Wenn nichts mehr geht

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Wenn nichts mehr geht
Berufsunfähigkeitsversicherung Markt & Preis
Wenn nichts mehr geht
Berufsunfähigkeitsversicherungen sind grundsätzlich
sinnvoll. Es gilt allerdings,
sich ein günstiges Angebot
herauszupicken.
Massive Hautausschläge, eine Herzerkrankung oder Depression – es gibt viele Widrigkeiten, die einen Menschen im Laufe eines
langen Berufslebens aus der Spur werfen
können. Von staatlicher Seite wird für solche
Schicksalsschläge mit einer Invaliditäts-,
Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitspension
­
vorgesorgt. Die liegt im Durchschnitt bei
rund 1.000 Euro im Monat. Je jünger der
Versicherte, desto geringer fällt sie aus, da
sie nach den bisherigen Beiträgen berechnet
wird. Wer eine Familie oder Kinder zu erhalten hat, bezieht außerdem noch Familienbei-
hilfe, aber allzu weit kommt man damit nicht.
Auch wenn es nicht angenehm ist, sollte man
sich daher – speziell, wenn man Familie hat
– überlegen, wie man in einer solchen Situation finanziell zurande käme. Welche Mittel
sind vorhanden, welche Kosten müssen monat­
lich gedeckt werden, welche Kosten würden
wegfallen (z.B.bei Pendlern das Zweitauto),
wie realistisch wäre ein Umzug in günstigere
Wohnräume? Wäre ein Wechsel in einen
­anderen Beruf denkbar? Könnte das Ein­
kommen des Partners eine (vorübergehende)
Arbeitsunfähigkeit auffangen?
Jung, kerngesund, Büroangestellter
Zeigt sich, dass das Leben nicht nur völlig
auf den Kopf gestellt würde, sondern sogar
exis­tenziell bedroht wäre, sollte man sich die
Angebote der privaten Berufsunfähigkeitsversicherer ansehen. Und damit sind nicht
Zusätze in der Lebensversicherung gemeint,
sondern selbstständige Berufsunfähigkeits-
Produkte (SBU). Sie sollen die Lücke zwischen
den staatlichen Versicherungsleistungen und
dem tatsächlichen Geldbedarf abdecken, bis
der Versicherte Anspruch auf eine Alterspension hat, also höchstens bis zum 65. Lebensjahr. Billig ist so etwas nie; richtig teuer
wird es aber für bestimmte Berufsgruppen
mit ­hohem Unfall- oder Erkrankungsrisiko
wie Dachdecker, Bauarbeiter oder Friseure
(Allergien!), oder wenn man relativ spät
­einsteigt und eine Versicherungsdauer bis
65 Jahre wählt. Laut dem deutschen Bund
der Versicherten ist ein Vertragsabschluss mit
40 Jahren um ungefähr 40 Prozent teurer als
mit 30 Jahren. Und für Menschen mit Vor­
erkrankungen findet sich überhaupt nur sehr
schwer ein Anbieter oder überhaupt keiner.
Die Rosinen herauspicken
Trotzdem sollte man nicht gleich das erstbeste
Angebot annehmen. Die Unterschiede bei
der Prämienhöhe sind gewaltig. Wer mög-
kompetent
Foto: Steven Frame / Shutterstock.com
Riesenunterschiede. Wer das erst­
beste Angebot annimmt, zahlt mit etwas
Pech doppelt oder dreimal so viel wie bei
einem anderen Anbieter.
Beratungsintensiv. Neben dem
Angebotsvergleich sind auch mögliche
Einschränkungen und Ausschlüsse eine
Herausforderung für Laien. Unabhängige
Beratung ist daher das Um und Auf.
Alternativen. Wenn eine BU-Versicherung zu teuer wäre oder bereits Vorerkrankungen bestehen, kann eine Grundfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung das Schlimmste absichern.
KONSUMENT 9/2014 17
Berufsunfähigkeitsversicherung – Prämie 25-jährige Person
lichst viele Anbieter vergleicht, kann sich mehr
als die Hälfte ersparen, und das bedeutet
bei einer Versicherung wie der BU mehrere
Hundert Euro im Jahr. Extremstes Beispiel aus
unserer Erhebung für eine 25-jährige Person:
Ein Bäcker müsste für eine Monatsrente von
1.000 Euro bei der Donauversicherung eine
Prämie von rund 859 Euro jährlich zahlen, bei
der Nürnberger wären es 2.119 Euro. Ein Verkäufer würde bei der N
­ ürnberger fast doppelt
so teuer (1.070 Euro) aussteigen wie beim güns­
tigsten Anbieter G
­ othaer (532 Euro). Die Band­
breite beim Friseur reicht von 827 Euro bis
1.730 Euro jährlich. Hier wird also anscheinend sehr unterschiedlich kalkuliert. Ein Grund
könnte sein, dass manche Versicherer die verschiedenen Berufe in vier Risikokategorien
unterteilen, manche in sieben oder mehr.
Um hier nicht als Verlierer auszusteigen, sollte
man den für die eigene Berufsgruppe güns­
tigsten Anbieter ausfindig machen.
Rentenhöhe und Dauer reduzieren
Die Prämie ist aber, wie so oft bei Versicherungen, nicht alles: Das Gesamtpaket muss
stimmen – das heißt, es muss zunächst einmal ganz allgemein auf den eigenen Bedarf
abgestellt sein. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass man nur eine bestimmte
­Kernzeit versichert, in der einen die Berufsunfähigkeit besonders treffen würde – etwa
zwischen 30 und 55 Jahren, weil da die
­Kinder noch klein sind; oder weil man in
den Jahren danach ohnehin fix mit einer größeren ­Summe rechnen kann. Das senkt die
18 KONSUMENT 9/2014
398,42
460,21
506,50
325,61
440,17
513,53
543,61
852,03
349,20
321,98
432,22
1.506,34
1.838,74
859,40
977,09
1.357,17
2.119,42
1.455,96
1.507,23
1.318,10
897,42 (62)
875,61 (62)
1.506,34
1.366,93
1.756,2 (60)
1.504,78
2.592,27
1.730,50
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1.507,23
1.633,30
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Prämie ungemein und kann die Versicherung
auch für Personen erschwinglich machen,
die sonst nicht einmal daran denken könnten. Oder man kalkuliert anhand einer Rente,
die zwar nicht ganz den gewohnten Lebensstandard finanzieren würde, aber im Fall des
Falles trotzdem ein wertvoller „Zuschuss“
wäre. Unbedingt zu achten ist auch auf
die jährliche Zahlungsweise; leider wird in
Beratungsgesprächen noch immer viel zu
selten darauf hingewiesen, um wie viel
­teurer eine monatliche, halb- oder vierteljährliche Zahlung kommt.
Must-haves im Vertrag
Zu einer optimalen Versicherung zählt auch,
dass einige Details nicht bzw. auf jeden Fall
im Vertrag enthalten sein sollten. Zum Beispiel der Verzicht auf abstrakte Verweisung:
Damit ist sichergestellt, dass der Versicherer
nicht die Rente verweigern kann, indem er
auf einen anderen Beruf verweist (z.B. eine
Friseurin mit Kontaktallergie auf einen Verkäuferjob).
Enthalten sein sollte auch eine Nachver­
sicherungsgarantie: Sie ermöglicht eine Aufstockung der Leistung ohne erneute Gesundheitsprüfung, etwa wenn man jetzt besser
verdient oder wenn man eine Familie gründet
und erhöhter Schutzbedarf besteht. Auch eine
sofortige Anerkennung der Berufsunfähigkeit
bzw. rückwirkende Leistung ist ein wünschenswerter Vertragsbestandteil. Dann erfolgt die
Rentenzahlung nämlich ab Beginn der tatsächlichen Berufsunfähigkeit und nicht erst
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942,10 (55)
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1.127,11 (62)
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826,92
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852,03
1.091,70
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Hausfrau
Friseur
B1 Premium
SBU-professional
BUN, BUO, BUP, BUQ 1)1)
GSBU13-1E6M1
BV13
Plan B
Tarif 4701/14/0
Zukunft & Verantworten - BU
BU
BSA05
SBU
Dachdecker
Tarifbezeichnung
www.continentale.at
www.dialog-leben.at
www.donauversicherung.at
www.gothaer.at
www.hdi-leben.at
www.nuernberger.at
www.keinesorgen.at
www.uniqa.at
www.wienerstaedtische.at
www.wwk.de
www.zurich.at
Bauarbeiter
(Maurer)
Homepage
Continentale
Dialog
Donauversicherung
Gothaer
HDI
Nürnberger
OOEV
Uniqa
Wiener Städtische
WWK
Zürich
Bäcker
Anbieter
Anwalt/Jurist
JAHRESPRÄMIE IN €
803,78
838,67
859,4 (60)
668,13
920,49 (60)
1.069,78
863,64
n.v.
798,20
794,56
727,98 (62)
ab Meldung oder nach Ablauf der „voraussichtlich dauernden Berufsunfähigkeit“ von
sechs Monaten. Weniger vorteilhaft ist hin­
gegen eine Arztanordnungsklausel, die zur
Behandlung bei einem vorgeschriebenen Arzt
verpflichtet.
Worst-Case-Varianten
Wichtig ist in jedem Fall, professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen, am besten durch
einen unabhängigen Versicherungsmakler, der
mehrere Angebote zum Vergleichen vorlegen
kann und seine Empfehlung auch begründet.
Berufsunfähigkeits-(BU-)Versicherungen sind
komplex, und die Erfahrungen damit sind
­hierzulande noch relativ gering.
Wer sich eine BU-Versicherung nicht leisten
kann oder will oder abgelehnt wird, kann
auch noch die Optionen „private Erwerbs­
Das leistet der Staat
• Gesetzliche Unfallversicherung – leistet
bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten.
• Gesetzliche Invaliditätspension (für
­Arbei­ter), Berufsunfähigkeitspension
(für Ange­stellte), Erwerbsunfähigkeits­
pension (für Selbstständige) – zahlt bis zum
Erreichen der Alterspension eine monatliche
Rente bei dauerhafter Invalidität oder Berufsunfähigkeit. Bei befristeter Arbeitsunfähigkeit
wird ein Rehabilitations- oder Umschulungsgeld bezahlt. Die Beurteilung erfolgt durch
ärztliche Gutachten.
398,42
803,78
460,21
597,36
506,5 (60)
859,4 (60)
446,65
531,86
581,30
897,09
513,53
1.069,78
679,14
863,64
365,67
550,72
617,90
798,20
321,98
794,56
432,22
772,77
Zeichenerklärung:
n.v. = nicht versicherbar
In Klammer ist das Endalter
angeführt, wenn nicht
bis 65 versicherbar.
Angeführt ist die jährliche
Prämie inkl. Versicherungssteuer in € für eine
25-jährige Person,
Rente 1.000 € monatlich;
­Abschlussalter 25, Versicherungsendalter, wenn nicht
anders angeführt: 65.
1
) abhängig von der
­Berufsgruppe
Erhebung: Juni/Juli 2014
©I
unfähigkeitsversicherung“ oder „Grund­
fähigkeitsversicherung“ ins Auge fassen
(siehe Kasten „Das leisten andere private
Versicherungen“). Sie sind vom Leistungsumfang her eingeschränkter und setzen
erst auf einem höheren Invaliditätsniveau
an als die BU-Versicherung – dafür mit
deutlich niedrigeren Prämien: Eine 25-jäh­
rige Köchin würde für eine Rente von
1.000 Euro monatlich zum Beispiel bei der
Uniqa 220 Euro pro Jahr zahlen, der 25-jährige Dachdecker aus unserem Beispiel in der
Tabelle jährlich rund 322 Euro (statt ca.
1.500 bis fast 2.600 Euro). Das ist auch nicht
gerade geschenkt; aber wenn man bedenkt,
wie viel zum Beispiel die ­Kaskoversicherung
fürs Auto pro Jahr verschlingt, so ist eine
derartige „Worst-Case“-Versicherung für das
eigene Auskommen zumindest im Bereich
des Leistbaren.
„Nicht ohne qualifizierte Beratung“
KONSUMENT im Gespräch mit Christian Brandstätter,
Experte für Berufsunfähigkeitsversicherungen
Foto: Helmut Mitter
Verkäufer im
Einzelhandel
kaufm. Büro­
angestellter
interview
Gibt es Angaben dazu, wie viele BU-Versicherungen in Österreich bereits in Anspruch
genommen wurden bzw. wie oft eine Ablehnung erfolgte?
Über diese Zahlen halten sich die Versicherungsunternehmen sehr bedeckt. Man kann
davon ausgehen, dass von den 4,1 Millionen Erwerbstätigen nur rund 100.000 die Arbeitskraft durch eine SBU abgesichert haben und ca. 20 Prozent der beantragten Leistungen aus
unterschiedlichsten Gründen abgelehnt werden.
Was sind häufige Gründe für Leistungsstreitigkeiten mit dem Versicherer?
Eindeutig das Verschweigen von Vorerkrankungen bei der Antragsaufnahme. Bei der Beantragung einer BU-Versicherung sollten daher die Gesundheitsfragen unbedingt wahrheitsgetreu
und vollständig beantwortet, eventuell vorhandene Befunde und Arztberichte zu den gestellten
Fragen b­ eigelegt werden, und im Zweifelsfall sollte mit dem Hausarzt Rücksprache gehalten
werden. Ein weiterer Grund ist die unzureichende Kommunikation zwischen den Beteiligten
im Leistungsfall. Egal ob Arztauskünfte, Selbstauskünfte der Versicherten oder fachgerechte
Unterstützung der Vermittler – eine glasklare Kommunikation ermöglicht eine rasche und
zufriedenstellende Bearbeitung des Leistungsfalls.
Was waren die Gründe für eine Ablehnung bzw. wer entscheidet im Fall einer privaten
­BU-Versicherung, ob jemand berufsunfähig ist?
Die Gründe für eine Ablehnung sind sehr vielfältig: vom Nichterreichen des bedingungsgemäßen 50-Prozent-Grades der Berufsunfähigkeit über die Anfechtung des Vertrages bis
hin zur vorvertrag­lichen Anzeigepflicht. Im Falle einer Berufsunfähigkeit ist ein detaillierter
Fragebogen auszufüllen und mit den vorhandenen Befunden und Unterlagen der behandelnden Ärzte an den Versicherer zu schicken. Der entscheidet nach Erhalt der Unterlagen
über die Ablehnung oder Anerkennung der Berufsunfähigkeit. Bei Bedarf kann er auch noch
weitere ärztliche Gutachten anfordern.
Wo im Internet kann man sich über BU-Versicherungen vorinformieren?
Auf den Homepages der BU-Versicherer und qualifizierten Versicherungsmakler. Auf www.sozvers.at
findet man unter „Berufsunfähigkeit“ zahlreiche wichtige Informationen und auf www.bu-experten.at
werden laufend die Informationen zu diesem Thema erweitert. Von einer Absicherung der Arbeitskraft ohne qualifizierte persönliche Beratung ist jedenfalls dringend abzuraten.
Das leisten andere private Versicherungen
Leseraufruf
Es gibt mehrere Versicherungen von privaten Anbietern mit Leistungen für den Fall, dass man
nicht mehr wie gewohnt arbeiten kann. Sie decken unterschiedliche Risiken oder nur Teilbereiche
der Arbeitsunfähigkeit ab.
•Private Unfallversicherung – leistet nach Freizeitunfällen, nicht aber bei Krankheiten.
•Private Erwerbsunfähigkeitsversicherung – leistet dann, wenn man überhaupt keinen Beruf
mehr ausüben kann. Eine Erwerbsunfähigkeit tritt viel seltener ein als eine Berufsunfähigkeit,
denn in vielen Fällen kann eine Tätigkeit, die körperlich weniger belastend ist, ausgeübt werden.
•Dread-Disease-Lebensversicherung – eine spezielle Er- und Ablebensversicherung, die bei
Nachweis einer schweren (im Vertrag genannten) Erkrankung eine Einmalzahlung leistet.
•Grundfähigkeitsversicherung – eine monatliche Rente, wenn bestimmte Fähigkeiten wie
Sehen oder Hören nicht mehr gegeben sind oder wenn etwa das Treppensteigen nicht mehr
bewältigt werden kann. Psychische Erkrankungen sind allerdings ausgenommen!
Bitte teilen Sie uns Ihre Erfahrungen mit:
•Haben Sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung
abgeschlossen oder wollten Sie eine abschließen?
Was waren Ihre Erfahrungen dabei? Wurden Sie
von Versicherern abgelehnt, und wenn ja, mit
­welchem Argument?
•Haben oder hatten Sie bereits eine Berufsunfähigkeitsversicherung und mussten Sie diese in An­­
spruch nehmen? Hat der Versicherer anstandslos
gezahlt? Wenn nein, warum nicht?
Zuschriften bitte an [email protected] bzw.
an Redaktion KONSUMENT, Linke Wienzeile 18,
1060 Wien.
KONSUMENT 9/2014 19

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