Rechtsprechungsänderung im Urlaubsrecht

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Rechtsprechungsänderung im Urlaubsrecht
Rechtsprechungsänderung im Urlaubsrecht
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat – wieder einmal – seine langjährige gefestigte Rechtsprechung im
Bereich des Urlaubsrechts aufgrund europarechtlicher Vorgaben des Europäischen Gerichtshof (EuGH)
aufgegeben und einen Kurswechsel vollzogen. Das BAG hat mit seinem Urteil vom 10. Februar 2015 – Az.:
9 AZR 53/14 (F) – entschieden, dass entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung keine verhältnismäßige
Kürzung von Urlaubsansprüchen vorzunehmen ist, wenn ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer vor seinem
unterjährigen Wechsel in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen keinen Urlaub nehmen
konnte.
Der vorzitierten Entscheidung des BAG lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem ein Arbeitnehmer zunächst
in Vollzeit bei seinem Arbeitgeber tätig war, und zwar an fünf Tagen pro Woche. Der tarifliche (TVöD) Jahresurlaub betrug 30 Tage. Der Mitarbeiter wechselte ab dem 15. Juli 2010 in eine Teilzeittätigkeit und arbeitete nicht mehr an fünf, sondern nur noch an vier Tagen in der Woche. Während seiner Vollzeittätigkeit im
Jahr 2010 hatte er keinen Urlaub. Der Arbeitgeber meinte, dem Kläger stünden angesichts des tariflichen
Anspruchs von 30 Urlaubstagen bei einer 5-Tage-Woche nach seinem Wechsel in die Teilzeittätigkeit nur
noch 24 Urlaubstage zu (30 Urlaubstage geteilt durch 5 mal 4). Hiergegen hat sich der Arbeitnehmer zur
Wehr gesetzt und gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen. Er hat die Ansicht vertreten, eine verhältnismäßige Kürzung seines Urlaubsanspruchs sei für die Monate Januar bis Juni 2010 nicht zulässig, so dass
er im Jahr 2010 Anspruch auf 27 Urlaubstage habe (für das erste Halbjahr die Hälfte von 30 Urlaubstagen,
mithin 15 Urlaubstage, zzgl. der von ihm für das zweite Halbjahr verlangten 12 Urlaubstage.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat in erster Instanz durch Urteil vom 28. Februar 2012 – Az.: 8 Ca
5832/11 – festgestellt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer drei weitere Urlaubstage zu gewähren habe. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat demgegenüber in der Berufungsinstanz (Urteil vom 30. Dezember 2012 – Az.: 13 Sa 590/12) die Klage abgewiesen, da der Arbeitgeber die maßgeblichen 24 Urlaubstage gewährt habe. Es hatte sich an der bisherigen Rechtsprechung des BAG orientiert. Danach war
der nach der Änderung der Arbeitszeit genommene Urlaub hinsichtlich der Zahl der zustehenden Urlaubstage entsprechend der dann geltenden Arbeitszeitverteilung umzurechnen, und zwar unabhängig davon, ob
der Urlaubsanspruch ganz oder teilweise vor der Änderung der Arbeitszeitverteilung erworben wurde oder
nicht. Nur diese Berechnungsweise stellte nach der bisherigen Rechtsauffassung des BAG sicher, dass
Arbeitnehmer unabhängig von der Verteilung ihrer Arbeitszeit – gleich ob vollzeit- oder teilzeitbeschäftigt –
denselben Urlaubszeitraum im Sinne derselben Ruhezeit zur Verfügung haben. Dies sorgte dafür, dass
Arbeitnehmer, die im Laufe des Kalenderjahres von einer Vollzeit- auf eine Teilzeitstelle mit weniger Arbeitstagen pro Woche wechselten, nicht mehr Urlaub erhalten haben, als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte.
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Der EuGH hat dieser Rechtsauffassung eine Absage erteilt. Nach Auffassung des EuGH darf durch eine
Veränderung, insbesondere eine Verringerung der Arbeitszeit beim Übergang einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung der Anspruch auf Jahresurlaub, den ein Arbeitnehmer in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworben hat, nicht gemindert werden. Der EuGH hat damit das Argument, der erworbene Anspruch
auf bezahlten Jahresurlaub werde bei einer Kürzung im vorerwähnten Sinne nicht vermindert, weil er – in
Urlaubswochen ausdrückt – unverändert bleibe, unter Hinweis auf das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter ausdrücklich verworfen. Aufgrund dieser Rechtsprechung des EuGH konnte an der bisherigen
Rechtsprechung des BAG nicht festgehalten werden, nach der die Urlaubstage grundsätzlich umzurechnen
waren, wenn sich die Anzahl der mit Arbeitspflicht belegten Tage verringern.
Konsequenz für die Praxis:
Arbeitgeber haben die geänderte Rechtsprechung des BAG bei der Urlaubsgewährung zu beachten. Einer
der Hauptanwendungsfälle dürfte die Rückkehr von Mitarbeitern aus der Elternzeit sein, da diese häufig mit
einem Wechsel der Arbeitszeit von Vollzeit in Teilzeit einhergeht.
Rechtsanwalt Armin Rudolf
Fachanwalt für Arbeitsrecht
RITTER GENT COLLEGEN, Hannover
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