nzz_games_20070918

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nzz_games_20070918
B8
Neuö Zürcör Zäitung
MOBIL DIGITAL
Dienstag, 18. September 2007 Nr. 216
DIGITAL IN KÜRZE
Alle wollen nur das eine
Lenovo baut PC mit Solar-Panel. Der weltweit
iPhone-Marketing via Hacking-Szene
drittgrösste PC-Hersteller Lenovo lanciert mit dem
ThinkCentre A61e einen Desktop-PC, der nicht nur
der kleinste und ruhigste Rechner der Firma sein
soll, sondern auch der umweltfreundlichste. Der mit
einem AMD-Prozessor des Typs Athlon X2 DualCore bestückte PC konsumiert im Betrieb 45 Watt
Strom und unterschreitet laut dem chinesischen
Unternehmen damit klar die Richtlinien des Labels
Energy-Star 4.0. Um den Strom auch gleich selber
und umweltfreundlich zu generieren, wird für den
PC als Option ein Solar-Panel angeboten.
set.
Kritik an Websites der Kantone und Städte. Die
Stiftung «Zugang für alle» hat in ihrer AccessibilityStudie 2007 50 Websites des Bundes, der Kantone,
grosser Städte sowie von bundesnahen Betrieben auf
ihre Benutzerfreundlichkeit für Behinderte getestet.
Die Websites wurden nach den vom Bund erstellten
Richtlinien für den barrierefreien Zugang sowie
nach den internationalen Web Content Accessibility
Guidelines begutachtet. Gegenüber der ersten Studie von 2004 gab es signifikante Verbesserungen,
doch die Bilanz ist durchzogen. Die Studie lobt insbesondere die Websites der zentralen Bundesverwaltung; von Ausnahmen abgesehen bekommen Kantone und grosse Städte weniger gute Noten. Keine
der 50 Sites habe alle für den barrierefreien Zugang
erforderlichen Kriterien erfüllt.
set.
Palm bringt Smartphone ohne Touchscreen. Die
für ihre PDA und Smartphones mit berührungssensitivem Bildschirm bekannte Herstellerin Palm hat
ihr erstes Gerät ohne einen solchen Touch-Screen
angekündigt. Das Smartphone Treo 500v wird über
Navigationstasten bedient und verfügt über eine
vollständige Tastatur. Als Betriebssystem setzt Palm
nicht auf das einst selber entwickelte Palm OS, sondern auf Windows Mobile 6. Von anderen WindowsSmartphones unterscheidet sich das neue Modell jedoch durch eine von Palm entwickelte grafische Benutzeroberfläche. Mit seinem flachen Design und
den runden Ecken ist der Treo mehr auf Lifestyle
ausgerichtet als bisherige Modelle. Das UMTSHandy ist mit einer 2-Megapixel-Kamera ausgerüstet und verfügt über 256 MByte internen Speicher,
der über Micro-SD-Karten erweitert werden kann.
In den ersten Monaten wird der Treo 550v exklusiv
für Vodafone-Kunden in Europa angeboten, ab Anfang 2008 wird er auch in der Schweiz ohne Bindung
an einen Provider erhältlich sein.
set.
PD
Nachspiel
Ein Rolly genanntes Musikwiedergabegerät von Sony reagiert auf Streicheleinheiten.
PD
Musik zum Anfassen
Sony Walkman und Apple iPod werden berührungsempfindlich
S. B. Das Ding sieht aus wie ein Straussenei. Oder
eher wie ein Ufo? Musik ertönt, es wackelt mit
den Ohren – Satellitenschüsseln? – , es kullert umher, lässt farbige Lichter blinken. Das Ding heisst
Sony Rolly und ist ein neuartiges Musikwiedergabegerät, das Ende Monat für umgerechnet 260
Euro in Japan auf den Markt kommt. Ob es auch
in Europa irgendwann zu kaufen sein wird, ist
fraglich, denn Europäer zeigen sich gegenüber
Tamagotchi-ähnlichem Elektronikspielzeug eher
reserviert. Verglichen mit gängigen Musikwiedergabegeräten wirkt der Rolly schwer und gross; die
Speicherkapazität beschränkt sich auf 1 GByte,
die Batterie hält nur fünf Stunden durch. Trotzdem: Dieses Gerät ist zukunftsträchtig, es verweist auf neue Formen im Umgang zwischen
Mensch und Maschine. Es reagiert auf seine Umwelt, weiss um seine Lage im Raum. Die Musikwiedergabe wird gesteuert, indem man das Ding –
Tanzroboter? – schüttelt, dreht oder rollt.
Auch Apple hat in diesen Tagen verbesserte
Musikwiedergabegeräte vorgestellt, und auch
diese wollen gedreht, gewendet und gestreichelt
werden. Neben einem berührungsempfindlichen
Bildschirm wird beim iPod Touch die Benutzerinteraktion auch durch einen Bewegungssensor
unterstützt: Wird das Gerät gedreht, passt sich
der Bildschirminhalt an. Der iPod Touch wurde
schon als iPhone ohne Phone beschrieben, doch
diese Beschreibung ist nicht ganz zutreffend,
denn nicht nur die Telefoniefunktionen fehlen,
sondern zum Beispiel auch ein E-Mail-Programm, ein editierbarer Kalender oder ein Lautstärkeregler. Der Touch kann aber auch einige
Pluspunkte für sich verbuchen: Er ist dünner
(8 Millimeter), leichter (120 Gramm) und vor
allem: Er ist bereits im Verlauf dieses Monats
auch in der Schweiz zu kaufen, das 8-GByteModell kostet 469 Franken, mit 16 GByte erhöht
sich der Preis auf 649 Franken, MWSt und MP3Steuer inkl. Weitere Neuerungen in der iPodFamilie sind ein iPod Classic mit einer Speicherkapazität von 160 GByte – das reicht für 40 000
Songs – und ein iPod Nano, der – kaum grösser als
ein Zündholzbriefchen – dank einem hochauflösenden Bildschirm sich auch für die Wiedergabe von Videos eignet.
Der iPod kam im Oktober 2001 auf die Welt,
im April 2007 verkaufte Apple das hundertmillionste Gerät. Die kalifornische Firma dominiert
inzwischen das Geschäft mit mobilen Musikwiedergabegeräten klar – ein Geschäft, das Sony
1979 eröffnet und mit den Walkman-Produkten
während vieler Jahre bestimmt hatte. Fast zeitgleich mit Apple hat Sony Anfang September
neue Produkte lanciert: Die Media Player NWZA810 und NWZ-S510 fallen dadurch auf, dass sie
alle Andersartigkeit abgelegt haben. Bisher erschwerten proprietäre Dateiformate und Kopierschutzmassnahmen die Nutzung dieser Sony-Produkte; nun hat sich die japanische Firma vom
hauseigenen Atrac-Format verabschiedet und
sich Standard-Formaten geöffnet (MP3, AAC,
WMA). Beim Kopierschutz richtet sich Sony
nach den Vorgaben von Microsoft. Die jüngsten
Walkman-Modelle bieten eine Speicherkapazität
von 2, 4 oder 8 GByte. Sie sollen ab Oktober verfügbar sein.
hag. Es gibt zurzeit in dieser Welt ein technisches
Teil, das jene Menschen, die mit solchen Teilen
überhaupt etwas anfangen können, im Bann hält
wie kein anderes. Zwar ist es nur ein Mobiltelefon
mit guten Voraussetzungen für die Organisation
des multimedialen Alltags. Das Kürzel «i», das
seinem Namen vorangestellt ist, sorgt indes fast
von selbst dafür, dass daraus ein Kultgerät wird.
Das Marketing-Rezept für solche Erfolgsgeschichten lieferte die Firma Apple bereits mit
dem iPod. Als dieser MP3-Player vor fünf Jahren
auf den Markt kam, gab es schon Hunderte solcher Geräte. Keines aber war so einfach zu bedienen und kam in einer derart wertigen Verpackung
daher wie der Multimedia-Player aus Kalifornien.
Die Geschichte nach dem Motto «primus inter
pares» scheint sich – obwohl die erste Gerätegeneration technisch noch Nachholbedarf hat –
beim iPhone fortzuschreiben. Denn Apple-CEO
Steve Jobs hat bei dessen Vermarktung noch
einen Gang höher geschaltet, indem er sich auf
eine simple Formel besann: Begierde durch eingeschränkte Verfügbarkeit wecken. Konkret führte er das iPhone nach Kontinenten gestaffelt ein
und monopolisierte dessen Betrieb über den Zuschlag an nur einen Telekom-Provider pro Land.
Just diese technische Vinkulierung war es, welche
die Hacker-Szene fast idealtypisch zum geheimen
Verbündeten von Steve Jobs machte. Getrieben
vom in dieser Szene üblichen ideologischen Ehrgeiz, lief die Marketing-Dramaturgie des iPhone
denn auch ganz nach Drehbuch ab.
Bereits zwei Wochen nach dem als HandyHype inszenierten Verkaufsstart in den USA
knackte der norwegische Hacker-Guru Jon Lech
Johansen das iPhone softwaremässig für den Betrieb als Super-iPod ohne Telefonie. Nur wenige
Wochen später kursierten die ersten Anleitungen
zur Aushebelung des sogenannten Sim-Lock, um
danach mit dem Gerät weltweit in allen Netzen
telefonieren zu können. War zur Überwindung
dieser letzten Hürde noch diffizile Lötarbeit
nötig, gab es bereist zehn Tage später den ersten –
kostenpflichtigen – Software-Hack zum Knacken
des Sim-Lock. Der kommerzielle Slot blieb nicht
lange offen. Gerade mal zwei Tage später wurde
er Mitte letzter Woche von der Hacker-Szene geschlossen. Das «iPhone Dev Team», das sich
anonym via Chatrooms organisiert, hatte AppleChef Steve Jobs den entscheidenden Steilpass zur
Ankurbelung der iPhone-Verkäufe geliefert.
Zwar ist auch dieser Hack des iPhone (www.
xonio.com/bildergalerie/xbildergaleriev3287
68052.html) durchaus kein Spaziergang für die
grosse Masse. Dennoch kann er Anreiz sein, sich
das Objekt der Begierde bereits vor dem für
November in Europa geplanten Verkaufsstart zu
beschaffen – der günstige Dollarkurs und eine geschickt placierte massive Preissenkung dürften
dafür Entscheidhilfe liefern. Das letzte Kapitel
dieses Bilderbuch-Marketings hat Apple selbst
geschrieben: Der Konzern will vorerst nicht gegen
die iPhone-Hacker vorgehen.
Himmlischer Schwertkampf in atemberaubender Kulisse
Spiel mobil
Konsolen- und Computerspiele sind mittlerweile
längst wohnzimmertauglich geworden, nachdem
sie doch lange Zeit in der Allgemeinheit als «für
Freaks» abgestempelt worden waren. In Bezug
auf die mobilen Spielkonsolen hat demgegenüber
noch länger vehemente Zurückhaltung geherrscht. Stundenlanges Spielen in den eigenen
vier Wänden war zwar kein Problem mehr, sich in
aller Öffentlichkeit als Spieler zu outen, lag aber
noch eine Hürde höher; zumal Gameboy und Co.
selten auf ein anderes Publikum als Kinder zielten. Für ältere Spieler liess die grafische Darstellung im Vergleich zu den heimischen Spielgeräten sehr zu wünschen übrig, und für die Qualität
der Inhalte hatten viele kaum mehr als ein
Nasenrümpfen übrig, der Autor dieser Zeilen
eingeschlossen.
Doch nun scheint sich auch diese letzte Bastion der Anti-Spiele-Fraktion endgültig in Luft
aufgelöst zu haben. Die mobilen Spielkonsolen
sind längst verkappte Kraftprotze, locken als
Mini-Medienzentralen und lassen sich schlichtweg überall benutzen: im Zug auf dem Weg zur
Arbeit, im Auto während langer Reisen, im
Flugzeug oder beim Warten auf Weiss-nicht-was
– ja sogar im Kino, zum Leidwesen der anderen
Zuschauer.
Als dankbare Abnehmer entpuppen sich erstaunlicherweise vielfliegende Geschäftsleute
und Spitzensportler, die sich dank Playstation
Portable und Nintendo DS, alleine oder – Wireless LAN sei dank – mit Kollegen, die tote Zeit
um die Ohren schlagen. Nur gut, dass das Flugpersonal technisch nicht so versiert ist, sonst wäre
wohl aus Sicherheitsgründen bald Schluss mit
dem mobilen Mehrspieler-Vergnügen.
Aber was erzähl ich denn da überhaupt?
Eigentlich ist doch auch dies schon wieder Schnee
von gestern. Bei den neusten mobilen Spielen
dient die Hardware nur noch als Mittel zum
Zweck, während eine Gruppe Freiwilliger sich im
Stil von «Scotland Yard» per Handy quer durch
Manhattan jagt oder gelangweilte GPS-Besitzer
weltweite Schnitzeljagden veranstalten. Was für
«Freaks» doch unter uns leben . . .
Michel Pescatore
Mit dem Hack'n'Slash-Epos «Heavenly Sword» offenbart Sonys Playstation 3 erstmals ihr Potenzial
mdb. Ursprünglich sollte diesen begehrten Platz
eine Besprechung von John Woos «Stranglehold»
in Beschlag nehmen. Doch so verdienstvoll der
Einsatz des Meisters des ballistischen Balletts ist
und so lobenswert, dass Regisseur John Woo die
Fortsetzung seines Hongkong-Actionkino-Klassikers «Hard Boiled» («Lat sau san taam») als
Videospiel auf den Markt bringt, so hart fiel die
Entscheidung aus, den ballernden Inspektor Tequila von der NZZ-Kritik zu suspendieren. Anstelle der durchaus vergnüglichen Zerstörungsorgie «Stranglehold» hat der erste Höhepunkt auf
Sonys Playstation 3 diese Woche das Rennen gemacht: «Heavenly Sword».
Die traditionsbewusste Rachegeschichte, die
dem visuell atemberaubenden Epos zugrunde
liegt, beginnt mit dem Tod der schönen Protagonistin Nariko. Sie ist die Trägerin des himmlischen
Schwerts, doch dessen zerstörerische Kraft fordert ihren Tribut. Inmitten des Schlachtgetümmels bricht die Schöpfung von Konzeptkünstler
Alessandro Taini zusammen, doch sie mag nicht
sterben. Nariko wird von ihrem Volk gebraucht,
das vom widerwärtigen König Bohan der kostbaren Klinge wegen gejagt wird. Gesteuert vom
Spieler, kehrt die Amazone mit dem wilden Rotschopf zurück. Ihr bleiben fünf Tage, um ihr
Schicksal abzuwenden.
Was an «Heavenly Sword» als Erstes auffällt,
ist der unheimliche Fluss der Bewegungen. Wie in
einem trunkenen Todestanz wirbelt Nariko durch
die Reihen ihrer zahllosen Gegner, die – werden
sie von der göttlichen Klinge getroffen – wie
Mäuse zwischen den Krallen und Pfoten einer
Katze durch die Luft fliegen. Diese spektakulären
Animationen sind das Resultat einer neuen Technik, die von den Weta Digital Motion Capture
Studios für dieses Spiel erfunden wurde, die sogenannte «Full Performance Capture». Dabei werden gleichzeitig Körperbewegungen, Mimik und
Dialoge von bis zu fünf echten Darstellern aufgezeichnet. «So schauen sich die Figuren wirklich
von Auge zu Auge», erklärt Nina Kristensen vom
Game-Studio Team Ninja gegenüber der NZZ.
Ergänzt wird diese Technik durch reine Anima-
tionssequenzen, die Nariko die unvergleichliche
Dynamik verleihen.
Doch nicht nur auf einer visuellen Ebene setzt
«Heavenly Sword» Massstäbe. Hollywoodstars
wie Stephen Berkoff liefern ihre Zeilen mit einer
erfreulichen Tiefe und tragen so das Ihre zum
cineastischen, aber interaktiven Hochgenuss bei.
König Bohan wird vom britischen Mimentalent
Andy Serkis gesprochen und gespielt. Der Mann,
der in «The Lord of the Rings» das schräge Monster Gollum und in «King Kong» den stampfenden
Überaffen verkörperte, war damit für eine visuelle Grandezza besorgt, die an die Game-Ikone
«Ico» erinnert. – Von der Kampftechnik her
orientiert sich der Hack'n'Slash-Titel «Heavenly
Sword» an «God of War» und «Soulcalibur», beschränkt sich aber nicht nur auf schnellfingrige
Tastenkombinationen.
Gelegentlich
greift
Narikos simple Schwester Kai zu Pfeil und Bogen.
Mit «After Touch» können die abgefeuerten Projektile über den Six-Axis-Controller der Playstation 3 im Flug kontrolliert werden. In diesen
Momenten ist eine ruhige Hand gefragt, die gegnerische Bewegungen antizipiert, sonst leidet die
Umwelt mehr als die Widersacher.
«Heavenly Sword», Playstation 3, ab 16 Jahren.
Wie in einem trunkenen Todestanz wirbelt die Heldin Nariko durch die zahllosen Gegner.
PD

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