Handout für Lehrer/innen - Berliner Institut für Soziale

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Handout für Lehrer/innen - Berliner Institut für Soziale
Liebe Respekt! Liebe ohne Gewalt
Handout für Lehrer_innen
Häusliche Gewalt
Gewalt in Partnerbeziehungen wird als häusliche Gewalt bezeichnet und kann körperliche,
psychische, sexuelle, soziale und ökonomische Gewalt zwischen den Beziehungspartner_innen
beinhalten. Etwa 25% der Frauen im Alter von 16 bis 85 Jahren in Deutschland haben mindestens
ein- oder mehrmals körperliche, sexuelle oder beide Formen der Gewalt in der Beziehung durch
einen männlichen Beziehungspartner erlebt.1 Viele dieser Frauen leb(t)en in der Paarbeziehung mit
Kindern und Jugendlichen zusammen.
Formen
Psychische Gewalt ist die schwersten erkennbare Form häuslicher Gewalt. Zu psychischer Gewalt
gehören u.a. Bedrohung, Demütigung, Lächerlich machen, Beleidigung, Erpressen, Isolation,
Schuldzuweisungen, Anschreien, Kontrollieren, Gegenstände zertrümmern, extreme Eifersucht und
Besitzansprüche.
Physische Gewalt beinhaltet u.a. das Verwenden von Kraft und beinhaltet u.a. Schläge, Tritte,
Stoßen, Schubsen, Beißen, Würgen oder das Verwenden einer Waffe.
Sexuelle Gewalt schließt u.a. sexuelle Erniedrigung, Belästigung, Zwang zu sexuellen Handlungen,
vaginale, anale und orale Vergewaltigung, Zwang zu sexuellen Handlungen vor anderen (auch vor
Kindern), Zwang zur Prostitution, Zwang zur Teilnahme an oder Beobachtung von pornografischen
Handlungen, Videos, Pornoheften und das Hindern an der Benutzung von Verhütungsmitteln ein.
Ökonomische Gewalt zeigt sich z.B. durch Entzug von Geld und Eigentum, alleinige Verfügung
der/des Partner_in über finanzielle Ressourcen, Verhinderung von Berufstätigkeit und Ausbildung
der/des Partner_in, Verweigerung der Befriedigung von Grundbedürfnissen.
Die verschiedenen Gewaltformen stehen nicht separat nebeneinander, sondern greifen ineinander.
Ferner besteht häufig ein enger Zusammenhang zwischen Kindesmisshandlung, -vernachlässigung,
sexueller und häuslicher Gewalt.
Kindeswohlgefährdung
Wenn das Wohl des Kindes/ Jugendlichen beeinträchtigt wird oder die Gefahr besteht, dass bei der
weiteren Entwicklung des Kindes mit einer beträchtlichen Schädigung bei Fortbestehen der Gefahr zu
rechnen ist, spricht man von Kindeswohlgefährdung. Die begründete Besorgnis, dass das Kind/ der
Jugendliche mit ziemlicher Sicherheit erheblich geschädigt wird und dies evtl. auch aus Vorfällen in
der Vergangenheit hervorgeht, macht nach § 8a SGB VIII Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung
ein Eingreifen seitens Schule und Jugendarbeit für das Kindeswohl notwendig. Gemäß § 1631 Abs. 2
BGB haben Kinder und Jugendliche das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Die notwendigen Schritte
im Falle von Kindesgefährdung werden im Handlungsleitfaden – Zusammenarbeit zwischen Schulen
und bezirklichem Jugendamt im Kinderschutz der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft
und Forschung (2009) in komprimierter Form dargestellt. Des Weiteren kann bei akuter Gefährdung
1
vgl. „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“. Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend. 2004.
das bezirkliche Krisentelefon Kinderschutz unter der Nummer (Bezirkseinwahl+) -55555 konsultiert
werden. Institutionen wie Jugendämter und Kinderschutzorganisationen können dem Kind und der
Familie meist direkter helfen. Das Jugendamt die Aufgabe, jedem Verdacht nachzugehen und die
Misshandlung zu beenden. Gefährdet ist das Wohl des Kindes/ Jugendlichen auch durch häusliche
Gewalt sowie durch Gewalt in ihren eigenen Beziehungen.
Auswirkungen häuslicher Gewalt auf Kinder und Jugendliche
Häusliche Gewalt bedroht und beschädigt das Leben von Kindern und Jugendlichen, auch wenn sie
die Gewalt „lediglich“ miterleben und nicht direkt körperlich angegriffen werden. Die Beobachtung
von Gewalt hat ebenso schwere Auswirkungen, wie die selbst erlebte. Meist fühlen sich diese Kinder
und Jugendlichen einsam, schutz- und hilflos, beschämt und/ oder schuldig. Die Folgen sind auch für
Lehrer_innen, Sozialarbeiter_innen und andere in der Jugendarbeit Tätige spürbar.
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Leistungsabfall, Schulverweigerung, Konzentrationsstörungen, extreme Zurückgezogenheit,
erhöhte Aggressivität, Sucht, Krankheit, Depressionen bis hin zu Selbstmord, Ängste,
Niedergeschlagenheit,
Schlafstörungen,
mangelnde
Entwicklung
konstruktiver
Konfliktlösungsmöglichkeiten u.a. und traumatische Schäden bei sehr kleinen Kindern sind
mögliche Folgen beobachteter häuslicher Gewalt.
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Einige Kinder und Jugendliche übernehmen die ihnen vorgelebten Rollenmodelle: Bei
manchen kann das dazu führen, dass sie Gewalt als Mittel zur Konfliktbewältigung in ihren
eigenen Beziehungen anwenden; andere wiederum lassen Gewalt zu und erdulden sie.
Auftreten von Gewalt in Teeangerbeziehungen
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2
Junge Frauen zwischen 16 und 24 sind am häufigsten von Beziehungsgewalt betroffen.2
Jede fünfte 14-18-Jährige erlebt physische oder sexuelle Gewalt in der Beziehung oder bei
einer „romantischen“ Verabredung.3 Mehr als ein Drittel erfährt verbale und emotionale
Gewalt.4
Eine/r von drei Jugendlichen kennt eine/n Freund_in, die/der von einem Partner geschlagen,
getreten oder in anderer Form physisch misshandelt wurde.5
45% junger Mädchen kennen jemanden, der/die zu Oral- und/ oder Geschlechtsverkehr
gedrungen oder gezwungen wurde.6
Die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen betrachtet psychische und physische Gewalt
als ernste Angelegenheit, die ihre Altersgruppe betrifft.7
Lediglich 33% der Jugendlichen, die in ihren Beziehungen Gewalt erlebt haben oder Zeugen
gewalttätiger Beziehungen waren, vertrauten sich einer anderen Person an.8 Noch weniger
Callie Marie Rennison (2001). Intimate partner violence and age of victim, 1993-1999. Washington, DC: U.S.
Department of Justice, Bureau of Justice Statistics.
3
Carolyn Tucker Halpern et al. (2001). Partner violence among adolescents in opposite-sex romantic
relationships: Findings from the National Longitudinal Study of Adolescent Health. American Journal of Public
Health 91: 1680.
4
Jay G. Silverman et al. (2001). Dating violence against adolescent girls and associated substance abuse,
unhealthy weight control, sexual risky behavior, pregnancy and suicidality. Journal of the American Medical
Association 286: 572.
5
Liz Claiborne Inc. Teen Dating Violence Survey, 2005.
6
Ebd.
7
Ebd.
8
Ebd.
berichteten ihren Eltern davon oder von Drohungen via Handy, SMS, Internetchat oder EMails.9
Prävention und Umgang
Schule und Jugendarbeit/ -hilfe haben die Aufgabe, Kinder und Jugendliche zu schützen und sie bei
ihrer Persönlichkeitsbildung zu unterstützen. Hier sollen sie auch angemessenes Sozialverhalten und
Konfliktbewältigung lernen. Das schließt ein, Gewalt in Beziehungen vorzubeugen und den jungen
Menschen Werkzeuge an die Hand zu geben, um sie darin zu unterstützen, wertschätzende und
respektvolle Partnerschaftsbeziehungen aufzubauen und zu pflegen. Gewalt wird von vielen Kindern
und Jugendlichen selbst erst in Form extremer körperlicher oder sexueller Gewalt als solche
erkannt.10 Psychische und verbale Gewalt werden dagegen oft bagatellisiert. Hier gilt es, die Kinder
und Jugendlichen diesbezüglich zu sensibilisieren.
...mit der von Gewalt betroffenen Person: 11
• Hören Sie der Person aktiv zu und nehmen Sie sie ernst.
• Werten Sie die Äußerungen nicht.
• Unterstützen Sie die Person dabei, eigene Lösungsmöglichkeiten/ Auswege aus der Gewalt zu
finden und respektieren Sie ihre Entscheidungen, sofern das Kindeswohl nicht gefährdet ist.
• Unterstützen Sie die Person dabei, in ihrer Beziehung vorhandene Gewaltmuster zu erkennen.
• Unterstützen Sie die Person bei der Erstellung eines „Rettungsplans“.
Sehen Sie von einer Mediation eher ab. Mediationen zielen meist auf Konsens ab. Hier jedoch geht es
darum, die Gewalt unmittelbar zu beenden.
• Informieren Sie sich zum Thema Häusliche Gewalt und Gewalt in Teenagerbeziehungen, lernen Sie,
deren Anzeichen und Merkmale zu erkennen und kennen Sie die Beratungsstellen12 Ihrer
Umgebung.
...mit der Gewalt ausübenden Person:
• Wenn Ihnen die von Gewalt betroffene Person von der Gewalt berichtet hat, holen Sie sich
unbedingt ihre Einverständnis ein, bevor Sie mit der gewalttätigen Person sprechen. Sprechen Sie
mit der betroffenen Person eventuelle Schutzmöglichkeiten13 ab, da die Gewalt ausübende
Person Vergeltung üben wollen könnte.
• Sagen Sie der Person, dass sie selbst für gewalttätige Handlungen verantwortlich ist und diese
beenden kann.
• Sagen Sie der Person, dass Sie gewalttätiges Verhalten missbilligen.
• Weisen Sie die Person darauf hin, sich an eine Beratungsstelle zu wenden.
9
Liz Claiborne Inc. Tech Abuse in Teen Relationships Study, 2007.
Laut einer Schülerbefragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen erlebten 56.6% der
Befragten „leichte Züchtigung“ bis gehäufte Misshandlungen durch die Erziehungsberechtigten vor Vollendung
des 12. Lebensjahres. (http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/fb80.pdf. Stand: 01.06.2011.)
11
vgl. http://school.discoveryeducation.com/teachersguides/pdf/socialstudies/aims/dangerous_games_
power_and_control_in.pdf.
12
Eine Liste möglicher Beratungsstellen finden Sie weiter unten.
13
Das Gewaltschutzgesetz normiert gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen. Zum
Schutz der Opfer wird der Gewalttäter zu seinen Lasten vom Opfer getrennt. Grundlage hierfür sind die §§ 1
und 2 Gewaltschutzgesetz.
10
... in der Klasse:
• Behandeln Sie die Themen Gewalt, häusliche und sexualisierte Gewalt in Ihrem Unterricht.
• Dokumentieren Sie in Ihrer Klasse vorkommende verbal/ emotionale und physische Gewaltvorfälle.
• Laden Sie Externe zum Thema häusliche Gewalt und Gewalt in Teenagerbeziehungen ein.
• Hängen Sie Flyer, Poster oder Broschüren mit Informationen zu Beratungsstellen aus.
...in der Schule:
• Erstellen eines Plans mit klaren Schritten zum Verfahren mit Gewalt in Teenagerbeziehungen
Ausübenden und zum Schutz von Gewalt Betroffener.
• Regelmäßige Veranstaltungen wie Diskussionsrunden, Workshops oder Vorträge zum Thema
häusliche Gewalt/ Gewalt in Teenagerbeziehungen.
• Aushänge mit Informationen zu lokalen Beratungsstellen u.a. in den Toilettenräumen,
Umkleideräumen der Sporteinrichtungen und Schulstationen.
• Teilnahme der Lehrer_innen und weiteren Mitarbeiter_innen an Fortbildungen zu den Themen
häusliche Gewalt, Gewalt in Teenagerbeziehungen, sexuelle Übergriffe und Belästigung.
• Aufnahme der o.g. und ähnlicher Themen in den Lehrplan.
• Nachmittagsangebote für Schüler_innen, in denen Sie über Gewalt in Beziehungen sprechen
(lernen) können.
Beratung und Hilfe
Berliner Hotline für Kinderschutz
Tel: 61 00 66
Kindernotdienst (0-13 Jahre)
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg
Gitschiner Str. 48-49, 10969 Berlin
Tel: 61 00 61
Jugendnotdienst (14-18 Jahre)
Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf
Mindener Str. 14, 10589 Berlin
Tel: 61 00 62
Mädchennotdienst (12-21 Jahre)
Adresse: s. Jugendnotdienst
Tel: 61 00 63
BIG Hotline
Hilfe bei häuslicher Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder.
Telefonische Beratung in mehreren Sprachen.
Tel: 611 03 00 (9 – 24 Uhr, auf Wunsch anonym.)
Wildwasser e.V.
Obentrautstr. 53, 10969 Berlin- Kreuzberg
Tel: 61 00 63
www.maedchennotdienst.de
Kinderschutzzentrum Berlin e.V.
Krisentelefon:
Tel: 0800 111 04 44 (kostenlos)
Zentrale:
Juliusstr. 41, 12051 Berlin
Tel.: 683 91 10
[email protected]
www.kinderschutzzentrum-berlin.de
neuhland
Hilfen für suizidgefährdete Kinder und Jugendliche e.V.
Tel: 873 01 11 (Mo-Fr 9-18 Uhr)
Fax: 417 28 39 19
[email protected]
LARA
Krisen- und Beratungszentrum für vergewaltigte und sexuell belästigte Frauen
Fuggerstraße 19
10777 Berlin Schöneberg
Tel.: 216 88 88
Persönliche und telefonische Beratung
Montag - Freitag, 9.00 - 18.00 Uhr
E-Mail: [email protected]
Beratung für Männer- gegen Gewalt (ab 18 Jahren)
Brunnenstr. 145, 10115 Berlin
Tel: 785 98 25
E-Mail: [email protected]
 Anti-Gewalt-Anlaufstelle für Männer, die im häuslichen Bereich gewalttätig sin
 Krisengespräche
 Soziale Trainingskurse
Institut für Gewaltberatung und Prävention
Hubertusstr. 8
12163 Berlin
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Einzelberatung für Jungen und junge Männer
Gruppenangebote
Gewalt in Partnerschaft, Beruf und Alltag
Gewalt mit und unter Jugendlichen
kostenpflichtig
Kontakt:
Tel: 030 / 772 73 19
Fax: 030 / 772 73 19
E-Mail: [email protected]

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