PROGRAMMREIHEN DER KOMMUNALEN KINOS
ARSENAL, BERLIN
FILMMUSEUM POTSDAM
4. Juni 2013
DAS ARSENAL WIRD 50
UND PRÄSENTIERT:
LIVING ARCHIVE.
Eröffnung des Programms
Mai – Dezember 2013
LAND IN SICHT – KINO IN
POTSDAMS LÄNDLICHEN ORTSTEILEN
FILMMUSEUM DÜSSELDORF
3. Juni - 20. Juli 2013
FILM NACH 9/11 –
GEWALT, VISUELLE MEDIEN,
ZEUGENSCHAFT
28. Juni - 13. Oktober 2013
FÜRSTEN DER FINSTERNIS –
VAMPIRKULT IM FILM
2. - 29. Juli 2013
CATHERINE DENEUVE,
DIE GEHEIMNISVOLLE SCHÖNE
21. Juli - 30. September 2013
UNIVERSAL HORROR
FILMMUSEUM MÜNCHEN
30. Mai – 11. Juni 2013
4. MÜNCHNER 3D-FILMFEST
18. – 28. Juni 2013
JIRI BARA:
HORROR ALS MYSTERIENSPIEL
20. Juni 2013
ZUSCHAUERKINO.
KURZFILMPROGRAMM
7. Juli 2013
CHRISTOPHER STREET DAY
9. – 28. Juli 2013
FILMISCHE UTOPIEN 1984-2054
bis November 2013
ZEITSCHNITT–
LIEBE IN ZEITEN DER DIKTATUR –
Veranstaltungstour durch Brandenburg
FILMTOURNEE DER
HOCHSCHULKINOS
5. Juni – 9. Juli 2013
PULP FICTION (OMU)
Uni-Film-Club Dortmund (5. 6.)
Gegenlicht Oldenburg (12. 6.)
UNIFILM Saarbrücken (18. 6.)
Filmstudio an der RWTH Aachen (9. 7.)
WEITWINKEL KOMMUNALES KINO SINGEN E.V.
2. + 5. Juni 2013
FILMREIHE:
REGIE: ULRICH SEIDL - DIE PARADIESTRILOGIE
29. INTERNATIONALES
KURZFILM FESTIVAL HAMBURG
4. - 10. Juni 2013
KOOPERATION MIT DEM
DEUTSCHEN FILMINSTITUT
Access: Wo und wie ein Publikum
zum Kurzfilm kommt
Donnerstag, 6. Juni | 14 Uhr
Physikalisches Labor, Festivalzentrum
FILMFÖRDERUNG HAMBURG
SCHLESWIG-HOLSTEIN
Eat my Shorts!
On Making Money with Short Films
Freitag, 7. Juni | 11.00 – 13.30 Uhr
Physikalisches Labor, Festivalzentrum
HIT THE ROAD TO FESTIVALS
So läuft mein Film auf Festivals
Freitag, 6. Juni | 15.30 – 17.00 Uhr
Festivalzentrum
AG KURZFILM:
Im digitalen Labyrinth –
Kurzfilmfestivals und digitale Vorführtechnik
Samstag, 8. Juni | 15.00 – 17.00 Uhr
No Budget Hotel, Festivalzentrum
KINO CLIMATES – NETZWERKTREFFEN
INTERNATIONALER OFF-OFF-KINOS
Panel Samstag 8. Juni | 15.00 Uhr Tischlerei,
Festivalzentrum
4. Juni 2013
REIHE „JUNGER DEUTSCHER FILM #66“
6. Juni 2013
PROJEKT WORLD IN PROGRESS/
LIVING ARCHIVE DES ARSENAL-KINOS
WEITWINKEL-REIHE:
FILME VOM VERSCHWINDEN # 2
Infos zu allen Filmen:
http://www.diegems.de/pages/kino.php
FILMHAUS SAARBRÜCKEN
8. Juni 2013
KAMERADSCHAFT - LA TRAGÉDIE DE LA
MINE
ZUM 50. JAHRESTAG DES
ÉLYSÉE-VERTRAGES
14. - 19. Juni 2013
WOCHE DES AFRIKANISCHEN FILMS
MIT ON THE INSIDE - DER TOD KENNT
KEINE NAMEN / OTELO - DER PREIS DER
FREIHEIT / AUF DEN SPUREN VON THOMAS
SANKARA / GETEILTES ERBE / DER STANDPUNKT DES LÖWEN / FIDAÏ / JUJU FACTORY
6. + 13. + 27. Juli + 3. August 2013
SAARBRÜCKER KINOSOMMER OPEN AIR KINO IM FILMHAUSHOF
Juli/August 2013
KINDER-FERIEN-KINO
30. August - 4. September 2013
THE NORDIC CREATIVE COMMONS
FILM FESTIVAL
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TERMINE
JUNI
JULI
SEPTEMBER
5. - 12. Juni 2013
24. INTERNATIONALES FILMFEST
EMDEN-NORDERNEY
www.filmfest-emden.de
17. - 21. Juli 2013
10. INDISCHES FILMFESTIVAL
STUTTGART
www.bollywood-festival.de
11. – 15. September 2013
20. INTERNATIONALES FILMFEST
OLDENBURG
www.filmfest-oldenburg.de
14. - 16. Juni 2013
BUNDESKONGRESS
DER KOMMUNALEN KINOS
im Deutschen Filmmuseum Frankfurt
www.kommunale-kinos.de
24. Juli - 4. August 2013
7. FÜNF SEEN FILMFESTIVAL, BAYERN
www.fsff.de
13. + 14. September 2013
KOLLOQUIUM DER
DEUTSCHEN KINEMATHEK BERLIN
Verleihung des Kinoprogrammpreises
www.deutsche-kinemathek.de
10. - 15. Juni 2013
ANNECY INTERNATIONAL ANIMATION
FILM FESTIVAL, FRANKREICH
www.annecy.org
AUGUST
11. - 29.September 2013
DOKU.ARTS, BERLIN
www.doku-arts.com
13. - 30. Juni 2013
9. FESTIVAL DES DEUTSCHEN FILMS,
LUDWIGSHAFEN
www.festival-des-deutschen-films.de
20. + 21. Juni 2013
DOKVILLE 2013, STUTTGART
www.dokville.de
28. Juni - 6. Juli 2013
INTERNATIONALES
FILMFEST MÜNCHEN
www.filmfest-muenchen.de
28. Juni – 6. Juli 2013
48. INTERNATIONALES FILMFESTIVAL
KARLOVY VARY, TSCHECHIEN
www.kviff.com
7. - 17. August 2013
66. FESTIVAL DEL FILM LOCARNO,
SCHWEIZ
www.pardolive.ch
8. - 18. August 2013
29. INTERNATIONALE
STUMMFILMTAGE, BONN
www.foerderverein-filmkultur.de
15. - 19. August 2013
37. OPEN-AIR FILMFEST WEITERSTADT
www.filmfest-weiterstadt.de
16.- 20. September 2013
13. FILMKUNSTMESSE LEIPZIG
www.filmkunstmesse.de
OKTOBER
11. - 13. Oktober 2013
28. MANNHEIMER FILMSYMPOSIUM
Dramaturgie Das Spiel mit dem Zuschauer
www.cinemaquadrat.de
20. August - 12. September 2013
FANTASY FILMFEST
www.fantasy-filmfest.com
28. August – 7. September 2013
70. VENICE FILM FESTIVAL
(BIENNALE), VENEDIG
www.labiennale.org
28. - 30. Juni 2013
INTERNATIONALES NATUR- UND
TIERFILMFESTIVAL NATURVISION
www.natur-vision.de
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