Predigt 400. Geb. Paul Gerhardt Thomas Dilger 11.3.07

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Predigt 400. Geb. Paul Gerhardt Thomas Dilger 11.3.07
Thomas Dilger, Steinweg 18, 34292 Ahnatal
Predigt zum 400. Geburtstag von Paul Gerhardt
Ev. Kirche Ahnatal-Weimar, 11.03.2007
Liebe Gemeinde!
Ein Komet zieht über den Himmel des Jahres 1607.1 In seinem Schweif
kündigt er den Sterne lesenden Zeitgenossen Unheil und Katastrophen an. Gott
nutzt Sonne, Mond und Sterne als drastische Zeichensprache. Davon sind die
Menschen damals noch überzeugt. So erregt diese Mitteilung am Nachthimmel
Schrecken. Auch in der Politik stehen die Zeichen auf Sturm. Der Kaiser
vertreibt die Evangelischen aus Regensburg, der Beginn einer Kette von
Provokationen, die innerhalb weniger Jahre in den 30jährigen Krieg führen.
Es ist der 12. März 1607. Paul Gerhard wird in Gräfenhainichen - nicht
weit von Wittenberg - geboren. "Kleine Eiszeit" nennen die Wetterkundler
dieses Jahrhundert, das den Menschen neben der Kälte und den schwierigen
Lebensbedingungen die Schrecken des Krieges brachte. Paul wächst mit seinen
Geschwistern in einem relativ begüterten Elternhaus auf.
Familie, Staat und Kirche sind in dieser Zeit eng aufeinander bezogen. Die
Kirche, der christliche Glaube hat in dieser streng geordneten Welt eine zentrale
Stellung inne. Man geht zum Gottesdienst, man hält Andachten in der
Hausgemeinde. Und beides ist eingebettet in eine lebhafte Musikkultur. Das
Singen, die Choräle - haben in den letzten Jahrzehnten die Reformation zu den
Menschen gebracht, nicht zuletzt zu den zahlreichen einfachen Leuten, die nicht
lesen und schreiben konnten. Gesungen aber wurde viel.
Dieses geordnete und abgesicherte Leben wird innerhalb weniger Jahre
erschüttert. Durch den Krieg natürlich, heftiger jedoch durch den Tod beider
Eltern. Paul ist damals kaum 13. Die Geschwister werden auseinander
gerisssen. Paul kommt nach Grimma in ein kurfürstliches Internat, einer
Kaderschmiede für den geistlichen und weltlichen Nachwuchs. In Schule und
Studium lernt er nicht bloß etwas über lutherische Theologie, sondern studiert
auch die Kunst der Poetik. Aber die lange Studienzeit ist geprägt von den
Schrecken und Wirren des Krieges, ganz zu schweigen von Pest und Cholera.
"Ach dass doch diese böse Zeit bald wiche guten Tagen, damit wir in dem
großen Leid, nicht möchten ganz verzagen."
So dichtet er wenige Jahre später in Berlin. Hier trifft er Johann Crüger,
einen begabten Kantor. Und in ihm findet er den kongenialen Partner für seine
1 Der folgende Text stammt z.T. aus Petra Bahr: Geboren am 12. März 1607, in: ZeitZeichen 1/2007, 22ff.
Liederdichtungen. Schnell werden seine Gedichte und Lieder gedruckt und
werden innerhalb kürzester Zeit bekannt. Es dauert nicht lange und Paul
Gerhardt ist im deutschen Sprachraum ein bedeutender geistlicher
Liederdichter.
In den schlimmen Jahren des Krieges ist für Paul Gerhardt der Glaube Halt
und Stärke geworden. In seinen Liedern vertraute er die Traurigkeit und
Verzweiflung seinem Gott an. Trotzig und zugleich erstaunlich fröhlich ist
diese Glaubensgewissheit, so wie sie uns in seinen Liedern begegnet.
Wir haben es eben gesungen: Erst der Trotz:
Ist Gott für mich so trete gleich alles wider mich. Hab ich das Haupt zum
Freunde und bin geliebt bei Gott, was kann mir tun der Feinde und
Widersacher Rott.
Und in Strophe 13 die überschwängliche Fröhlichkeit:
Mein Herze geht in Sprüngen und kann nicht traurig sein., ist voller Freund
und Singen, sieht lauter Sonnenschein. Die Sonne, die mir lachet ist mein Herr
Jesus Christ, das was mich seingen machet ist, was im Himmel ist.
Was ist so genial an dieser Dichtung? Was ist es, dass wir dadurch so
angerührt werden? Und gerne einstimmen in den Überschwang des Gotteslobes.
Zunächst ist es die Kraft der Sprachbilder. Die Gedichte und Lieder sind
voll von einprägsamen und einleuchtenden Bildern: Er singt von der güldenen
Sonne, vom Herz, das einmal in Sprüngen geht, ein ander mal sich an der liebe
Sommerzeit erfreut; Er nimmt das Bild des Lebensweges, auf dem man sich
Gott befehlen soll. Und nicht zuletzt malt er das himmlische Paradies in
leuchtenden Farben: "Was will doch wohl nach dieser Welt dort in dem reichen
Himmelszelt und güldnen Schlosse werden?"
Diese mit Bildern gesättigte Sprache bietet jedoch keine einfachen Trost
an, es ist keine oberflächliche Fröhlichkeit, die hier vermittelt wird. Es ist eine
Freude, die gleichsam die Tiefen des Lebens, die Höllenqualen im Hier und
Jetzt durchschritten hat. Das mag uns deutlich werden an dem Lied: O Haupt
voll Blut und Wunden, das uns an die Passionszeit erinnern mag:
Gemeinde 85, 1+2++9+10
Und hier wird auch sehr deutlich, das diese Lieder immer eingängig und
schlicht bleiben. Sie sind hohe Kunst, nach allen Regeln der barocken
Dichtkunst formuliert. Aber man spürt in ihnen nichts Gestelztes oder
Gekünsteltes. Paul Gerhardt beherrschte die Kunst, das Künstliche beinahe
unsichtbar zu machen. Darin besteht sozusagen seine Meisterschaft, dass er
perfekt komponierte Gedichte in klaren Versmaßen schrieb und gleichzeitig die
natürlichen Betonungen beachtete. (Auch der Satzbau blieb durchsichtig.)
Hinzu kommen noch alle möglichen dichterischen Figuren,
Wortspiele,Vergleiche, Kehrreime. In allem versucht Paul Gerhardt eine Einheit
von Inhalt und Form zu erreichen. So wird die Schönheit der Sprache selbst zu
einem Gleichnis der Schönheit und Herrlichkeit Gottes.
Freilich entsteht diese Sprache in Auseinandersetzung mit der Bibel, im
Meditieren der Psalmen. So sind manche Gedichte sozusagen Neudichtungen
von biblischen Psalmen. Und nicht zuletzt ist seine Dichtkunst Ausdruck seines
theologischen Denkens und Empfindens. Ganz ähnlich wie in den Psalmen
steht im Zentrum seiner Dichtung das Gotteslob. Denn wer Gott lobt, der
wendet sich zur Quelle des Lebens. Zugespitzt könnte man seine Haltung so
formulieren: Nur wer lebt, indem er Gott lobt, der lebt wirklich. Denn Loben
bedeutet, dass ich mich mit Gott in Beziehung setze. Und zwar nicht nur wenn
ich Grund zum Danken habe, sondern auch und gerade dann wenn ich Gottes
Zuwendung und Hilfe bitter nötig habe. Auch dann kann und soll man Gott
loben; denn von woher sonst soll mir die Hilfe kommen als von Gott, der dem
Tod die Macht genommen hat. Und Gerhardt preist diesen Gott mit immer
neuen Metaphern und Vergleichen: Brunn der Gnade, ewge Quelle, Vater, der
Ursprung aller Dinge ist, Gut Schatz, Erbteil, Glanz, Freudenlicht, Schirm,
Schild, Hilfe, der Rat schafft, nicht verstößt, von Jugend auf versorgt und, was
geschieht zu einem guten Ende führt. Mit dieser bilderreichen Sprache ist jedes
Lied ein Angebot, sich in Beziehung zu Gott zu setzen und ihn als den Grund
aller Dinge, als Geber aller Gaben anzuerkennen und eben zu loben.
Manch einen mag der Überschwang der barocken Sprache etwas
befremden. Doch Paul Gerhardts Bilder wirken nie vordergründig oder platt,
sondern sind kunstvoll entworfene theologische Sprachbilder, die ganz
unmittelbar zu unseren Gefühlen, zu unserer Seele sprechen.
Beispiel: Weihnachtslied 36, 1+9+10
Vielleicht ist ihnen schon einmal aufgefallen, dass in den Paul Gerhardt
Liedern sehr oft in der 1. Person gesungen wird: Er sagt sehr oft: Ich. Über
dieses Ich hat einmal ein Theologe gesagt: Das ist sozusagen das
überpersönliche Ich der Gemeinde. Wir alle zusammen stimmen ein in dieses
Ich. Zugleich ist es aber das Bekenntnis und Gebet jedes einzelnen, der diese
Verse betet oder singt. So sprechen diese Worte auf eine sehr persönliche, ja
intime Art zu jedem einzelnen, zugleich erleben wir uns im gemeinsamen
Singen aufgehoben in der Gemeinschaft der Glaubenden. Sehr eindrucksvoll
kommt das in einem anderen noch bekannteren Weihnachstlied zum Ausdruck:
Ich steh an deiner Krippen hier. Hier mag sich der oder die einzelne innerlich an
die Krippe des Jesuskindes stellen. Fast ist es ein mystisches Bild: Ich und das
Jesuskind. Eine Strophe ist hier schöner als die andere:
Ich möchte aus EG 37 nur die 3. Strophe zitieren.
Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne, die Sonne, die mir
zugebracht, Licht Leben, Freud und Wonne. O Sonne, die das werte Licht des
Glaubens in mir zugericht, wie schön sind deine Strahlen.
Wie ging Paul Gerhardts Leben weiter? Als Liederdichter berühmt
geworden, erhält Paul Gerhardt sehr schnell eine Stellung als Propst in
Mittenwalde. Er heiratet. Fünf Kinder werden dem Paar geboren. Doch zwei
Töchter und zwei Söhne sterben bereits im Kindesalter. Einige Jahre später
1657 wird er dann zurück nach Berlin an die Kirche St. Nicolai berufen, wo er
weiter mit dem Kantor Johann Crüger zusammen arbeitet. Es erscheint ein
Gesangbuch mit 82 Liedtexten von Paul Gerhardt, viele davon hat Crüger
vertont. Das Wirken des Dichterpfarrer in Berlin ist nun aber von vielen
Konflikten geprägt, da der damalige Kurfürst in seiner Kirchenpolitik die
Anhänger des reformierten Bekenntnisses stärken wollte. Paul Gerhardt leistet
mit vielen Lutheranern zusammen Widerstand gegen diese Politik. Er wird
seines Amtes enthoben. 1668 stirbt seine Frau, gerade 46 Jahre alt. Im selben
Jahr erhält er eine Pfarrstelle in Lübben an der Lausitz. Er lebt in kümmerlichen
Verhältnissen, schreibt hier auch keine Lieder mehr. Am 27. Mai 1676 stirbt
Paul Gerhardt in Lübben, getröstet von einem Lied, das er selbst geschrieben
hat.
Am Ende dieser Predigt möchte ich eine Strophe aus einem weiteren sehr
bekannten Lied stellen, einfach deshalb weil es das Bild des Weges und der
Wanderschaft thematisiert, das Paul Gerhardt persönlich sehr wichtig war. Er
sah das Leben als Wanderschaft hin zur Ewigkeit. Die Gewissheit auf diesem
Weg, so dunkel und belastend er auch sein mag, von Gott geführt und geleitet
zu werden, prägte seinen Glauben. Und damit verbunden die trotzig-fröhliche
Gewissheit, am Ende einzutreten ins Paradies: so wirst du schon erblicken die
Sonn der schönsten Freud.
Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der aller treusten Pflege des
der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.
Amen.

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