SZ-Archiv: A51418790

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SZ-Landkreisausgaben
Dienstag, 6. März 2012
Porträt
Bayern Region Seite 38DAH,EBE,ED,FS,FFB,STA,Wolfrhsn. Seite R12München City,München Nord,München Süd,München West Seite R6
te bei. Doch es macht den Anschein, als
wolle Schelle-Müller ihre Leistung nicht
in den Mittelpunkt stellen. Sie betont,
dass das Innenausstattungskonzept im
Team weiterentwickelt worden sei.
Ihr Mann ist da weniger bescheiden.
Er trägt die ersten Knöpfe seines Hemdes
offen. Das wirkt lässig, so gar nicht wie
ein Buchhalter, und doch seriös. Müller
spricht leise, stets überlegt – vielleicht ist
das einer der Gründe, warum sich in Zeitungsarchiven keine wirklich nachteiligen Artikel über ihn finden lassen, vielleicht gibt es aber auch nichts, was negative Schlagzeilen gerieren könnte. Dass
er sich zu einer vorschnellen Aussage hinreißen ließe, kann man sich bei ihm nicht
vorstellen und im Gespräch kommt so etwas auch nicht ein einziges Mal vor.
Auch bei kritischen Nachfragen nicht.
Wie er sich denn die qualitative Ausstattung bei einem Zimmerpreis von 69 Euro
Kaufmann
und Künstlerin
Dieter Müller hat Motel One entwickelt, das Konzept der
preiswerten Hotels funktioniert, auch dank seiner Frau
Von Melanie Staudinger
E
s ist jetzt schon drei Jahre
her, da wurde Dieter Müller
als Hotelier des Jahres ausgezeichnet. Zur Verleihung in
Berlin trug der 57-Jährige sogar eine Krawatte, was er eigentlich nie
tut, obwohl es in der Branche üblich ist.
Müller hat gleich zwei Hotelketten aufgebaut, und mit seinem aktuellen MotelOne-Konzept Billighotels salonfähig gemacht. Vieles aber hätte er wohl nicht erreicht, wenn er seine heutige Frau Ursula
Schelle-Müller nicht kennengelernt hätte. Müller ist der Mann für die Bilanzen,
Schelle-Müller hingegen hat ein Händchen für das Ambiente. Genau diese Kombination macht Motel One wohl zu einer
der erfolgreichsten Hotelketten Deutschlands.
Aber man muss die Geschichte von vorne erzählen. Sie beginnt im Jahr 1975, als
Müller, der Sohn eines Klempners, zufällig im Saarland nahe der französischen
Grenze an einer Hotel-Großbaustelle vorbeiläuft. Das sei damals schon etwas Besonderes gewesen in einer Region, die
nicht gerade von überschäumender Investitionstätigkeit und vielen Jobangeboten
geprägt gewesen sei, erzählt er. Die französische Accor-Kette errichtet dort ein
Müller ist der Mann für
die Bilanzen, seine Frau
verantwortet das Ambiente.
Hotel – und sucht jemanden für den Finanzbereich. Für Müller, der in Saarbrücken eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei BMW absolviert hat, ein idealer Job. Er bewirbt sich
und landet in der Hotellerie. Zwölf Jahre
bleibt er bei Accor, dann macht er sich
selbstständig. 1987 gründet er mit einem
Partner die Astron-Kette, Hotels im hart
umkämpften Vier-Sterne-Segment. Dort
tritt auch seine spätere Frau in sein Leben. Die Münchnerin hat Kommunikationswissenschaften studiert, und fängt
bei Astron in der Öffentlichkeitsarbeit
an. 20 Jahre ist das mittlerweile her.
Astron entwickelt sich zu einer führenden Hotelmarke in Deutschland und Österreich mit zuletzt 56 Hotels und mehr
als 8000 Zimmern. Die Expansion ins europäische Ausland aber scheint unmöglich. Die Konkurrenz in der Sparte ist zu
hart. Der Kaufmann Müller sucht also
nach einer Alternative. Astron verkauft
er 2001 an den Hotelkonzern NH, was so
kurz nach den Terroranschlägen vom
11. September in der Hotelbranche als
Sensation angesehen wird. Das spanische Unternehmen wird einige Jahre
brauchen, um sich von diesem Deal zu erholen. Müller hingegen baut Motel One
im Low-Budget-Bereich auf. Zwei Söhne von Dietmar Hopp, dem Gründer des
Software-Unternehmens SAP, beteiligen sich finanziell, ebenso später die Investmentbank Morgan Stanley. Weniger
Mitbewerber im Segment bedeuten größere Chancen für Müller. Seine Ziele stehen im Hotel-Namen: „Motel steht für
preiswertes Übernachten, One für die
Nummer eins im Segment“, sagt Müller.
In den Anfangsjahren unterscheidet
sich Motel One noch kaum von Mitkonkurrenten wie Ibis oder Etap. Es wird gut
fünf Jahre dauern, bis das Konzept steht,
das die Kette in Deutschland zu einer
Marke macht. „In der ersten Generation
war Motel One genauso wie andere Anbieter, nichts wirklich Besonderes“, sagt
Stephan Gerhard, Geschäftsführer der
auf die Hotellerie spezialisierte Unternehmensberatung Treugast. Dann aber
sei die Vision hinzugekommen, Design in
ein Billighotel zu bringen. Das sei etwas
wirklich Neues gewesen auf dem deutschen Hotelmarkt, die Motel One als erstes Low-Budget-Hotel die Bestnote bei
Treugast einbringt. Müller nennt es die
„drei Schritte zum Erfolg“: attraktiver
Preis, hohe Qualität, zentrale Lage.
Für Design und Marketing ist SchelleMüller verantwortlich. Zum Gespräch
bittet das Ehepaar ins Motel One in der
Rablstraße, dem neuesten Haus der Kette in München, 2011 eröffnet. In der
Lounge stehen türkisfarbene Egg-Chairs
des Designers Arne Jacobsen. Je nachdem, ob Winter oder Sommer ist, knistert
dort auf einem Bildschirm ein wohliges
Kaminfeuer oder es blubbert eine Aquarienunterwasserwelt friedlich vor sich hin.
Das gibt es in jedem der mittlerweile 39
Motel Ones „Wiedererkennungswert“,
nennt Müller das. Und das sei wichtig
fürs Geschäft.
Links ist die Rezeption, rechts die
Lounge, die sich morgens in den Frühstücksbereich verwandelt. Wer aber geradeaus weiter geht, findet sich plötzlich in
einem Raum, den es so in Hamburg, Berlin oder Wien nicht gibt. Dunkelbraune
Regale aus geräucherter Eiche hängen an
den Wänden, darin Bücher wie „Technik, Welt Wandel – Die Sammlungen des
Deutschen Museums“ oder „Circa 1903.
Artefakte in der Gründungszeit des Deutschen Museums“.
Die 46-Jährige Ursula Schelle-Müller
erscheint zum Interview in einem grauschwarzen Kleid. Es verdeckt die Knie
nicht, ist dafür aber oben hochgeschlossen. Sie zeigt auf eine rote Glühbirne, die
an der Wand strahlt, aber nicht echt, sondern als eine Projektion des Münchner
Lichtdesigners Ingo Maurer. Ziemlich
raffiniert, und sie passt zur Ausrichtung
Kein Schrank, kein Safe,
kein Roomservice,
keine Minibar, kein Telefon
Aufgabenteilung im Motel One: Während Ursula Schelle-Müller die Ausstattung etwa im LED-Kaminfeuer-Ambiente verantwortet, kümmert sich Dieter Müller um die Zahlen der Kette.
Foto: Robert Haas
dieses Hotels. Es trägt den Beinamen
„Deutsches Museum“, weil es nur 400 Meter entfernt davon ist und die Exponate
in der Bibliothek Leihgaben der Einrichtung sind. Der Bar-Bereich steht unter
dem Motto Raumfahrt. Swarovski-Kristalle am Tresen symbolisieren die Milch-
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straße, über der Bar werden Aufnahmen
von der ersten Mondlandung gezeigt.
„Wir haben bewusst eine loungige Atmosphäre geschaffen“, sagt Schelle-Müller.
Die Gäste sollen sich entspannen. Viele
von ihnen sind Geschäftsreisende oder
Städtebummler. In Berlin spiegeln sich
die goldenen 1920er Jahre wieder, in
Köln ist es der Karneval. Jede Lounge
hat ihr eigenes Thema, das schaffe Identifikation. Die Idee dazu kam von SchelleMüller, ebenso wie sie die Farbe Türkis
als Markenfarbe entwickelt und etabliert hat. Beides trägt zur Erfolg der Ket-
leisten könne? „Flächenoptimierung“,
sagt er gelassen. 16 Quadratmeter misst
ein Zimmer. Es gibt keinen Schrank, keinen Safe, keine Minibar, keinen Zimmerservice und kein Telefon. Frühstück wird
extra berechnet, wer eincheckt, muss
gleich bezahlen. „Das Konzept funktioniert gut, weil der Betrieb so straff organisiert ist und weniger Mitarbeiter
braucht“, sagt Experte Gerhard. Kleinere Betriebe könnten sich das nicht leisten, vor allem private Zwei-Sterne-Hotels sehen in Motel One eine Gefahr für ihre Existenz.
Müller hingegen meldet Erfolge. Sieben neue Hotels mit 2075 Zimmern und
ein Umsatzplus von 48 Prozent auf 134,8
Millionen Euro lautet seine Bilanz für
2011. In nur zehn Jahren wuchs die Belegschaft auf 1000 Mitarbeiter an. Die Zimmerauslastung liegt bei gut 70 Prozent.
23 weitere Hotels sind in Planung. Müller will Europa erobern, London, Edinburgh oder Barcelona. Bis 2016 soll die
Kette 120 Hotels mit 26 000 Zimmern haben, 40 Prozent davon im Ausland. „Ein
nationaler Player hat in unserem Gewerbe keine Chance“, sagt Müller. Der Mann
will mitspielen im großen Geschäft.
Zuhause in Münsing am Starnberger
See hingegen nimmt er Abstand von den
Zahlen des Gewerbes, geht mit Jagdhund Sergio spazieren oder spielt Golf.
Das Paar ist seit acht Jahren verheiratet,
und ihre Arbeit haben sie sich so aufgeteilt, dass sie sich nicht ständig gegenseitig auf den Füßen stehen.
Schelle-Müller zeigt in einem der Zimmer auf den Marken-Flachbildfernseher,
die Designer-Lampen. Sie streicht über
die Bettdecke aus ägyptischer Baumwolle und fordert auf, die Dicke des Handtuchs zu erfühlen, nicht ohne auf den Granitboden und die hochwertigen Armaturen zu verweisen. Müller sagt: „Wir würden nie ein Hotel bauen, in dem wir nicht
selbst auch wohnen wollen würden.“ Dabei blickt er aus dem Fenster des Zimmers im zehnten Stock, herunter auf die
Münchner Innenstadt.
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