Mit welcher Software Kernprozess steuern?

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Mit welcher Software Kernprozess steuern?
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Mit welcher Software
Kernprozess steuern?
DIE TOURENPLANUNG IST FÜR DIE AMBULANTE PFLEGE EINE DER WICHTIGSTEN
STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN FÜR DIE WIRTSCHAFTLICHKEIT. IT-TOOLS MACHEN
EFFEKTIVES STEUERN ERST MÖGLICH UND VEREINFACHEN DEN PROZESS – VORAUSGESETZT DER PFLEGEDIENST SCHÖPFT DIE TECHNISCHEN MÖGLICHKEITEN AUCH
AUS. EIN MARKTÜBERBLICK.
Von Alexander Cito Aufenacker
I
T ist bei Stammdatenpflege, Verordnungsmanagement, Dienst-/
Einsatzplanung, Tourenwirtschaft, Fahrzeug- und Routenplanung,
Abrechnung, Statistiken und Controlling aus der ambulanten Pflege
nicht mehr wegzudenken. Anbieter von Softwareprodukten für ambulante Pflegeeinrichtungen sind der Meinung, dass mittlerweile weit über
80 Prozent aller Dienste aus Privatwirtschaft, Wohlfahrt und kommunaler Trägerschaft den Wechsel von der Stecktafel zum IT-System vollzogen
haben – nicht zuletzt auch wegen des DTA-Verfahrens mit den Kassen.
Die Anbieter dieser IT-Systeme haben sich den Marktanforderungen gestellt und sich kontinuierlich weiterentwickelt. Beispielhaft sei hier die
vorbildliche Vorbereitung auf das Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG)
genannt: Fast alle guten, namhaften Systemanbieter haben sich frühzei-
tig mit den Veränderungen auseinandergesetzt und ihre Softwareprogramme entsprechend angepasst – und den Kunden daraufhin Updates
und Schulungen angeboten. Daher können auch diese Anbieter eindeutig als Gewinner des PNG bezeichnet werden. 2013 scheint für viele
sogar umsatztechnisch ein Rekordjahr zu werden – wer sich heute für
ein System bei den „Guten“ entscheidet, kann sich glücklich schätzen,
zeitnah noch eine Systemumstellung zu erfahren.
Woran erkennt man aber einen guten Anbieter? Viele Pflegedienste arbeiten noch mit selbst programmierten Exceltabellen. Doch gut zehn
nennenswerte Softwareanbieter sind mit einer Branchensoftware am
Markt – fünf davon sind aus Autorensicht als sehr gut und am Markt dominant einzustufen. Aber nicht alle passen auch automatisch zu jedem
HÄUSLICHE PFLEGE | 09.2013
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Die meisten Anbieter haben ihre Software entlang des Kundenprozesses orientiert, beginnend bei der Angebots-, Vertragsgestaltung, über
die Eingabe aller relevanten Kundeninformationen , über Pflegeplanung,
Personaleinsatzplanung, -einsatz und Tourenwirtschaft bis hin zur mobilen Datenerfassung, Abrechnung und Rechnungsstellung – bei Bedarf
auch samt Factoring. Die nahtlos ineinandergreifenden Funktionen gewährleisten einen ökonomischen Einsatz aller unternehmerischen Ressourcen.
Pflegedienst – jeder Pflegedienst hat eigene Anforderungen an ein Softwareprodukt. Bei einer Systemauswahl sind daher vorab entscheidende
Faktoren zu klären:
• Handelt es sich um einen Systemwechsel oder um eine Erstinstallation? Der Trend geht mehr zur Ablöse als zur Erstinstallation. Der
Markt scheint demnach quasi gesättigt.
• Welche Geschäftsmodelle werden mit der ambulanten Pflege verbunden und sollen im System berücksichtigt werden (stationär, teilstationär, Essen auf Rädern, Kurzzeitpflege, Tagespflege, Hauswirtschaftliche Versorgung)?
• Soll klein begonnen werden, oder soll gleich ein Komplettpaket angeschafft werden (beispielsweise inklusive Einsatz mobiler Geräte
für Zeiterfassung, Pflegedokumentation etc.)?
• Soll die IT zentral oder dezentral installiert sein, also am Hauptstandort oder in jeder Geschäftsstelle einzeln, beziehungsweise sollen Einzelarbeitsplätze oder ein Terminalserver eingesetzt werden?
• Welches Budget steht zur Verfügung? Wie soll die Finanzierung erfolgen – Leasing oder Kauf?
Fragen Sie Ihre PDL regelmäßig, welche Auswertungen und Tools genutzt werden und was aus
Zeitmangel noch nicht vertieft wurde.
Bei der Preisfindung der Anbieter ist die Größe eines Pflegeunternehmens, gemessen an der Anzahl Kunden und Mitarbeiter, die am häufigsten angewandte Messmethode.
MOBILE LÖSUNGEN VERBESSERN DIE EFFIZIENZ
Vor der Auswahl eines Softwareproduktes sollte der Pflegedienst wissen,
was genau er möchte. Viele Anbieter bieten gerne das Komplettpaket an,
das heißt Software zuzüglich mobiler Endgeräte. An dieser Stelle sei zur
sorgfältigen Abwägung angeraten, denn es muss vorher sichergestellt
sein, dass der Pflegedienst auch fit und reif für eine Komplettumstellung
ist. In der Praxis findet man viele Einrichtungen mit funktionierender
Software, jedoch mit Prozessproblemen in der effektiven Anwendung
der MDA Geräte. Oft reichen im ersten Schritt die PC-Software und die
damit verbundenen Lizenzen aus. Die mobilen Endgeräte könnten bei
allen Anbietern in einem zweiten Schritt eingeführt werden. Dennoch:
mobile Geräte, wie MDA oder Pad, können einen wichtigen Beitrag zur
Amortisation einer Systemeinführung leisten und die Effizienz in den
Verwaltungsabläufen wie im Controlling entscheidend verbessern.
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Warum aber läuft es bei vielen Pflegediensten nicht so rund, wie von
den Entscheidungsträgern gehofft, von den Softwareanbietern geplant
und auch großteils geschult? Und warum kommen viele Möglichkeiten
Der Soll-Ist-Vergleich verbindet Planung, Erfassung
und Abrechnung. Leitungskräfte sollten ihn täglich
kontrollieren, um den Pflegedienst zu steuern.
und hilfreiche Tools nur rudimentär zum Einsatz? Aus externer Sicht
und vielfacher Begleitung bei der Einführung oder beim Wechsel von
Systemen wurde erklärbar:
1. Bei der Einführung der Software kann man sich schon einmal aufgrund der Vielzahl an Möglichkeiten leicht überfordert fühlen. Die
Systeme scheinen mit Eingabemasken, Auswertungen, Statistiken
zwar im ersten Schritt noch übersichtlich, oft aber für die Anwender überladen. Hier die dringende Empfehlung an Pflegdienste, zu
Beginn in Einführungen und Lehrgänge zu investieren, Zuständigkeiten im Umstellungsprozess festzulegen und die (teilweise sehr
guten) Servicehotlines der Anbieter in Anspruch zu nehmen. Oft
wird aber an den Schulungen gespart und auf „learning by doing“
gesetzt. Diese eher gängige Praxis verschärft das Problem, dass nur
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> Der entscheidende Vorteil der ITgestützten Tourenplanung ist die direkte
Auswertung, ob die geplante Tour im „Ist“
bestimmte Bereiche vertieft und andere wiederum weggelassen
werden.
2. Das Problem liegt oft auch vor dem Computer begründet. Die Systemauswertungen für das Controlling und Statistiken basieren fast
immer auf Excel. Das beherrscht allerdings nicht jeder. Somit bleiben
die vorgefertigten Auswertungen, Exports und Vergleiche ungenutzt.
3. Leitungskräfte werden vom Management mit dem Werkzeug zu oft
alleingelassen. Es ist wichtig, die PDLs regelmäßig zu fragen, welche
Auswertungen und Tools genutzt werden und was aus Zeitmangel
noch nicht vertieft wurde.
4. Mit dem Einsatz muss auch geklärt werden, wer sich welchen Aufgaben widmet beziehungsweise wer welche Kompetenzen erfährt
– wer macht was, und wer macht was nicht? Oft ist es sinnvoll, die
Aufgaben zwischen PDL, der Stellvertretung und Verwaltung zu verteilen und Kompetenz zu delegieren.
Der Kern der Softwareprodukte und eine der wichtigsten Steuerungsmöglichkeiten für die Wirtschaftlichkeit eines Pflegeanbieters ist die
Tourenwirtschaft. Hier werden die Kunden den jeweiligen Tagestouren
zugeordnet – optisch angelehnt an die klassische Stecktafel, per drag
and drop leicht zu bedienen. Dennoch kann man die IT-Tourenplanung
bei weitem nicht der Stecktafel vergleichen. Der entscheidende Vorteil
liegt nun in der direkten Auswertung, ob die geplante Tour im „Ist“ bereits kostendeckend ist. Hier unterscheiden sich die Anbieter eigentlich
nur optisch (farblich) und strukturell voneinander. Die meisten Anbieter
haben die Touren längs, wenige quer angelegt (zum Beispiel profsys).
Vor Inkrafttreten des PNG nutzten nur wenige Dienste die Möglichkeit,
während der Planung schon die Wirtschaftlichkeit zu betrachten – was
SOLL-IST-VERGLEICH
Ein Soll-Ist-Vergleich ist auf zweierlei Wege möglich:
• über die tägliche Kontrolle der Rückläufe der Tagestourenzettel
• oder über die automatisch gelieferten Istwerte über mobile
Endgeräte (MDAs, Smartphones).
• Beide Wege zeigen den Unterschied zwischen den von der Leitung geplanten Touren (Soll) und der täglichen Wirklichkeit (Ist)
der Mitarbeiter beim Kunden auf.
Problem: In Diensten „mit Papier“ werden die Tourenrückläufe oft
in Postfächern abgelegt, welche die Leitungen zeitnah auswerten
sollen – wozu es aber oft aus tagesaktuellen, wichtigen Gründen
nicht kommt. Diese tägliche Aufgabe ist zeitintensiv aber wichtig
und lohnenswert!
Lösung: MDA-Geräte bringen hierbei eine Effizienzsteigerung, weil
keine weiteren Eingaben erforderlich sind. Aber auch hier muss der
Prozessschritt der Überwachung zeitlich klar, fix und täglich sein.
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bereits kostendeckend ist.
sicherlich an der detaillierten zu erstellenden Vollkostenkalkulation pro
Mitarbeiter oder Qualifikationsgruppe liegt. Durch die für die Verhandlungen mit den Kassen notwendige Zeitwertkalkulation wurden diese
Hausaufgaben je Bundesland separat gemacht. Viele Dienste nutzen
nun diese Richtwerte für ihre Kostenkalkulation und haben die jeweiligen Stundensätze für Pflegefachkräfte, Pflegekräfte und ungelernte
Kräfte in ihren Systemen – bei vivendi zum Beispiel unter Mitarbeiter/
Stammdaten/Beschäftigungsverlauf oder bei medifox unter Einstellungen/Personaleinsatzplanung/Qualifikationen hinterlegen.
KALKULATORISCHE STUNDENSÄTZE HINTERLEGEN
Wenn sich Ihnen jetzt Fragen stellen – Sie also diese Werte weder erfasst
noch im System hinterlegt haben, ist es nun an der Zeit, den Artikel
wegzulegen und sowohl mit der Finanzbuchhaltung als auch mit der
Servicehotline des Softwareanbieters in den Austausch zu gehen. Denn
ohne diese Funktion arbeiten Sie noch mit der Stecktafel – nur am PC!
Wenn Sie die Zeiten mit kalkulatorischen Stundensätzen hinterlegt haben, dann achten Sie darauf, dass die Kalkulation stets geöffnet über den
Tagestouren erscheint. Dienste mit vielen defizitären Touren, also rot
markierten Deckungsbeiträgen, neigen dazu, die Anzeige auszublenden.
Bei einem Anruf bei der Servicehotline sollte Wert darauf gelegt werden,
dass Ihre Fragen zeitnah beantwortet werden. Unangenehm sind stark
verzögerte Rückrufe deshalb, weil man sich oft längst wieder anderen
Dingen widmen musste der Rückruf einen dann bei dieser anderen
Tätigkeit stört. Jede Leitungskraft sollte einen konstanten Draht zur Hotline pflegen: Die direkte Hilfe am Bildschirm lehrt vieles unkompliziert.
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Mobile Geräte können einen
wichtigen Beitrag zur Amortisation einer Systemeinführung leisten
und die Effizienz in den Verwaltungsabläufen wie im Controlling
entscheidend verbessern.
Die meisten Softwareprodukte zeigen in tabellarischen Formen eine
Gegenüberstellung von geplanten Einsatzzeiten (Sollplanung) und den
Echtzeiten (Istrücklauf). Die Ausreißer werden farblich beziehungsweise
mit Hilfe von Symbolen markiert (zum Beispiel bos&s). Die PDL kann
nun diese Informationen nutzen und handeln. Kaum ein Anbieter nutzt
diese Informationen für eine visuell ansprechende Gegenüberstellung
der Sollplanung mit den Istrückläufen. Nach Kenntnis des Autors hat
einzig snap aktuell diese Informationen mit Hilfe einer Deckungsbeitragsrechnung so verarbeitet, dass man tages- und tourengenau sehen
kann, ob sich eine Tour oder ein Tag rechnet. Ist der Istwert über
100 Prozent, so war diese Tour beziehungsweise dieser Tag kostendeckend. Ein sehr wertvolles Controllinginstrument für Management und
Leitungsteam! Dies haben auch viele andere Anbieter erkannt und
gehen mit Updates auf diesen Kundenwunsch ein (beispielsweise
medifox „Controlling, Umsatz V“).
Ergebnisorientierte Tourenplanung ist unter anderem Bestandteil des
Titelthemas Leistungsmanagement in Häusliche Pflege 10/2013. Wie Sie
Ihren Pflegedienst anhand von Kennzahlen effektiv steuern, lesen Sie in
Häusliche Pflege 11/2013.
Arbeitet Ihr Pflegedienst wirtschaftlicher, seitdem Sie Ihre Touren
IT-gestützt planen und auswerten? Diskutieren Sie das Thema mit uns auf
XING in der Fachgruppe Häusliche Pflege von Vincentz: www.xing.com/net/
ALEXANDER CITO AUFENACKER
SOFTWAREANBIETER IM ÜBERBLICK
Wenn Sie sich nicht sicher sind, welche Software zu Ihrem Pflegedienst passt, dann lohnt ein Blick auf die Internetseiten der jeweiligen Anbieter – die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit:
bosundsoftware.de, curasoft.de, comfuture.de (C2000), connext.
de (vivendi), danprodukte.de, dm-edv.soft, dmrz.de, euregon.de
(snap), heimbas.de, hycare.de, icsys.de (profsys), managingcare.de
(c&s), medifox.de, optada-gruppe.de (eva), sinfonie.de, sosoft.sozial
software.de, swing.info, systema.de (cgm sozial)
Eine Marktübersicht der Softwareanbieter finden Sie im Branchenführer Altenhilfe: www.marktundpartner.net
Wie in jeder anderen Branche entscheidet auch im Pflegedienst das Verhältnis von geplanten zu erfassten Leistungen über Gewinn oder Verlust.
In den meisten Softwareprodukten stellt der Soll-Ist-Vergleich das Bindeglied zwischen Planung, Erfassung und Abrechnung dar. Der Soll-Ist-Abgleich ist ein kontinuierlicher Kernprozess, der durch die Leitungskräfte
zeitnah zu gewährleisten ist. Denn nur durch die tägliche Kontrolle
bleibt ein Dienst steuerbar und kann zum Beispiel zusätzlich erbrachte
Leistungen abrechnen, neue Angebote erstellen, die Mitarbeiter für die
Einhaltung der Vorgaben sensibilisieren, Zeiten korrigieren oder sogar
streichen. Hier findet man sowohl auf Seiten der Pflegedienste als auch
auf Seiten der Anbieter große Unterschiede (siehe auch Infokasten
Soll-Ist-Vergleich links).
HÄUSLICHE PFLEGE | 09.2013
> ist Inhaber der aufenacker unternehmensberatung, Hamburg, www.aufenacker.net
> Kontakt: [email protected]
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