BILD wird 50 (von Claus Jacobi)

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BILD wird 50 (von Claus Jacobi)
50 Jahre BILD
BILD wird 50
(von Claus Jacobi*)
BILD hat Geburtstag. Deutschlands größte Zeitung wird ein halbes Jahrhundert alt. Am 24.
Juni 1952 erschien die erste Ausgabe: Vier Seiten in einer Auflage von 455 000 Exemplaren.
Weißgekleidete Verkäufer verteilten sie kostenlos in Hamburg. "Deutschlands modernste
Zeitung", hieß es auf Seite eins, "ab morgen überall für 10 Pfennig".
Auf der ersten und letzten Seite standen fast ausschließlich Fotos. Das "Kind des optischen
Zeitalters", so hatte Verleger Axel Springer erklärt, sollte die vorweggenommene "gedruckte
Antwort auf das Fernsehen" sein, das noch in Baby-Schuhen steckte.
Eine Astrologin hatte einen angeblich günstigen Starttermin ausgerechnet. Doch zunächst
drohte ein Flop. Die Auflage stagnierte 1952 bei etwa 200 000.
Anfang nächsten Jahres wurde BILD darum renoviert. Mehr Texte und Schlagzeilen schufen
eine leicht fassbare und zugleich fesselnde Mischung aus Information und Unterhaltung.
Menschen neben Märchen. Viel Gemüt, zugleich aber stets auch ein Tropfen Bildung oder
Nächstenliebe, Patriotismus oder Toleranz.
Es käme darauf an, hatte Axel Springer seinem Chefredakteur Rudolf Michael mit auf den
Weg gegeben, "die Herzen der Menschen" zu erreichen. Tiergeschichten schienen dem
tierlieben Michael dafür besonders geeignet. "Lilly war eine gute Kuh", stand in BILD.
"Ich hatte gleich zwei Essentials", erinnerte sich der zufriedene Verleger lachend Jahre
später, "wir waren für die Wiedervereinigung und gegen das Hundeschlachten."
Wie ein Steppenbrand breitete BILD sich über Deutschland aus. Als Rudolf Michael 1959 an
der Schwelle zum achten Lebensjahrzehnt die Chefredaktion niederlegt, betrug die verkaufte
Auflage über drei Millionen Exemplare. BILD war die größte Zeitung des Kontinents
geworden.
Der zunächst weitgehend unpolitische Verleger hatte sich unterdessen zum engagierten
Streiter für die Wiedervereinigung und gegen den Kommunismus gewandelt. Drei Tage nach
dem Mauerbau 1961 erschien BILD mit einer Schlagzeile, die in die Pressegeschichte
einging:
"Der Westen tut NICHTS!
Präsident Kennedy schweigt …
Macmillan geht auf Jagd …
… und Adenauer schimpft auf Willy Brandt"
Bald danach:
"Wird Deutschland jetzt verkauft?"
Die Republik horchte auf. Das waren neue Töne. Aber der Ausflug in die Politik dauerte
zunächst nur kurz. Noch im Jahr des Mauerbaus ernannte Springer einen 34-jährigen jungen
Mann zum Kommandanten seines Flaggschiffs, dessen herausragende journalistische
Leistung bis dahin darin bestanden hatte, das Teenager-Blatt "Bravo" zum rauschenden
Erfolg zu führen: Peter Boenisch.
BILD wurde ruckartig entpolitisiert. Von den 26 Schlagzeilen im Januar 1962 entstammten
nur noch zwei der Politik. Boenisch entdeckte Hollywood und Kaiserin Soraya für das Blatt.
Der Sport wurde Weltklasse, die Schlagzeilen erhielten neue Qualität: "Der Mond ist jetzt ein
Ami" (nach der US-Mondlandung).
Was der "Stern" unter den Illustrierten, war BILD unter den Zeitungen: Der strahlendste
Musikdampfer der Branche. Die Auflage kletterte auf über vier Millionen. 1965 wagte Axel
Springer daher erstmals an etwas zu denken, was er 13 Jahre lang gescheut hatte, wie der
Teufel das Weihwasser: Eine Erhöhung des legendären Preises von einem Groschen. Eine
Zeit lang erwog er, Bonn zu veranlassen dafür eine 15-Pfennig-Münze zu prägen. Schließlich
traute er sich auch so. Der Coup gelang. Die Auflage hustete nur einmal und kletterte weiter.
Doch dann brach das Jahr 1967 an und nach sechs heiteren Jahren sollte die Politik BILD
wieder einholen. Die wachsende Marktmacht des Verlages beunruhigte Bonn. "Die
Springer'sche Machtballung ist zu einem zentralen Problem der Republik geworden", befand
der Historiker Golo Mann. Rudolf Augstein schrieb im "Spiegel": "Kein einzelner Mann in
Deutschland hat vor Hitler und nach Hitler soviel Macht kumuliert, Bismarck und die beiden
Kanzler ausgenommen."
Gleichzeitig war es an den Universitäten unruhig geworden. "Unter den Talaren der Muff von
1000 Jahren." Ordinäre Macht begann Ordinarienmacht zu verdrängen. Für BILD waren die
jungen Leute "Radaumacher", "politische Spinner", "Jungrote", "Krawall-Studenten". Die
Springer-Gegner rächten sich mit Sprechchören: "Enteignet Springer."
Der Konflikt eskalierte. Nach einem Attentat auf den Studentenführer Dutschke durch einen
Bauhilfsarbeiter brach Ostern 1968 Gewalt los. Blut war vergossen. "BILD hat
mitgeschossen!" war die Devise. Demonstranten suchten das Springer-Haus in Berlin zu
stürmen und setzten BILD-Lkws in Brand. Die Hamburger Druckerei wurde belagert um die
Auslieferung von BILD zu verhindern, die BILD-Redaktion in München verwüstet.
Die 68er griffen an, die Strasse wurde mobilisiert, Steine flogen, Feuer flammten auf. Axel
Springer stand allen im Wege, die eine andere Republik wollten, er war der Mann, den zu
hassen sie liebten. BILD und "BILD-Hauer Boenisch" (so der "Spiegel") kämpften seinen
Kampf und droschen zurück.
Die Auseinandersetzung dauerte ein Jahrzehnt. Sie kostete BILD eine Million an Auflage.
Intellektuelle verfassten Anti-Springer-Aufrufe. Schriftsteller boykottierten den Verlag. Die IGMetall nannte BILD "Opium fürs Volk".
1972 explodierten zwei Bomben im Hamburger Verlag, 17 Springer- Mitarbeiter wurden
verletzt. Zwei Springer-Häuser auf Sylt und im Berner Oberland wurden mit Brandsätzen des
gleichen Typs angesteckt.
Der große Schriftsteller Heinrich Böll schrieb einen Anti-BILD-Roman über "Die verlorene
Ehre der Katharina Blum". Der Kölner Journalist Günter Wallraff arbeitete im Frühjahr 1977
drei Monate unter dem Namen Hans Esser in der BILD-Redaktion Hannover und
veröffentlichte anschließend drei Anti-BILD-Bücher.
Inzwischen war Peter Boenisch 1971 durch Günter Prinz abgelöst worden. Mühsam eroberte
der neue Chefredakteur die verlorenen Leser zurück. BILD wurde härter, ein Mix aus Sex,
Facts und Fiction, aus Politik, Verbrechen und Verbrauchertipps.
In allen Ballungsgebieten entstanden Regionalausgaben. 1961 hatten 80 Prozent aller Leser
die zentral produzierte Bundesausgabe erhalten,
1977 waren es nur noch zehn Prozent.
Das Blatt, das angeblich log und betrog, wurde Wohltäter der Gesellschaft. Zehn von 22
Millionen deutscher Autos trugen den Aufkleber "Ein Herz für Kinder"; über 25 Millionen Euro
wurden von BILD für den guten Zweck gesammelt. Die Aktion "BILD kämpft für Sie" erhielt in
zwei Jahren zwei Millionen Zuschriften und half Hunderttausenden. BILD war "das
Reichsgericht des kleinen Mannes" geworden.
1985 starb Axel Springer. Vor seinem Tod hatten 24 Jahre hindurch zwei Männer BILD
geleitet: Boenisch und Prinz. Nun wechselten die Chefredakteure häufiger. Kai Diekmann,
37, der heute auf der Brücke steht, ist der 13. Chef in der 50-jährigen Geschichte von BILD.
Er setzte Themen, die das Land bewegten - von der Frage, ob die Deutschen faul sind bis
zum "Teuro". Er führt BILD im Sinne Axel Springers: Volksnah, erfolgreich und optisch
verführerisch, ein Blatt, das in der Welt nicht seinesgleichen hat.
Jeden Tag lesen elf Millionen BILD. Die Zeitung wird in 14 Druckorten gedruckt, darunter auf
Mallorca und den Kanaren. Sie erscheint täglich in 31 verschiedenen Regionalausgaben,
unterschiedlich in Umfang, Preis und Inhalt. Aus den zehn Redakteuren der StartMannschaft sind rund 1000 Mitarbeiter geworden.
BILD hat im Lauf der Jahre Babies bekommen:
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BILD am SONNTAG, die größte Sonntagszeitung Deutschlands
BILD der FRAU, die größte Frauen-Zeitschrift Deutschlands
AUTO BILD, die größte Auto-Zeitschrift Deutschlands
SPORT BILD, die größte Sport-Zeitschrift Deutschlands
COMPUTER BILD und COMPUTER BILD SPIELE, die größten ComputerZeitschriften Deutschlands
BILD selbst blieb, was es immer war: Unverwechselbar. Es sei, so hatte einst der erste
Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, gesagt, die Zeitung "für schlichte Gemüter,
wie ich eines bin. Da ist für mich alles viel klarer gesagt".
Nach der Wiedervereinigung befand "Spiegel"-Chef Rudolf Augstein: "BILD ist geworden,
was es früher nicht war: eine informative Zeitung, die nicht zu lesen auch ich mir nicht
erlauben könnte."
Aus dem "Groschenblatt" ist eine nationale Institution geworden.
*Claus Jacobi, 75, war u. a. Chefredakteur von DIE WELT, WELT am SONNTAG, "Spiegel"
und Redaktionsdirektor von BILD.
Pressekontakt: Tobias Fröhlich
Telefon: (0 40) 3 47-2 70 38
E-Mail: [email protected]