Weibliche Genitalverstümmelung in Liberia
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Weibliche Genitalverstümmelung in Liberia
Länderbereich Afrika - Westafrika II, Angola und Afrika überregional L ÄNDER FA C T - S H EET ÜBERWINDUNG DER WEIBLICHEN GENITALVERSTÜMMELUNG Weibliche Genitalverstümmelung in Liberia Die Republik Liberia liegt an der Westküste Afrikas und zählt 16 verschiedene Ethnien. Die größte Gruppe sind die Kpelle (17 bis 20 Prozent der Bevölkerung) und die Bassa (15 Prozent). Das Land leidet noch immer unter den Folgen des Bürgerkrieges, der von 1989 bis 2003 dauerte. Schätzungsweise 50-70 Prozent der Frauen haben während des Bürgerkrieges sexualisierte Gewalt erfahren, die von allen Kriegsparteien ausgeübt wurde. Während des Krieges fand kaum Schulunterricht statt. Viele Bildungseinrichtungen sind bis heute zerstört. Länderinformation L IBERIA : Einwohnerzahl: 3,5 Millionen Bevölkerungswachstum: 4 % Religionszugehörigkeit: 40 % Christen, 40 % traditionelle Religionen, 20 % Muslime Alphabetisierungsrate: Frauen 51 %, Männer 60 % Anteil an Frauen zwischen 20-24 Jahren, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet waren: 38 % Müttersterblichkeit: 9,9 % V e r b r e i t u n g d e r G e n i t a lv e r s t ü m m e l u n g Die weibliche Genitalverstümmelung (engl. Female Genital Mutilation, FGM) umfasst alle Praktiken, bei denen die äußeren Geschlechtsorgane eines Mädchens oder einer Frau ohne medizinischen Grund teilweise oder vollständig entfernt oder verletzt werden. Je nach Schweregrad klassifiziert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vier Typen. Da Genitalverstümmelung in Liberia noch immer ein Tabuthema ist, sind genaue Daten über ihre Verbreitung schwer zu erheben. Die Beschneidungen finden im Rahmen der Initiation in Geheimbünde, die Sande Societies, statt. Beim Demographic and Health Survey (DHS) von 2007, der Erhebung zum Gesundheitszustand der Bevölkerung, wurden die Frauen daher gefragt, ob sie von den Sande Societies gehört haben und Mitglied sind. Zur Berechnung der Prävalenz wurde dann davon ausgegangen, dass alle Mitglieder auch beschnitten sind. Unter dieser Annahme liegt die Prävalenz landesweit bei 58 Prozent. In ländlichen Gebieten sind 72 Prozent aller Frauen Mitglieder von Sande Societies, in städtischen Gebieten lediglich 39 Prozent. Am meisten verbreitet ist FGM im Nordwesten (84 Prozent) und im zentralen Norden (92 Prozent), also in Richtung der Länder Sierra Leone und Guinea, in denen die Praktik ebenfalls als Initiation in Geheimbünde durchgeführt wird. Im Südosten Liberias kommt FGM praktisch nicht vor. Die regionalen Unterschiede sind vor allem ethnisch bedingt. Rund die Hälfte der 16 ethnischen Gruppen Liberias praktiziert FGM, besonders häufig die Mende, Gola, Kissi und Bassa, während die Praktik bei den Kru, Grebo und den Krahn sowie den muslimischen Mandinke und der amerikanisch-liberianischen Bevölkerung überhaupt nicht vorkommt. Für Liberia ist vor allem die Exzision (Typ II nach WHO-Klassifikation) dokumentiert. Die Infibulation (Typ III nach WHO, Verengung der Vagina mit (teilweiser) Entfernung der kleinen/ großen Schamlippen und/oder der Klitoris) wird nicht praktiziert. Ob Mädchen beschnitten werden, hängt stark vom Bildungsstand und der sozialen Schicht ab. Je tiefer die Familie in der Tradition verwurzelt ist, desto stärker ist der soziale Druck, v.a. von älteren Familienmitgliedern. Durch den Bürgerkrieg wurden soziale Strukturen zerstört. Auch kam das traditionelle Dorfleben oft zum Erliegen. Dies führte vermutlich zu einem temporären Rückgang der Beschneidungspraktik: Gemäß der Daten des DHS 2007 sind jedoch diejenigen, die während des Krieges im traditionellen Initiationsalter waren, trotzdem zu etwa zwei Dritteln initiiert. Das Initiationsalter ist zudem deutlich gesunken. Lag es früher zwischen acht und 14 Jahren, werden heute viele Mädchen bereits im Alter zwischen drei und sieben Jahren initiiert und damit beschnitten. Je besser gebildet und je wohlhabender Frauen sind, desto seltener sind sie Mitglieder der Sande Societies. Insgesamt scheint laut dem DHS die Akzeptanz der Sande Societies abzunehmen: fast jedes zweite Mitglied (45 Prozent) ist der Meinung, dass es die Geheimbünde nicht mehr geben sollte. Liberia hat mehrere internationale Konventionen ratifiziert, die Genitalverstümmelung verurteilen. Hierzu zählen das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (CRC) sowie die Afrikanische Charta über die Rechte und den Schutz des Kindes. Darüber hinaus hat die Regierung das Protokoll für die Rechte von Frauen in Afrika (Maputo-Protokoll) unterzeichnet und ratifiziert, ein Zusatzprotokoll zur Afrikanischen Menschenrechtscharta, das sich explizit gegen FGM und andere schädliche Praktiken ausspricht. Ansätze Ein nationales Gesetz, das FGM explizit unter Strafe stellt, gibt es bislang nicht. Eine strafrechtliche Verfolgung nach Art. 242 des Strafgesetzbuches wäre theoretisch möglich. Hier kann das Abtrennen von Körperteilen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Die liberianische Regierung ist mit zahlreichen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert, so dass Anstrengungen zur Überwindung von FGM derzeit nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Nationale Vereinigung zu Traditionellen Praktiken (NATPAH), das nationale Komitee des Inter-African Committee (IAC), wurde 1985 gegründet. Es bemüht sich, u.a. in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium, durch Studien sowie im Rahmen von Mutter-und-Kind-Programmen zur Basisgesundheit Bewusstsein über die medizinischen Folgen von FGM zu schaffen. Während des Bürgerkriegs konnten mit Hilfe von Mitgliedern und Freiwilligen jedoch nur punktuelle Aktivitäten zur Überwindung von FGM aufrecht erhalten werden. Auch nach dem Bürgerkrieg hat das Engagement für die Überwindung der Genitalverstümmlung in Liberia keine Priorität. Es fehlt an Unterstützung von Meinungsführern, traditionellen Führern und offiziellen Regierungsvertretern für Aktivitäten gegen FGM. Die prekäre sozio-ökonomische Lage erschwert die Bildung funktionsfähiger zivilgesellschaftlicher Strukturen, die sich mit verschiedenen sozialen Problembereichen beschäftigen könnten. Impressum Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH Sektorvorhaben und überregionales Projekt „Überwindung der weiblichen Genitalverstümmelung“ Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5 65760 Eschborn/Deutschland E [email protected] I www.giz.de/fgm September 2011 Quellen: Demographic and Health Survey (DHS) Liberia 2007. UNICEF, State of the World’s Children 2010. Human Development Report 2009. US Department of State, Liberia: Report on Female Genital Mutilation (FGM) or Female Genital Cutting (FGC), 2001. In: http://www.asylumlaw.org/docs/liberia/usdos01_fgm_Liberia.pdf (eingesehen am 08.11.2010). Weitere Informationen zur Arbeit der GIZ zum Thema FGM unter: www.giz.de/fgm.