Personen - dossier B

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Personen - dossier B
Nr. 37
14. Sept. 2001
B
dossier
www.dossierB.de
BUSINESS
I nformation
Inspiration
Spekulation
Tel. 089/28 65 93 05
&
News
Storys
über...
IAA ● Terroranschlag ● General Motors ● Ford ● Chrysler ● Volkswagen ● Ferdinand
Piëch ● Bernd Pischetsrieder ● Robert Büchelhofer ● Klaus Kocks ● Dieter Zetsche ●
Business Week ● MLP ● Bernhard Termühlen ● Konrad Becker ● Merck Finck ● Sven
Janssen ● B. Metzler ● Allianz ● Psion ● David Potter ● Palm ● David Nagel ● Ina-Holding ● FAG Kugelfischer ● Uwe
Loos ● Jürgen M. Geißinger ● Telematik ● Autoindustrie ● Mercer Management Consulting ● Headhunter ● Korn/
Ferry ● Paul C. Reilly ● E-Commerce ● GfK ● Amazon ● Otto-Versand ● Karstadt-Quelle ● E-Mail ● Mummert + Partner ● Pkw-Markt ● Marketing Systems ● Hotel-Tipp: Mas La Garganta ● Arbeitsrecht ● Zwischenmenschliches ●
Personen
Auf den Videoleinwänden flimmerten noch Bilder der neuen
Statussymbole, zumeist untermalt von poppiger Musik, als
die Nachricht von dem TerrorAnschlag in New York auch in
den Messehallen Frankfurts
ankam. Es war Dienstag, der
11. September 2001, circa
15.00 Uhr. Auf der 59. Internationalen Automobil-Ausstellung wuselten unzählige Journalisten und Kamerateams
herum. Sofort bildeten sich um
die zahlreichen Computerterminals mit Internetanschluss
nachrichtenhungrige Menschentrauben. Fast überall erstarb inzwischen die laute Musik, Videos wurden abgestellt
und die üblichen Shows mit
knackigen Mädels eingestellt.
Wer genau aufpasste, konnte
beobachten, wie die amerikanischen Marken General Motors, Ford und Chrysler reagierten – sie schickten ihre Manager-Riegen rasch in die
Hotels. Schließlich konnte man
ja nicht wissen, ob Trittbrettfahrer nicht gleich telefonisch
Stille Angst – die IAA
und der Schock
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Denken statt handeln
Es fällt schwer, sich so unmittelbar nach
den grauenvollen terroristischen Anschlägen in New York und Washington mit so
profanen Dingen wie deren Auswirkungen
auf die wirtschaftliche Entwicklung zu beschäftigen. Manche Experten scheinen damit weniger Probleme zu haben – und entsprechend kontrovers fallen ihre Einschätzungen aus. Wer kann schon heute beurteilen, wie die Finanzmärkte nach Öffnung
der Börse in New York reagieren werden,
nachdem möglicherweise Tausende Mitarbeiter von Investmentbanken unter den
Trümmern der Türme des World Trade
Centers begraben wurden? Wer hat auch
nur die leiseste Vorstellung von den Reaktionen der USA und der Nato? Bringt es
mehr in die Kasse, auf Krieg zu spekulieren, als auf Vernunft zu setzen? Vieles,
was so genannte Experten in den letzten
zwei Tagen von sich gegeben haben, überschreitet die Grenze zum makabren Zynismus bei weitem. Schade, dass sich die
meisten Börsen nicht dazu durchringen
konnten, den Handel für wenigstens eine
Woche auszusetzen, um den Marktteilnehmern Gelegenheit zu geben, über den Sinn
ihres Handelns nachzudenken.
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Bombendrohungen aussprechen. So war es dann auch, allerdings erst am Mittwochmorgen. Für den hohen Messeturm ging eine ein, Ford traf es und – warum auch immer – Volkswagen. Beide Unternehmen zeigen ihre Automobile in
Messehalle drei, VW im Erdgeschoss, Ford eine Etage darüber. Hektisch wurden die Standbesatzungen abgezogen. In den Hallen wurden die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Polizisten patrouillierten zwischen den Ständen. Opel
bot aus Angst vor deponierten Bomben keine Schließfächer für Messebesucher
mehr an, und am Stand der GM-Tochter galt eine erhöhte Sicherheitsstufe.
Auch die wegen Chryslers miserabler Geschäftslage mit Spannung erwartete
Pressekonferenz von DaimlerChrysler fiel aus. Wie Mehltau lag eine depressiv-lähmende Stimmung über der Veranstaltung. Und mit ganz besonderem
Grausen dachten die Gäste von Ford an den Montagabend dieser Woche. Dieser Vorabend der folgenden zwei Medientage wird traditionell von den Autofirmen dazu genutzt, die internationalen Medien zu diversen Vorstandsdinners zu
bitten. Ford lud in das Hochhaus der Commerzbank ein. Im 49. Stock, in 220
Metern Höhe, wurde mit Blick auf das illuminierte Frankfurt getafelt. Keine 24
Stunden später wurde der Wolkenkratzer geräumt.
Genau genommen ist die Entscheidung des VW-Aufsichtsrats vom vergangenen
Freitag eine Klatsche für Ferdinand Piëch. Denn eigentlich wollte der VW-Chef
diese frühzeitige Wahl seines Nachfolgers nicht. Wir zitieren aus einem „Stern“-Interview mit ihm, das genau vor einem Jahr in Heft 39/2000 gedruckt wurde: Stern:
„Was wäre der ideale Zeitpunkt für einen Nachfolger?“ Piëch: „Das kann ich nicht
sagen. Ich glaube jedoch, dass es für die Öffentlichkeit überraschend kommen
muss. Einen künftigen Chef längere Zeit einzuarbeiten, das geht meines Erachtens
nicht. Denn sobald bekannt wird, wer es wird, der aber noch nicht randarf, dann
richtet sich das Unternehmen trotzdem schon nach ihm aus. Das lähmt. Wenn es
dagegen ruckzuck geht, dann geht alles viel besser.“ Richtet sich also bereits alles
auf Nachfolger Bernd Pischetsrieder aus, obwohl der offiziell erst ab 1. April 2002
das Amt des Vorstandsvorsitzenden des Volkswagen-Konzerns übernimmt? Heißt
das auch, dass durch diese „Lähmung“ jede wichtige Entscheidung bis Frühjahr
2002 verschoben wird? Schlüssige Antworten darauf gibt es nicht. Bis auf jene der
niedersächsischen Regierung, die im VW-Aufsichtsrat die erste Geige spielt – doch
leider inoffiziell: „Wir wollten dem alten Haudegen zeigen, dass er nicht alle Fäden
in der Hand hält und nicht alles bestimmen kann, wie er will.“ Das sagt einer, der
nicht genannt werden will, der, so viel sei verraten, aber durchaus Miteinfluss auf
die Wahl Bernd Pischetsrieders gehabt hat. Nun wartet das VW-Management gespannt, wen Pischetsrieder wegräumt. An allererster Stelle ist die Rede von Robert
Büchelhofer, dem Vertriebsvorstand im Konzern. Als Pischetsrieder 1993 Primus
bei BMW wurde, hatte er schon länger mit Büchelhofer zu tun. Der saß nämlich
bereits seit 1987 im BMW-Vorstand als Vertriebschef. Doch schon am Ende des
ersten Amtsjahres von Pischetsrieder musste Büchelhofer gehen – nach Wolfsburg. Der Mann, der am Starnberger See wohnt, pendelte fortan: montags in die
Diaspora Niedersachsens, am Wochenende heim ins Voralpenland. Nachdem sich
Büchelhofer inzwischen bereits anwaltlich beraten lässt, kann er wohl seine Tage in
Wolfsburg zählen. Ist ja auch viel schöner in Bayern. Auch Klaus Kocks, oberster
Konzern-Kommunikator in der Wolfs-Burg, scheint auf dem Absprung zu sein. Ob
freiwillig oder nicht spielt da wohl keine Rolle. Letzteres wäre allenfalls eine Frage
der Zeit. Jedenfalls, so lässt er gern alle Interessierten und Nichtinteressierten wissen, strebt er in die Politik. Allenfalls ein Sitz im Konzern-Vorstand könnte ihn halten – mit allem aktienrechtlichen Lametta und Ehrenzeichen. Doch ob’s damit
klappt, steht derzeit in den Sternen.
Nachtrag: Nasenstüber für Piëch
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„Die Hochsommer-Sonne ging über Long Lake in Bloomfield Hills, Mich., unter,
als der neue Chief Executive Officer der Chrysler Group, Dieter Zetsche, Wein
schlürfte und mit Detroits Elite während einer Spendensammlung des United
Way plauderte.“ So beginnen in der Regel Märchen. So liest sich aber auch die
Einleitung einer langen Story in der normalerweise nicht gerade romantisch gefärbten „Business Week“. Sie handelt vom Wirken und Wandeln des Abgesandten Jürgen E. Schrempps, der den maroden Teilkonzern von DaimlerChrysler in den USA aus dem Tal der Tränen führen soll. Zetsche, das wird bei
der Lektüre des Artikels deutlich, hat die Herzen der „Business-Week“-Redakteure erobert. Und sie schmeicheln ihm mit Sätzen wie: „Ganz nebenbei hat der
deutsche Ingenieur seine Kritiker in Detroit, also fast jeden, mit dem er arbeitet,
in Erstaunen versetzt, weil er sich als anständiger, ja sogar liebenswerter Kerl
entpuppte.“ Oder: „Wenn es Zetsche schafft, Chrysler neu aufzubauen und in
den Daimler-Konzern zu integrieren, wird bewiesen, dass sein Chef, der 56jährige Schrempp, Recht hatte. Und Zetsche wird zweifellos seine Chancen verbessern, eines Tages die Auto-Giganten selbst zu führen.“ Und zum Schluss eine kleine Portion Galle: „Wenn er tatsächlich dazu beitragen kann, aus DaimlerChrysler einen erfolgreichen globalen Automobilbauer zu machen, dann kann
sich Zetsche aussuchen, was er will. Wenn nicht, wird sich sein Name in die
Liste anderer Opfer eines 36-Milliarden-Missverständnisses einreihen.“
Was Schrempp wohl dazu sagt?
Zetsches
Minnesänger
Unternehmen
War es nun wirklich all die Mühe und die zwischenzeitlichen Erniedrigungen
wert? Fakt ist, die Aktien des Finanzdienstleisters MLP sackten seit der Aufnahme in den Dax Ende Juli 2001 von 129,50 Euro auf zuletzt 58,90 Euro ab und
haben noch schlechter abgeschnitten als der Dax. Und das, obwohl in den ersten sechs Monaten dieses Jahres der Vorsteuergewinn um 32,5 Prozent hochgeschnellt war. Eine herbe Enttäuschung für den Vorstandsvorsitzenden Bernhard Termühlen und seine stolzen „Berater“, vulgo Verkäufer. Viele von ihnen
hatten im Vertrauen auf den großen Kurspush nach der Aufnahme in den deutschen Top-Index sogar Darlehen aufgenommen, um Anteile an ihrem Unternehmen zu erwerben. Schlecht gelaufen bis jetzt. Analysten haben – wie immer –
scheinbar plausible Erklärungen: „MLP ist einem Abwärtstrend ausgesetzt“, sagt
Konrad Becker von Merck Finck und bewertet die Aktie deswegen auch nur
mit „Neutral“. Etliche Investoren halten das Papier mit einem KGV von 36 für zu
hoch bewertet und trennten sich von der Aktie. Auch der Umtausch der Vorzüge
in Stämme im Verhältnis eins zu eins kann den Kurs nicht mehr antreiben.
Becker: „Diese Umwandlung ist eingepreist.“ Schließlich betrachten die professionellen Marktbeobachter die Expansion von MLP in die Schweiz, nach
Holland und nach Großbritannien skeptisch. Sven Janssen von B. Metzler in
Frankfurt zum Beispiel fürchtet, das MLP-Konzept werde in diesen Ländern
nicht greifen, weil sich dort längst die etablierten Banken um Hochschulabgänger kümmern.
Das Schlechtreden und die herben Kursverluste animieren die Allianz, frustrierte, aber tüchtige MLP-Außendienstler abzuwerben. Für manchen MLP-Mitarbeiter möglicherweise eine süße Versuchung.
Der Fluch des Dax
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Griff zum Strohhalm Software
Die Produkte verlieren mehr und mehr an Boden – darum versuchen sich einige Hersteller von Personal Digital Assistants (PDA) jetzt mit ihrer Software zu
profilieren. Psion-Chef David Potter machte kürzlich den Anfang und verabschiedet sich praktisch zur Gänze aus dem Hardware-Markt. Jetzt hat auch
Palm reagiert und gründet mit der Tochtergesellschaft Palm OS Plattform einen Software-Ableger. David Nagel soll als CEO diese Firma gegen Microsoft
am Markt profilieren – eine harte Herausforderung, zumal Palm anders als Psion keine mächtigen Verbündeten in der Hardware-Branche hat. Der Techniker
und bisherige President der AT&T Labs könnte aber als Türöffner zum Telefonriesen fungieren. Zudem war Nagel auch bei der Nasa und Apple in leitenden
Positionen tätig. Da muss doch irgendein Koppel-Geschäft herausspringen ...
Schuss auf den
Heldentenor
Nur einen Tag nach der Übernahmeofferte der mittelfränkischen Ina-Holding an
die Aktionäre des benachbarten Wälzlagerherstellers FAG Kugelfischer ging
der FAG-Vorstand in die Gegenoffensive. „Ich kann unseren Aktionären nur raten, die Anteile an unserem Unternehmen nicht zu verschleudern“, ließ sich
FAG-Kugelfischer-Chef Uwe Loos in einer Pressemitteilung zitieren. Der FAGVorstand betrachte das Kaufangebot der Ina-Holding als „feindliche Übernahmeofferte“. Dies legten sowohl die Kurzfristigkeit des Angebots, die fehlende
Einbindung des FAG-Vorstandes sowie die auf der Ina-Pressekonferenz am
Montag bekannt gewordenen Fakten nahe. Loos hält unter anderem den von
Ina gebotenen Preis von elf Euro je Aktie für unzureichend. Dies stehe in keinem Verhältnis zu Ertragskraft und Wertperspektive des Unternehmens. Zudem
fehle eine klare, plausible und zukunftsfähige Strategie. Der Zusammenschluss
würde eine Schwächung bedeuten, so Loos. Zudem sei Ina als Familienunternehmen überwiegend regional und einseitig auf die Autoindustrie fokussiert,
während sich FAG auf wertschöpfungsintensive Spezialprodukte ausgerichtet
habe und in vielen Bereichen Technologieführer sei. Der von Ina geplante Rückzug der FAG-Aktie von der Börse mit der daraus resultierenden Abkapselung
von den internationalen Finanzmärkten bedeute ebenfalls einen Rückschritt.
Jürgen M. Geißinger, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Ina-Holding
Schaeffler KG meint dagegen: „Wir können die Entscheidung des Vorstandes
der FAG Kugelfischer Georg Schäfer AG, unser Kaufangebot an die Aktionäre
nicht zu empfehlen, nicht nachvollziehen. Wir bieten den Aktionären mit elf Euro in bar je Aktie eine höchst attraktive Prämie von rund 51 Prozent auf den
Schlusskurs vor Ankündigung des Angebotes. Dieses Angebot liegt damit
höher als der Kurs der FAG-Kugelfischer-Aktie in den letzten eineinhalb Jahren.“ Unter dem Eindruck der Übernahmeofferte legte am Dienstag der FAGAktienkurs um über 50 Prozent zu und lag mit elf Euro bereits auf Höhe des
Übernahmeangebots. Am Freitag letzter Woche kostete das im MDAX gelistete
Papier noch 7,10 Euro. Inzwischen ( 13. September) steht die FAG-Aktie noch
immer über zehn Euro.
Für den selbstbewussten Loos kommt das Übernahmeangebot fast einer persönlichen Beleidigung gleich. Denn schließlich hält er sich zugute, den angeschlagenen Wälzlagerhersteller höchstpersönlich wieder auf Vordermann gebracht zu haben. Folgerichtig sieht er sich als Hai und nicht als Hering. Mal sehen, ob und wie er seine Aktionäre bei der Stange halten kann.
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Branchen
Da sich Fahrzeuge technisch immer mehr angleichen, nimmt der Druck auf die
Automobilhersteller zu, sich zusätzlich über Service- und Markenerlebnis von
der Konkurrenz zu unterscheiden. Die mobilen Dienste im Auto werden dabei
aufgrund ihres großen Differenzierungs- und Kundenbindungspotenzials eine
Schlüsselrolle einnehmen. So wurden in den letzten Wochen drei Modelle vor
allem über innovative Telematiklösungen positioniert: der neue 7er BMW mit
ConnectedDrive, das erste vernetzte Auto mit Internetanschluss, der Alfa Romeo 147 mit dem connect System und der VW-Golf eGeneration mit integriertem PDA und Handy. Doch noch agieren die Automobilhersteller zögerlich. Dabei ist der Telematikmarkt einer der großen Zukunftsmärkte dieses Jahrzehnts:
Für Europa werden stetig wachsende Umsätze mit mobilen Datendiensten auf
über 75 Milliarden Euro im Jahr 2005 prognostiziert. Zwischen den Anbietern
von Telekommunikation, Fahrzeugen, Software und Elektronik hat der Kampf
um den Telematikmarkt begonnen, und die Automobilhersteller müssen sich beeilen, wenn sie ihn für sich gewinnen wollen. Eine Untersuchung von Mercer
Management Consulting identifiziert künftige Gewinner und Verlierer im Telematikmarkt und zeigt, welche Stärken die Autobauer zur Absicherung ihrer Position einsetzen müssen.
Gerade die deutschen Automobilhersteller mit einem Potenzial von ca. 18 Millionen Bestandskunden in Deutschland tun sich schwer, ihre Rolle im Wettstreit
um das Geschäftsfeld Telematik zu definieren. Während die einen konsequent
in eigene Telematikplattformen investieren, reagieren andere zögerlich. Sie wissen: Eine Telematikplattform, die heute in ein Luxusklassefahrzeug eingebaut
wird, braucht etwa sechs Jahre, um in der Unterklasse angeboten zu werden –
und bis zur vollständigen Marktdurchdringung auf dieser Plattform vergehen
dann mindestens weitere zehn Jahre. Die Automobilhersteller müssen wegen
der langsamen Marktpenetration über das Fahrzeug heute drei andere Hebel
ansetzen, um ihre Kunden frühzeitig an sich zu binden:
• Die Unterstützung eigener, fahrzeugspezifischer sowie fremder, geräteunabhängiger Technologieplattformen (PDA, Handy, Laptop ...) in den eigenen Fahrzeugen.
• Den Aufbau eines attraktiven, geräteübergreifenden Diensteangebotes, das
die nicht kopierbaren, fahrzeugbezogenen Dienste (zum Beispiel Ferndiagnose
und -wartung) als Anker benutzt, um weitere Dienste anzubieten.
• Die konsequente Nutzung des Händlernetzes, um die Kunden beim Kauf eines
Autos direkt an das eigene Telematikangebot zu binden.
Diese geräteübergreifende Strategie kann kein Automobilhersteller allein umsetzen, da ihm hierzu das technische Know-how fehlt und die Möglichkeit, ein Partnerschaftsnetzwerk zu steuern. Zwingend erforderlich sind strategische Partner
aus den Bereichen Telekommunikation, Portaltechnologie und mobile Endgeräte. Das erhöht die Chancen des Markteintritts der neuen Wettbewerber im Bereich Telematik – wie Microsoft, AOL, Vodafone oder Siemens – und gefährdet die noch heute mögliche Kontrolle des Automobilherstellers über die Beziehung zum Kunden.
Differenzierung
durch Informatik
Weitere Informationen: Mercer Management Consulting,
Pierre Deraëd, Stefan-George-Ring 2, 81929 München, Tel.: 089/930 49-599,
Fax: 089/939 49-505, E- Mail: [email protected]
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Die Party ist auch für die erfolgverwöhnten Headhunter vorbei. Während der
Boomjahre in den USA profitierte die Branche wie kaum eine andere von der
Suche nach qualifizierten Fachkräften und Jungmanagern. Und an jeder Vermittlung verdienen die Headhunter im Durchschnitt 30 Prozent des ersten Jahresgehalts. Damit ist es laut „Business Week“ nun vorbei. So kündigte der
neue Chef des weltweit größten Headhunting-Unternehmens Korn/Ferry, Paul
C. Reilly, bereits die zweite Entlassungsrunde dieses Jahres an. Sie soll zusätzliche 20 Prozent der rund 2000 Mitarbeiter den Job kosten. Außerdem sollen die Einkommen der Verbliebenen um zehn Prozent gekürzt werden. Insgesamt haben die Personalvermittlungen seit dem ersten Quartal dieses Jahres
um 22 Prozent abgenommen, teilte die Association of Executive Search Consultants in den USA mit.
Da besteht reichlich Jobvermittlungsbedarf.
Graubrot für
Headhunter
Marketing & Werbung
Und er lebt doch
Und er lebt doch, der E-Commerce: Private Konsumenten haben im ersten
Halbjahr 2001 insgesamt Waren im Wert von 1,9 Milliarden Euro über das Internet geordert. Den jüngsten Ergebnissen einer Studie der Nürnberger GfKMarktforscher zufolge stieg der Umsatz im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2000
um über die Hälfte. Insgesamt 6,9 Millionen Online-Käufer gingen durchschnittlich dreimal in sechs Monaten zu einem Wert von jeweils 83 Euro auf einen Einkaufstrip ins Internet. Etwa die Hälfte der Online-Shopper nutzte das neue Medium im ersten Halbjahr nicht nur einmal, sondern wiederholt. Jeder zwölfte Internet-Käufer gehört zu den Intensivkäufern, die mindestens einmal pro Monat
online einkaufen. Unter den Konsumenten, die das Internet für ihre Einkäufe
nutzen, überwiegen weiterhin Männer. Es handelt sich vor allem um Käufer aus
der Altersgruppe 20 bis 39 Jahre, die vorwiegend aus Mehrpersonenhaushalten
stammen und über ein hohes Haushaltsnettoeinkommen verfügen.
Bücher und CDs sind immer noch die im Online-Einkauf favorisierten Produktgruppen. Sie werden von sehr vielen e-Shoppern geordert. Der mittlere Bestellwert eines Einkaufs in dieser Kategorie beträgt 25 Euro. Dagegen ist die nach
Umsatz stärkste Kategorie die Buchung von Reisen. Die dafür investierten Ausgaben belaufen sich auf durchschnittlich 400 Euro. Dem wertmäßigen Umsatz
nach folgen Bestellungen von PCs und PC-Zubehör.
Allerdings ist die Angabe der Kreditkartennummer immer noch den meisten
Deutschen bei Web-Geschäften ein Gräuel: Bei drei von vier Einkäufen bezahlen die Kunden im Internet erst nach Erhalt der gekauften Ware. Bevorzugt
überweisen sie den Rechnungsbetrag. Unter den Top-Anbietern im Internet hat
Amazon in Deutschland seine Spitzenstellung weiter gefestigt. Mit deutlichem
Abstand folgen die beiden großen Versandhandelsunternehmen Otto-Versand
und Karstadt-Quelle.
Schlechte
E-Kommunikation
Kein Anschluss unter dieser E-Mail: Der Umgang deutscher Unternehmen mit
den elektronischen Anfragen ihrer Kunden ist alarmierend – sie beantworten die
E-Mails ihrer Kunden oftmals langsam, nicht selten sogar überhaupt nicht. Das
stellte die Mummert + Partner Unternehmensberatung in einer branchenübergreifenden E-Mail-Response-Analyse fest. Von 104 deutschen Versicherern
beispielsweise konnte in der Analyse nur knapp die Hälfte fachliche Fragen per
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E-Mail beantworten. Mehr als 30 Prozent der angeschriebenen Unternehmen
antworteten erst gar nicht auf E-Mail-Anfragen. Die Energiedienstleister
schnitten nicht besser ab: Die Unternehmen beantworteten durchschnittlich nur
jede zweite Mail. Die Qualität der Antworten im fachlichen Bereich war nur bei
rund 30 Prozent der angeschriebenen Unternehmen gut bis befriedigend. Bei
den Kreditinstituten wurden mehr als 60 Prozent der Antworten auf Fachfragen als schlecht beurteilt. Von 30 Prozent der untersuchten Kreditinstitute kam
gar keine Antwort. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist umso alarmierender,
als es sich beim E-Mail-Kontakt um ein wichtiges Kundenbindungsinstrument
handelt. Das ist aber erst die Spitze des Eisbergs in Sachen Kundenkontakt. In
anderen Bereichen werden Kundenbindungskonzepte ebenso vernachlässigt.
Hier sehen die Marktforscher branchenübergreifend erheblichen Nachholbedarf.
Neuen Untersuchungen zufolge nimmt die Kundenbindung der großen Marken
sogar immer stärker ab. Standen 1993 noch rund 80 Prozent der Bundesbürger
treu zu „ihren“ Marken, so sind es im Moment nur noch rund 70 Prozent. Mit der
Treue ist es halt so eine Sache, wenn die Liebesbriefe nie beantwortet werden.
Beratung & Studien
Nach einer Studie des Essener Marktforschungsinstituts Marketing Systems
können deutsche Autofahrer zurzeit aus 260 Pkw-Modellen auswählen; vor 20
Jahren waren es nur 140. Das zusätzliche Angebot kommt vor allem von neuen
Marken, die sich seitdem auf dem deutschen Markt etabliert haben – zum Beispiel Isuzu, Chrysler, Hyundai, Kia, Daewoo, Ssangyong oder smart. Insgesamt bieten zurzeit etwa 50 Marken ihre Fahrzeuge in Deutschland an, rund 25
Prozent mehr als zu Beginn der 80er-Jahre. Diese Entwicklung führt zwangsläufig dazu, dass der durchschnittliche Marktanteil pro Marke sinken musste – von
fast drei Prozent Mitte der 80er-Jahre auf zwei Prozent im Jahr 2000. Um dieser
Entwicklung zu begegnen, haben viele Hersteller in den letzten Jahren ihre Produktpalette teilweise deutlich erweitert. Lag die Zahl der durchschnittlich pro
Marke angebotenen Modelle 1981 noch bei rund 3,5 Fahrzeugen, sind es heute
mehr als fünf. Mit der Zunahme von Marken und Modellen ist der Diversifizierungsprozess allerdings noch nicht vollständig erklärt. Um ihre Stellung am
Markt auszubauen oder zumindest zu behaupten, suchten viele Hersteller vielmehr nach so genannten Nachfragenischen, die sie mit attraktiven Aufbauten
füllten. Auf diese Art fanden verstärkt die Kombis, Offroader, Roadster und vor
allem Monospace-Varianten in den Markt. Und der Diversifizierungsprozess ist
noch lange nicht an sein Ende gekommen. Bereits in den Schauräumen oder
kurz vor der Markteinführung stehen Crossover-Fahrzeuge, viertürige Coupés
und Cabrios, Cabrios und Roadster mit Stahldach (retractable Hardtop), Kombinationen zwischen Van und Coupé ...Wer die Wahl hat, hat die Qual.
In der Vielfalt
liegt die Kraft
Hotel-Tipp
Neben Großstadttrubel in Barcelona und Badetourismus an der Küste kann
man in der Provinz Katalanien im Nordosten Spaniens auch noch traditionelle
Gastfreundschaft erleben. Das Hinterland mit seinen zahlreichen kleinen Pensionen ist bei den Städtern zum Ausspannen am Wochenende sehr beliebt und
„Mas La Garganta“
in Katalanien
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ist für jeden Spanien-Touristen ein Erlebnis. Eines dieser Gasthäuser ist das
„Mas La Garganta“ in der Region La Garrotxa. Das Steinhaus aus dem 14.
Jahrhundert bietet wunderschöne Ausblicke auf die sanften saftig grünen Hügel
der bezaubernden Landschaft, exzellente Küche und die Gelegenheit, katalanische Traditionen und kulturelles Erbe kennen zu lernen. Das Anwesen ist seit
Generationen im Besitz der Familie und wird heute als kleines Hotel von Inés
Puigdevall und ihrem Mann Joseph geführt. Die neun Zimmer werden von der
Hausherrin je nach Bedürfnis der Gäste verteilt – mal romantisch unterm Dach,
mal schlicht und rustikal –, aber immer mit viel Charme und liebevoller Einrichtung ausgestattet. Rezeption, Check-in und Gepäckträger sucht man im „Mas
La Garganta“ vergeblich – man ist hier weniger Gast als Freund des Hauses. So
sind auch die täglichen Mahlzeiten ein geselliges Ereignis. Im Sommer wird an
langen Tafeln im Garten gegessen – während die Hausherrin in ihrer Küche lokale Spezialitäten zubereitet, genießen die Gäste den Sonnenuntergang über
den Ausläufern der Pyrenäen.
Katalanische Küche ist bekannt für ihre Mischung aus Fleisch und Fisch, ihre
köstlichen Saucen aus Früchten und Nüssen und zahlreichen Wurstspezialitäten – nicht zu vergessen den bekannten Serrano-Schinken. Eine Vorliebe für die
Natur, reichlich gutes Essen und das Außergewöhnliche sollte man schon mitbringen – dann aber wird der Aufenthalt im „Mas La Garganta“ sicherlich unvergesslich schön.
Mas La Garganta, 17814 La Pinya, Girona, Spanien
Tel.: (++34) 972 271 289, E-Mail: [email protected]
Recht
Die Klägerin ist seit dem 22. Juni 1992 als Stanzerin bei der Beklagten in einer
37-Stunden-Woche beschäftigt. Sie verlangte, ihre Arbeitszeit gemäß Teilzeitund Befristungsgesetz (TzBfG) auf 33 Stunden wöchentlich zu verkürzen, und
zwar durch geringere Arbeitszeit von Montag bis Donnerstag um jeweils eine
Stunde, da sie sich intensiver um ihren gesundheitlich angeschlagenen Ehemann kümmern müsse. Das beklagte Unternehmen lehnte ab, da die Klägerin
moderne Stanzautomaten bediene, was eine Einarbeitungszeit von drei Monaten erfordere. An den Stanzen gäbe es durch Krankheit, Urlaub und so weiter
ständig Engpässe. Eine Ersatzkraft für die Zeit zwischen 15 und 16 Uhr sei nicht
zu finden. Die Klägerin hält diese Argumente für vorgeschoben, zumal ihr in einer Verhandlungspause vor dem Arbeitsgericht seitens des Geschäftsführers
angeboten worden sei, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung
zu beenden.
Die Klage vor dem Arbeitsgericht Stuttgart hatte am 5. Juli 2001 Erfolg. Zwar
könne sich der Arbeitgeber dem Teilzeitverlangen verweigern, sofern betriebliche Gründe entgegenstünden. Diese müssen jedoch nach Ansicht des Arbeitsgerichtes entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
(BAG) zum Kündigungsrecht substantiiert und nicht nur schlagwortartig dargelegt werden. Warum eine dreimonatige Einarbeitungszeit erforderlich sei, hat
der Arbeitgeber nicht dargelegt, außerdem musste er sich sein widersprüchliches Verhalten wegen des erfolgten Abfindungsangebotes entgegenhalten lassen. Nach dem Vortrag des Arbeitgebers würden ein Abteilungsleiter und der
Maschinenführer bis zur 43 Stunden Stanzarbeiten übernehmen, die noch
benötigt werden. Nach Ansicht des Gerichtes hatte der Arbeitgeber auch nicht
Teilzeitarbeit 1
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dossier
dargelegt, wieso diese beiden Mitarbeiter nicht auch 47 Stunden hätten übernehmen können (Az: 21 Ca 2762/01).
Teilzeitarbeit 2
Die Klägerin im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach war medizinisch-technische Assistentin und seit 1992 mit einer 40-Stunden-Woche beschäftigt. Sie beantragte Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf 60 Prozent und
schlug eine Verteilung der verbleibenden Arbeitszeit auf drei Wochentage vor.
Der beklagte Arbeitgeber lehnte unter Berufung auf betriebliche Gründe ab,
bot jedoch nach Klageerhebung an, die Klägerin als Springerin mit 24 Wochenstunden einzusetzen, was diese ablehnte. Die Klägerin meint, die Beklagte begründe ihre Ablehnung mit Allgemeinplätzen, im Übrigen bedürfe es zu ihrer
Sachbearbeitertätigkeit keinerlei besonderer Fachkenntnisse oder besonderer
Einarbeitung. Die Klage hatte am 30. Mai 2001 Erfolg. Auch hier waren betriebliche Gründe nach Ansicht des Gerichtes nicht hinreichend dargelegt. Das Fehlen einer Ersatzkraft sei nur zu beachten, wenn der Arbeitgeber nachweise,
dass auf dem Arbeitsmarkt eine geeignete Kraft nicht zur Verfügung stehe. Dies
hatte die Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht getan. Auch unverhältnismäßige Kosten seien nicht einmal im Ansatz dargelegt, außerdem sei eine unternehmerische Konzeption, auf den Einsatz von Teilzeitkräften verzichten zu
wollen, nicht vorgetragen worden. Unzureichend war der Hinweis auf erforderliche Übergabegespräche zwischen Teilzeitbeschäftigten, da diese noch keine
Beeinträchtigungen des Organisationsablaufes darstellten. Der bloße Hinweis
auf Schwierigkeiten bei der Suche nach Ersatzkräften rechtfertigt ebenfalls noch
nicht die Verweigerung der Teilzeitarbeit (Az: 5 Ca 1157/01).
Teilzeitarbeit 3
Die Klägerin in diesem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bonn ist 36 Jahre alt,
verheiratet und hat drei Kinder unter zehn Jahren. Sie ist als so genannte Ergänzungskraft in einer Kindertagesstätte beschäftigt. Die Beklagte betreibt insgesamt 17 derartige Kindertageseinrichtungen. Die Arbeitszeit der Klägerin betrug 26 Stunden. Sie beantragte nach ihrem Erziehungsurlaub eine Verringerung auf zehn Stunden wöchentlich, und zwar auf die beiden Vormittage donnerstags und freitags. Die Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf pädagogische Gesichtspunkte ab. Auch in diesem Verfahren obsiegte die Klägerin.
Das Gericht billigte der Beklagten im Urteil vom 20. Juni 2001 zwar zu, „betriebliche Gründe“ zur Ablehnung des Reduzierungswunsches könnten bei einer Kindergarten-Ergänzungskraft gerade auch aus pädagogischen Gesichtspunkten
herrühren, da Kindergartenkinder zur gedeihlichen Entwicklung zuverlässige
und konstant vorhandene Bezugspersonen benötigten. Weder war allerdings
dem Gericht bekannt noch ergab es sich insbesondere aus den Darlegungen
des Landesjugendamtes, dass eine jeweils nur zwei beziehungsweise drei Öffnungstage pro Woche abdeckende Anwesenheit die Umsetzung pädagogischer
Ziele im Kindergarten gefährdeten. Hinzu kam, dass die pädagogischen Gründe
der Beklagten nur dann greifen würden, wenn die Arbeitszeitreduzierung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung führen würde. Hier habe nach Ansicht des
Gerichtes die Beklagte lediglich schlagwortartig von einer extremen Gefährdung der pädagogischen Arbeit oder fatalen Auswirkungen auf die Kinder gesprochen, was mangels detaillierter Tatsachenangaben nicht nachvollziehbar
gewesen sei. Auch organisatorische Gründe habe die Beklagte zwar anklingen lassen, jedoch letztendlich nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Da die Beklagte dem konkreten Verteilungswunsch der Klägerin auch im Rechtsstreit nicht
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dossier
entgegengetreten war, war die gewünschte Reduzierung auch in der von der
Klägerin vorgegebenen Form vorzunehmen (Az: 2 Ca 1414/01).
Die Befürchtungen im Zusammenhang mit dem am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge waren auf
Arbeitgeberseite groß. Insbesondere resultierten die Bedenken daraus, dass
der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gemäß Paragraph 8 dieses Gesetzes nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nur dann verweigert
werden konnte, wenn „dringende betriebliche Gründe“ dem Verringerungsbegehren entgegenstünden. Mit diesem aus dem Kündigungsschutzrecht entnommenen Begriff war klar, dass die Darlegungs- und Beweislast, die im Falle
einer Verweigerung auf die Arbeitgeber zukäme, erheblich geworden wäre.
Die letztlich in Kraft getretene Fassung des Gesetzes verzichtete jedoch auf das
Tatbestandsmerkmal „dringend“.
So fanden sich nicht wenige Stimmen, die dem Teilzeitbegehren von Arbeitnehmern/innen nur geringe Chancen einräumten, da es eigentlich anhand der gesetzlich geregelten Beispiele jedem Arbeitgeber ohne weiteres gelingen müsste,
die nunmehr nur noch erforderlichen „betrieblichen Gründe“ darzulegen. Die
oben besprochenen Urteile zeichnen ein anderes Bild.
Die Anforderungen, die zumindest die erstinstanzlichen Gerichte an die Darlegung der betrieblichen Gründe stellen, sind offensichtlich nicht zu verachten. In
allen drei Fällen kamen die Gerichte zum Ergebnis, die Arbeitgeber hätten
schlagwortartig und unsubstantiiert zu ihren Verweigerungsgründen vorgetragen. Zwar ist keines der zitierten Urteile rechtskräftig, sie zeigen jedoch deutlich, dass die Arbeitsgerichte durchaus gewillt sind, den gesetzlich normierten
Anspruch auf Teilzeit für die Beschäftigten auch juristisch durchsetzbar zu
machen.
Jörg Weber,
Rechtsanwalt
in der Frankfurter
Kanzlei Ulrich Weber
& Partner, über
das Recht auf
Teilzeitarbeit
Zwischenmenschliches
Die Münchener Psychotherapeutin und Managementberaterin Marion
Satzger-Simon setzt sich in dossierB einmal im Monat mit typischen
menschlichen Problemen in der Arbeitswelt auseinander – in dieser Ausgabe befasst sie sich mit den Belastungen einer Partnerschaft durch den
Ruhestand.
Situation
E, 59, Vertriebsmanager eines Automobilkonzerns, arbeitet seit 34 Jahren engagiert und gerne im gleichen Unternehmen. Sein Aufstieg war hart und arbeitsintensiv, jedoch von Erfolg gekrönt. Seine Ehefrau, 50, steht ihm all die Jahre zur
Seite, regelt das gemeinsame Privatleben und entlastet ihn von häuslichen
Pflichten. Zwar gibt es über die Jahre manchen Konflikt wegen seiner seltenen
Anwesenheit und reduzierten Aufmerksamkeit Kindern und Gattin gegenüber.
Letztendlich kann er aber auf deren Verständnis bauen.
Seit die Kinder aus dem Haus sind, entspannt sich die Beziehung zu seiner
Frau merklich. Diese ist jetzt mit dem Aufbau der eigenen Karriere beschäftigt.
Endlich kann sie sich ihren beruflichen Ambitionen widmen, ohne Rücksicht auf
die Familie nehmen zu müssen. E freut sich für sie und zeigt Verständnis, wenn
sie wenig zu Hause ist. Zum einen weiß er, wie wichtig für seine Frau der beruf10
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liche Weg nach all den Jahren in der Familie ist. Zum anderen ist diese Zeit für
ihn absehbar und begrenzt. Er sieht den letzten Jahren seiner Berufstätigkeit
optimistisch entgegen. Danach wird er alle Freiheiten besitzen, das zu tun, wozu ihm und seiner Ehefrau bislang die Zeit fehlte.
Es kommt jedoch anders. Im Zuge einer Umstrukturierung im Unternehmen wird
E mit einer angemessenen Abfindung vorzeitig in den Ruhestand versetzt.
Nachdem ihm das jähe Ende seiner Karriere anfangs stark zusetzt, sieht er allmählich auch die positiven Punkte eines früheren Aufhörens. Nicht so seine
Ehefrau. Sie reagiert auf sein Ausscheiden aus der Firma mit Panik und Abwehr
und kann keinerlei Vorteile in der Situation erkennen. E ist enttäuscht, getroffen
und verständnislos.
Was zeigt die Situation?
Durch den vorzeitigen Ruhestand von E sieht seine Ehefrau ihre berufliche
Laufbahn gefährdet. Sie fühlt sich erneut den Erwartungen ihres Mannes ausgesetzt. Sie fürchtet, den Raum für ihre persönlichen Bedürfnisse und Vorstellungen, den sie gerade für sich schafft, zu verlieren. Sie gerät in eine Rollenkonfusion: Hat sie die Pflicht, auch im Ruhestand ihrem Mann uneingeschränkt zur
Seite zu stehen, oder hat sie ein Recht auf ihre eigene Karriere, die sie bisher
für die Familie zurückgestellt hat? Im Mittelpunkt ihres Interesses steht nun ihre
eigene berufliche Entwicklung. Dass dies mit den Interessen ihres Mannes kollidiert, macht sie unsicher. Sie reagiert mit Abwehr.
E delegierte sein Privatleben bisher an seine Frau. Schuldgefühle und Druck, ihre Erwartungen nicht zu erfüllen, besänftigt er mit der Vision, im Ruhestand mit
ihr zusammen, wie sie es sich wünscht, das Privatleben zu genießen. Dass sie
dies jetzt ablehnt, versteht er nicht.
Beide Ehepartner wollen das Gleiche: das Leben, worauf sie bisher verzichtet
haben. Ihre Lebenspläne sind damit nicht mehr aufeinander abgestimmt. Ein
neues Problem erwächst.
Was tragen die Partner dazu bei?
Beide ließen sich in den vergangenen Jahren fremdbestimmen. Sie erfüllten
das, was das Umfeld von ihnen erwartete. Sehnsüchte, Wünsche, eigene Bedürfnisse blieben dabei auf der Strecke. E wollte und musste erfolgreich sein,
berufliche Anforderungen hatten unbedingte Präferenz. Seine eigenen Wünsche
und Sehnsüchte verschiebt er in die Zukunft. Privates Leben findet im Ruhestand statt. Mit dieser Aussicht tröstet er sich über momentane Entbehrungen
hinweg. E setzt voraus, dass seine Ehefrau ihm unverändert zur Seite steht. Ihr
Wirkungsfeld – früher die Familie, jetzt ihr Beruf – beeinflusst ihn wenig bzw.
wird, wenn nötig, seinen Belangen untergeordnet. E definiert sich über den Beruf, als Privatmensch über seine Frau. Seine Ehefrau lässt sich von seinem Beruf und von ihren häuslichen Pflichten bestimmen. Auch sie stellt ihre persönlichen Interessen hintan und wartet auf die Zeit, wenn die Kinder sie nicht mehr
brauchen. So wie ihre Kinder sie aus ihrer Pflicht entlassen, setzt sie dies auch
bei ihrem Mann voraus. Ihre Zeit gehört nun wieder ihr, und sie widmet sich mit
voller Kraft ihrem Beruf. Sie geht davon aus, dass ihr Mann ihre Eigenständigkeit, die sie als Ehefrau und Mutter immer haben musste, auch hier akzeptiert
und anerkennt. Ihren Ruhestand sieht sie in weiter Ferne. Dabei unterschätzt
sie die Ansprüche ihres Mannes ebenso wie ihre eigenen.
Was ist zu tun?
Um die eigene und die gemeinsame Zukunft befriedigend gestalten zu können,
müssen die Ehepartner die Konsequenzen aus ihren bisherigen Lebensstrategien tragen. Das bedeutet, sich selbst bestimmen, eigene Träume und Wünsche
ernst nehmen und verfolgen, Auseinandersetzungen begegnen, nicht ausweichen. Wollen beide Partner die Zukunft auch weiterhin gemeinsam verbringen,
müssen sie lernen, ihre Bedürfnisse zu äußern und zu hinterfragen. Zwei indivi11
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duelle Lebenspläne zusammenzuführen geht nicht ohne gegenseitige Rücksichtnahme, Verständnis und Verzicht auf uneingeschränkte Wunscherfüllung.
Dabei ist die Fähigkeit, kompromissbereit zu sein beziehunsweise gegebenenfalls auch Dinge ohne den anderen zu tun, notwenige Voraussetzung. Jeder
Partner übernimmt für sich Verantwortung, lernt seine Eigenständigkeit schätzen und annehmen und muss somit auch die des Partners nicht gegen sich gerichtet sehen. Gemeinsame Interessen und Unternehmungen bilden einen wichtigen Boden für ein zufriedenes Zusammenleben. Das Gelingen einer Partnerschaft hängt jedoch von der Zufriedenheit der einzelnen Partner ab, nicht von
der Anzahl gemeinsamer Aktivitäten.
Fazit
Wesentliche Bedürfnisse lassen sich zeitweise ignorieren, jedoch niemals auslöschen; sie warten in der Regel darauf, erfüllt zu werden. Ein gemeinsamer Lebensplan ist nur dann erfüllend, wenn es gelingt, auch ungleichen Interessen
der Partner darin Raum zu gewähren.
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Redaktion:
Peter Carl (verantw.), Meike Bambach, Werner Dageför
Schlussredaktion:
Tina Weißenberg
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