Originalartikel lesen - Österreichische Ärztezeitung

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Originalartikel lesen - Österreichische Ärztezeitung
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© corbis
Chirurgische Therapie
der morbiden Adiposita s
Die morbide Adipositas nimmt in den westlichen Industriestaaten immer
mehr zu. Chirurgische Gegenmaßnahmen kommen immer häufiger
zum Einsatz: So wurden weltweit bisher mehr als 100.000 Gastric
banding-Operationen durchgeführt. Im ersten postoperativen Jahr wird
damit eine 50prozentige Reduktion des Übergewichts angestrebt.
Von Reinhard P. Mittermair*
Ü
bergewicht und Fettleibigkeit
(Adipositas) sind definiert als
eine Vermehrung des Körpergewichtes durch eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des
Körperfettanteiles. Das Wort Adipositas leitet sich vom lateinischen Wort
Adeps, das Fett, ab. Ein weiteres Synonym für Fettleibigkeit ist Obesitas,
das sich aus dem lateinischen Wort
Obesus, das Fett oder wohlgenährt, ableitet.
Adipositas ist eine chronisch familiäre Erkrankung, die in genetisch prädisponierten Individuen auftritt, wenn
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sie einer entsprechenden Umwelt ausgesetzt sind. Fast immer kann der adipöse Phänotyp als das Resultat einer
Interaktion prädisponierender Erbanlagen mit Umweltfaktoren wie hyperkalorischer, fettreicher Ernährung und
Bewegungsmangel interpretiert werden. Eine graduierte Klassifizierung der
Adipositas ist sinnvoll, um jene Personen zu identifizieren, die ein erhöhtes
Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko haben, und um adäquate Therapiestrategien entwickeln zu können. Die Klassifizierung der Adipositas erfolgt mit
Hilfe des Körpermasseindex (Bodymass-Index = BMI). Der BMI ist der
Quotient aus Gewicht und dem Quadrat der Körpergröße (WHO 1997)
(siehe Tab. 1).
Nach BROCA errechnet sich das
Normalgewicht in Kilogramm aus der
Körpergröße in Zentimeter minus 100.
Das heißt, das Normalgewicht einer
Person mit einer Körpergröße von 170
Zentimeter wäre 70 Kilogramm. Das
Idealgewicht beim Mann liegt bei zehn
Prozent unter der Brocazahl und bei
der Frau bei 15 Prozent unter der Brocazahl. Ein Patient mit einer Körpergröße von 170 Zentimeter und einem
Gewicht von 120 Kilogramm hat einen
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as
Klassifikation der Adipositas
nach dem BMI
BMI = Gewicht kg : Größe (m)2
Beispiel: Größe 170 cm - Gewicht 120 kg
BMI= 120:(1,7)2 = 120:2,89 = 41,5 kg /(m)2
Normalgewicht:
Übergewicht:
Adipositas Grad 1:
Adipositas Grad 2:
Adipositas Grad 3:
Super-Obesity:
BMI von 41,5. Sein Normalgewicht
nach BROCA würde 70 Kilogramm
betragen, sein Idealgewicht läge jedoch
bei 63 Kilogramm. Das bedeutet ein
Übergewicht (Excess Weight) von 57
Kilogramm = 90 Prozent Übergewicht.
Jahr wird eine 50prozentige Reduktion des Übergewichtes angestrebt.
Wenn der Patient nur 30 Kilogramm abnimmt, bedeutet dies einen
Übergewichtsverlust (Excess Weight
Loss = EWL) von 52 Prozent. Dieser
Parameter charakterisiert das postoperative Gewichtsverhalten und
wird als Referenzwert zur Erfolgsbeurteilung der Therapiemaßnahmen
angegeben. Im ersten postoperativen
Die morbide Adipositas (BMI >40)
nimmt in den westlichen Länder stetig
zu. Die klinische Relevanz von Übergewicht und Adipositas wurde in der
Vergangenheit häufig unterschätzt.
Wichtigstes Ziel der Adipositasbehandlung muss die Senkung von Inzidenz
und Prävalenz der adipositasbedingten
Folgeerkrankungen sein, um Morbidi-
Excess Weight Loss =
[Gewichtsverlust (kg) :
Übergewicht (kg)] x 100%
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18,5 - 24,9
25,0 - 29,9
30,0 - 34,9
35,0 - 39,9
> 40
> 50, 225% des Idealgewichts
Tab. 1
tät und Mortalität der Bevölkerung
entscheidend zu senken. Zu diesen CoMorbiditäten zählen Bluthochdruck,
Diabetes mellitus, Hyperlipidämie,
KHK, Gallensteine, Krebserkrankungen (Mammakarzinom, Kolonkarzinom) und orthopädische Probleme.
Vielfach wurden in den letzten Jahren
Anstrengungen unternommen, die
Kosten der Adipositas im volkswirtschaftlichen Rahmen zu erfassen. 53
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Gastric Banding: vorher
den Gewichtsverlust für zwei Jahre.
Konservative Therapiemaßnahmen jedoch haben in Bezug auf eine dauerhafte Reduktion des Körpergewichts
bei morbid Adipösen in den meisten
Fällen keinen Erfolg. Nur etwa drei
Prozent dieser Patienten können nach
einer nicht-operativ erzielten Gewichtsreduktion auf längere Sicht einen BMI
von unter 30 halten. Diese Tatsache hat
seit Mitte des 20. Jahrhunderts zur Entwicklung verschiedenster operativer Behandlungsmethoden geführt.
© mittermair
Chirurgische Therapie
Die International Association for
the Study of Obesity schätzt die Kosten
für Adipositas und ihre Folgen auf zwei
bis acht Prozent der Gesamtkosten des
amerikanischen Gesundheitssystems,
dies bedeutet beispielsweise für die
USA 100 Milliarden US$ im Jahr. Zusätzlich versterben jährlich in den USA
280.000 Menschen an den Folgen der
Adipositas.
Ohne eine konservative Vorbehandlung sollte keine bariatrische Operation durchgeführt werden. In jedem Fall
ist die medikamentöse Therapie der
Adipositas eine zusätzliche Maßnahme,
welche die diätetischen und verhaltenstherapeutischen Therapieansätze unterstützen kann. So erzielen Xenecal®
(Orlistat), ein Pankreaslipase-Inhibitor,
welcher die Absorption von bis zu einem Drittel des aufgenommenen Fettes blockieren kann, und Reductil®
(Sibutramine), ein Appetitzügler, einen
Gewichtsverlust von zehn Prozent.
Mehr als ein Drittel der Patienten hielt
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Folgende Voraussetzungen müssen
für eine operative Therapie der Adipositas erfüllt werden:
1) Vorliegen einer morbiden Adipositas
(BMI > 40) oder eines BMI zwischen 35 und 40 bei Vorliegen einer
schweren Adipositas-assoziierten Begleiterkrankung, wie zum Beispiel
Diabetes mellitus, Hypertonie oder
Arthrosen.
2) Ausführliche Information und Aufklärung des Patienten über Operationsmethode, Wirkungsweise des
Eingriffs und mögliche postoperative Risiken und Komplikationen, sowie Folgeoperationen.
3) Präoperative Untersuchung durch
einen Internisten und Psychiater.
Die bariatrische Chirurgie unterscheidet sich derzeit in malabsorptive
(Verhinderung der Verwertung von
aufgenommenen Kalorien) und nahrungsrestriktive (Verminderung der
Kalorienzufuhr) Eingriffe, oder aus einer Kombination beider Verfahren.
Die stereotaktische Elektrokoagulation
des hypothalamischen Hungerzentrums oder abdominelle Stammvagoto-
mien zeigten keine befriedigenden Ergebnisse. Der intragastrische Magenballon besteht aus Silikon und wirkt
wie ein Bezoar. Zur alleinigen Behandlung der morbiden Adipositas ist dieses
Verfahren nicht geeignet. Lipektomien
oder Fettabsaugungen können prozentuell nur geringe Mengen des Gesamtfettes entfernen und sind deshalb für
eine medizinisch signifikante Gewichtsreduktion unbedeutend.
Die Vorteile der laparoskopischen
gegenüber der offenen Chirurgie sind
hinlänglich bekannt. Aus diesem
Grund werden nur noch die derzeit aktuellsten laparoskopischen bariatrischen Operationstechniken beschrieben.
Laparoskopische
Operationsmethoden
Malabsorbtion: Biliopankreatische
Diversion und Duodenal Switch
Operationen
Magenrestriktionsverfahren: Gastric
banding und Vertikale bandverstärkte Gastroplastik
Kombination dieser Verfahren:
Magenbypass
Magenschrittmacher
1) Malabsorbtion: Biliopankreatische
Diversion/Duodenaler Switch (BPD)
Die Biliopankreatische Diversion
wurde ursprünglich von Scopinaro entwickelt und später als sogenannter
Duodenaler Switch weiterentwickelt.
Dabei wird die große Kurvatur des Magens reseziert und aus dem Rest eine
Art Schlauch gebildet (sleeve resection). Der Magenschlauch hat ein Fassungsvolumen von 200 bis 250 ml.
Das Duodenum wird knapp postpylorisch durchtrennt und an das distale
Ende eines 250 Zentimeter oral der
Ileocöcalklappe durchtrennten Ileums
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angeschlossen. Der proximale Anteil
des durchtrennten Ileums wird 50 bis
100 Zentimeter oral der Ileocöcalklappe seitlich in das distale Ileum eingepflanzt (Abb. 1).
Hervorragende Langzeitergebnisse
in Bezug auf die Gewichtsreduktion
mit einem EWL von bis zu 80 Prozent
wurden beim BPD beschrieben. Die
Mortalitätsrate bei BPD beträgt ein
Prozent. Die häufigsten Komplikationen sind Hernien (zehn Prozent), Ulcera (acht bis zwölf Prozent), Dünndarmstenosen (ein Prozent), Wundinfektion (ein Prozent), Wunddehiszenz
(ein Prozent), Thrombosen (0,5 Prozent) und Lungenembolien (0,5 Prozent). Späte ernährungsbedingte Komplikationen sind die Anämie (fünf bis
40 Prozent) und Eiweißmangel (sieben
bis zwölf Prozent). Obgleich nicht als
eine Komplikation betrachtet, ist die
Änderung der Darmtätigkeit mit drei
bis fünf übelriechenden Stuhlgängen
(Steatorrhö) pro Tag typisch.
2) Magenrestriktionsverfahren
Vertikale bandverstärkte
Gastroplastik
Die Vertikale bandverstärkte Gastroplastik (VBG) wurde 1982 erstmals
von Mason beschrieben. Bei der Gastroplastik wird der Magen permanent
in zwei Kompartimente unterteilt. Der
obere Teil wird als sogenannter Pouch
bezeichnet, der untere distale Teil entspricht dem normalen Magen. Der relativ kleine Pouch führt zu einem frühen Sättigungsgefühl und Volumenrestriktion. Ein Band oder Ring wird am
distalen Ende des Pouch plaziert, welches die Geschwindigkeit, mit welcher
der Pouch entleert werden kann, verringert (Abb. 2). Der 30 ml oder weniger Volumen umfassende Pouch wird
konstruiert, indem Klammern vertikal
über dem Magen, parallel zum oberen
Anteil der kleinen Kurvatur am Winkel von His endend plaziert werden.
Die VBG war früher in den USA die
am häufigsten durchgeführte bariatrische Operation. Andere Operationsmethoden sowie verschiedene Komplikationen wie Striktur des Pouches, Dehiszenz der Klammern, Gewichtszunahme, häufiges Erbrechen und eine
rund 30prozentige Reoperationsrate
führten zu einem Verdrängen dieser
Operationsmethode. Der durchschnittliche EWL bei drei bis fünf Jahren liegt
bei 30 bis 60 Prozent.
Gastric Banding
Derzeit haben sich drei vergleichbare Bandsysteme im Bereich der bariatrischen Chirurgie etabliert. Das Adjustable Silicon Gastric Band (LAPBAND, Bio-Enterics, Inamed Corporation), das A.M.I. Soft Gastric Band
(A.M.I. Agency for Medical Innovations) und das Swedish Adjustable Gastric Band (SAGB, Obtech, Ethicon,
Johnson&Johnson, Abb. 3). Das LAPBAND und das A.M.I. Soft Gastric
Band bestehen aus einem weichen Silikon, wobei die innere Oberfläche mit
einem glatten Ballon ausgekleidet ist.
Das SAGB besteht ebenfalls aus Silikon, das zusätzlich mit einem Dacronnetz verstärkt ist.
Es werden vier Trokare positioniert:
der erste zwölf Millimeter-Trokar rund
eine handbreit oberhalb des Nabels,
der zweite zwölf Millimeter Trokar direkt unterhalb des Xyphoids (Leberretraktor), der 15 Millimeter Trokar für
die Kamera unterhalb des linken Rippenbogens und ein fünf-MillimeterTrokar epigastrisch nahe dem linken
Rippenbogen. An der Universitätsklinik Innsbruck wird fast aussschließlich
die “Pars flaccida Technik“ angewen-
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det. Hierbei erfolgt die Dissektion der
Pars flaccida des Lig. hepatogastricum.
Der rechte Zwerchfellschenkel lässt
sich so darstellen. Im Winkel zwischen
Zwerchfellschenkel und ösophagogastralem Übergang wird im gefäßlosen
Teil des gastrophrenischen Ligaments
der Dissektionskanal präpariert. Dieser
Tunnel wird mit dem atraumatischen
biegsamen Instrument „Goldfinger“
(Obtech Medical AG) unterfahren.
Das Band wird nun am Goldfinger fixiert und hinter dem Magen durchgezogen und geschlossen. Das Fettgewebe an der kleinen Kurvatur und der
vordere Vagus-Nerv werden im Bandsystem eingeschlossen. Dann wird ein
proximaler Pouch von rund zehn Milliliter gebildet und mit vier nicht resorbierbaren sero-serösen Nähten
Gastric Banding: nachher
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Biliopancreatische Diversion/
Duodenal Switch
gesichert. Nachdem der Schlauch über den xyphoidalen Trokar herhausgezogen wurde, wird das Pneumoperitoneum aufgelassen und der
Schlauch durch eine neue Inzision mit dem Port am Sternum verbunden. Über diesen Port kann der Stomadurchmesser zwischen beiden
Magenanteilen postoperativ durch Auffüllen oder Ablassen des Ballonsystems beliebig oft verstellt werden.
Als Injektionsflüssigkeit wird ein Kontrastmittel (Jopamiro 200,
Astra, AB, Schweden) verwendet, um einerseits die Bänder sichtbar zu
machen und andererseits konstante nicht diffundierbare Füllmengen
zu erreichen. Die zugeführte Nahrung wird zunächst im kleinen Pouch
vorverdaut, um dann über das Stoma in den Restmagen weiterzugelangen. Während dieser Zeit ist eine weitere Nahrungszufuhr aus “Platzmangel“ im Pouch nicht möglich, und die Patienten entwickeln durch
die Wandspannung ein Sättigungsgefühl. Gewichtsverlust und Nahrungsaufnahme können individuell den Bedürfnissen des Patienten angepasst werden. Das gastric banding wirkt speziell bei „binge-eaters“
(Patienten, die viele und große Nahrungsmengen zu sich nehmen).
Abb. 1
Vertikale bandverstärkte Gastroplastik
Abb. 2
Weltweit wurden bisher mehr als 100.000 dieser Magenbandoperationen durchgeführt, hauptsächlich jedoch in Europa, Australien und
Lateinamerika. Seit Juni 2001 ist das LAP-BAND auch in den USA
von der FDA zugelassen. Langzeitergebnisse in Bezug auf die Gewichtsreduktion mit einem EWL von rund 70 Prozent werden berichtet. In
den USA wurde ein EWL von 41 bis 53 Prozent beschrieben, dies dürfte jedoch mit der sogenannten Lernkurve in Zusammenhang stehen.
Die Mortalitätsrate liegt bei 0 bis 0,1 Prozent. Hauptkomplikationen
sind die Bandmigration (bis zu 4,6 Prozent) und die Pouchdilatation
mit/ohne Bandrutschen (bis zu 13,4 Prozent). Die Implantation eines
verstellbaren Magenbandes stellt eine sichere und vor allem effektive
Methode zur Behandlung der morbiden Adipositas dar. Der größte
Vorteil dieser Operationsmethode liegt jedoch darin, dass weder Magen
noch Darm eröffnet oder durchtrennt werden und somit die Anatomie
und die Verdauungsphysiologie intakt bleiben.
3) Kombination Magenrestriktion – Malabsorbtion
Roux-Y-Magenbypass
alle abb © mittermair
Gastric banding
56
Abb. 3
Bereits 1967 wurde von Mason und Ito der Magenbypass als Behandlungsmethode der morbiden Adipositas beschrieben. Der Magenbypass kombiniert beide Operations-Methoden, nämlich die
Magenrestriktion mit einem dadurch unmittelbaren Völle- und Sättigungsgefühl und einem Malabsorbtionseffekt durch eine lange Roux-YAnastomose (Abb. 4). Zuerst wird ein kleiner proximaler Magenpouch
(15 ml) gebildet und danach 75 bis 150 Zentimeter distal der Gastrojejunostomie eine Jejunojejunostomie (Roux-Y) durchgeführt. Je länger
die Schlinge, umso größer ist der Gewichtsverlust. Bei der Aufnahme
von raffiniertem Zucker kommt es zu unangenehmen Nebenwirkungen, nämlich dem Dumpingsyndrom (Tachykardie, Schwitzen, Schwäche, Übelkeit, Diarrhoe). Diese Symptome gehen mit Veränderungen
der intestinalen Peptide einher, besonders mit einer Erhöhung des intestinalen Glukagons. Letzteres ist ein Hormon, das im Ileum vorkommt
und hier abgesondert wird. Verständlicherweise vermeiden diese
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© mittermair
Roux-Y-Magenbypass
Patienten jene Nahrungsmittel, die
das Dumpingsyndrom verursachen.
Der laparoskopische Roux-Y-Magenbypass wurde 1993 von Wittgrove und
Clark eingeführt. Der durchschnittliche EWL liegt bei 60 bis 70 Prozent,
die Mortalitätsrate liegt bei null bis 2,5
Prozent. Hauptkomplikationen sind
die Anastomosendehiszenz (0,5 bis
neun Prozent), Ulcera (vier bis 16 Prozent), die perniziöse Anämie (Vit. B12und Eisenmangel) und andere Vitamin- und Mineralstoffdefizite mit bis
zu 73 Prozent. Der Roux-Y-Magenbypass stellt derzeit in den USA den
“Gold-Standard“ der bariatrischen
Chirurgie dar. In Europa wird diese
OP-Methode haupsächlich bei Therapieversagern (zum Beispiel Bandmigration nach Gastric banding) oder bei
Sweet-eatern eingesetzt.
4) Magenschrittmacher
1995 entdeckten Cigaina et al. bei
Tierversuchen mit Schweinen, dass die
elektrische Stimulation der Magenwand das Fressverhalten der Tiere insofern beeinflusst, als sie weniger Nahrung zu sich nahmen. Im Februar 2000
wurde in den USA und in Europa eine
randomisierte, Placebo-kontrollierte
Doppelblindstudie gestartet, um die
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klinische Wirksamkeit und
Sicherheit des Transcend®
Implantable Gastric Stimulators (IGS) zu überprüfen. Das
IGS besteht aus zwei Elektroden, die in die Magenwand
mit einer Nadel eingeführt
werden. Eine Leitung verbindet die Elektroden mit dem
60x40x10,3 mm großen Stimulator, der unter dem linken Rippenbogen in eine
subkutane Tasche eingepflanzt wird und von außen
Abb. 4
jederzeit programmiert werden kann. Die Elektroden
werden unter gastroskopischer Kontrolle strikt intramural am gastroösophagealen Übergang platziert. Die
Ein- und Austrittsstelle der Nadel
sollen 2,5 Zentimeter von einander
entfernt sein. Die Sonde wird proximal
mit zwei PDS-Nähten und distal mit
einem Clip befestigt. Danach wird das
Leitungssystem extrakorporal mit dem
Schrittmachersystem verbunden.
Nach einem follow-up von drei Jahren zeigt sich ein EWL von 24 Prozent.
Bisher gab es keine lebensbedrohlichen
oder tödlichen Komplikationen, die
Elektrodendislokationsrate lag bei bis
zu 25 Prozent. Im Vergleich zu den anderen laparoskopischen bariatrischen
Operationstechniken schneidet der
Schrittmacher schlecht ab. Weitere
Studien werden nötig sein, um die Effektivität dieses 6.000 Euro teuren Systems (fünfmal so teuer wie ein Magenband) zu bestätigen.
Zusammenfassung
Die morbide Adipositas ist eine
chronische Erkrankung, die als Schrittmacher für eine hohe Inzidenz von CoMorbiditäten und für eine insgesamt
erhöhte Mortalität angesehen werden
muss. Das beste und wirkungsvollste
Mittel bei der Behandlung der morbiden Adipositas ist die laparoskopische
bariatrische Chirurgie. Hervorragende
Langzeitergebnisse in Bezug auf die
Gewichtsreduktion mit einem EWL
von bis zu 80 Prozent wurden beim
BPD beschrieben. Aufgrund des komplexen und schwierigen chirurgischen
Eingriffes wird diese Operations-Methode jedoch nur eine Alternativvariante bleiben.
Das Gastric banding und der RouxY-Magenbypass stellen für den geübten
Chirurgen eine einfache, sichere und
effiziente Operationsmethode dar. Mit
einem EWL von rund 70 Prozent und
einer niedrigen Mortalitäsrate wird
auch in Zukunft in den USA der
Roux-Y-Magenbypass und in Europa
das Gastric banding der “Goldstandard“ bleiben.
Literatur beim Verfasser
*) Univ. Prof. Dr. Reinhard P. Mittermair,
Universitätsklinik für Chirurgie/Klinische
Abteilung für Allgemeine und Transplantationschirurgie, Medizinische Universität
Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck;
Tel. 0512/504/22 911; Fax: 0512/56 13 31;
e-mail: [email protected]
Herausgeber: Klinische Abteilung für
Allgemeine und Transplantationschirurgie,
Universitätsklink für Chirurgie, Medizinische
Universität Innsbruck
Lecture board: Prof. Klaus Schönleben, Direktor
der Chirurgischen Klinik des Klinikums der Stadt
Ludwigshafen, Univ. Prof. Dr. Gerhard Szinicz,
Landeskrankenhaus Bregenz/Chirurgie
Univ. Prof. Dr. Gerold Wetscher,
Bezirkskrankenhaus Schwaz/Chirurgie
Diesen Artikel finden Sie auch im Web
unter www.arztakademie.at
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