Russland - Landmark Global

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Russland - Landmark Global
Country factsheet - März 2014
Russland
Country factsheet I Russland
Russland in Zahlen, bei denen einem schon mal schwindlig
werden kann:
• Grenzen, die es mit 14 Ländern teilt;
• 141 Millionen Einwohner ;
• eine sinkende Arbeitslosenquote, die auf 5,7 % geschätzt wird
(weit unter dem europäischen Durchschnitt von 11 %);
• eine Internet-Durchdringungsrate von bisher nur 50 %
• die größte Internet-Community Europas mit derzeit 71 Millionen
Internetsurfern, die jährlich um 10 % steigt;
• 4 8 Millionen Internetsurfer, die noch keinen Online-Kauf getätigt haben;
• ein für 2013 geschätztes E-Commerce-Wachstum von bis zu 50 %.
Zahlen, die viele europäische Akteure begeistern, die auch gerne ein Stück vom
Kuchen abhaben möchten. Allerdings muss man wissen, wie man dies anstellt und
seinen Platz in diesem ebenso weitläufigen wie komplexen Land findet, das sich
mitten im Übergang von einem zentralistischen, sozialistischen Wirtschaftsmodell
hin zu einem marktorientierten befindet.
1. Der russische Verbraucher
E-Commerce hat sich in Russland noch nicht ganz demokratisieren können,
und Online-Käufe sind deshalb wesentlich mehr in Haushalten mit eher hohen
Einkommen verbreitet. Übrigens hat der typische russische E-Shopper eher
einen hohen Bildungsgrad und ist technikbegeistert. Online-Shopping ist bei
Frauen beliebter (64 %) als bei Männern (36 %) und das durchschnittliche Alter
beträgt 44 Jahre.
2012 betrug der durchschnittliche jährliche Warenkorb 515 € und wird für 2013 auf
596 € geschätzt.
Der Russe gibt 60 % seines Bruttoeinkommens für Einkäufe aus, was
übrigens die höchste Rate in Europa darstellt. Dies alles geschieht in einem
verbraucherfreundlichen Umfeld, denn die Mietkosten sind relativ niedrig, es gibt ein
staatliches Gesundheitssystem und eine Einkommenssteuerpauschale von 13 %.
Am meisten gekauft wird in den Kategorien Elektronikprodukte, Kleidung und
Accessoires sowie Auto-Ersatzteile.
Die Gründe, weshalb ein russischer E-Shopper online einkauft
Niedrigere Preise
Zeitgewinn
36 %
01
Es ist bequem
47 %
33 %
Country factsheet I Russland
Die Erwartungen der russischen E-Shopper
So möchte die
Mehrzahl der Russen
die Einkäufe zwischen
7 und 10 Tagen nach
Bestellung erhalten.
Die englische Sprache ist nicht sehr verbreitet, daher ist es den Russen wichtig,
Händlerseiten in ihrer Sprache zu finden.
Was die Lieferzeiten angeht, so möchte die Mehrzahl der Russen die Einkäufe
zwischen 7 und 10 Tagen nach Bestellung erhalten.
Die Russen legen noch sehr viel Wert darauf, „bei echten Menschen“ einzukaufen
oder im Falle einer Reklamation wenigstens einen Ansprechpartner zu haben.
Dies zeigt auch das Beispiel von so führenden Seiten wie Ostrovok und Ozon, die
konsequent in ihre Callcenter investieren und damit ihrem Angebot eine menschliche
Note verleihen, die für russische Verbraucher so unverzichtbar ist. Es ist daher
ratsam, E-Shopper auf der Internetseite mit deutlich sichtbaren Informationen
bezüglich Serviceleistungen und Callcenter zu beruhigen.
Letztes Kriterium: Der russische E-Shopper ist nicht sehr zuverlässig.
Die weitverbreitete Nutzung der
Barzahlung und der Bezahlung
bei Lieferung
Nichtlieferung
Verlorene
Pakete
Aus verschiedenen Gründen zieht eine
Mehrzahl der Russen immer noch die
Barzahlung vor, und zwar erst, wenn
Unsichere
sie ihre Lieferung in den Händen
Lieferkette
halten. Einer dieser Gründe ist zu
Mangelnde
allererst die relative Unsicherheit der
Transparenz
Lieferkette in Russland (wir kommen
Lange
bei den Warenbei unserer Marktanalyse darauf
Wartezeiten
beständen
zurück). Es geschieht tatsächlich immer
noch häufig, dass Pakete nicht ankommen
oder in der Masse untergehen. Außerdem vermissen
die E-Shopper oftmals ausreichende Transparenz bezüglich der tatsächlichen
Verfügbarkeit einer Ware am Lager, was gelegentlich zu langen Wartezeiten führen
kann. Die Bezahlung über Kioskautomaten oder Abholstellen ist ebenfalls
weit verbreitet.
2. Der Markt
Die Einfuhrsteuer ist derzeit für ausländische Exporteure noch recht günstig, sie wird
erst bei Einkäufen ab 1.000 € fällig (die Berechnung erfolgt auf einer monatlichen
Grundlage). Man muss jedoch klarstellen, dass diese Grenze von der Regierung
gerade überprüft wird und es zu einer Änderung kommen kann; außerdem wird
oft und streng kontrolliert.Derzeit werden zwischen 10 und 15 % der gesamten
E-Commerce-Verkäufe in Russland auf einer ausländischen Webseite getätigt.
Hinzu kommt, dass historisch gesehen die lokalen Verkäufer den Ruf von
Betrügern haben, was sich günstig auf die Einnahmen ausländischer Händler
auswirkt; außerdem genießen diese ein gewisses Vertrauen seitens der russischen
Verbraucher. Ebenso wie für Bürger in anderen Schwellenländern, so bietet das
Internet auch für Russen die Möglichkeit, sich Waren zu kaufen, die entweder
exotisch als gelten oder auf dem lokalen Markt nur schwer erhältlich sind.
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Country factsheet I Russland
Das Privileg des lokalen Marktes
Trotz der prinzipiell günstigen Bedingungen für den internationalen Onlinehandel, ist
die russische E-Commerce-Landschaft derzeit noch hauptsächlich russisch geprägt.
Bei den Zahlungsmethoden sowie beim Marketing setzt man auf Inlandskäufe. Denn
70 % der Käufe werden bei Anlieferung bezahlt, und bei einer Suche mit Yandex
(das man als russisches Google bezeichnen kann) werden lokale Unternehmen
und in russischer Sprache übersetzte Webseiten vorgezogen. Google selbst
hat lediglich einen Marktanteil von 27 % gegenüber 61 %, die auf Yandex entfallen.
Bei den sozialen Netzwerken handelt es sich ebenfalls um inländische Versionen
von dem, was man sonst vorfindet. So liegt Vkontakte mit 31 % Marktanteil weit vor
Facebook mit 5,2 %, was 7,4 Millionen Einwohnern in Russland entspricht.
Selbst Amazon hat sich noch nicht offiziell in Russland etabliert. An dessen Stelle
gibt es OZON.ru, den inländischen E-Commerce-König. Es gibt auch ebay, doch
bekommt es die harte Konkurrenz von Molotok.ru zu spüren.
Marktanteile
61 %
31 %
Yandex
(lokaler Anbieter)
Vkontakte
27 %
Google
(lokaler Anbieter)
5,2 %
Facebook
Die Top 5 der E-Tailer in Russland
Für 8 von 10
russischen
E-Shoppern sind
Lieferalternativen bei
ihrer Kaufentscheidung
ausschlaggebend
Utkonos
Lebensmittel
Wildberries
Mode
OZON.ru
Einkaufsplattform
€ 207 Mio.
Holodilnik.ru
Haushaltsgeräte
€ 201 Mio.
KupiVIP.ru
Mode
€ 197 Mio.
€ 230 Mio.
€ 223 Mio.
Eine gewaltige logistische Herausforderung
Ein über 17 Millionen Quadratkilometer großes Land, das von 9 Zeitzonen durchzogen
wird, stellt an sich schon eine große logistische Herausforderung dar. Hinzu kommen
die Trägheit, das mangelnde Vertrauen und die hohen Preise der inländischen
Postdienste. Auch die alternativen Anbieter sind nicht unbedingt günstiger. Der
Logistics Performance Index (LPI), der die Logistik-Infrastrukturen auf internationaler
Ebene misst, stuft Russland an 95. Stelle von 155 Ländern ein. Die E-Shopper
legen übrigens Wert auf alternative Lieferoptionen, für 8 von 10 unter ihnen ist
dies sogar ein ausschlaggebendes Kriterium, bevor sie sich zum Kauf in einem
bestimmten Webshop entschließen. Von den 108 Millionen Paketen, die im Jahre
2012 in ganz Russland ausgeliefert wurden, wurde die Hälfte der Lieferungen von
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Alternativanbietern zum inländischen Postnetz vorgenommen.
Die Lieferproblematik gilt insbesondere für die „Regionen“, worunter alle
Gebiete verstanden werden, die nicht innerhalb der Metro-Zonen Moskaus
oder St. Petersburgs liegen. Obwohl ursprünglich die meisten E-CommerceBestellungen von E-Shoppern aus Moskau oder St. Petersburg kamen, ändert
sich dies nun.
Aus diesem Grund ist es interessant, auf Ozon zurückzukommen, das ein
umfassendes Logistiknetz entwickelt hat und als das „russische Amazon“ gilt.
Sein Business-Modell ist auch tatsächlich dem internationalen Branchenriesen
ähnlich. Die geringe Durchdringungsrate von Kreditkarten hat Unternehmen wie
Ozon und KupiVIP dazu gezwungen, ihre eigene Lieferflotte
mit eigenen Lkw ins Leben zu rufen, deren Fahrer
das Geld gleich bei der Anlieferung der Waren
Diensteinkassieren. KupiVIP bietet sogar an, zu
leistungen
warten, bis der Kunde den Einkauf ausprobiert
20 %
hat und gegebenenfalls die sofortige
Rücknahme zu veranlassen, falls die Ware
nicht passt.
Delivery Club :
Ein jährliches
Wachstum von
300 %
Waren
Es bedarf daher sehr solider Ambitionen,
80 %
um den russischen Markt angehen zu
wollen, und aus gutem Grund begegnen die
ansässigen großen Anbieter dieser logistischen
Herausforderung mit einem eigenen Liefernetz. Diese
Maßnahme ist unumgänglich, wenn man bedenkt, dass 2012 der Anteil der
Online-Käufe bei 80 % für Waren lag, für Dienstleistungen hingegen nur
20 % betrug.
Lebensmittel – ein Markt, den es zu beobachten gilt
Wie bereits erwähnt, ist die Nummer eins der Top-E-Tailer eine Webseite für
Lebensmittel. Erwähnenswert ist auch „Delivery Club“, ein LebensmittelLieferservice mit Sitz in der Hauptstadt, der bereits 18 russische Großstädte
sowie 22 Städte in der Region Moskau abdeckt, und auch schon die
Ausdehnung in andere Regionen angekündigt hat. Dieses 2009 gegründete Startup-Unternehmen, das an die 2000 unabhängige Nahrungsmittel-Lieferservices
bündelt, bearbeitet täglich nahezu 7000 Bestellungen und kassiert für jede
Bestellung eine Provision von 10 %. Die Webseite hat monatliche Einnahmen von
nahezu 8 Millionen Euro und verzeichnete kürzlich ein jährliches Wachstum von
300 %. Zu den Wettbewerbern von Delivery Club zählen Foodik.ru, eine Webseite,
die im letzten Jahr mit dem deutschen Delivery Hero fusionierte. Manche
Experten schätzen die Einnahmen aus Lebensmittellieferungen in Russland
auf fast 700 Millionen Euro mit einem hohen Entwicklungspotential für die
kommenden Jahre.
Doch nur weil der Sektor boomt, ist dies noch lange keine Erfolgsgarantie. 2012
musste die Seite Izrestorana.ru, die von der türkischen Seite Yemeksepeti.com auf
den Markt gebracht wurde, ihre Aktivitäten einstellen.
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Country factsheet I Russland
3. Trends
Der russische E-Commerce erlebt gerade einen regelrechten Boom. Diese
explosionsartige Entwicklung zieht ein gewaltiges Wachstum in sämtlichen
Bereichen nach sich, die mit Online-Shopping zu tun haben. Dieses Wachstum
bekommen wir hauptsächlich über seine internationale Resonanz zu spüren.
Unglaublich verlockend
Aus den unterschiedlichen, in unserer Analyse angeführten Gründen ist Russland in
den Augen internationaler Akteure äußerst attraktiv. Diese Attraktivität konzentriert
sich hauptsächlich auf die Einwohner der Großstädte. Einerseits aufgrund der
genannten logistischen Gegebenheiten, aber auch wegen der hohen Konzentration
der dort vorhandenen Kaufkraft. Schon jetzt gibt es mehr Milliardäre in Moskau als in
Manhattan. Doch darf man nicht außer Acht lassen, dass bei Russen, im Gegensatz
zu Bürgern anderer sogenannter BRIC-Staaten (Akronym für Brasilien, Russland,
Indien, China) ein Sprachproblem hinzukommt. Denn chinesische oder indische
Geschäftsleute sprechen Englisch, was bei ihren russischen Kollegen meist nicht
der Fall ist. Obwohl sich die Dinge rasch entwickeln, sprechen derzeit nur 12 % der
Russen Englisch.
Schon 2012 kauften
Russen für über
287 Millionen Euro
Waren auf ebay
Zahlreiche internationalen Anbieter stehen in den Startlöchern
Internationale Anbieter haben das enorme Potential Russlands erkannt und werden
sich vermehrt auf dem russischen Markt etablieren. ebay und PayPal hatten dies
bereits zu ihrer Priorität gemacht, und zahlreiche Anbieter folgen ihnen nun nach.
Schon 2012 kauften Russen für über 287 Millionen Euro Waren auf ebay. Asos
startete seine Expansion 2013 in Richtung der Schwellenmärkte und begann dabei
mit Russland.
Angesichts der noch schwachen Quote der „nicht physischen Waren“ und der
genannten Logistikprobleme könnte es sein, dass Anbieter wie Amazon genau dies
ausnutzen, um sich in Russland zu positionieren und dort vermehrt Angebote wie
den Kindle anzupreisen.
Dennoch sieht es so aus, als wäre ein lokales Umdenken im Gange, und als wären
die logistischen Barrieren, auf die wir in unserer Analyse mehrmals eingegangen sind,
nicht unüberwindbar.
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Quellen:
V.H.: Dave Mays, Muntcentrum, 1000 Brüssel, Belgien
• Eastern Europe B2C E-commerce Report 2013
• http://www.commercecrossingborders.com/2013/04/russias-ecommerce-growth-bares-watching.html
• http://resources.pbecomm.com/global-ecommerce-blog/the-brics-and-beyond-growing-international-online-salesin-key-emerging-ecommerce-markets/
• http://www.borderfree.com/global-insights/ecommerce-in-russia-borderfree-country-report
• http://www.themoscowtimes.com/business/article/russian-post-pledges-increased-efficiency/483978.html
• East-west Digital consulting, executive summary e-commerce in Russia
• http://techcrunch.com/2013/04/19/amazon-is-finally-setting-up-shop-in-russia-says-report/
• http://www.ewdn.com/2013/12/18/delivery-club-secures-8-million-from-phenomen-ventures-addventure-andguard-capital/
• http://www.stores.org/STORES%20Magazine%20June%202013/asos-turns-international-markets-propel-growth
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