Gesellschaftliche Determinanten Adipositas, 703 Kb

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Gesellschaftliche Determinanten Adipositas, 703 Kb
Oster-Seminar-Kongress für pädiatrische Fortbildung
Brixen, 3. April 2012
Gesellschaftliche Determinanten des
Gesundheitsproblems
‘Übergewicht/Adipositas’
Prof. Dr. Johannes Siegrist
Institut für Medizinische Soziologie
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Prävalenz der Adipositas (BMI30) bei Erwachsenen
in US-amerikanischen Bundesstaaten
1996
1991
2003
Daten n.a.
<10%
10%–14%
15%–19%
20%–24%
Quelle: Behavioral Risk Factors Surveillance Systems, CDC (2005).
≥25%
Neueste Entwicklung Adipositas USA 2007
und 2010
Quelle: http://www.cdc.gov/obesity/data/trends.html#State
Einfluss der Adipositas auf die Lebenserwartung von
Männern und Frauen in den USA im Jahre 2000
Quelle: Olshanski et al. N Eng J Med 2005; 352:1138–1145.
Herausforderungen an die Prävention
durch Globalisierung
 Gesundheitsrisiken von Süden nach Norden
 Infektionskrankheiten
 HIV / AIDS, SARS, antibiotikaresistente Pneumokokken
etc.
Global burden of disease geschätzt: 30%
 Gesundheitsrisiken von Norden nach Süden
 Ausbreitung chronischer Krankheiten (KHK, Diabetes,
Karzinome, affektive Störungen,
Abhängigkeitserkrankungen etc.), v.a. in
Schwellenländern
Global burden of disease geschätzt: 70%
Zusammenhang zwischen mittlerem Gewicht der
Bevölkerung und KHK (Asia-Pazifik-Studien)
Quelle: Ezzati M, et al. WHO 2004.
Ausgewählte Erkrankungsrisiken bei
Übergewicht (Health Survey USA 1998)
Quelle: R. Sturm, Health Affairs 21, 2002: 245.
Soziale Schicht und starkes Adipositas (BMI30)
Bundesgesundheitssurvey 1998
N=6896 Männer u. Frauen 18-79 J.
Männer
Oberschicht
Mittelschicht
Unterschicht
Oberschicht
Frauen
Mittelschicht
Unterschicht
0,5
1
1,5
2
2,5
Odds ratio
Quelle: H. Knopf et al. (1999), Das Gesundheitswesen, 61, Suppl. 2: S169.
3
3,5
Relatives Risiko der KHK bei berufstätigen Frauen nach
Höhe der beruflichen Stellung (Stockholm-Studie)
4,5
3,9
4
3,4
3,5
3
2,7
2,5 2,6
2,5
2,0
2,0
Relatives Risiko
2
1,7
1,5
1
1
1
Management / akademische
Tätigkeit
Leitende Angestellte
Selbständige, Büroangestellte
und Verkäuferinnen
Manuelle Tätigkeit /
Ausbildungsberuf
0,5
Un- und Angelernte
0
kontrolliert für Alter
kontrolliert für Alter, Rauchen,
Blutdruck, Lipide, Körpergröße,
Übergewicht, Menopause, Bewegung
Quelle: S. Wamala (2000), Soc Sci Med, 51: 481.
Übergewicht und Adipositas bei Kindern
und Jugendlichen in Deutschland
BMI-Perzentile im
KiGGS 2003-2006
(Referenz: --- 19851999)
Quelle: Kurth B-M, Schaffrath
Rosario A (2007)
Bundesgesundheitsblatt 50: 736747
Übergewicht und Adipositas bei Kindern
und Jugendlichen in Deutschland
Prävalenz von
Adipositas nach:
Sozialstatus
BMI der Mutter
Quelle: Kurth B-M, Schaffrath
Rosario A (2007)
Bundesgesundheitsblatt 50: 736747
BMI bei 1350 5- bis 7-jährigen Kindern nach
sozialer Schicht und Gewichtsstatus der Eltern
17,5
17
16,5
16
15,5
15
14,5
14
beide Eltern übergewichtig
ein Elternteil übergewichtig
Eltern ohne Übergewicht
niedrig
mittel
hoch
Soziale Schicht
Quelle: K. Langnäse et al. Int J Obesity 26, 2002: 566
Soziale Schicht und Obstverzehr
Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (2008).
Nationale Verzehrsstudie II
Soziale Schicht und Fettverzehr
Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (2008).
Nationale Verzehrsstudie II
Die Rolle energiereicher Speisen und
Getränke bei Kindern
Studie Kleiser C et al. (2009) BMC Public Health 9:46
• Anteil von Kindern mit höchster Zufuhr energiereicher Speisen und
Getränke (Daten der :KiGGS- Studie):
• bei hohem Sozialstatus 25,9%
• bei mittlerem Sozialstatus 30,2%
• bei niedrigem Sozialstatus 41,0%
• Studie Lanfer A et al. (2012) Int J Obesity 36: 27-34
• Geschmackspräferenzen bei 6-9 jährigen Kindern (Daten der
europäischen IDEFICS Studie):
• signifikanter Einfluss von Übergewicht und Adipositas auf
Geschmackspräferenz fetter und/ oder süßer Speisen und Getränke
(nach Kontrolle von Alter, Geschlecht, SES, BMI Eltern)
• Bei Mädchen mit beiden Geschmackspräferenzen war das Risiko von
Übergewicht/ Adipositas am höchsten
Geringe körperliche Bewegung (MET<500)
nach Bildung (HNR-Studie)
OR
7
University
Technical college
6
Higher vocational education
Apprenticeship
5
No formal education
4,29
4
3,12
3
2,48
1,95
2
1,82
1,64
1,26
1
1
0,97
1
0
Men
Women
Quelle: Berger I (2009) Soziale Ungleichheit, körperliche Aktivität und
Herzleistungsparameter. Med. Diss., Düsseldorf
Verringerung des KHK-Risikos durch regelmäßige
körperliche Aktivität: Übersicht über Studienergebnisse
Quelle: Li J, Siegrist J (2012) Physical Activity and Risk of Cardiovascular Disease Int J
Environ Res Publ Health, 9:391-407.
Ergebnisse zur Risiko-Reduktion von Typ-2Diabetes-Manifestation
Quelle: Li J, Siegrist J (2012) Physical Activity and Risk of Cardiovascular Disease Int
J Environ Res Publ Health, 9:391-407.
Prävention von Übergewicht und
Adipositas in kritischen Phasen
• Prä- und perinatale Phase:
• Risikoverhalten werdender Mütter während Schwangerschaft
> intrauterine Stoffwechsel- Fehlregulation, gestörtes fetales
Wachstum, niedriges Geburtsgewicht
• Lebensjahr
• Zusammensetzung der Säuglingsnahrung
• Stillen
• Materielle und psychosoziale Umwelt/elterlicher Lebensstil
• Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen
• Adiposity rebound-Periode: (genetisch determiniert, schwer
beeinflussbar)
• Einschulungsalter und Adoleszenz: Gesundheitsrelevante
Verhaltensweisen und ihre Determinanten
Ärztliche Präventionsmaßnahmen im
Kontext
• Prä- und perinatale Phase; 1. Lebensjahr:
• Gezielte Gesundheitsberatung bei Schwangeren(hier auch
Kontrolle von Risikofaktoren, z. B. Glukosezufuhr bei
(Gestations) Diabetes; Prävention von Makrosomie)
• Motivierung zu Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen
• Monitoring und Durchführung von sowie Folgerungen aus U1U6
• Mitwirkung bei Elternschulung (leitliniengerechte Empfehlungen
zu Ernährung, Gewichtkontrolle, Bewegung)
• Bedeutung multidisziplinärer Teams (Kinderärzte, Hebammen,
Sozialarbeiter u.a.);
• Einsatz von ‚Familienhebammen’
• Vernetzung mit stadtteilbezogenen Kinder- und
Familienzentren, Beratungsstellen etc.
Ärztliche Präventionsmaßnahmen im
Kontext
• Kinder- und Jugendalter:
• Mitwirkung bei zielgruppenspezifischen Projekten der
Gesundheitserziehung und –förderung, v.a. in Schulen,
unter besonderer Beachtung des Bedarfs an selektiver und
induzierter Prävention
• Durchführung sekundärpräventiver Maßnahmen in
Kinderarztpraxen, Arztnetzen, in Kooperation mit
ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen
und sozialpädiatrischen Zentren
 Kombination gesundheitsverhaltensbezogener
Programme mit Programmen zur Stärkung psychosozialer
Kompetenzen!
 Multimodale und interdisziplinäre Interventionen
(incl.Verhältnisprävention)
Einfluss der akutmedizinischen Behandlung und der
Kontrolle von Risikofaktoren auf den Rückgang von
KHK-Mortalität: Metaanalyse
Behandlung
USA, 1968–76
40%
Neuseeland, 1974–81
40%
Niederlande, 1978–85
Risikofaktoren
54%
43%
IMPACT Schottland, 1975–94
35%
IMPACT Neuseeland, 1982–93
35%
IMPACT England & Wales, 1981–2000
24%
IMPACT Finnland, 1982–97
23%
0%
50%
7%
10%
5%
52%
11%
44%
44%
Finnland, 1972–92
10%
60%
47%
IMPACT Irland
44%
55%
38%
IMPACT USA, 1980–2000
6%
60%
46%
USA, 1980–90
Ungeklärt
9%
48%
8%
76%
53%
50%
Quelle: Adaptiert nach Ford ES et al. (2007) NEJM 356:2388–2398.
24%
100%
Quelle: Schwartz FW, Walter U (2003) In: Schwartz FW (Hrsg) Das Public-Health-Buch,
München, S. 172
Literaturhinweise zu
Präventionsprogrammen
Deutschland:
• www.gesundheitsziele.de
• www.gesundheitliche-chancengleichheit.de
• Reeske A, Spallek J (2011): Bundesgesundheitsblatt 54:
272-280
International:
• Summerbell CD et al. (2005) Cochrane Database Syst Rev
(3): CD001871
• Jones RA et al. (2011) Int J Pediatr Obesity 6: 178-181