Drittbezogener Personaleinsatz und Mitbestimmung des Betriebsrates

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Drittbezogener Personaleinsatz und Mitbestimmung des Betriebsrates
Detlev Beyer-Peters
Drittbezogener Personaleinsatz
und
Mitbestimmung des Betriebsrates
27. September 2006
Inhaltsverzeichnis:
Gliederung
1.
Seite
Arbeitnehmerüberlassung .....................................................................................................4
1.1.
Kennzeichen der Arbeitnehmerüberlassung ...............................................................4
1.2.
Abgrenzung zu anderen Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes ..................4
1.3.
Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung ................................................................4
1.3.1.
Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung...............................4
1.3.2.
Gewerbsmäßigkeit..................................................................................................5
1.3.3.
Gestellung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes .....................................6
1.4.
nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung........................................................7
1.4.1.
außergewöhnliche Umstände ................................................................................7
1.4.2.
Gemeinnützigkeit ...................................................................................................7
1.5.
erlaubte Arbeitnehmerüberlassung..............................................................................7
1.5.1.
Arbeitnehmerüberlassung in demselben Wirtschaftszweig ...............................7
1.5.2.
Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen..............................8
1.6.
unerlaubte (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung .....................................................8
1.6.1.
Vermutung der Arbeitsvermittlung .....................................................................8
1.6.2.
Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen..............................9
2.
3.
4.
Gestellungsverträge..............................................................................................................10
Gestellung von Personal im Rahmen einer Gebrauchsüberlassung................................10
Regelungen im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes.....................................................10
4.1.
Versetzung.....................................................................................................................10
4.2.
Abordnung ....................................................................................................................11
4.3.
Zuweisung .....................................................................................................................11
4.4.
Personalgestellung........................................................................................................11
5. Abordnung zur Verfolgung eigener Betriebszwecke ........................................................11
6. Auszubildende.......................................................................................................................12
7. Beschäftigte ohne Arbeitnehmerstatus...............................................................................12
7.1.
ehrenamtlicher Einsatz von Vereinsmitgliedern.......................................................12
7.2.
arbeitnehmerähnliche Personen: Selbständige und freie Mitarbeiter ....................12
7.3.
Beamte ...........................................................................................................................13
7.4.
Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung..........................................13
7.5.
Strafgefangene ..............................................................................................................14
8. Werkverträge........................................................................................................................14
8.1.
Kriterien........................................................................................................................14
8.2.
Werksergebnis ..............................................................................................................14
8.3.
Werkvertragsfähige Leistungen..................................................................................15
8.4.
Werkvertragsfähige Unternehmen.............................................................................15
8.5.
Unternehmerische Dispositionsfreiheit ......................................................................15
8.6.
Eingliederung................................................................................................................15
8.7.
Unternehmerrisiko .......................................................................................................16
2
9. Ordensschwestern ................................................................................................................16
10.
Dienstvertrag ....................................................................................................................16
11.
Dienstverschaffungsvertrag.............................................................................................16
12.
Geschäftsbesorgungsvertrag ...........................................................................................17
10.
Mitbestimmung bei drittbezogenem Personaleinsatz ...................................................17
10.1.
Informationsrecht des Betriebsrates ......................................................................17
10.1.1. Unterrichtung .......................................................................................................17
10.1.2. Prüfung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ....................................17
10.1.3. Aushändigung von Unterlagen............................................................................17
10.2.
Mitbestimmungsrechte bei der Einstellung ...........................................................18
10.2.1. Ordensangehörige und Rote-Kreuz-Pflegekräfte .............................................18
10.2.2. ehrenamtlicher Einsatz von Vereinsmitgliedern für betriebliche Aufgaben..18
10.2.3. Zivildienstleistende...............................................................................................19
10.2.4. Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung..................................19
10.2.5. Auszubildende.......................................................................................................20
10.2.6. Fremdfirmenarbeitnehmer .................................................................................20
10.2.7. (Schein)Selbständige und freie Mitarbeiter.......................................................21
10.2.8. Leiharbeitnehmer.................................................................................................21
3
Mit dem Begriff „drittbezogener Personaleinsatz“ wird gekennzeichnet, dass Arbeitnehmer
in Betrieben tätig werden, mit deren Inhaber sie keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen
haben und somit kein Arbeitsverhältnis zum Beschäftigungsarbeitgeber vorhanden ist.1
1. Arbeitnehmerüberlassung
1.1. Kennzeichen der Arbeitnehmerüberlassung
Arbeitnehmerüberlassung ist dadurch gekennzeichnet, dass drei Beteiligte vorhanden sein
müssen: Verleiher, Entleiher und Leiharbeitnehmer. Der Leiharbeitnehmer steht zum
Verleiher in einem Arbeitsverhältnis, das wegen wechselnder Einsätze bei Entleihern einem
besonderen durch das AÜG geregelten Schutz unterliegt. Während der Entleiher zum
Verleiher durch den Überlassungsvertrag in einer Rechtsbeziehung steht, entsteht zwischen
Entleiher und Leiharbeitnehmer keine arbeitsvertragliche Beziehung.2
Der Verleiher übernimmt mit der Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers das
Arbeitgeberrisiko und die Arbeitgeberpflichten insbesondere nach Arbeits-, Steuer- und
Sozialversicherungsrecht.3
Eine Überlassung zur Arbeitsleistung i.S. des Art. 1 §1 Abs. 2 AÜG liegt vor, wenn der
Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung im Betriebe eines Dritten erbringt und dieser (Entleiher)
den Arbeitnehmer nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie einen eigenen
Arbeitnehmer einsetzt. Die Arbeitskräfte müssen voll in den Betrieb des Dritten eingegliedert
sein4. Außerdem muss der Arbeitnehmer den Weisungen des Dritten oder dessen
Repräsentanten hinsichtlich der Arbeitsausführung unterliegen. Diese Grundsätze gelten auch
für den Fall nichtgewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung5. 6
1.2. Abgrenzung zu anderen Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes
Grundsätzlich ist der Geschäftsinhalt der zwischen den Beteiligten vereinbarten Verträge
entscheidend. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den schriftlichen Vereinbarungen der
Beteiligten als auch aus der praktischen Durchführung der Verträge ergeben. Widersprechen
sich allerdings schriftliche Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung des Vertrages, so
kommt es auf die tatsächliche Durchführung an. Diese ist für die Ermittlung des Vertragstyps
maßgebend7.8
1.3. Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung
1.3.1. Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung
1
Wolfgang Schneider: Aktives und passives Wahlrecht – Auswirkungen des drittbezogenen Personaleinsatzes,
AiB 2005 – Heft 12, Seite 710
2
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 13
3
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 15
4
Beschluss des BAG vom 28.11.1989 – 1 ABR 90/88, Senatsurteil vom 30.01.1991
5
BAG Urteil vom 21.03.1990
6
Urteil des BAG vom 1.6.1994 (7 AZR 7/93 zu § 10 AÜG)
7
vgl. BAG vom 15.6.1983 DBIR 2876a SonstR/Art 1 § 10 AÜG = NJW 1984, 2912
8
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 23
4
Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung ist grundsätzlich verboten, es sei denn, der
Verleiher verfügt über eine entsprechende Erlaubnis. In bestimmten Fällen reicht eine
Anzeige aus.9
1.3.2. Gewerbsmäßigkeit
Die Anwendung des AÜG hängt allein von der Frage der Gewerbsmäßigkeit ab.10
Gewerbsmäßig ist jede nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte
und auf die Erzielung unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile gerichtete
selbständige Tätigkeit, die auf die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
gerichtet ist.11
Das entscheidende Kriterium für die Gewerbsmäßigkeit ist die
Gewinnerzielungsabsicht.12
Für diese kommt es zwar nicht darauf an, ob tatsächlich ein Gewinn erzielt wird. Es
genügt, dass mit der Arbeitnehmerüberlassung lediglich ein mittelbarer Gewinn erstrebt
wird. An einer Gewinnerzielungsabsicht fehlt es aber, wenn die Überlassung lediglich
gegen Erstattung der Personalkosten erfolgen soll und dem Verleiher daraus auch
mittelbar keine wirtschaftlichen Vorteile erwachsen.13
Die Gewinnerzielungsabsicht setzt voraus, dass aus der Sicht des Handelnden die
Möglichkeit einer Gewinnerzielung besteht. Gewinn ist dabei jede geldwerte Leistung,
die der Verleiher über die Deckung seiner Kosten hinaus erzielt. Eine
Gewinnerzielungsabsicht im gewerberechtlichen Sinne liegt regelmäßig nur dann vor,
wenn ein Überschuss der Erträge gegenüber den Aufwendungen angestrebt wird.
Demzufolge handelt der Verleiher mit Gewinnerzielungsabsicht, wenn er das Entgelt für
die Überlassung des Leiharbeitnehmers so bemisst, dass es die Kosten übersteigt. Deckt
dagegen das Überlassungsentgelt allenfalls die Selbstkosten des Arbeitgebers, liegt
grundsätzlich keine Gewinnerzielungsabsicht vor. Auch wenn bei
Wirtschaftsunternehmen grundsätzlich davon auszugehen ist, dass sie aus der
Arbeitnehmerüberlassung unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Vorteile ziehen
wollen, gilt das nicht für konzernangehörige Personalführungsgesellschaften. Ebenso wie
bei konzerninternen vorübergehenden Abordnungen fehlt es vielmehr auch bei der
konzernangehörigen Personalführungsgesellschaft in der Regel an der Absicht, aus der
Arbeitnehmerüberlassung einen Gewinn zu erzielen. Die im Konzern zur
Vereinheitlichung der Arbeitsrechtsbeziehungen gebildete Personalführungsgesellschaft
ist jedenfalls dann nicht auf Gewinnerzielung angelegt, wenn sie als eine Service-Agentur
und ausgelagerte Personalabteilung auf Selbstkostenbasis betrieben wird, um die
angeschlossenen Konzernunternehmen bei der formalen Abwicklung von
Arbeitsverträgen zu unterstützen. Zu den Kosten der Arbeitnehmerüberlassung gehören
nicht nur die Kosten der Beschäftigung als Leiharbeitnehmer (Bruttoarbeitsentgelt
einschließlich aller Lohnnebenkosten, Aufwendungsersatz usw.), sondern auch die beim
Verleiher für die Arbeitnehmerüberlassung anfallenden Verwaltungskosten (Büromiete,
Büropersonal, Kosten für Buchführung und Führung von Personalakten, Telefon usw.
9
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 13
10
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 18
11
BAG 21. März 1990 – 7 AZR 198/89
12
BAG 21. März 1990 – 7 AZR 198/89; BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 45/99
13
BAG 21. März 1990 – 7 AZR 198/89
5
sowie sonstige Betriebskosten).14
Jedenfalls bei einer über mehrere Jahre andauernden Überlassung derselben Arbeitnehmer
an denselben Entleiher … ist das Merkmal der selbständigen sowie nachhaltigen,
planmäßigen und nicht nur gelegentlichen zufälligen Tätigkeit erfüllt. … Bei einer
derartigen Verleihdauer ist auszuschließen, dass diese Mitarbeiter lediglich zum
Ausgleich oder zur Minderung eigener Personalkosten überlassen wurden, weil die
Vertragsarbeitgeberinnen keine eigenen Einsatzmöglichkeiten für diese Arbeitnehmer
hatten.15
Für das AÜG gilt der allgemeine gewerberechtliche Begriff der Gewerbsmäßigkeit. Er
setzt Gewinnerzielungsabsicht und Wiederholungsabsicht voraus. Die für die Annahme
der Gewerbsmäßigkeit erforderliche Gewinnerzielungsabsicht bezieht sich auf das
Gesamtunternehmen. Die Gewinnerzielungsabsicht liegt auch dann vor, wenn nur
Verluste verringert werden sollen. Bei Arbeitnehmerüberlassung durch einen am
Wirtschaftsleben teilnehmenden Betrieb (Gewerbebetrieb) ist grundsätzlich
Gewerbsmäßigkeit anzunehmen. Gewerbsmäßigkeit ist auch gegeben, wenn es sich bei
der Arbeitnehmerüberlassung um eine im Geschäftsinteresse liegende
Kundenserviceleistung handelt.16
Nach herrschender Meinung ist es für das Vorliegen der „Gewerblichkeit“ ausreichend,
wenn eine Kostenerstattung erfolgt. Nicht erforderlich ist, dass der Überlasser Gewinn
macht oder Gewinnerzielung beabsichtigt.17
Aber selbst wenn für die Arbeitnehmerüberlassung kein Entgelt gezahlt wird, ist zu
berücksichtigen, dass sich die Personalgestellung im Geschäftsinteresse des Entsendenden
im Hinblick auf zu erwartende Geschäftsverbindungen oder zur Pflege derselben
vollzieht.18
Für die Frage der Gewerbsmäßigkeit bleibt es unerheblich, ob Arbeitnehmerüberlassung
für einen Betrieb Hauptzweck oder nur Nebenzweck ist. Als Mischbetriebe werden solche
Betriebe bezeichnet, die sowohl Arbeitnehmer in eigener Betriebsstätte beschäftigen als
auch bei sich bietender Gelegenheit Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überlassen.
Unerheblich ist es daher beispielsweise, in welchem Umfang Arbeitnehmer in der
jeweiligen betrieblichen Sparte eingesetzt werden oder welche Umsätze mit
Arbeitnehmerüberlassung in der Relation zu den übrigen betrieblichen Tätigkeiten erzielt
werden.19
1.3.3. Gestellung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes
Insbesondere unter Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes ist gelegentlich die Annahme
anzutreffen, mit dem Mittel des „Gestellungsvertrages“ ließe sich das Problem der
Arbeitnehmerüberlassung geschickt umgehen, da diese nicht gewerbsmäßig sondern nur
gegen reine Kostenerstattung erfolge. Es ist jedoch vollkommen egal, wie der Arbeitgeber
14
Beschluss des BAG vom 20.04.2005 – 7 ABR 20/04
Urteil des BAG vom 18.02.2003 – 3 AZR 160/02
16
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 17
17
Gutachten von Rechtsanwalt Michael W. Felser „Gestellungsvertrag als illegale Arbeitnehmerüberlassung?“ in
www.felser.de
18
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 21
19
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 18
15
6
das Arbeitsverhältnis selbst benennt. Entscheidend kommt es auf die tatsächliche
Durchführung des Arbeitsverhältnisses an.20
1.4. nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung
1.4.1. außergewöhnliche Umstände
Wenn z.B. Hilfe in Katastrophenfällen geleistet wird, kann bei Arbeitnehmerüberlassung
durch einen Gewerbebetrieb Gewerbsmäßigkeit verneint werden.21
1.4.2. Gemeinnützigkeit
Nach der bisher vorherrschenden Dogmatik sollen in den Fällen der gemeinnützigen
Arbeitnehmerüberlassung im Prinzip sämtliche Vorschriften des AÜG nicht anwendbar
sein.22
Einrichtungen, denen die Gemeinnützigkeit nach § 52 AO von den Finanzbehörden
zuerkannt wurde, handeln grundsätzlich nicht gewerbsmäßig.
Das zuständige Finanzamt wird die Frage der Gemeinnützigkeit auch unter dem Aspekt
des Verleihs von Arbeitskräften bewerten und dies in der Bescheinigung zur
Gemeinnützigkeit zum Ausdruck bringen. Die Anerkennung der sonstigen Tätigkeiten der
Gesellschaft als gemeinnützig ist nicht entscheidend. Wird die Arbeitnehmerüberlassung
als ein besonderes Betätigungsfeld der gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft aus
Sicht der Finanzbehörden als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb
qualifiziert, liegt gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung vor. Mit dem Widerruf der
Gemeinnützigkeit wird die Arbeitnehmerüberlassung erlaubnispflichtig (es sei denn,
Erlaubnisfreiheit besteht aufgrund anderer Ausnahmevorschriften).23
Als Fall der gemeinnützigen Arbeitnehmerüberlassung wird ausdrücklich die
Zeitarbeitsfirma START GmbH genannt, bei der z.B. schwer vermittelbare
Langzeitarbeitslose verliehen werden.24
1.5. erlaubte Arbeitnehmerüberlassung
1.5.1. Arbeitnehmerüberlassung in demselben Wirtschaftszweig
Zwischen Arbeitgebern desselben Wirtschaftszweiges ist eine Überlassung von
Arbeitnehmern erlaubt, wenn dadurch Kurzarbeit oder Entlassungen vermieden werden
und nur soweit dies ein für den Entleiher und Verleiher geltender Tarifvertrag vorsieht25.
Keiner Erlaubnis bedarf darüber hinaus ein Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten,
der zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen an einen Arbeitgeber einen
Arbeitnehmer bis zur Dauer von zwölf Monaten überlässt, wenn er die Überlassung
vorher schriftlich der Bundesagentur für Arbeit angezeigt hat. In der Anzeige sind
anzugeben.
20
Gutachten von Rechtsanwalt Michael W. Felser „Gestellungsvertrag als illegale Arbeitnehmerüberlassung?“ in
www.felser.de
21
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 18
22
vgl. ErfK/Wank § 1 AÜG; Münsch/ArbR/Marschall § 167 Rn. 30
23
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 18
24
vgl. ErfK/Wank § 1 AÜG
25
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG
7
1. Vor- und Familiennahmen, Wohnort und Wohnung, Tag und Ort der Geburt des
Leiharbeitnehmers,
2. Art der vom Leiharbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit und etwaige Pflicht zur
auswärtigen Leistung,
3. Beginn und Dauer der Überlassung,
4. Firma und Anschrift des Entleihers.26
1.5.2. Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen
Die Überlassung von Arbeitnehmern ist aber auch zwischen Konzernunternehmen
erlaubt, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend nicht bei seinem Arbeitgeber
leistet27.
Der Begriff „vorübergehend“ ist weit auszulegen.
Das Kriterium „vorübergehend“ ist immer dann als erfüllt anzusehen, wenn von
vornherein eine Befristung geplant ist, unabhängig davon, wie lange diese Befristung
währt. Sie kann aus in der Natur der Sache liegenden Gründen im Einzelfall sogar
mehrere Jahre dauern. Das Ziel der späteren Weiterbeschäftigung beim ursprünglichen
Arbeitgeber muss aber fortbestehen.28
1.6. unerlaubte (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung
1.6.1. Vermutung der Arbeitsvermittlung
Werden Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überlassen und übernimmt der
Überlassende nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko (§ 3
Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AÜG), so wird vermutet, dass der Überlassende Arbeitsvermittlung
betreibt.29
U.a. bei Verletzung des Gleichstellungsgebots wird vermutet, dass der Überlassende
Arbeitsvermittlung betreibt. Die Vermutung gilt auch bei nicht gewerbsmäßiger
Arbeitnehmerüberlassung30. Die vermutete Arbeitsvermittlung stellt jedoch ihrerseits
keinen Verbotstatbestand mehr dar, nachdem das Alleinvermittlungsmonopol der
damaligen Bundesanstalt für Arbeit durch Gesetz vom 21.12.1993 und die
Erlaubnispflicht für private Arbeitsvermittler im früheren § 291 SGB III mit Wirkung
vom 27.03.2002 aufgehoben wurde.31
Nach der Streichung des § 13 AÜG (alte Fassung) durch das ArbeitsförderungsReformgesetz vom 24.03.1997 gibt es bei einer vermuteten Arbeitsvermittlung keine
gesetzliche Grundlage mehr für das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem
Leiharbeitnehmer und dem Entleiher.32
Die vermutete Arbeitsvermittlung durch den Überlassenden kann lediglich gegen die
Vorschrift des § 146 Abs. 2 Nr. 1 Gewerbeordnung verstoßen, nach der die Nichtanzeige
des Beginns eines Gewerbes mit Geldbuße bis 1000 € bedroht ist. Die Vermutung gilt
sowohl für die gewerbsmäßige als auch nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung.
26
§ 1a AÜG
§ 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG
28
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 35
29
§ 1 Abs. 2 AÜG
30
BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 45/99; BAG 21. März 1990 – 7 AZR 198/89
31
BAG 25. Januar 2005 – 1 ABR 61/03
32
BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 100/99
27
8
Eine solche Vermutung liegt grundsätzlich auch dann vor, wenn die
Arbeitnehmerüberlassung zur Sicherung des sozialen Besitzstandes des überlassenen
Arbeitnehmers vorgenommen wird (z.B. Überlassung von Arbeitnehmern des
öffentlichen Dienstes oder gemeinnütziger Einrichtungen an private oder öffentliche
Betriebe). Die Vermutung der (unerlaubten) Arbeitsvermittlung ist in diesen Fällen
allerdings als widerlegt anzusehen, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und
Leiharbeitnehmer aufrechterhalten und die Arbeitgeberpflichten und Arbeitgeberrisiken
voll erfüllt bzw. getragen werden.33
Eine solche Personalgestellung ist z.B. dort üblich, wo eine Überleitung in eine andere
Firma stattfindet, der Arbeitnehmer bei dem bisherigen Arbeitgeber verbleiben will und
deshalb dem Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 6 BGB innerhalb
eines Monats nach Zugang der Unterrichtung schriftlich widerspricht. Zur Vermeidung
von Kündigungen werden diese Beschäftigten wie z.B. beim Übergang des
Knappschaftskrankenhauses Gelsenkirchen-Buer in die Bergmannsheil/Vestische
Kinderklinik GmbH oder bei der Bayerischen Forstverwaltung, die in eine Anstalt
öffentlichen Rechts übergehen sollte, der neuen Firma gestellt und verbleiben im
Arbeitsverhältnis zu ihrem bisherigen Arbeitgeber.
Die Bayerische Staatsregierung sieht bei einer solchen Gestellung allerdings folgende
Nachteile: umständlich und aufwändig, erhöhter Personalverwaltungsaufwand bei
Verleiher und Entleiher, fehlende Arbeitgeberstellung mit entsprechenden Kompetenzen
beim Entleiher, Nebeneinander von Personal unterschiedlicher Arbeitgeber,
umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen.34
1.6.2. Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen
Voraussetzung für das Vorliegen einer vorübergehenden Arbeitsleistung bei einem
anderen Arbeitgeber des gleichen Konzerns ist, dass der Arbeitnehmer nicht zum Zwecke
des Ausleihens von seinem Arbeitgeber angestellt wurde. Damit fallen
Konzernunternehmen oder Betriebsabteilungen, die ihre Arbeitnehmer nicht selbst
beschäftigen, sondern diese anderen Konzernunternehmen zur Arbeitsleistung zur
Verfügung stellen, nicht unter die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 3 Nr. 2.35
Denn die Überlassung erfolgt wiederholt und planmäßig. Dies ist z.B. bei einer
Personalführungsgesellschaft eines Konzerns der Fall, die Beschäftigte einstellt und dann
an einzelne Konzernunternehmen verleiht. Dasselbe gilt auch dann, wenn keine Rückkehr
zur Konzerngesellschaft geplant ist.
Es ist auch unerheblich, ob die überlassenen Arbeitnehmer nur vorübergehend bei einer
bestimmten Konzerngesellschaft tätig werden und dann wieder in ein anderes
Unternehmen des Konzerns wechseln. Dadurch wird die Überlassung nicht
vorübergehend. Entscheidend ist allein, dass eine Beschäftigung dieser Arbeitnehmer im
eigenen Unternehmen überhaupt nicht vorgesehen ist.36
33
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 32
34
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung des Unternehmens „Bayerische Staatsforsten“ (Staatliches
Forstgesetz) vom 14.09.2004, Kommentar Seite 39
35
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 35
36
Beschluss des BAG vom 20.04.2005 – 7 ABR 20/04
9
2. Gestellungsverträge
Das Oberverwaltungsgericht NRW versteht Gestellungsverträge als Verträge, „durch die eine
Person, die kein Bediensteter (Beamter, Angestellter oder Arbeiter) ist, durch eine karitative
Einrichtung einen Dritten zur Dienstleistung überlassen wird.37
So begründet die Gestellung von Religionslehrern in öffentlichen Schulen kein
Arbeitsverhältnis mit dem Staat, da ihr Einsatz auf der Grundlage des Grundgesetzes durch
Rechtsverordnungen geregelt ist.38
Ähnliches dürfte gelten für die Gestellung von Ordensschwestern für die seelsorgerische
Betreuung von BewohnerInnen in Altenpflegeheimen.
3. Gestellung von Personal im Rahmen einer Gebrauchsüberlassung
Das AÜG gilt darüber hinaus nicht bei sog. gemischten Verträgen, die neben den Verkauf
bzw. die Vermietung von Geräten, Anlagen, Systeme oder Programme auch die Überlassung
von Bedienungs-, Wartungs- , Montage- oder Einweisungspersonal Personal regelt. Hierfür
ist allerdings Voraussetzung, dass nach dem Sinn und Zweck des gemischten Vertrages die
Gebrauchsüberlassung des Gerätes im Vordergrund steht und die dazu erfolgte
Personalgestellung nur dienende Funktion hat, indem sie den Einsatz des Gerätes erst
ermöglichen soll. Der Vertrag darf nicht schwerpunktmäßig auf die Verschaffung der
Arbeitsleistung des Personals gerichtet sein, so dass die Überlassung des Gerätes
demgegenüber nur untergeordnete Bedeutung hat.39 Dies ist z.B. bei der Gestellung von
Flugpersonal im Zusammenhang mit der Vermietung eines Flugzeuges40 oder die Gestellung
von Bauarbeitern zur Bedienung von Baumaschinen (z.B. Bagger, Planierraupen)41.
4. Regelungen im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes
Der am 01.10.2005 in Kraft getretenen „Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes“ definiert vier
unterschiedliche Formen des Betriebs- bzw. Dienststellenwechsels, deren Definition sich z.B.
hinsichtlich der Gestellung von der Rechtssprechung zu Gestellungsverträgen und
hinsichtlich des Versetzungsbegriffes vom Betriebsverfassungsgesetz unterscheiden. Es kann
sich je nach Umständen auch um Arbeitnehmerüberlassung handeln:
4.1.
Versetzung
Versetzung ist die Zuweisung einer auf Dauer bestimmten Beschäftigung bei einer
anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers unter
Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses.42
Beschäftigte können aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen versetzt … werden.
Sollen Beschäftigte an eine Dienststelle oder einen Betrieb außerhalb des bisherigen
Arbeitsortes versetzt … werden, so sind sie vorher zu hören.43
37
Urteil des OVG NRW vom 15.12.1999 – 1 A 5174/97.PVL
siehe Urteil des BAG vom 14. Februar 1991 – 2 AZR 363/90
39
vgl. Urteil des BAG vom 17.2.1993 – 7 AZR 167/92
40
vgl. Urteil des BAG vom 17.2.1993 – 7 AZR 167/92
41
BAG AP Nr. 41 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau)
42
Protokollerklärung Nr. 2 zu § 4 Abs. 1 TVöD
43
§ 4 Abs. 1 TVöD
38
10
4.2.
Abordnung
Abordnung ist die Zuweisung einer vorübergehenden Beschäftigung bei einer anderen
Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben oder eines anderen Arbeitgebers unter
Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses.44
Beschäftigte können aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen … abgeordnet werden.
Sollen Beschäftigte an eine Dienststelle oder einen Betrieb außerhalb des bisherigen
Arbeitsortes … voraussichtlich länger als drei Monate abgeordnet werden, so sind sie
vorher zu hören.45
4.3.
Zuweisung
Zuweisung ist - unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses - die
vorübergehende Beschäftigung bei einem Dritten im In- und Ausland, bei dem der
Allgemeine Teil des TVöD nicht zur Anwendung kommt.46
Beschäftigten kann im dienstlichen/betrieblichen oder öffentlichen Interesse mit ihrer
Zustimmung vorübergehend eine mindestens gleich vergütete Tätigkeit bei einem Dritten
zugewiesen werden. Die Zustimmung kann nur aus wichtigem Grund verweigert werden.
Die Rechtsstellung der Beschäftigten bleibt unberührt. Bezüge aus der Verwendung nach
Satz 1 werden auf das Entgelt angerechnet.47
4.4.
Personalgestellung
Personalgestellung ist – unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses – die auf
Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten. Die Modalitäten der Personalgestellung
werden zwischen dem Arbeitgeber und Dritten vertraglich gestaltet.48
Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des
Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich geschuldete
Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen (Personalgestellung).
§ 613a BGB sowie gesetzliche Kündigungsrechte bleiben unberührt.49
5. Abordnung zur Verfolgung eigener Betriebszwecke
An einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG fehlt es, wenn sich der drittbezogene
Personaleinsatz auf Seiten des Vertragsarbeitgebers nicht darauf beschränkt, einem Dritten
den Arbeitnehmer zur Förderung von dessen Betriebszwecken zur Verfügung zu stellen,
sondern der Vertragsarbeitgeber damit eigene Betriebszwecke verfolgt. Dies ist z.B. der Fall,
wenn Arbeitnehmer in einen Gemeinschaftsbetrieb entsandt werden, zu dessen Führung sich
ihr Vertragsarbeitgeber und ein Dritter rechtlich verbunden haben. Dies gilt ebenso, wenn
zwar ein gemeinsamer Betrieb nicht vorliegt, die beteiligten Arbeitgeber aber im Rahmen
einer unternehmerischen Zusammenarbeit mit dem Einsatz ihrer Arbeitnehmer jeweils ihre
eigenen Betriebszwecke verfolgen. Denn dieser drittbezogene Personaleinsatz dient nicht
dazu, einem Dritten Arbeitnehmer zur Förderung von dessen Betriebszweck zur Verfügung
zu stellen.50
44
Protokollerklärung Nr. 1 zu § 4 Abs. 1 TVöD
§ 4 Abs. 1 TVöD
46
Protokollerklärung zu § 4 Abs. 2 TvöD
47
§ 4 Abs. 2 TVöD
48
Protokollerklärung zu § 4 Abs. 3 TvöD
49
§ 4 Abs. 3 TvöD
50
vgl. Urteil des BAG vom 25.10.2000 – 7 AZR 487/99)
45
11
6. Auszubildende
Arbeitnehmerüberlassung liegt nicht vor, wenn Auszubildende Dritten zu
Ausbildungszwecken, z.B. auch im Rahmen eines Ausbildungsverbunds, überlassen
werden.51
7.
Beschäftigte ohne Arbeitnehmerstatus
7.1.
ehrenamtlicher Einsatz von Vereinsmitgliedern
Ein Mitglied des DRK, das sich als ehrenamtlicher Helfer zur Leistung von
Bereitschaftsdienst bei einer Rettungswache des DRK verpflichtet hat, seine Einteilung
im Dienst- und Schichtplan sowie den zeitlichen Umfang der Einsätze selbst bestimmt,
eine Aufwandsentschädigung von 5,- DM/Stunde und ein Kilometergeld erhält, ist kein
Arbeitnehmer, denn die Einordnung in die Dienste erfolgt freiwillig und der
Bereitschaftsdienst ist die Erfüllung der satzungsmäßigen Beitragspflicht.52
Auch die DRK-Schwestern sind keine Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG. Wenn Sie
aufgrund eines Gestellungsvertrages zwischen der Schwesternschaft und z.B. einem
Krankenhausträger tätig werden, erbringen sie ihre Arbeitsleistungen aufgrund
vereinsrechtlicher Mitgliedschaft.53
7.2.
arbeitnehmerähnliche Personen: Selbständige und freie Mitarbeiter
Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine
Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.54
Im Gegensatz dazu sind selbstständig Tätige Personen, die im Zusammenhang mit ihrer
selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer
beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 400
€ übersteigt, und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.55
Als Arbeitnehmerähnliche Personen sind sie keine Arbeitnehmer. Sie leisten keine
Dienste in persönlicher Abhängigkeit. Es handelt sich um Personen, die wirtschaftlich
abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind.
Wirtschaftliche Abhängigkeit ergibt sich bei ihnen aus der ausschließlichen oder
überwiegenden Beschäftigung für eine Person oder ein Unternehmen. Es fehlt das
Merkmal der persönlichen Abhängigkeit. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit ist weder
erforderlich noch ausreichend. Das BAG neigt in letzter Zeit bezüglich der Lehrkräfte und
Dozenten i.d.R. zur Annahme des Arbeitnehmerstatus.56
Allerdings handelt es sich bei diesen Formen der Tätigkeit oft um Scheinselbständigkeit,
mit der Beschäftigungen bezeichnet werden, in denen mittels vorgetäuschter
Selbständigkeit unter formaler Bezeichnung als Selbständige oder freie Mitarbeiter
versucht wird, das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht einschließlich das BetrVG aus
Kostengründen zu unterlaufen bzw. einzuschränken. Als abgrenzungstaugliche typische
51
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 17
52
Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 15.03.1990 – 4 Sa 619/89
53
Beschlüsse des BAG vom 3. Juni 1975 – 1 ABR 98/74 –, 20. Februar 1986 – 6 ABR 5/85 –, 1. Juni 1994 – 7 AZR
7/93 und 6. Juli 1995 – 5 AZB 9/93
54
§ 7 Abs. 1 SGB IV
55
§ 2 SGB Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 SGB VI
56
Fitting u.a.: Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, Handkommentar 22. Auflage, zu § 5 Rn. 87 und 88
12
Arbeitnehmermerkmale werden angesehen eine auf Dauer angelegte Arbeit, die in eigener
Person – ohne Mitarbeiter – nur für einen Auftraggeber und im Wesentlichen ohne
eigenes Kapital und ohne eigene Organisation erbracht wird, insbesondere auch die
Kontrolle durch den Dienstberechtigten, die mittels moderner Informations- und
Kommunikationstechniken oft umfassend ist und zu einer „informationellen“
Abhängigkeit führt. Im Zweifelsfall muss der Auftraggeber darlegen und beweisen, dass
trotz der typischen Arbeitnehmermerkmale Selbständigenrecht angewandt werden darf.57
Der Auftraggeber (Arbeitgeber) hat die Pflicht zu prüfen, ob ein Auftragnehmer
(Arbeitnehmer) bei ihm abhängig beschäftigt ist oder selbständig tätig ist. Im Zweifelsfall
empfehlen die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger daher das Anfrageverfahren
zur Statusklärung bei den Rentenversicherungsträgern nach § 7 a SGB IV einzuleiten
(Clearingstelle der BfA). Es gilt unverändert die Legaldefinition der Beschäftigung in § 7
Abs. 1 SGB IV zusammen mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur
Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit.
Der Status eines Auftragnehmers richtet sich nicht nach dem Willen der Vertragspartner,
sondern danach, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse gestalten. Wird von vertraglich
getroffenen Vereinbarungen abgewichen, ist die tatsächliche Durchführung der
Erwerbstätigkeit maßgebend.58
Werden „so genannte freie Mitarbeiter“ zur Arbeitsleistung überlassen und beim Entleiher
als Arbeitnehmer eingesetzt, liegt ANÜ vor. Die Bezeichnung eines Arbeitnehmers als
„freier Mitarbeiter“ ist unerheblich. Maßgebend ist, ob die überlassene Arbeitskraft im
Betrieb des Entleihers eine Tätigkeit in persönlicher und weisungsgebundener
Abhängigkeit wie ein Arbeitnehmer zu leisten hat, oder ob die Tätigkeit der überlassenen
Arbeitskraft so frei und unabhängig vom Weisungsrecht des Entleihbetriebes auszuüben
ist, dass nicht mehr von einer abhängigen Tätigkeit gesprochen werden kann.59
7.3.
Beamte
Auch Beamte fallen aufgrund fehlender Arbeitnehmereigenschaft nicht unter das
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz60. Aber auch ein Gestellungsvertrag kann hier nicht zur
Anwendung gelangen.61
7.4.
Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung
Langzeitarbeitslose, die für im Betrieb geschaffene Arbeitsgelegenheiten vom Arbeitsamt
zugewiesen werden oder von einer i.d.R. gemeinnützige Gesellschaft überlassen werden,
und für ihren Einsatz eine Mehraufwandsentschädigung erhalten gelten nicht als
Arbeitnehmer, da diese Arbeiten kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechtes
begründen62.
57
Fitting u.a.: Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, Handkommentar 22. Auflage, zu § 5 Rn. 47 und 48
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 16
59
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 17
60
§ 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG
61
Urteil des OVG NRW vom 15.12.1999 – 1 A 5174/97.PVL
62
§ 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II
58
13
7.5.
Strafgefangene
Ein Strafgefangener ist nicht Arbeitnehmer, da er in der Regel nicht aufgrund eines
Arbeitsvertrages sondern des Strafvollzugsgesetzes zur Ausübung zugewiesene Arbeit
verpflichtet ist63. Eine Ausnahme bildet lediglich das freie Beschäftigungsverhältnis das
auf einem Arbeitsvertrag basiert64.65
8. Werkverträge66
Aufgrund der Werkvertragsvorschriften des BGB (§§ 631 - 651) und der ständigen
Rechtsprechung des BAG, der sich auch andere Bundesgerichte angeschlossen haben, liegen
gefestigte Maßstäbe für die Abgrenzung zwischen Werkverträgen und Verträgen auf
Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG vor.
8.1.
Kriterien
Elemente des Werkvertrages sind:
• Vereinbarung und Erstellung eines qualitativ individualisierbaren und dem
Werkunternehmer zurechenbaren Werkergebnisses.
• Unternehmerische Dispositionsfreiheit des Werkunternehmers gegenüber dem
Besteller.
• Weisungsrecht des Werkunternehmers gegenüber seinen im Betrieb des Bestellers
tätigen Arbeitnehmern, wenn das Werk dort zu erstellen ist.
• Tragen des Unternehmerrisikos, insbesondere der Gewährleistungen, durch den
Werkunternehmer.
• Erfolgsorientierte Abrechnung der Werkleistung.
8.2.
Werksergebnis
Voraussetzung für einen Werkvertrag ist u.a., dass das zu erstellende Werk von
vornherein ausreichend genau beschrieben ist, um so die erforderliche qualitative
Individualisierung vorzunehmen und das Werkergebnis dem Werkunternehmer zuordnen
zu können. Unbestimmte vertragliche Ziele (z.B. Mitarbeit im Betrieb) indizieren den
Verdacht, dass gar nicht beabsichtigt ist, ein näher beschriebenes Werk zum Gegenstand
des Vertrages zu machen.
Ein typisches Element des Werkvertrages ist der projekt- und erfolgsbezogene Einsatz der
im Betrieb des Werkbestellers tätig werdenden Arbeitnehmer des Werkunternehmers.
Allein der Umstand, dass Arbeitnehmer des Bestellerbetriebes der Tätigkeit des
Werkunternehmers vergleichbare Arbeiten auf dem eigenen Werksgelände durchführen
steht dem nicht entgegen. Die mangelnde Abgrenzbarkeit des Arbeitsergebnisses bezogen
auf die von den Arbeitnehmern des Bestellerbetriebes verrichtete Arbeit deutet darauf hin,
dass tatsächlich Arbeitnehmerüberlassung betrieben wird.
63
64
§ 37 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 41 StVollzG
siehe § 39 StVollzG
65
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 17
66
vgl. Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 24 - 28
14
8.3.
Werkvertragsfähige Leistungen
Gegen einen Werkvertrag können – trotz der heutzutage im modernen Arbeitsleben
fortschreitenden Arbeitsteilung – folgende Vertragsinhalte sprechen:
• Wenn gleichzeitig oder über einen bestimmten Zeitraum eine
Summe von Klein- und Kleinst-„Projekten“ vergeben wird;
• wenn lediglich die Leistung (nicht erfolgsbezogener) einfacherer Arbeiten
benötigt wird (z.B. Schreibarbeiten, Botendienste, einfache Zeichenarbeiten,
Maschinenbedienung, Dateneingabe).
Anhaltspunkte dafür, ob überhaupt eine werkvertragsfähige Leistung vorliegt, können
auch den schriftlichen Vereinbarungen der Vertragsparteien entnommen werden. Das
Werk muss in aller Regel im Angebot präzise beschrieben sein. Allgemeine
Formulierungen ohne Präzisierung des Auftraggegenstandes genügen nicht. Die
Beschreibung der auszuführenden Arbeiten soll so eindeutig sein, dass im Konfliktfalle
(Abrechnung, Haftung wegen mangelnder Ausführung) bestimmbar ist, wer die Arbeiten
ausgeführt hat.
8.4.
Werkvertragsfähige Unternehmen
Der Unternehmer muss über eine eigene materielle Ausstattung (Kapital, Maschinen,
Fahrzeuge, Werkzeuge, Materialien, eine dem Unternehmen entsprechende büromäßige
Organisation, Versicherungsschutz usw.) und die entsprechende fachliche Kompetenz
verfügen. Er muss hinreichend qualifiziertes Personal beschäftigt, welches die
geschuldete Leistung selbständig planen und organisieren und schließlich auch
selbständig und eigenverantwortlich durchführen und überwachen kann.
Die Beachtung oder Nichtbeachtung öffentlich-rechtlicher Ordnungsvorschriften (z.B.
HandwO, GewO, 2. DEVO) ist kein zuverlässiges Abgrenzungskriterium. Allerdings
kann die Verletzung einschlägiger Vorschriften auf mangelnde fachliche Qualifikation
hindeuten. Ferner kann z.B. das Fehlen eines handwerklichen Befähigungsnachweises
(Meisterprüfung) zusätzlich die Auffassung stützen, dass kein Werkvertrag vorliegt.
8.5.
Unternehmerische Dispositionsfreiheit
Der Unternehmer muss Art, Ablauf und Einteilung der Arbeiten selbst bestimmen und der
Dritte darf kein Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern des Herstellers haben.
Vertragstypische Rechte/Pflichten des Werkunternehmers sind insbesondere:
• Entscheidung über Auswahl der eingesetzten Arbeitnehmer (Zahl, Qualifikation
und Person),
• Ausbildung und Einarbeitung,
• Bestimmung der Arbeitszeit und Anordnung von Überstunden,
• Gewährung von Urlaub und Freizeit,
• Durchführung der Anwesenheitskontrolle,
• Überwachung der Ordnungsmäßigkeit der Arbeitsabläufe.
Werden derartige Funktionen vom angeblichen Werkbesteller wahrgenommen, so spricht
dies für Arbeitnehmerüberlassung.
8.6.
Eingliederung
Die organisatorische Eingliederung in die Arbeitsabläufe oder in den Produktionsprozess
des Bestellerbetriebes spricht grundsätzlich für Arbeitnehmerüberlassung.
15
8.7.
Unternehmerrisiko
Der Werkunternehmer trägt im Vergleich zum Verleiher ein erhöhtes Unternehmerrisiko.
Der Werkunternehmer trägt die Vergütungsgefahr (§ 644 i.V.m. §§ 640 und 646 BGB)
und die Gewährleistungspflicht (§ 633 Abs. 1 BGB). Dabei muss er sich das Verschulden
seiner Erfüllungsgehilfen anrechnen lassen (§ 278 BGB). Ein „echter“ Werkunternehmer
wird gegen diese Risiken entsprechend abgesichert sein (Versicherungen,
Rückstellungen). Werkvertragstypisch ist auch die Vereinbarung einer
Konventionalstrafe. Der Verleiher muss demgegenüber nur für die fristgerechte
Gestellung von Arbeitnehmern und Auswahlverschulden einstehen.
9.
Ordensschwestern
Die durch Gestellungsvertrag eingesetzten Ordensschwestern sind keine Arbeitnehmer. Sie
leisten ihre Arbeit aufgrund Verbandsrechts und nicht aufgrund eines Einzelarbeitsvertrags.
Vielmehr erfüllen sie als Ordensmitglieder ihren apostolischen Auftrag. Der
Gestellungsvertrag der Ordensschwestern ist nach h.M. als Werkvertrag im Sinne des § 613
BGB zu qualifizieren.67
10. Dienstvertrag68
Anders als bei Werkvertragsverhältnissen wird bei Dienstverträgen kein bestimmter Erfolg,
sondern eine bestimmte Tätigkeit geschuldet. Ein Dienstvertrag liegt nur dann vor, wenn der
dienstleistende Unternehmer die geschuldeten Dienste entweder in Person oder mittels seiner
Erfüllungsgehilfen unter eigener Verantwortung und nach eigenem Plan ausführt
(Organisation der Dienstleistung, zeitliche Disposition, Zahl der Erfüllungsgehilfen, Eignung
der Erfüllungsgehilfen usw.). Das bedeutet insbesondere, dass die Erfüllungsgehilfen in
Bezug auf die Ausführung der zu erbringenden Dienstleistung im wesentlichen frei von
Weisungen seitens des Arbeitgeberrepräsentanten des Drittbetriebes sind und ihre Arbeitszeit
selbst bestimmen können69. Ein drittbezogener Personaleinsatz auf dienstvertraglicher Basis
ist daher nur in den aufgezeigten engen Grenzen möglich, etwa bei Dienstleistungen, die
gegenständlich umschrieben werden können.
11. Dienstverschaffungsvertrag
Da Arbeitnehmerüberlassung eine Form der Dienstverschaffung, nämlich die Verschaffung
von Arbeitsleistungen ist, kann ein von Arbeitnehmerüberlassung abzugrenzender
Dienstverschaffungsvertrag nur dann in Betracht kommen, wenn ein Vertragspartner die
Verpflichtung übernimmt, dem anderen Vertragspartner nicht die Arbeitsleistung, sondern die
selbständige Dienstleistung eines Dritten zu verschaffen. Voraussetzung dafür ist, dass der
Dritte in wirtschaftlicher und sozialer Selbständigkeit und Unabhängigkeit die Dienste (z.B.
als Wirtschaftsprüfer) leistet. Arbeitsvertragliche Beziehungen bzw. aufgrund der
tatsächlichen Verhältnisse gegebene persönliche Abhängigkeit zu einem Vertragspartner
schließen einen derartigen Dienstverschaffungsvertrag aus. Es liegt dann entweder
Arbeitnehmerüberlassung oder Arbeitsvermittlung vor.
67
siehe Gutachten von Rechtsanwalt Michael W. Felser „Gestellungsvertrag als illegale Arbeitnehmerüberlassung?“
in www.felser.de
68
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 28
69
Urteil des BSG vom 23.06.1982 – DBIR Nr. 2790a AFG/§ 13 – SozRecht 4100 § 13 Nr. 6
16
12. Geschäftsbesorgungsvertrag70
Vom Werkvertrag zu unterscheiden ist der Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), der auf
eine selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art gerichtet ist und eine Geschäftsbesorgung
zum Gegenstand hat. Ein Geschäftsbesorgungsvertrag liegt z.B. vor, wenn ein Rechtsanwalt
mit der Prozessführung beauftragt wird oder eine Werbefirma den Auftrag erhält, eine
Werbeaktion mit eigenen personellen und sachlichen Mitteln durchzuführen.
10. Mitbestimmung bei drittbezogenem Personaleinsatz
10.1.
Informationsrecht des Betriebsrates
10.1.1. Unterrichtung
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch über die Beschäftigung von solchen Personen zu
unterrichten, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen71: z.B.
Leiharbeitnehmer, Fremdfirmenpersonal, Arbeitnehmer eines anderen
Konzernunternehmens, arbeitnehmerähnliche Personen, Arbeitsgelegenheiten und freie
Mitarbeiter.
10.1.2. Prüfung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates
Der Betriebsrat hat die tatsächliche Art des drittbezogenen Personaleinsatzes, den daraus
abzuleitenden Umfang seiner Rechte sowie der Rechte der betroffenen Arbeitnehmer zu
prüfen (Prüfliste siehe Anlage). Dazu benötigt er alle beim Arbeitgeber vorhandenen
Informationen und Unterlagen.
10.1.3. Aushändigung von Unterlagen
Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben
erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.72
Dazu kann der Betriebsrat die Herausgabe z.B. folgender Unterlagen für die vom
Arbeitgeber genannte, vermeintliche Form des drittbezogenen Personaleinsatzes
verlangen:
• bei Gestellungen der Gestellungsvertrag,
• bei vermeintlich freien Mitarbeitern der Honorarvertrag,
• bei vermeintlichen Fremdfirmen- und Selbständigeneinsatz der Werkvertrag,
• bei anderen Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes den
Kooperationsvertrag, Dienstvertrag, Dienstverschaffungsvertrag,
Geschäftsbesorgungsvertrag usw.,
• bei Arbeitnehmerüberlassung die Erlaubnis und die Geschäftsbedingungen des
Verleihers sowie der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher (Inhalte gemäß §
12 Abs. 1 AÜG).
70
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Stand Januar
2004, Seite 29
71
§ 80 Abs. 2, Satz 1, 2.Halbsatz BetrVG
72
§ 80 Abs. 2, Satz 2, 1.Halbsatz BetrVG
17
10.2.
Mitbestimmungsrechte bei der Einstellung
Eine Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG liegt nach der ständigen Rechtsprechung
des BAG immer dann vor, wenn Personen in einen Betrieb eingegliedert werden, um
zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern dessen arbeitstechnischen Zweck
durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Hinzukommen muss, dass diese
Personen eine weisungsabhängige Tätigkeit ausüben und der Betriebsinhaber die
Entscheidungen über Art, Zeit und Ort der Tätigkeit trifft. In welchem Rechtsverhältnis diese
Personen zum Betriebsinhaber stehen, ist demgegenüber unerheblich. Zur Begründung dieser
Rechtsprechung verweist das BAG darauf, dass § 99 Abs. 1 BetrVG in erster Linie den
Interessen der schon vorhandenen Belegschaft dient. Inwieweit diese Interessen berührt oder
gar gefährdet werden, hängt nicht davon ab, auf welcher Rechtsgrundlage die neuen
Mitarbeiter tätig werden, sondern inwieweit sie tatsächlich in den Betrieb eingegliedert
werden.73
Eine Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG kann aber bereits schon dann vorliegen, wenn die
arbeitgebertypische Auswahlentscheidung getroffen wird, welcher Mitarbeiter in die
Belegschaft aufgenommen werden soll. Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der
Entscheidung des Arbeitgebers steht nicht entgegen, dass die Zuweisung dieser Person – wie
bei Zivildienstleistenden – durch Verwaltungsakt erfolgt.74
Liegen bei der Beschlussfassung des Betriebsrates zur Einstellung keine oder nur
unvollständige Informationen und Unterlagen vor, so kann das folgende Rechtsfolgen haben:
• Die Frist für die Zustimmungserklärung des Betriebsrates von einer Woche wird nicht
in Gang gesetzt mit der Folge, dass die Zustimmung weder als erteilt gilt noch vom
Arbeitsgericht ersetzt werden kann.
• Eine trotzdem durchgeführte Maßnahme kann gemäß § 101 BetrVG unterbunden
werden.
• In schwerwiegenden Fällen ist ein Unterlassungsverfahren gemäß § 23 BetrVG
möglich.
• Schließlich liegt in verspäteter oder unvollständiger Unterrichtung eine
Ordnungswidrigkeit gemäß § 121 BetrVG vor.75
10.2.1. Ordensangehörige und Rote-Kreuz-Pflegekräfte
Bei einer Beschäftigung von Ordensangehörigen und Rote-Kreuz-Pflegekräften auf
Grund von Gestellungsverträgen liegt dann eine Einstellung vor, wenn der Arbeitgeber
die typischen Weisungsbefugnisse hinsichtlich des Arbeitseinsatzes hat.76
10.2.2. ehrenamtlicher Einsatz von Vereinsmitgliedern für betriebliche Aufgaben
Die Übertragung weisungsgebundener Tätigkeit auf Vereinsmitglieder stellt daher eine
Einstellung im Sinne der betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften dar.77
Beim ehrenamtlichen Einsatz z.B. von Mitgliedern des Deutschen Roten Kreuzes auf
Krankenkraftwagen im Rahmen des von einem DRK-Kreisverband betriebenen
Rettungsdienstes hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1.
73
Beschluss des BAG vom 12.11.2002 – 1 ABR 60/01
Leitsatz zum Beschluss des BAG vom 19.06.2001 – 1 ABR 25/00
75
Däubler/Kittner/Klebe: BetrVG, 9. Auflage, Bund-Verlag, zu § 99 Rn. 116
76
Urteil des BAG vom 22.04.1997, NZA 97, 1297
77
Beschluss des BAG vom 12.11.2002 – 1 ABR 60/01
74
18
BetrVG.78
In dem genannten Fall stellt das BAG fest, dass die Zweitbesetzung auf einen
Krankenkraftwagen in der Funktion eines Rettungssanitäters weisungsgebundene
Tätigkeit ist. Sie unterscheidet sich nicht von der Tätigkeit hauptamtlicher Beschäftigter.
Ohne Bedeutung ist auch, dass Vereinsmitglieder die Möglichkeit hätten, die Übernahme
von Einsatzschichten abzulehnen oder Zusagen zurück zu ziehen, da es nur auf die
Tätigkeit nach Schichtbeginn und der dann vorliegenden Weisungsgebundenheit der
Tätigkeit ankommt. Weiterhin gibt es für das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts nach
§ 99 Abs. 1 BetrVG auch keine zeitliche Mindestgrenze oder einen Mindestumfang der
vorgesehenen Tätigkeit, anders als bei Versetzungen (§ 95 Abs. 3 BetrVG). Schließlich ist
auch die Frage, ob und in welcher Höhe Vereinsmitglieder für ihren Einsatz eine
Vergütung erhalten, ohne Belang. Die haupt- oder ehrenamtlich beschäftigten
Rettungssanitäter sind jedenfalls bei ihrem Einsatz auf Krankenkraftwagen keine
Tendenzträger, so dass ein etwaiges Mitbestimmungsrecht nach § 118 Abs. 1 Satz 1
BetrVG nicht ausscheidet.79
10.2.3. Zivildienstleistende
Da die spätere hoheitliche Zuweisung von Zivildienstleistenden durch das Bundesamt für
Zivildienst nur kraft freien Einverständnisses des Arbeitgebers möglich ist, wird dessen
Antrag an das Bundesamt so behandelt wie die Abgabe eines verbindlichen Angebots an
einen Stellenbewerber, das nur noch angenommen werden muss. Die entsprechende
Antragstellung bedarf deshalb der Zustimmung des Betriebsrates.80
Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zu, wenn der
Arbeitgeber beim Bundesamt für den Zivildienst – im Rahmen einer Auswahl unter
mehreren Bewerbern um einen Zivildienstplatz – die Zuweisung bestimmter
Zivildienstleistender beantragt. 81
10.2.4. Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung
Vergleichbares müsste für Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung gelten.
Analog zum BetrVG hat das Bundesverwaltungsgericht für das Personalvertretungsrecht
allerdings entschieden, dass zwar die vorentscheidende Maßnahme der Schaffung
gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit durch Bereitstellung und Benennung geeigneter
Einsatzbereiche und dort anfallender Arbeiten seitens der Dienststelle
mitbestimmungspflichtig ist, nicht jedoch die Heranziehung der einzelnen Hilfeempfänger
durch das Sozialamt.82
Vor der Besetzung der Arbeitsgelegenheiten sind dem Betriebsrat die Ausschreibungen
der ARGE (Arbeitsgemeinschaften der Agenturen für Arbeit und der Träger der
Sozialhilfe) mit der Bewerbung des Arbeitgebers um die Maßnahme und die
entsprechenden Verträge mit der ARGE zur Verfügung zu stellen, sobald diese vorliegen.
Soweit die Arbeitslosen über eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft in
einen Betrieb weiter gegeben werden, sind dem Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes
die Kooperationsverträge und –unterlagen (Vereinbarungen gemäß § 17 Abs. 2 SGB II)
78
amtlicher Leitsatz zum Beschluss des BAG vom 12.11.2002 – 1 ABR 60/01
vgl. Beschluss des BAG vom 12.11.2002 – 1 ABR 60/01
80
Däubler/Kittner/Klebe: BetrVG, 9. Auflage, Bund-Verlag, zu § 99 Rn. 54; vgl. Urteil des BAG vom 19.06.2001
81
vgl. Beschluss des BAG vom 19.06.2001 – 1 ABR 25/00
82
Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.01.2000, Az.: 6 P 2.99
79
19
zwischen der Gesellschaft und dem Betrieb auszuhändigen.
Der Betriebsrat hat zu prüfen, ob die Arbeitsgelegenheiten
• im öffentlichen Interesse liegen,
• im Sinne des § 261 Abs. 2 SGB III zusätzlicher Natur sind,
• wettbewerbsneutral und
• arbeitsmarktpolitisch zweckmäßig sind.
Die Frage, ob der Einsatz dieser sog. Ein-Euro-Kräfte als „Einstellung“ der Zustimmung
des Personalrats (analog des Betriebsrates gemäß § 99 BetrVG – d. Verf.) bedarf, ist in
der verwaltungsgerichtlichen Rechtssprechung bundesweit heftig umstritten.83
So haben in diesjährigen Beschlüssen der Hessische Verwaltungsgerichtshof Kassel und
das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz auf diese Frage völlig unterschiedlich
geantwortet.84
10.2.5. Auszubildende
Eine Beschäftigung zur Ausbildung unterliegt § 99 BetrVG unabhängig davon, in
welchem Rechtsverhältnis die dafür aufgenommenen Personen zum Arbeitgeber stehen.
Es können dies z.B. sein Anlernlinge, Praktikanten, Volontäre, Umschüler,
Krankenpflegeschüler (Altenpflegeschüler – d. Verf.) oder Teilnehmer an firmeninternen
Ausbildungsmaßnahmen. Voraussetzung ist, dass die Bewerber in den Betrieb
eingegliedert werden und für die in Aussicht genommene Beschäftigung eine Ausbildung
erhalten, ohne die die Beschäftigung nicht möglich wäre. Es ist dabei unerheblich, dass
das der Ausbildung zugrunde liegende Rechtsverhältnis für beide Seiten insofern
unverbindlich ist, als weder der Bewerber zur Beendigung der Ausbildung noch der
Arbeitgeber zur Beschäftigung bei erfolgreicher Ausbildung verpflichtet ist. Unerheblich
ist, dass die Ausbildung unentgeltlich erfolgt und für die Teilnahme an der Ausbildung
kein Entgelt bezahlt werden soll. Diese Voraussetzung sieht das BAG als nicht gegeben
an bei Schülerpraktikanten, die in erster Linie zur persönlichen Informationen, zur
Erleichterung der Ausbildungs- und Berufswahl eingesetzt werden. Soweit
Schülerpraktikanten jedoch über die Praktikums-Zweckbestimmung hinaus zur Arbeit
herangezogen werden, ist dies nur unter Beteiligung des Betriebsrates möglich.85
10.2.6. Fremdfirmenarbeitnehmer
Bei der geplanten Beschäftigung von Fremdpersonal hat der Betriebsrat zu prüfen, ob ein
Eingliederungstatbestand gegeben ist oder nicht. Für eine mitbestimmungspflichtige
Eingliederung und damit Einstellung im Betrieb spricht z.B., wenn das
Fremdfirmenpersonal
• den Arbeitsanweisungen der Mitarbeiter bzw. Vorgesetzten des Betriebs
unterworfen ist,
• den konkreten Arbeitsort innerhalb der Betriebsorganisation vom Betrieb
zugewiesen bekommt,
• in die Arbeitszeitregelungen, insbes. Schichtpläne, Rolliersysteme,
Pausenregelung eingebunden ist,
83
Presseinformation des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes Kassel vom 22.06.2006 Nr. 12/2006
Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes Kassel vom 22.06.2006 – Az: 22 TL 2779/05 und des
Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 17.05.2006 – AZ: 5 K 291/05.MZ
85
Däubler/Kittner/Klebe: BetrVG, 9. Auflage, Bund-Verlag, zu § 99 Rn. 44
84
20
•
mit Material, Werkzeugen, Maschinen und sonstigen Arbeitsmitteln des Betriebs
arbeitet,
• praktisch die gleichen Arbeiten verrichtet, wie das Eigenpersonal des Betriebes
• stets wiederkehrende und regelmäßig auszuführende Wartungs- und
Reinigungsarbeiten ausführt, die von dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebs
nicht getrennt werden können und bei Produktionsstillstand außerhalb der
Schichtzeiten stattfinden,
• verpflichtet ist, Arbeitsunfähigkeit dem Betrieb anzuzeigen.
Auch das Fehlen eigener Produktionsmittel und eines spezifischen Know-hows der
Fremdfirma oder Abrechnung auf Stundenbasis unter Zugrundelegung der im Betrieb
einschlägigen Tarifverträge spricht für zustimmungspflichtige Eingliederung des
Fremdpersonals.
10.2.7. (Schein)Selbständige und freie Mitarbeiter
Die vorstehenden Kriterien gelten im Wesentlichen auch dann, wenn es sich bei der
betriebsfremden Person um einen angeblich Selbständigen handelt.
Bei freien Mitarbeitern setzt das Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 ab dem Zeitpunkt ein,
ab dem durch „Zuwachsen“ arbeitsvertraglicher Komponenten das freie
Mitarbeiterverhältnis die Qualität eines Arbeitsvertrages erlangt.86
10.2.8. Leiharbeitnehmer
Vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung ist der Betriebrat des
Entleiherbetriebes nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Dabei hat der Entleiher dem
Betriebsrat auch die schriftliche Erklärung des Verleihers nach § 12 Abs. 1 Satz 2
vorzulegen. Er ist ferner verpflichtet, Mitteilungen des Verleihers nach § 12 Abs. 2
unverzüglich dem Betriebsrat bekannt zu geben.87
Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass § 14 Abs. 3 AÜG entsprechende Anwendung
findet auf die gewerbsmäßige oder nicht gewerbsmäßige und erlaubte oder unerlaubte
(verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung.88
Das Beteiligungsrecht des Betriebsrates besteht sowohl für die Frage, ob
Leiharbeitnehmer eingestellt werden sollen, als auch für ihre Auswahl, falls diese dem
Entleiher möglich ist, sowie bei Verlängerung der Entleihe und Austausch der
Leiharbeitnehmer.89
Dem Betriebsrat sind folgende Daten über die Leiharbeitnehmer mitzuteilen:
• Anzahl der Leiharbeitnehmer(innen),
• Qualifikation,
• Einstellungstermin,
• Einsatzdauer,
• vorgesehene Arbeitsplätze,
• vorgesehene Tätigkeit,
• Arbeitszeit und
86
Däubler/Kittner/Klebe: BetrVG, 9. Auflage, Bund-Verlag, zu § 99 Rn. 50
§ 14 Abs. 3 AÜG
88
vgl. BAG vom 28.09.1988 – 1 ABR 85/87
89
Fitting u.a.: Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, Handkommentar, 22. Auflage, Verlag Franz Vahlen, zu
§ 99 Rn. 54
87
21
• Auswirkung auf die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer.90
Außerdem ist dem Betriebsrat der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen Ent- und
Verleiher auszuhändigen.
In diesem Vertrag müssen alle Vereinbarungen niedergelegt sein bzw. im Wege der
Auslegung zu erkennen sein. Leistung und Gegenleistung müssen klar aus der Urkunde
hervorgehen. Er muss von beiden Vertragspartnern unterzeichnet sein. Schriftliche
Vereinbarungen für den einzelnen Überlassungsfall, die auf einen ebenfalls schriftlich
geschlossenen Rahmenvertrag Bezug nehmen, sind zulässig. Der Entleiher hat in der
Urkunde anzugeben, welche besonderen Merkmale die für den Leiharbeitnehmer
vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist.
Diese Angaben sind auch von Bedeutung, um die angemessene tarifliche Eingruppierung
des Leiharbeitnehmers überprüfen zu können.
Der Betriebsrat könnte z.B. die Zustimmung zur Einstellung verweigern, wenn
• die Einstellung gegen das AÜG verstößt, z.B. weil der Verleiher nicht über eine
Erlaubnis der Agentur für Arbeit verfügt oder die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1
Nr. 3 AÜG nicht erfüllt sind,
• die zu besetzende Stelle – soweit sie nicht zuvor mit dem Betriebsrat als eine
Stelle für Leiharbeitnehmer festgelegt wurde – zuvor nicht im Betrieb
ausgeschrieben wurde, obwohl der Betriebsrat dies gemäß § 93 BetrVG verlangt
hat,
• der/die betroffene Beschäftigte benachteiligt wird, weil sie/er z.B. mit dem
offensichtlichen Ziel der Umgehung von Schutzrechten nach Ablauf der
zweijährigen Frist des TzBfG über einen konzerneigenen Verleiher ihre/seine
Tätigkeit an demselben Arbeitsplatz fortsetzt statt unbefristet übernommen zu
werden,
• andere, konkret zu benennende Beschäftigte Nachteile erleiden, weil z.B. die
Einstellung eines Leiharbeitnehmers höhere Kosten verursacht als eine
Neueinstellung über den Arbeitsmarkt mit ggf. der Übernahme eines befristet
Beschäftigten und daraus ein geringerer Einstellungsumfang mit entsprechend
schlechteren Arbeitsbedingungen z.B. durch Arbeitsverdichtung folgt.
Soweit sich mit der Einstellung von Leiharbeitnehmern die bloßen Chancen von
Stammarbeitnehmern des Entleihers auf eine Verlängerung des eigenen befristeten
Arbeitsverhältnisses verringern sollten, liegt darin kein rechtlich bedeutsamer Nachteil.91
Zumindest im Fall nicht gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung kann der Betriebsrat
seine Zustimmung zur Übernahme eines Leiharbeitnehmers nicht wegen eines Verstoßes
gegen das Gleichstellungsgebot in § 9 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG verweigern. Darauf,
ob dieses Gebot auf die nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung Anwendung
findet, kommt es nicht an.92
Es ist jedoch bereits strittig, ob das Gleichstellungsgebot nicht ohnehin nur für
gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung gilt. Selbst dann, wenn es auch auf nicht
gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung anwendbar sein sollte, berechtigt eine
Verletzung dieses Gebots nicht, der Übernahme eines Leiharbeitnehmers die Zustimmung
90
DGB: Ratgeber Zeitarbeit – Handlungshilfe für Betriebs- und Personalräte, Oktober 2003;
Fitting u.a.: Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, Handkommentar, 22. Auflage, Verlag Franz Vahlen zu §
99 Rn. 153
91
BAG 25. Januar 2005 – 1 ABR 61/03
92
2. Leitsatz zum Beschluss des BAG vom 25.01.2005 – 1 ABR 61/03
22
zu versagen.93
Denn es genügt nicht, dass einzelne Vertragsbedingungen rechtswidrig sind. Das
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen ist kein Instrument zur
umfassenden Vertragsinhaltskontrolle.94
Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist bei Einstellungen
lediglich dann gegeben, wenn der Zweck der Verbotsnorm nur dadurch erreicht werden
kann, dass die Einstellung insgesamt unterbleibt.95
Auch aus der in § 9 Nr. 2 AÜG angeordneten Unwirksamkeit einer das
Gleichstellungsgebot missachtenden Vereinbarung zwischen Verleiher und
Leiharbeitnehmer folgt kein gesetzliches Beschäftigungsverbot. Das mit dem
Gleichstellungsgebot verbundene gesetzliche Ziel verlangt nicht danach, dass im
Verletzungsfall eine Beschäftigung des Leiharbeitnehmers ganz unterbleibt.
Dementsprechend könnte der Betriebsrat zur Sicherstellung der Gleichbehandlung sein
Verweigerungsrecht nur in Bezug auf die Eingruppierung wahrnehmen. Ansonsten muss
der/die betroffene Beschäftigte im Rahmen einer Individualklage vor dem Arbeitsgericht
gegen die Ungleichbehandlung vorgehen.96
93
BAG 25. Januar 2005 – 1 ABR 61/03
BAG 12. November 2002 – 1 ABR 1/02; BAG 28. März 2000 – 1 ABR 16/99
95
BAG 28. Juni 1994 – 1 ABR 59/93
96
vgl. BAG 25. Januar 2005 – 1 ABR 61/03
94
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