2.3 Aufbau (S. 43)
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2.3 Aufbau (S. 43)
Inhalt Vorwort 1. Sten Nadolny: Leben und Werk 1.1 Biogra!e 1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund 1.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken 2. Textanalyse und -interpretation 2.1 Entstehung und Quellen 2.2 Inhaltsangabe 2.3 Aufbau 2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken 2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen 2.6 Stil und Sprache 2.7 Interpretationsansätze 3. Themen und Aufgaben 4. Rezeptionsgeschichte 5. Materialien Literatur 3 5 8 8 10 33 35 35 37 43 59 70 76 78 86 89 92 96 2.3 Aufbau (S. 43) Erzählsituation In Die Entdeckung der Langsamkeit gibt es einen Er-Erzähler, der chronologisch berichtet. Die Erzählsituation scheint auf den ersten Blick personal zu sein, weil das Geschehen überwiegend aus dem Blickwinkel der Hauptfi gur geschildert wird. In einigen Passagen gewinnt der Leser den Eindruck, unmittelbar am Ort des Geschehens anwesend zu sein. Ein Beispiel hierfür ist die Szene an Bord der Bellerophon, als Franklin den französischen Heckenschützen anvisiert und tötet. Dabei steigern innerer Monolog („Aber was war mit der Angst? John stand eine Weile mit hängenden Armen da. Dumm sehe ich aus, dachte er, ich sehe sogar feige aus. Die anderen lachen über mich zu Recht!" 140) und erlebte Rede („Was nützte es, wenn er alle Schuld auf sich lud und das Ziel verfehlte!" 141) den Eindruck der Lebendigkeit. Die Erzählsituation weist aber auch deutlich auktoriale Züge auf. Der Erzähler tut zwar seine Allwissenheit nicht sehr deutlich kund und mischt sich auch selten offen ein. Andererseits bringt er seiner Hauptfi gur offen Sympathie entgegen und teilt erkennbar ihre Auffassungen in einer Weise, dass der Leser oft kaum unterscheiden kann, ob ein Kommentar von Franklin oder vom Erzähler stammt. Typisch auktorial ist auch, dass in starkem Umfang über innere Vorgänge berichtet wird, und zwar häufig mit wohlwollender Ironie: „John nahm sich vor, die Menschheit zu beobachten. Wenn sie lernte, mußte etwas davon zu bemerken sein." (130) Der Erzähler verfügt souverän über seinen Stoff und rafft oder dehnt Zeiträume, je nachdem, wie wichtig sie für Franklins Entwicklung sind. Immerhin wird ein ganzes Menschenleben auf rund 350 Seiten berichtet. Die zehn Jahre, die er nach Mary Roses Verschwinden bei der Marine verbringt, schrumpfen auf drei Zeilen (149). Die bedeutsamen Lebensabschnitte – und dabei wiederum die Ereignisse, in deren Verlauf sich die Hauptfigur besonders bewähren muss – werden hingegen ausführlich behandelt. Distanz zum Text entsteht auch durch die vielen refl exiven Passagen, besonders jene, in denen dem Leser ein Rätsel aufgegeben wird: „Der Krieg, Sir, ist für uns alle zu langsam!" (118) So wie Franklins Zuhörer im Roman muss auch der aufmerksame Leser hier innehalten und nachdenken. All dies hält den Fluss der Erzählung auf und macht ihren fi ktiven Charakter bewusst. In einigen Abschnitten stellt der Erzähler selbst ausführliche Überlegungen über Literatur und Kunst an (z. B. in den Gesprächen zwischen Franklin und Westall im achten Kapitel). In diesen metafiktionalen Passagen wird dem Leser besonders deutlich klar, dass er etwas Erfundenes und „Gemachtes" vor sich hat. Gestische Figurendarstellung Auch durch die Gestaltung der Figuren in Die Entdeckung der Langsamkeit wird der Leser auf Distanz gehalten, denn individuelle Psychologie und Identifi kation spielen dabei keine Rolle. Die Figuren sind nicht von einem persönlichen Charakter her entworfen, sondern als Teil bestimmter Figurenreihen (z. B. der Reihe der Schnellen, zu der Tom Barker, George Back und viele andere gehören). Jede Reihe verkörpert einen sogenannten Gestus, d. h. einen Komplex von Eigenschaften, Haltungen und Redeweisen, den alle Mitglieder gemeinsam haben. Der Gestus bestimmt das gesellschaftliche Handeln des gesamten Kollektivs. So sind viele Schnelle leicht zu beeinflüssen oder drangsalieren gerne andere Menschen.