nzz_games_20070320

Transcription

nzz_games_20070320
B8
Neuö Zürcör Zäitung
MOBIL DIGITAL
Dienstag, 20.März 2007 Nr. 66
DIGITAL IN KÜRZE
«Drowning in Data»
Logitech bringt Tastatur für die PS 3. Logitech hat
Studien, Studien
eine ganze Palette neuer Produkte vorgestellt, darunter zwei neue Webcams für Notebooks und Zubehör für Sonys Playstation 3. Das Schweizer Unternehmen, das seit Jahren Zubehör für Computer- und
Videospiele herstellt, bringt zwei Controller für die
neue Konsole sowie eine Tastatur, welche für das
Chatten, Mailen und Surfen im Internet via Fernseher ausgelegt ist. Die drahtlose, Mediabord genannte Tastatur mit integriertem Touch-Pad für das
Blättern am Bildschirm ist Ende März für rund 100
Franken erhältlich.
set.
Sharp zeigt LCD-TV mit 108-Zoll-Diagonale. Bisher
waren flache Fernseher mit grossem Format klar die
Domäne der Plasmatechnologie. Nun zeigt Sharp das
grösste LCD-Display, das eine Diagonale von 108
Zoll aufweist, das sind mehr als 2,7 Meter. Der
Jumbo-TV bietet eine Full-HD-Auflösung. Laut
einer Pressemitteilung sei Sharp dank der neusten
Produktionsstätte Kameyama II als einzige Herstellerin in der Lage, Displays in dieser Grösse zu fabrizieren. Zum Preis und zu der Verfügbarkeit macht die
Firma keine Angaben. Sharp setzt voll auf die LCDTechnik, auch Philips hat bekanntgegeben, künftig
keine Plasmafernseher mehr herzustellen.
set.
Sony kommt spät, hat aber mit seiner Videokonsole PS 3 einige Pfeile im Köcher.
GARY HAMILL
Intel produziert Alternative zu Festplatten. Die
Solid State Disc (SSD) auf Basis der Flash-Speichertechnik gilt als künftige Alternative zu Festplatten.
Sandisk hat letzte Woche ein Modell mit 32 GByte
für Notebooks vorgestellt, am Tag zuvor kündigte
Intel erste Produkte an, die jedoch erst über eine
Kapazität von 1, 2, 4 und 8 GByte verfügen. SSDSpeicher arbeiten schnell, sind ohne mechanische
Teile wenig anfällig, aber noch sehr teuer.
set.
Handy-Lautsprecher zum Andocken. Sony Ericsson
hat für das zweite Quartal des Jahres das neue
UMTS-Musikhandy W660i angekündigt, das mit
einem FM-Radio ausgestattet ist. Mittels der Funktion Track-ID können Songs direkt ab Radio aufgezeichnet und via die Musikdatenbank Gracenote
automatisch mit Informationen über Titel und Interpret ergänzt werden. Das neue Walkman-Mobiltelefon ist nicht nur über Kopfhörer zum Klingen zu
bringen, sondern auch über den ebenfalls neuen portablen Mini-Lautsprecher MPS-75. Dieser kann
direkt am Handy angesteckt werden und soll laut der
Herstellerin eine ausgezeichnete Klangqualität bieten. Das Mobiltelefon W660i gibt es für 529 Franken,
das Lautsprecherchen kostet 59 Franken.
set.
Das Imperium schlägt zurück
Sonys Playstation 3 ist mehr als eine Spielkonsole
set. Am kommenden Donnerstagabend werden
Spielfans Schlange stehen vor den Shops, die ab
Mitternacht die ersten Exemplare der Videokonsole PS 3 in Europa feilbieten. Dies zumindest
hofft Sony Computer Entertainment, die mit dem
beliebten Mittel des nächtlichen Verkaufs den
Hype für den Nachfolger der weit über 100 Millionen Mal verkauften Playstation 2 ankurbeln will.
Etwas Nachhilfe könnte durchaus nötig sein,
denn der Marktleader ist letztes Jahr unter Druck
geraten, nachdem die Lancierung der neuen
Spielkonsole weltweit verschoben worden war, in
Europa gar auf Ende März dieses Jahres. In der
Zwischenzeit hat Microsoft ihre Xbox 360 bereits
seit mehr als einem Jahr mit Erfolg im Markt
positioniert. Auch Nintendos neue Konsole Wii
verkauft sich sehr gut und spricht dank der innovativen Steuerung neue Kundensegmente an.
Technische Leckerbissen
PD
Nachspiel
Zu viel des Guten?
«In the beginning there was? Pong» – «Am Anfang war? Pong», steht auf einem schokoladebraunen T-Shirt im Siebziger-Jahre-Look. 1972
reichten bei «Pong» zwei Striche und ein Punkt
für schweisstreibende Tischtennis-Matches auf
dem schwarzweissen Bildschirm aus. Später folgten «Space Invaders» und «PacMan», die manchen fast um den Verstand, aber ganz sicher um
das Taschengeld brachten. Inzwischen steigt der
Gamer in dreidimensional animierte Welten von
fotorealistischer Anmutung ein. Das für die PCSpieler bekannte Wettrüsten mit Hochleistungsgrafikkarten und -prozessoren hat seit dem Einstieg von Microsoft ins Konsolengeschäft auch die
Videospieler erfasst.
Als 2001 die Xbox eingeführt wurde, strengte
J. Allard, treibende Kraft hinter dem HardwareZweig des Software-Riesen, den Vergleich zu
einem Ferrari an. Bis zu jenem Zeitpunkt erinnerten Konsolen eher an Volkswagen, die laufen und
laufen und laufen. Nur alle fünf Jahre sahen sich
passionierte Videospieler dazu verpflichtet, neue
Hardware zu kaufen und erst noch zu einem vergleichsweise vernünftigen Preis. Derzeit buhlen
zwei «Ferraris» um die Gunst der Käufer: Microsofts Xbox 360 und Sonys Playstation 3. Während
die Xbox 360 ein Jahr Vorsprung und die Anforderungen der High-Definition-Technologie im
Griff hat, müssen die Programmierer der PS 3
sich zuerst einmal mit deren «Fahrverhalten» vertraut machen.
Aus diesem Wettstreit der High-Tech-Boliden hält sich Nintendo mit der eigentümlichen
Konsole Wii heraus. Statt Pseudorealitäten bietet die Wii relativ rudimentäre Grafik. Dennoch
verkauft sich die Nintendo-Maschine bis dato
besser als die fast zeitgleich in Asien und den
USA gestartete PS 3. Das hat zum einen mit
dem Preis zu tun – eine Wii kostet halb so viel
wie ein Gerät der dritten Playstation-Generation –, zum anderen aber damit, dass die Spiele
primär Spass machen und nicht einfach wie eine
Seifenblase schön schillern und bei näherer Betrachtung verpuffen.
Marc Bodmer
Sony kommt spät, hat aber einige Pfeile im
Köcher wie den Prozessor, das Speichermedium
und die Bildqualität. Stolz ist Sony auf den mit
Toshiba und IBM entwickelten Cell-Prozessor,
der die Leistung herkömmlicher PC um bis zum
Zehnfachen übertreffen soll. Laut der Herstellerin schafft der aus mehreren Kernen bestehende
Cell über 200 Milliarden Gleitkomma-Berechnungen pro Sekunde, um ein flüssiges Spiel auf
hervorragendem grafischem Niveau zu bewältigen: Die PS 3 liefert als einzige Konsole eine Auflösung in Full HD (1080 p). Eine Supergrafik
macht zwar noch kein Game, trägt jedoch zum
Kitzel bei. Zum Beispiel mit fotorealistischen
Szenen oder genüsslich inszenierten Details wie
beim Crash eines Monster-Trucks, der in seine
Einzelteile zerlegt wird. Voraussetzung ist allerdings ein Fernseher mit Full HD. Die PS 3 ist als
erste Konsole mit einem optischen Laufwerk der
nächsten Generation ausgestattet, der von Sony
entwickelten Blu-Ray-Disc. Dank der Speicherkapazität von bis zu 50 GByte sollen für HD aufbereitete Filme mit 7.1-Kanal-Surround-Sound
das Heimkino in neue Dimensionen führen. Die
elegante schwarze Kiste spielt natürlich auch
DVD-Filme ab, und das ohne Nebengeräusche
einer Xbox 360, die sich, einmal warmgelaufen,
als Haartrockner eignen würde.
Ich bin auch eine Multimedia-Maschine
Die PS 3 ist auch eine Multimedia-Maschine, die
mit einem Netzwerkanschluss, mit WLAN, Bluetooth und USB ausgestattet ist. Drei Slots für
Speicherkarten erlauben, ohne Umweg Fotos und
Videos in HD-Qualität auf den Fernseher zu
laden oder auf die Festplatte (60 GByte) zu speichern. Diese taugt auch als Musik-Jukebox, Songs
kann die PS 3 ab CD selber rippen. Mit einem
Breitbandanschluss im Haus wird die PS 3 auch
zur Surfstation und gibt Zugang zur neu lancierten Online-Plattform Playstation Network. Der
Preis der PS 3, für die beim Start 30 Spiele verfügbar sein werden, könnte sich als Show-Stopper erweisen: Er liegt bei 899 Franken, wobei Sony für
Europa eine abgespeckte Version ausliefert, die
nicht mit allen alten Spieltiteln kompatibel ist.
S. B. Klimawandel, Butterberge und die Feminisierung der Süsswasserfische sind Probleme, die
Medienkonsumenten zu schaffen machen, vor
allem aber: der Datenüberfluss. Es gibt einfach zu
viel von allem. Wir sind Ertrinkende. «Drowning
in Data» ist so etwas wie die Erkennungsmelodie
des Informationszeitalters. Google vermeldet für
dieses Thema 1 200 000 Webseiten. Ein paar Dutzend davon verweisen auf eine Studie des Marktforschungsunternehmens IDC, die mit grossen
Zahlen verblüfft: Es seien im vergangenen Jahr
auf der Welt 1288 Trillionen Bits neu kreiert worden. Eine Trillion ist eine Eins mit 18 Nullen.
Diese Datenmenge sei grösser als der Inhalt aller
Bücher, die jemals geschrieben wurden. Allein die
Kameras der Londoner Verkehrspolizei erzeugten täglich 64 Billionen (12 Nullen) Bits. Die IDCForscher zählten 2006 insgesamt 161 Exabytes auf
der Welt; um das in Bits auszudrücken, wäre wiederum eine Zahl mit 18 Nullen vonnöten. Bis ins
Jahr 2010 soll sich der Datenbestand auf 988 Exabytes erhöhen, die durchschnittliche jährliche
Wachstumsrate schätzt IDC auf 57 Prozent.
Wog die Erde weniger schwer, als es noch nicht
so viele Daten gab, war das Leben leichter?
Irgendwann richtete sich der erste Mensch auf,
erblickte ein anderes Augenpaar. So entstand die
Menschheit. Heute schaut man in ein Gesicht,
versucht den Hautunreinheiten Filter-Algorithmen zuzuordnen, überlegt sich, bei welchem
Kompressionsfaktor das Lächeln sich wohl im
Uneindeutigen verlieren würde. Indem nun alles,
was ist, betrachtet wird als das, was es wäre, wäre
es digital, wird alles vergleichbar. Egalitarismus
macht sich breit. Es gibt aber auch neue Ungleichgewichte, um nicht zu sagen: Ungerechtigkeiten.
Würde dieser Text, anstatt auf Papier gedruckt,
von einem «Tagesschau»-Redaktor vor laufender
Kamera mit eingeblendetem Sponsoring-Hinweis
vorgelesen, er gewänne datenmässig gewaltig an
Gewicht, wäre um Grössenordnungen «informativer», würde auf einer Festplatte nicht mehr nur
ein paar Bytes, sondern Gigabytes belegen.
Damit das nicht überbordet, gibt es bei Festplatten einen Verdrängungsmechanismus, Mean
Time To Failure (MTTF) genannt. Gemäss einer
Anfang März publizierten Studie der Carnegie
Mellon University ist die MTTF in der Realität
sehr viel höher, als die Prospekte der Hersteller
glauben machen wollen. Die Forscher, die die
Funktionsweise von rund 100 000 Festplatten beobachteten, fanden, dass die tatsächliche Ausfallrate um den Faktor 2 bis 15 höher ist, als es Herstellerangaben mit MTTF-Angaben von typischerweise mehr als einer Million Stunden erwarten lassen. Die IDC-Forscher schätzen die durchschnittliche Lebensdauer einer Festplatte auf fünf
Jahre, gemäss der MTTF-Studie ist das eine optimistische Schätzung. So ist dann vielleicht nicht
der Kopierschutz daran schuld, dass spätere
Generationen nichts mehr anfangen können mit
den von uns auf Festplatten liebevoll angehäuften
MP3-Songs, Porträtaufnahmen und Videos von
endlosen Autokolonnen.
Fliegende Fäuste in High Definition
Erwartungsgemäss schlägt «Virtua Fighter 5» die Kampfspiel-Konkurrenz mühelos k. o.
mdb. Eine Hollywood-Weisheit besagt, dass nach
drei Teilen die Luft draussen ist. Selbst Indiana
Jones nahm nach dem vollendeten Trio den
Schlapphut. Natürlich gibt es Ausnahmen, bei
Videospielen sind aber Serientäter eher die
Regel: «Ridge Racer 7», «Final Fantasy XIII»
oder eben «Virtua Fighter 5» von Sega. Hier geht
es um die fünfte Auflage des Prügelklassikers. Sie
sticht aus den 30 Playstation-3-Titeln heraus, die
zum Start der neuen Konsole bereitstehen. Zur
Zeit, als Sega noch selber Hardware herstellte, gehörte ein anständiger Kampfsport-Titel einfach
zum Repertoire. Sie waren wichtiger als die derzeit so beliebten Shooter, schliesslich kannte man
die Schlägereien aus den Spielsalons, in denen
man sich virtuell eins an die Löffel geben konnte.
Gestern wie heute ist «Virtua Fighter» die
Referenz in Sachen Fighting-Games. Daran haben weder die knisternden Blitzwolken von «Tekken», die abstrusen Waffen von «Soul Calibur»
noch die wippenden Busen der «Dead or Alive»Mädels je etwas ändern können. Auf solche
Tricks waren die akkuraten Animationen von
«Virtua Fighter» nie angewiesen. Die geradezu
kubistische Grafik aus den späten neunziger Jahren ist hochauflösender Pixelkunst gewichen. Die
Körper der Kämpen scheinen aus glänzendem
Wachs gegossen zu sein, ihre Haarpracht weht im
Wind. Über diese Neuerungen hinaus haben die
Programmierer den Verlockungen der Next-Generation-Konsolen widerstanden und sich auf das
Wesentliche konzentriert: die Kämpfe. Sie finden
wie immer auf einem eingegrenzten Feld statt,
was taktisch bedeutsam ist. Deckt man seinen
Gegner mit einem Trommelfeuer von fliegenden
Fäusten ein, sieht sich dieser – sofern er oder sie
nicht zu kontern versteht – zum Rückzug gezwungen und kann so aus dem Ring gedrängt werden.
Bei «Virtua Fighter 5» unterscheiden sich die
strammen Kämpferinnen und ihre muskulösen
Kollegen kaum in ihrer Durchsetzungskraft. Was
an Schnelligkeit fehlt, wird durch rohe Gewalt
und Nehmerqualitäten wettgemacht und umgekehrt. Mit einer feingliedrigen Amazone lässt sich
Präzise Kick-Kombinationen zeigen beim zähesten Gegner Wirkung.
der ungehobeltste Klotz niederschleifen – vorausgesetzt, man kennt die entsprechenden Tastenkombinationen. Sicher kommt man auch mit entfesselten Schnellfingereien zu manchem Sieg,
doch «VF 5» besticht durch seine präzise Steuerung, die vom Spieler Gewinn verheissende Kombos fordert und auch möglich macht.
Nebst den üblichen Verdächtigen finden sich
unter den 17 Kämpfern zwei Neuzugänger: der
mexikanische Wrestler El Blaze und die Chinesin
Eileen mit Kung-Fu-Erfahrung. Im sogenannten
Quest-Modus streift der Spieler durch virtuelle
Spielsalons, wo er auf Lokalmatadore trifft und
attraktive Extras für seine Figur gewinnen kann.
PD
Diese nette Spielweise kann nicht wirklich über
die fehlende Online-Option hinwegtrösten. Die
Möglichkeit, sein Kampftalent mit globalen Gegnern zu messen, wäre zweifellos spielvertiefender
gewesen. Nichts aber ersetzt eine reale Tête-àTête-Begegnung im Wohnzimmer. Hier bleibt
«VF 5» unschlagbar. Mit «Virtua Fighter 5» liefert Sega den bisher überzeugendsten Playstation-3-Titel. Der aufgefrischte Quest-Modus, die
üppigen Kostümierungsvarianten und die knochentrockene Steuerung setzen die erfolgreiche
Tradition des Kampfspiels fort und zeigen der
Konkurrenz, was eine Harke ist.
Virtua Fighter 5, Sega, PS 3 (Testversion). Ab 16 Jahren.