Definitionen von Kartographie und Karte im - Mr

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Definitionen von Kartographie und Karte im - Mr
Seminar aus Kartographie und Geoinformation:
Die Kartographie als Wissenschaft
Definitionen von Kartographie und
Karte im Wandel der Zeit
Institut für Geographie und Regionalforschung
Universität Wien
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Kainz
Sommersemester 2008
Christian Trinko
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ............................................................................................ 3
2. Ursprung der Karte.............................................................................. 3
3. Ursprung der Kartographie.................................................................. 4
4. Kartographie und Karte – Definitionen ................................................ 4
5. Die Kartographie im Wandel der Zeit .................................................. 8
6. Die Karte im Wandel der Zeit .............................................................. 9
7. Einfluss der Informations-, Kommunikations-, und Zeichentheorie .... 13
8. Graphik und Visualisierung ............................................................... 15
9. Fazit .................................................................................................. 16
10. Quellen ........................................................................................... 17
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1. Einleitung
Diese Arbeit wurde im Rahmen des Seminars „Kartographie als Wissenschaft“ bei
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Kainz am Institut für Geographie und
Regionalforschung der Universität Wien im Sommersemester 2008 erstellt.
Dabei sollen die Definitionen von Kartographie und Karte im Wandel der Zeit näher
betrachtet werden.
2. Ursprung der Karte
Schon im Altertum wurden Karten häufig in Stein gehauen und auch die Naturvölker
befassten sich bei ihren Felszeichnungen wahrscheinlich mit Kartenzeichnen.
Das Wort „Karte“ kommt vom griechischen „chártes“ (Blatt der Papyrusstaude,
daraus hergestelltes Papier; „cartes“ = Papier) und wurde zur Bezeichnung der Karte
zuerst in Portugal gebraucht, von wo es sich dann auch in Spanien und Italien
einbürgerte. Das lateinische Wort „charta“ (Brief, Urkunde) kam erst im 15.
Jahrhundert auf, zuvor verwendete man den Ausdruck „mappa“, der heute im
Englischen als „map“ für Landkarten bekannt ist, während mit „chart“ See- und
Luftfahrtkarten bezeichnet werden. Vom 15. bis zum 17. Jahrhundert war meist die
Bezeichnung Landtafel bzw. das dementsprechende lateinische Wort „tabula“ üblich.
Nach HAKE (1994) grenzt sich die Kartographie, mit der Bezeichnung Landkarte,
nach außen von anderen Bedeutungsinhalten der Karte (z.B. Spielkarte oder
Fahrkarte) ab; während sie nach innen darunter alle Karten versteht, die im
Gegensatz zu den Seekarten ganz oder überwiegend Landflächen darstellen.
Eine ältere Definition der Karte aus dem 18. Jahrhundert stammt von J. L. Lagrange,
welcher 1770 sagte: „Eine geographische Karte ist nichts anderes als eine ebene
Figur, die die Erdoberfläche oder einen Teil derselben darstellt".
Etwas ausführlicher beschrieb dann eineinhalb Jahrhunderte später M. Eckert (1921)
die Karte mit folgender Definition: „Die geographische Karte ist das Planbild eines
größeren oder kleineren Teiles der Erdoberfläche, das neben den Lageverhältnissen
auch Flächen- und Raumverhältnisse und sodann geophysische, kultur- und
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naturhistorische Tatsachen graphisch übersichtlich so zur Veranschaulichung bringt,
daß das Ablesen und Ausmessen der dargestellten Objekte ermöglicht wird.“
Bevor nun weitere Definitionen der Karte gezeigt und verglichen werden, soll im
Folgenden zuerst der Ursprung der Kartographie betrachtet werden.
3. Ursprung der Kartographie
Die Bezeichnung Kartographie kommt aus dem Spätgriechischen und bedeutet
wörtlich die Fertigkeit, Karten zu beschreiben. Dies geschah vor allem in Alexandria
und Rom, zwei Städte, welche bereits im frühen Altertum Mittelpunkte
kartographischer Betätigung waren. Ursprünglich galt die so genannte
„Chartographia“ dort als eine hauptsächlich von Sklaven und Freigelassenen geübte
Schönschreibekunst. Im Mittelalter kam dann dafür der Ausdruck „Kalligraphie“ auf,
welcher die in Klöstern gepflegte Bilderschrift und Schriftmalerei bezeichnete.
Im 14. bis 15. Jahrhundert bürgerte sich dann das Wort „charta“ für Landkarten ein.
Seitdem bedeutete Kartographie entweder praktisch die Kunst des Kartenzeichnens
oder theoretisch die Beschäftigung mit kartographischen Problemen und
Erzeugnissen. K. Cebrian äußerte sich 1923 dazu folgendermaßen: „Im
wissenschaftlichen Sinne versteht man unter Kartographie ebensowohl die Lehre von
der systematischen bildlichen Darstellung -Verebnung- der Erdoberfläche oder eines
Teiles derselben, als auch die praktisch-technische Betätigung bei der Herstellung
und Vervielfältigung von Ergebnissen der Landesaufnahme“. (vgl. CEBRIAN, 1923)
4. Kartographie und Karte – Definitionen
Die Begriffsbestimmungen über Kartographie und Karten, in denen das Wesen, der
Inhalt, die Methoden und die Anwendungsmöglichkeiten zum Ausdruck gebracht
werden sollen, sind vielfältig und teilweise auch widersprüchlich. A. H. Robinson
meinte im Jahre 1976 dazu: „Cartographers and geographers who of all people ought
to know about maps, seem least sure of the map's character, while other students in
such fields as psychology, philosophy, and semantics seem simply to take the
proposition 'map' for granted".
„Gerade in diesem Widerspruch zeigt sich die Schwierigkeit einer „Beschreibung“ der
Karte durch die gesprochene oder geschriebene Sprache, in der die zeitliche
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Aufeinanderfolge der Wörter ganz anderen Regeln gehorcht als das gleichzeitige
Nebeneinander der Erscheinungen im Raum und ihrem Abbild in der Karte. Die verbale Terminologie ist ungenau und unzureichend. Hinzu kommt, dass die Definition in
gleicher Weise den wissenschaftlichen Erkenntnissen wie den praktischen
Erfordernissen Rechnung tragen soll.“ (WITT, 1979, S. 301)
Eine allgemein gültige und allen Ansprüchen genügende Definition von Kartographie
und Karte gab es also bis 1979 nicht und veranlasste deshalb WITT zu seiner
berechtigten Kritik. Aufgrund der unterschiedlichen Ansichten entstanden im Laufe
der Jahre verschiedene Definitionen von Kartographie und Karte, welche im
Folgenden gezeigt werden.
Definitionen von Kartographie:
W. Krallert (1963): „Kartographie ist die Kunst und Technik der Kartenherstellung."
„Karten sind verebnete Abbildungen der Erdoberfläche vermittels konventioneller
Zeichen und darauf beruhende Darstellungen verschiedener Thematik."
H. Schmidt-Falkenberg(1964): „Die Kartographie ist eine Wissenschaft, die sich mit
der graphischen Darstellung von Beobachtungs- und Forschungsergebnissen befaßt... In Karten und in allen anderen kartographischen Ausdrucksformen kommen
Beobachtungs- und Forschungsergebnisse der einzelnen Fachwissenschaften zur
Darstellung. Die
Entwicklung von Grundsätzen, nach denen diese Darstellung
erfolgen soll, ist die grundlegendste Aufgabe der Kartographie."
K. A. Salichtchev (1967): „Gegenstand der Kartographie sind die Karten und
überhaupt die kartographischen Darstellungen als besonderes Verfahren der
Abbildung der Wirklichkeit. Die Kartographie schließt in ihre Hauptaufgaben die
allseitige Untersuchung des Wesens der Karten ein sowie die Erarbeitung von
Methoden und Prozessen bei ihrer Schaffung und Benutzung."
A. H. Robinson (1969): „Cartography is a technique fundamentally concerned with
reducing the spatial characteristics of large areas...to a form that makes them
observable... It is a carefully designed instrument for recording, calculating, analyzing
and, in general, understanding the interrelation of things in their spatial relationship.
Nevertheless, its most fundamental function is to bring things into view."
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Wörterbuch Internationale Kartographische Vereinigung (1973): „Wissenschaft,
Technik und Kunst der Herstellung von Karten und kartenverwandten Darstellungen,
ausgehend von unmittelbaren Beobachtungen und/oder der Auswertung von
Quellen, mit den Arbeitsvorgängen des Kartenentwerfens, der Kartengestaltung, der
Ausführung des Kartenoriginals und der Kartenvervielfältigung, sowie der Lehre der
Kartenbenutzung.“
E. Arnberger (1975): „Kartographie ist die Lehre von der Logik, Methodik und Technik der Konstruktion, Herstellung und Ausdeutung von Karten und anderen kartographischen Ausdrucksformen, die geeignet sind, eine räumlich richtige Vorstellung von
der Wirklichkeit zu erwecken."
G. Hake (1975): „Man kann die Kartographie bezeichnen als Wissenschaft und Technik der Darstellung räumlicher Beziehungen durch ein System graphischer Zeichen
einschließlich der Lehre vom Gebrauch solcher Darstellungen."
Definitionen von Karte:
E. Imhof (1950): „Karten sind verkleinerte, vereinfachte, inhaltlich ergänzte und erläuterte Grundrißbilder der Erdoberfläche oder von Teilen derselben."
R. Finsterwalder, 1951: „Die möglichst richtige und vollständige, durch
Bezeichnungen erläuterte Darstellung der Landschaft in der zweidimensionalen
Papierfläche unter Hervorhebung und Zusammenfassung des Wesentlichen. Feinheit
der Wiedergabe, zugleich aber auch Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit bei der
Herstellung und Vervielfältigung sind Kennzeichen und Voraussetzung für eine Karte
und ein Kartenwerk.“
W. Bormann (1954): „Die Karte ist das technisch-künstlerische, graphisch gestaltete
Endergebnis wissenschaftlicher Forschung, Verarbeitung und Herstellung, die in der
Vermessung, Verebnung und Verkleinerung der Erdoberfläche durch die Geodäsie
und in der Beschreibung der Landschaft durch die Geographie und ihre
Nachbarwissenschaften bestehen."
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H. Louis (1957): „Als Karte können wir ein orientiertes, in angebbarem Maßstab
verkleinertes, verebnetes, möglichst weitgehend ausmeßbar getreues Grundrißbild
der Erdoberfläche oder von Teilen der Erdoberfläche bezeichnen, welches mit Hilfe
seiner Darstellungselemente eine anschauliche Vorstellung von dem abgebildeten
Gebiet zu vermitteln sucht. Dabei kann sowohl die Gesamtheit der für einen
Landstrich bedeutungsvollen Erscheinungen wie auch eine beschränkte Auswahl von
Erscheinungen den Gegenstand des Karteninhaltes bilden."
W. Krallert (1963): „Karten sind verebnete Abbildungen der Erdoberfläche vermittels
konventioneller Zeichen und darauf beruhende Darstellungen verschiedener
Thematik."
K. A. Salichtchev (1967): „Man nennt Karten verkleinerte, verallgemeinerte,
mathematisch bestimmte Abbildungen der Erdoberfläche in der Ebene, welche
die Verteilung, den Zustand und die Zusammenhänge der verschiedenen
natürlichen und gesellschaftlichen Erscheinungen zeigen, die entsprechend
dem Zweck jeder Karte ausgewählt und charakterisiert werden."
Internationale Kartographische Vereinigung (1968): „Maßstäblich verkleinerte,
generalisierte und erläuterte Grundrissdarstellung von Erscheinungen und
Sachverhalten der Erde, der anderen Weltkörper und des Weltraumes in einer
Ebene.“
Mehrsprachiges Wörterbuch kartographischer Fachbegriffe (1973): „Verebnete,
maßstäblich verkleinerte, generalisierte und erläuterte kartographische Darstellung
von Erscheinungen und Sachverhalten natürlicher und gesellschaftlicher Art der
Erde, der anderen Weltkörper und des Weltraumes."
A. H. Robinson (1976): „A map is a graphic representation of the milieu."
Diese Auflistung ist nur ein Teil der Vielfalt an vorhandenen Definitionen von
Kartographie und Karte. „Bei den älteren Formulierungen ist fast immer mehr oder
weniger deutlich erkennbar, ob der Verfasser aus dem geodätisch-topographischen
oder aus dem geographischen Lager kommt. Eine allgemein anerkannte und allen
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Erfordernissen genügende Definition der Begriffe Kartographie und Karte ist dabei
nicht zu finden. Es ist aber erstaunlich, dass in keiner dieser Definitionen die
geometrische Zwei-Dimensionalität der Darstellung (Verortung der Objekte nach
geodätischen oder geographischen Koordinaten in der Ebene) als charakteristisches
Merkmal hervorgehoben wird, durch die sich die Karte von anderen Darstellungsformen (z. B. der verbalen Beschreibung, der statistischen Tabelle, der
grafischen Kurve oder dem Landschaftsgemälde) grundsätzlich unterscheidet.“
(WITT, 1979, S. 302-303)
5. Die Kartographie im Wandel der Zeit
Auch aufgrund der im vorigen Kapitel gezeigten Vielfalt an verschiedenen
Definitionen der Kartographie einigte sich die „Internationale Kartographische
Vereinigung“ im Jahre 1995 auf die folgende Definition:
„Cartography - the discipline dealing with the conception, production, dissemination
and study of maps".
Vergleicht man diese Beschreibung mit denen in Kapitel 4., fällt auf dass sich ältere
Definitionen meist auf die direkte Herstellung und Benutzung von Karten, teilweise in
ausführlichen Beschreibungen, beschränken.
Im Laufe der Jahre gab es in der Kartographie viele Veränderungen bezüglich der
Inhalte und Verfahren und dieser Prozess wird sich auch in Zukunft fortsetzen.
Früher waren die graphischen Darstellungen in der Kartographie sowohl Medium als
auch Speicher raum-zeitlicher Informationen während Zahlen, bei der Erstellung
einer Graphik, meist nur eine unterstützende Rolle spielten.
Heute haben Zahlen durch den umfassenden Einsatz der digitalen Rechentechnik
eine viel größere Bedeutung und sind zu einem zentralen Baustein geworden.
Dabei werden in der Kartographie vermehrt auch multimediale Techniken eingesetzt,
wodurch ihre Produkte und Präsentationen immer vielfältiger und attraktiver werden.
So werden zunehmend graphische Darstellungen mit Animationen und akustischer
Untermalung entwickelt, sowie dem Anwender eigene Gestaltungsmöglichkeiten
durch interaktive Eingriffe geboten. Wie zuvor bereits erwähnt, wird sich diese
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Entwicklung in Zukunft weiter fortsetzen und so werden immer neuere Formen der
kartographischen Darstellung entstehen.
Nach HAKE (2002) kann man die Kartographie derzeit folgendermaßen beschreiben:
„Die Kartographie ist ein Fachgebiet, das sich befasst mit dem Sammeln,
Verarbeiten, Speichern und Auswerten raumbezogener Informationen sowie in
besonderer Weise mit deren Veranschaulichung durch kartographische
Darstellungen“.
„In der Kartographie gilt als raumbezogene Information jede Angabe, in der zur
Sachaussage über ein Objekt auch dessen geometrische Festlegung in einem
Bezugssystem gehört. Demgemäß sind kartographische Darstellungen - auch
kartographische Ausdrucksformen genannt - vor allem gekennzeichnet durch ein
System geometrisch gebundener graphischer Zeichen aus einem endlichen, mit
vereinbarten Bedeutungen versehenen Zeichenvorrat. Unter diesen ist die Karte am
bedeutendsten; die übrigen Darstellungsformen (z.B. Luftbild, Panorama, Globus)
gelten als kartenverwandte Darstellungen.“ (HAKE, 2002, S. 4)
6. Die Karte im Wandel der Zeit
Wie die Kartographie, so unterliegt auch die Karte als Produkt einem erheblichen
Wandel ihrer Inhalte und Gestaltungsmöglichkeiten.
„Als eines von mehreren Produkten von Informationssystemen und vergleichbaren
Datensammlungen entsteht nunmehr die Karte in ihrer Graphik als so genannte
Digital-Analog-Wandlung, und sie beschränkt sich damit auf die mediale Funktion im
Umgang mit Informationen. Dabei gewinnt sie jedoch infolge neuer Techniken eine
größere Vielfalt an Ausdrucks- und Anwendungsmöglichkeiten bis hin zu den
kartenverwandten Darstellungen und erweitert um die Möglichkeiten multimedialer
Präsentationen.“ (HAKE, 2002, S. 4)
Auch für die Karte gibt es, wie in Kapitel 4. ersichtlich, verschiedenste
Beschreibungen, die auch die teilweise unterschiedlichen Ansichten verdeutlichen.
Zeitgleich mit der Definition der Kartographie, entwarf die “Internationale
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Kartographische Vereinigung” im Jahre 1995 auch eine Definition der Karte, die
folgendermaßen lautet:
„A map is a symbolised image of geographical reality, representing features of
characteristics, resulting from the creative effort of it's authors execution of choices,
and is designed for use when spatial relationships are of primary relevance."
In einer weiteren Definition von HAKE (1988) wird die Möglichkeit verdeutlicht, die
Karte auch durch ein latentes Modell digitaler Daten dauerhaft, wie z.B. in
Informationssystemen, oder zwischenzeitlich, wie z.B. am Reproscanner,
darzustellen:
„Die Karte ist ein maßgebundenes und strukturiertes Modell räumlicher Bezüge. Sie
ist im weiteren Sinne ein digitales, graphikbezogenes Modell, im engeren Sinne ein
graphisches (analoges) Modell." (Hake 1988).
„Für das graphische Modell gilt schließlich inhaltlich das, was allgemein alle
kartographischen Darstellungen kennzeichnet, nämlich die Verwendung eines
Zeichenvorrats mit vereinbarten Bedeutungen.“ (HAKE, 2002, S. 25)
Aufgrund des Einflusses und der verschiedenen Möglichkeiten von multimedialen
Techniken, gibt es mittlerweile eine Vielfalt an Präsentationsformen in der
Kartographie. Auch deswegen, stellt sich für viele die Frage was denn noch genau
mit dem Ausdruck „Karte“ gemeint ist. Auch Riedl A. beschäftigte sich in einem
Artikel im Jahre 1999 über „Neue Medien und deren Einfluss auf die Kartographie“
damit und stellte dabei die Frage ob den eine Karte immer noch eine Karte sei.
Um dies beantworten zu können, verglich er zwei Definitionen der Karte von Hake,
eine aus dem Jahre 1982 und eine weitere aus dem Jahre 1988. Letztere wurde hier
bereits gezeigt, soll aber zum besseren Vergleich nochmals angeführt werden.
"Eine Karte ist eine maßstäblich verkleinerte, generalisierte und erläuterte
Grundrißdarstellung von Erscheinungen und Sachverhalten der Erde, der anderen
Weltkörper und des Weltraumes in einer Ebene." (Hake, 1982)
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"Eine Karte ist ein maßgebundenes strukturiertes Modell räumlicher Bezüge. Sie ist
im weiteren Sinne ein digitales, graphikbezogenes Modell, im engeren Sinne ein
graphisch (analoges) Modell." (Hake, 1988)
Die ältere Definition ist eigentlich eine Beschreibung der Karte der „Internationalen
Kartographischen Vereinigung“ aus dem Jahre 1973, wurde aber von Hake in seinen
älteren Ausgaben zitiert. In seinen neueren Ausgaben wurde diese Definition jedoch
durch eine den Entwicklungen entsprechende Definition ersetzt.
Beim Vergleich dieser beiden Definitionen der Karte stellte Riedl folgende signifikante
Veränderungen fest:
•
Änderung:
Grundrißdarstellung wurde zum Modell
•
Entfernung: Darstellung in einer Ebene
•
Ergänzung: Unterscheidung zwischen digitalem und analogem Modell“
Zusätzlich zu den von Riedl festgestellten Veränderungen gibt es noch die folgenden
Unterschiede:
Anstatt von „maßstäblich“, also an einen graphischen Maßstab gebunden, wird das
Wort „maßgebunden“ verwendet, also nur allgemein geometrisch fixiert. Zusätzlich
wird anstelle von „generalisiert“, von „strukturiert“ gesprochen, d.h. es wird durch
Vereinbarung bezüglich Generalisierung, Merkmalsbeschreibung usw. aufbereitet.
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Definitionen der Karte im Wandel der Zeit
Quelle: Riedl A., Wien 1999
Eine wesentliche Neuerung ist weiters, dass man die erste Definition als konkret
bezeichnen kann, während in der neueren die Karte etwas abstrakter und
umfassender beschrieben wird.
In der Definition von Hake (1988) wird noch zwischen einer analogen und einer
digitalen Form unterschieden. Riedl äußert sich dazu folgendermaßen: „Diese
Unterscheidung wird ebenso bald der Vergangenheit angehören wie die Begriffe
"digitale" Kartographie oder "Computerkartographie" (Morrison 1995). Aber alleine
aus dieser Unterscheidung wird wiederum eindeutig das Übergangsstadium
ersichtlich, in welchem sich die Kartographie zur Zeit befindet. Ist diese Phase vollzogen, wird im Grunde niemand mehr explizit über "Multimedia-Kartographie"
sprechen, da die Kartographie und deren Produkte ganz selbstverständlich
multimedial sein werden. Ebenso ist eine Karte des zweiten Jahrtausends nichts
anderes als eine sehr reduzierte Version einer "Multimedia-Karte", visualisiert auf
Papier.“ (RIEDL, 1999, S. 59)
Eine offenere und adäquatere Definition, da sie keiner Differierung zwischen digital
und analog bedarf und auch weniger "graphikzentriert" ist, wäre:
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„Eine Karte präsentiert ein maßgebundenes und strukturiertes Modell räumlicher
Bezüge und Objekte.“ (RIEDL, 1999, S. 59)
Eine Karte ist also immer noch eine Karte, obwohl es einige Neuerungen gibt und
diese auch in Zukunft geben wird. So kann eine Karte entweder eine graphische
Darstellung sein, aber auch eine der vielen sonstigen Formen einer Präsentation von
Geodaten haben. Diese Vielfalt reicht von einer Grundrissdarstellung in der Ebene
bis zu Virtual Reality Systemen mit allen Facetten der Technologie der Neuen
Medien. (vgl. RIEDL, 1999)
7. Einfluss der Informations-, Kommunikations-, und Zeichentheorie
Eine wichtige Anregung zu einer Neukonzeption von Karte und Kartographie ging
von der Informationstheorie aus. Die Karte wird seither nicht mehr ausschließlich als
graphisches Bild, sondern als Träger von Information aufgefasst. Informationsgehalt,
Informationsgewinn und -verlust durch Generalisierung sowie menschliche oder
maschinelle Übertragung wurden als messbare Größen angesehen. (FREITAG,
1992, S. 89-90)
„Die klassische Informationstheorie beschreibt aus vorwiegend mathematischphysikalischer Sicht die Vorgänge einer einseitigen (unidirektionalen)
Informationsübertragung durch ein Schema, dessen Begriffe weitgehend der
Nachrichtentechnik entstammen (Mildenberger 1990). Ein Kommunikator wird zum
Sender (Expedient) und der andere zum Empfänger (Rezipient) der Information. Der
Inhalt dieser Information wird zunächst beim Sender im Wege der so genannten
Codierung (Verschlüsselung) in bestimmte Zeichen (z. B. Buchstaben) umgesetzt.
Diese wiederum werden auf einem bestimmten Kanal als physikalische Signale (z. B.
als Schallimpulse) ausgestrahlt und erreichen so den Empfänger. Dort werden sie
wieder zu Zeichen zusammengesetzt, die ihrerseits dann im Wege der so genannten
Decodierung (Entschlüsselung) die Nachricht ergeben. Auf den Informationskanal
können von außen Störquellen (z. B. Lärm) einwirken und die Zeichenbildung und
damit auch den Inhalt der Nachricht beim Empfänger beeinflussen.
Aus dieser Beschreibung folgt, dass Informationen stets in codierter Form als
Zeichen übertragen werden. Zeichen oder Zeichenfolgen lassen sich demnach auch
als Realisationen von Informationsinhalten auffassen. Dabei beschränke sich der
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Begriff des Zeichens keineswegs nur auf das, was sich im optischen Wege
wahrnehmen lässt. Auch Laute, Gerüche und Berührungen gehören zu den Zeichen.
Darüber hinaus spricht man von Zeichensystemen, wenn aus einem Zeichenvorrat
mannigfaltige Kombinationen zusammenhängender Zeichen zu einer Vielzahl von
Ausdrucksmöglichkeiten führen.“ (Hake, 2002, S. 8)
Im engen Zusammenhang mit der Informationstheorie ist die Kommunikationstheorie
entwickelt worden. Sie hat die kartographische Theorie besonders stark beeinflusst,
da sie schon die klassische Kartographie als Lehre von der Übertragung von
Mitteilungen über die Erdoberfläche verstand. Im Unterschied zur Informationstheorie
bezog die Kommunikationstheorie den Menschen in den Mitteilungsprozess ein, den
Kartenhersteller wie den Kartennutzer. Die Kommunikationstheorie zwang dazu, die
Hersteller und Nutzer von Karten als Individuen und soziale Gruppen zu sehen, ihr
gesellschaftliches Umfeld zu berücksichtigen, aber auch die individuellen
Wahrnehmungsleistungen und Handlungsmöglichkeiten. Sie fragte nach den
intendierten und aktuellen Funktionen kartographischer Darstellungen. Sie forderte
zu Forschungen im Grenzbereich zur Psychologie, Soziologie und Geschichte
heraus. Darüber hinaus bot eine kartographische Kommunikationstheorie die
Möglichkeit, andere Theorien als Teiltheorien miteinzubeziehen, um dadurch
wesentliche Teilprozesse im Kommunikationsprozess besser analysieren,
beschreiben und besser integrieren zu können. (FREITAG, 1992, S. 90)
Ebenfalls in engem Zusammenhang mit den vorgenannten Theorien bewirkte die
Zeichentheorie eine Neuordnung kartographischer Zeichen, die bisher als
Signaturenfrage empirisch versucht worden war. Karten werden als Zeichensysteme
verstanden und in vielfacher Weise analysiert. Entsprechend den Vorgaben der
allgemeinen Zeichentheorie werden dabei im allgemeinen drei Dimensionen des
einzelnen kartographischen Zeichens unterschieden: Die Syntaktik, die die
Beziehung eines Zeichens zu anderen Zeichen untersucht, die Semantik, die die
Beziehungen des Zeichens zu einem Begriff menschlichen Denkens oder einem
Objekt der Realität untersucht, und die Pragmatik, die nach den Beziehungen des
Zeichens zum Menschen (Zeichenhersteller, Zeichennutzer) fragt. (FREITAG, 1992,
S. 90)
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8. Graphik und Visualisierung
Eine Karte ist heute eine grundrissbezogene graphische Repräsentation
georäumlichen Wissens auf der Basis kartographischer Abbildungsbedingungen. Der
Stellenwert der Karte als zentrales Erkenntnisobjekt der Kartographie hat sich
aufgrund der Veränderung ihrer Herstellung und Nutzung kontinuierlich entwickelt.
Bei früheren grundlegenden Definitionen wurde zuerst von der Karte als
"Grundrissdarstellung" und später als "graphisches Modell der Realität"
ausgegangen. In den letzten Jahren setzte sich die Sicht als "graphische
Repräsentationsform" durch (Internationale Kartographische Vereinigung, ICA 1996),
bei der der Unterstützungscharakter der Karte im Rahmen kartographischer
Kommunikationsprozesse zur visuellen Aufnahme und kognitiven Repräsentation von
georäumlichen Daten impliziert wird. Georäumliche Daten werden in graphischen
Karten optisch als kartographisches Wissen repräsentiert und visuell in Form von
kartographischen Informationen abgeleitet. Andere kartographische
Repräsentationsformen sind digitale Karten zur elektronischen Verarbeitung im
Computer, akustische Audiokarten oder Sprachkarten zur auditiven Wahrnehmung
z.B. in Fahrzeugnavigationssystemen und Blindenkarten zur taktilen Wahrnehmung.
Das in Karten repräsentierte Wissen resultiert aus Geodaten und deren
semantischen Bedeutungen, die in Form von Objekten, Klassen von Objekten
(Begriffen) oder Sachverhalten (Aussagen) des Georaums beschrieben werden. In
Karten abgebildet werden sichtbare materielle Merkmale von Objekten sowie
Merkmale und Eigenschaften abstrakter bzw. theoretischer Sachverhalte, die vor
allem durch die mit georäumlichem Bezug arbeitenden Natur- und
Gesellschaftswissenschaften erfasst, strukturiert und genutzt werden. (BOLLMANN,
KOCH, 2002)
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9. Fazit
Die Kartographie und damit auch die Karte haben sich also im Laufe der Jahre
deutlich verändert. Dies wirkte sich natürlich auch auf die Definitionen beider Begriffe
aus, bei denen ein deutlicher Wandel erkennbar ist. Durch den Einfluss der neuen
Medien und den dadurch ermöglichten vielfältigen Präsentationsformen mussten die
Definitionen der Kartographie und der Karte neu diskutiert und formuliert werden.
Trotz teilweiser immer noch unterschiedlicher Ansichten, herrscht heute eine größere
Einigkeit darüber, was genau Kartographie und was eine Karte ist, als noch vor
einigen Jahrzehnten. Dabei sei es jedem selbst überlassen, eine der jeweiligen
Meinung nach beste und der aktuellen Entwicklung entsprechende Definition der
Kartographie und der Karte zu wählen.
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10. Quellen
Bagrow L., Die Geschichte der Kartographie, Berlin, 1951
Cebrian K., Geschichte der Kartographie, Gotha, 1923
Hake G., Kartographie, Berlin, 1970, 1975, 1994, 2002
Kohlstock P., Kartographie, Paderborn, 2004
Riedl A., Neu Medien und deren Einfluß auf die Kartographie,
Wien, 1999
Robinson A.H., Elements of cartography, New York, 1995
Wilhelmy H., Kartographie in Stichworten, Berlin, 2002
Witt W., Lexikon der Kartographie, Wien, 1979
Kriz, Pucher, Skriptum: Grundlagen der Kartographie und
Geokommunikation, Wien, 2007
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