Gesamtschuldnerausgleich

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Gesamtschuldnerausgleich
Gesamtschuldnerausgleich
von Rechtsanwältin Astrid Congiu-Wehle
Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzlei
Agnes Fischl, Michael Lettl und Dr. Ulrike Tremel, Unterhaching
Wenn Immobilien von Ehegatten angeschafft werden, macht man sich meistens keine Gedanken über die Fragen: Wer wird Eigentümer? Wer unterschreibt den Kreditvertrag? Wer
bürgt?
Meistens entscheidet man sich dann auf die Schnelle zu einer hälftigen Teilung aller Verträge, ohne sich überhaupt über die Konsequenzen im Klaren geworden zu sein. Solange dann
die Ehe in seinen geordneten Bahnen verläuft, wird man das Darlehen während dieser Zeit
zurückzahlen. Schließlich wird man sich dann die Überlegungen anstellen, wie man das unbelastete Haus an die nächste Generation übergibt.
Problematisch wird es dann, wenn sich die Ehegatten bei einer Trennung oder Scheidung
hinsichtlich dieses Vermögens auseinandersetzen wollen. Dann wird beiden Ehegatten
erstmals deutlich, dass dies so ohne weiteres nicht möglich ist.
Zahlungen an das Kreditinstitut werden während der Trennungszeit meistens von demjenigen Ehegatten weiter bezahlt, der diese Raten schon immer von seinem Konto beglichen
hat. Fraglich ist nun, wer die Begleichung dieser Ratenzahlungen ab der Trennung vornehmen muss und ob und in welcher Höhe gegenüber dem nicht zahlenden Ehegatten ein Teil
der Ratenzahlungen zurück gefordert werden kann.
Ausgangsbeispiel
F und M sind im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Sie kaufen gemeinsam
eine Eigentumswohnung für € 300.000,00, wofür sie ein Darlehen in Höhe von € 100.000,00
bei der Bank X aufnehmen müssen. Beide sind Darlehensnehmer.
Rechtliche Ausgangslage
Mit Unterzeichnung des Darlehensvertrags werden beide Ehegatten gemäß § 426 BGB Gesamtschuldner gegenüber der Bank. Das bedeutet, dass die Bank im Zweifel von jedem die
gesamte Summe fordern kann. Im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten haften diese im
Zweifel jeder zu 1/2, wobei sich diese Haftungsverteilung vor allem auch nach den Eigentumsverhältnissen richtet. Diese hälftige Teilung ist dann nicht gegeben, wenn – wie selten –
eine anderweitige Vereinbarung unter den Eheleuten existiert.
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Schuldentilgung in der intakten Ehe
Während der intakten Ehe besteht zwischen den Ehegatten zumeist eine ungeschriebene
Vereinbarung, wie die laufenden Ausgaben des gemeinsamen Haushaltes, wozu auch die
laufenden Darlehensverbindlichkeiten gezählt werden sollen, getragen werden.
Oft hat man ein gemeinsames Konto, auf welches die gemeinsamen Einnahmen fließen, und
von dem dann auch die gemeinsamen Ausgaben bezahlt werden.
Selbst wenn die monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen nur von dem Konto eines Ehegatten beglichen, so wird der andere Ehegatte andere Verbindlichkeiten im Haushalt als Ausgleich übernehmen. Dies gilt selbstverständlich auch für den Fall, dass die Ehefrau aufgrund
der Erziehung der gemeinsamen Kinder „nur“ Hausfrau ist und der Ehemann mit seinem Arbeitseinkommen für die finanziellen Belastungen der gesamten Familie aufkommt.
Während der intakten Ehe ergibt sich also im Zweifelsfall eine verbindliche Vereinbarung
unter den Ehegatten als Abweichung vom hälftigen Grundsatz durch die tatsächliche Durchführung. Jeder der Ehegatten steuert seinen gleichwertigen Teil zum Ablauf in der Familie
bei, ob nun Abzahlung oder Kinder betreuen. Diese Vereinbarung kann im Falle einer Trennung für die Zeit des Zusammenlebens auch nicht mehr nachträglich verändert oder angegriffen werden. Der Ehegatte, der mehr als die eigentlich vom Vertrag her auf ihm lastenden
Zins- und Tilgungsverbindlichkeiten getragen hat, kann also grundsätzlich für die Zeit des
Zusammenlebens keinen Ersatz vom anderen Ehegatten fordern.
Diese Regel gilt im übrigen auch für alle anderen Zahlungsflüsse, wie sie während der intakten Ehe geregelt worden sind. So werden auch oftmals die Einkommensteuererstattungsansprüche auf das Konto des Ehemannes überwiesen. Mit der Überweisung wird dann unterstellt, dass die Ehefrau mit dieser Abwicklungsmodalität ebenfalls einverstanden ist. Die Ehefrau kann also nach einer Trennung nicht die Hälfte oder die aufgrund ihres eigenen Einkommens in der Ehe ihr eventuell zustehenden Steuererstattungen nachträglich vom Ehemann heraus verlangen.
Trennung der Ehegatten
Nach der Trennung ist diese Frage durchaus schwieriger zu beantworten.
Die ursprüngliche Vereinbarung während der intakten Ehe geht im Zweifel mit der Trennung
unter und kann nun nicht mehr als Maßstab herangezogen werden. Nachdem dann keine
Vereinbarung mehr unterstellt werden kann, muss ab der Trennung wieder auf die gesetzliche Regel der hälftigen Aufteilung der Ratenzahlung zurückgegriffen werden.
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Die Ehegatten können aber auch nach der Trennung Vereinbarungen dahingehend treffen,
dass nur einer die Zins- und Tilgungslast trägt, der andere im Gegenzug nichts desto trotz
keine Ansprüche geltend machen kann. Solche Vereinbarungen werden aber im Zweifelsfalle gerade in der Phase der Trennung nicht geschlossen.
Verschiedene weitere Abwicklungsmodalitäten stehen nun im Raum:
a) Gibt es keine anderweitige Vereinbarung, so kann grundsätzlich derjenige, der die Zinsund Tilgungslast vollständig trägt, von dem anderen einen hälftigen Ausgleich einfordern.
Dieser Ausgleichsanspruch ergibt sich aus dem so genannten Gesamtschuldnerausgleich. Das Entstehen eines solchen Gesamtschuldnerausgleichs beginnt mit der Trennung.
b) Hiervon gibt es aber auch nach der Trennung Ausnahmen, also inzident wieder einen
anderweitige Vereinbarung.
Eine solche Ausnahme liegt immer dann vor, wenn der Gegenstand, für den das Darlehen
aufgenommen worden ist, wirtschaftlich einem Ehegatten zugerechnet werden kann.
Steht also die Immobilie, für welche der Ehemann die Zins- und Tilgungslast alleine nach
der Trennung trägt, auch in seinem Alleineigentum, haben also die Ehegatten gerade kein
hälftiges Miteigentum erworben, so ist dieser Gegenstand dem Alleineigentümer wirtschaftlich zuzuordnen. Sein Vermögen wird durch die Tilgung immerhin auch vermehrt,
womit ein Anspruch gegenüber dem Nichteigentümer ausscheidet.
Bei Immobilien im hälftigen Miteigentum beider Ehegatten könnte ein Anspruch dann ausscheiden, wenn einer der Ehegatten in dieser Immobilie wohnt, dem anderen Ehegatten
aber kein Nutzungsentgelt zahlen muss. Auch hieraus könnte man eventuell eine anderweitige Vereinbarung schließen, die dann wiederum gegen einen Anspruch des allein
Zahlenden spricht.
c) Eine anderweitige Regelung kann sich aber aus Unterhaltsvereinbarungen ergeben.
Beispiel:
M und F trennen sich nun. F erhält von M Unterhalt.
Dieser Unterhalt berechnet sich anhand der Nettoeinkommen von M und F. Die Nettoeinkommen können auf beiden Seiten aber um Verbindlichkeiten gekürzt werden, die die
Ehe geprägt haben, also in der Ehe auch schon geldtechnisch nicht zur Verfügung standen.
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Trägt M also weiter die Ratenzahlungen, so kann er diese grundsätzlich von seinem Nettoeinkommen abziehen, womit sich dieses reduziert. Damit vermindert sich auch die Berechnungsgrundlage für den Unterhalt, so dass sich dieser ebenfalls reduziert.
F erhält damit weniger Unterhalt, zahlt aber über den reduzierten Unterhalt einen Teil des
Kreditvertrags ab.
Der Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass bei Fragen der Abzugsfähigkeit von
Zins- und Tilgungsleistungen im Unterhalt eine Unterscheidung zwischen diesen beiden
Positionen gemacht wird. Oftmals wird die Tilgungsleistung nicht als Abzugsposten anerkannt.
Bei einer Verrechnung der Verbindlichkeiten liegt eine anderweitige Vereinbarung vor,
womit ein Gesamtschuldnerausgleich zugunsten des allein zahlenden Ehegatten nicht
mehr stattfinden kann.
d) Beispiel:
M und F trennen sich. F macht gegenüber M keinen Unterhalt geltend.
Bei dieser Konstellation ist es wichtig, die Frage der Haftung für die Ratenzahlungen zu
klären. Ohne eine Vereinbarung durch den Abzug im Unterhalt lebt die hälftige Verpflichtung jedes Ehegatten wieder auf. Die Ehefrau F macht aber vielleicht aus dem Grund keinen Unterhalt geltend, weil der Ehemann M auch weiterhin die Ratenzahlungen leistet.
Ist keine weitere Vereinbarung zu diesen Ratenzahlungen getroffen worden, so würde F
auch weiterhin hälftig haften. M könnte also auch zu einem späteren Zeitpunkt die hälftigen Ratenzahlungsbeträge nachfordern. F hätte dann aber keine Möglichkeit mehr, diese
hälftigen Beträge gegen rückständige – zunächst nicht geltend gemachte Unterhaltzahlungen zu verrechnen, da Unterhalt für die Vergangenheit nicht geltend gemacht werden
kann.
Aus diesem Grunde muss bei einer solchen Konstellation auf jeden Fall eine schriftliche
Vereinbarung der Ehegatten erfolgen, in welcher festgehalten wird, wer von beiden, und
sollten beide einen Teil übernehmen, in welchen Teilen die Ehegatten die Abzahlungen
leisten. Wichtig ist aber vor allem die gegenseitige Freistellung von der Haftung, damit
eben später nicht der andere Ehegatte noch Zahlungen verlangen kann.
Werden zwischen den Ehegatten keine Unterhaltszahlungen vereinbart, so können die
Verbindlichkeiten, also die Restdarlehensschuld, auch im Rahmen des Zugewinnausgleichs in der Scheidung bei dem betreffenden Ehegatten, also auch bei beiden Ehegatten als Verbindlichkeit zum Stichtag der Scheidung im Endvermögen aufgenommen wer-
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den. Sie finden dann also Berücksichtigung im Rahmen des Zugewinnausgleiches. Dann
ist auch ein Gesamtschuldnerausgleich, also eine Forderung des zahlenden Ehegatten,
nicht mehr möglich.
In dieser Konstellation sollte aber auf jeden Fall für die Zeit der Trennung bis zur Scheidung, in welcher der Zugewinnausgleich also noch nicht erfolgen kann, eine Regelung
zwischen den Ehegatten in der oben gerade aufgezeigten Form erfolgen.
Die Frage des Gesamtschuldnerausgleichs beginnt mit der Trennung. Eine sich anschließende Scheidung hat dann auf diesen Gesamtschuldnerausgleich keinen Einfluss mehr.
Die Problematik und die verschiedenen Varianten des Gesamtschuldnerausgleichs sind vielen unbekannt. Eine entsprechende umfangreiche Beratung in Kenntnis dieser Situation ist
dringend anzuraten.
In der nächsten Ausgabe soll das Thema des Gesamtschuldnerausgleichs noch steuerlich
durch Erörterung der Frage nach der Haftung für Steuerschulden des anderen Ehegatten im
Rahmen der Zusammenveranlagung ergänzt werden.
Frau Rechtsanwältin Astrid Congiu-Wehle ist Mitarbeiterin in der Kanzlei Agnes Fischl und
Michael Lettl in Unterhaching und zugleich freie Mitarbeiterin beim Haus- und Grundbesitzerverein München und Umgebung e.V. Tätigkeitsschwerpunkt von Frau Congiu-Wehle ist vor
allem der familienrechtliche Bereich. Mit dem Ablegen der Prüfung hat sie nunmehr auch die
Zugangsvoraussetzungen zur Erlangung des Fachanwalts für Familienrecht erfüllt.
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