Kartengestaltung für elektronische Bildanzeigen

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Kartengestaltung für elektronische Bildanzeigen
Kartographische Bausteine TU Dresden
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Kurt Brunner, München-Neubiberg
Kartengestaltung für elektronische Bildanzeigen
1. Einleitung
Ein deutlich wahrnehmbares Kennzeichen unseres elektronischen Zeitalters ist die
nahezu allgegenwärtige Anzeige von Daten, Texten, Bildern und Graphik an Monitoren. So
finden sich auch umfangreich Bildanzeigen zur Visualisierung von Geoinformation. Mit dieser Nutzung von Monitoren zur Bildanzeige von Geoinformation ergibt sich eine neue Visualisierungsaufgabe für die Kartographie.
2. Visualisierung von Geoinformation
Durch eine insgesamt sehr leistungsfähige Hardware ist eine vielfältige Visualisierung
von Geoinformation in einem neuen Medium möglich geworden. Solche Visualisierungen
sind 3D-Ansichten bis hin zu virtuellen Flügen, Visualisierungen dynamischer Prozesse und
Animationen für raumzeitliche Veränderungen.
Neben diesen neuen Visualisierungsmöglichkeiten raumbezogener Daten finden sich
aber auch Bildschirmanzeigen von konventionellen Karten. Konventionelle Kartengraphik mit oder ohne der Möglichkeit der Interaktion - hat nämlich auch in diesem Medium Bedeutung. Ursache ist ihre hervorragende Präsentation raumbezogener Daten - insbesondere
auch für die dritte Dimension - durch Kartengraphik; dies ist in den seit über hundert Jahren
bewährte Regelwerken und Methodenlehren der Kartengestaltung begründet.
Die Vorteile klassischer Kartengraphik zeigen sich in der sehr guten Strukturierung der
dargestellten Geoinformation durch ausgewogene Kartengraphik im einheitlichen Maßstab
sowie in der Orthogonalprojektion. Die Nutzung von konventioneller Kartengraphik im elektronischen Medium ist also durchaus sinnvoll; derartige Kartenvisualisierungen erfolgen jedoch häufig mit unbefriedigender, wenn nicht völlig ungenügender Kartengraphik; dies ist
begründet in zumeist unprofessioneller Gestaltung, aber auch durch Limitierungen elektronischer Bildanzeigen.
Die Bildschirmanzeige von Karten mit traditioneller Kartengestaltung, oder ganz allgemein
Liniengraphik (einschließlich Schrift) hat nämlich erhebliche Einschränkungen gegenüber
einer gedruckten Karte. Hier zeigt sich eine bedeutsame Schwachstelle der Hardware: der
Monitor.
Kartengraphik kann aber bekanntlich nur unter Berücksichtigung der Möglichkeiten und
Einschränkungen der visuellen Wahrnehmung zu einer eindeutigen und raschen Information
führen.
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3. Auflösungsvermögen des Auges
Der Vorgang der visuellen Wahrnehmung unterliegt perzeptiven Schwellen, die notwendigerweise Mindestgrößen und -abstände der Graphik verlangen. Die perzeptive
Schwelle des Auges liegt bei einer Bogenminute (Abb. 1); dies ist der Schwellenwert, um
zwei Linien visuell trennen zu können. Die sich hieraus ergebenden Größen zur Auflösung
verdeutlicht Tabelle 1.
1 Bogenminute = 1/60 Grad
25 cm
0,006 mm
2 Linien mit einem
Abstand von 0,07 mm
noch erkennbar
Abb. 1: Auflösungsvermögen des Auges
Tabelle 1: Auflösung des Auges
Lese- / Betrachtungsentfernung
Auflösung
(1) ca. 25 cm
Leseentfernung für gedruckte
Karten, Bücher, ...
0,07 mm (70 µm) ≈ 360 dpi
(2) ca. 50 - 60 cm
für elektronische Bildanzeigen
am Monitor
0,1 - 0,2 mm (100 - 200 µm) ≈ 240 - 120 dpi
Daraus resultieren für vertraute gedruckten Karten (Tab. 1 (1)) Mindestgrößen, die in
Tabelle 2 zusammengestellt sind; entsprechende perzeptive Schwellen für die Bildschirmanzeige von Karten werden später betrachtet (Tabelle 5).
Tabelle 2: Mindestgrößen für gedruckte Karten (nach ARNBERGER und KRETSCHMER,
1975; HAKE und GRÜNREICH, 1994)
feine Linie
0,1 mm
400 dpi
Punkt / kleinste Kreisscheibe
0,3 mm
130 dpi
Quadrat
0,4 mm
100 dpi
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4. Kartengraphik im Printmedium
Uns vertraute, in Auflage auf Papier gedruckte Karten gibt es seit fünfhundert Jahren.
Seit wenigen Jahren liefert das Non-Impact-Printing analoge Ausgaben digitaler Daten; ursprünglich für „Hardcopies“ gedacht, ermöglicht dieser „berührungsfreie Druck“ gegenwärtig
auch kleinere Auflagen in hoher Qualität und tritt hier in Konkurrenz zum Offsetdruck.
Der klassische Auflagendruck mit seiner bemerkenswert hohen visuelle Qualität erreicht
unter Berücksichtigung von Film, Druckplatte und Kopierverfahren eine Auflösung von 10
bis 20 mm; dem entsprechen 2500 bzw. 1200 dpi. Der berührungsfreie Druck von Laserdruckern (Farbtonerdruck), Tintenstrahldruckern (Farbauftragverfahren). bringt mittlerweile
bereits eine Auflösung von 20 mm (1200 dpi) und besser. Es läßt sich feststellen, daß das
Auflösungsvermögen des Auges in der Größenordnung jener von bedrucktem Papier
(Auflagendruck; Non-Impact-Printing) liegt.
Es ist bemerkenswert, daß die Auflösung von Graphik im Printmedium im Auflösungsbereich des Auges liegt; die perzeptiven Schwellen von Auge und Drucktechnologie als
von gleicher Größenordnung sind.
5. Elektronische Bildanzeige
Die elektronische Bildanzeige zur Visualisierung von Geoinformation und somit auch von
Karten erfolgt hauptsächlich an stationären Monitoren. Dabei werden gegenwärtig die
wuchtigen CRT-Monitore (Cathode Ray Tubes, Kathodenstrahlröhren) mit bis zu 21”-Bilddiagonale von Flachbildschirmen mit Flüssigkristall-Technologie zur Bilderzeugung (LCD,
Liquid Crystal Display) abgelöst. Solche Monitore können auch auf mobilen Plattformen,
etwa auf der Schiffsbrücke, wie z.B. bei ECDIS (Electronic Chart und Display Information
System) installiert sein (HECHT, u.a., 1999).
Daneben finden sich kleinformatige LCD-Monitore, integriert in mobile Geräte, die auch
zur Kartenvisualisierung Anwendung finden sollen (GARTNER, ??). Neben den umfangreich genutzten LCD-Monitore für Notebooks (maximal 15”-Diagonale) sind anzuführen:
LCD-Monitore fest installiert im Flugzeugcockpit (6” x 6”), Elektronische Feldbücher Handheld PCs (ca. 6”-Bilddiagonale) und nicht zuletzt Mobiltelephone.
5.1 Großformatige elektronische Bildanzeigen
Bildschirme am Arbeitsplatzrechner (DeskTops) mit der CRT-Technologie (Kathodenstrahlröhre) bekommen - wie festgestellt - immer mehr Konkurrenz von Monitoren mit der
LCD-Technik (Flüssigkristallmonitore). Diese Flachbildschirme der LCD-Technologie waren
ursprünglich passive Displays mit geringer Brillanz und kleinem Betrachtungswinkel; gegenwärtig werden aktive Displays mit der TFT-Technologie (Thin Film Transistor) mit
schnellerem Bildaufbau, größerem Betrachtungswinkel und brillanterer Bildqualität angeboten.
Unabhängig von der Bildschirmtechnologie bringen sämtliche Monitore erhebliche Einschränkungen gegenüber gedruckter Graphik; diese Beschränkungen liegen begründet in
der
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- geringen Auflösung durch die zur Bildentstehung notwendigen Bildpunkte
- relativ kleinen Bildanzeige der Monitore
und im
- Seitenverhältnis (Ratio) 3 x 4
- zumeist größerer Betrachtungsabstand.
Hier demonstriert sich eine einschneidende Schwachstelle der Hardware beim Monitor.
Tabelle 3 zeigt die Bildpunktgröße in Abhängigkeit von Bildgröße und Auflösung gängiger
CRT-Monitore; Tabelle 4 jene von LCD-Monitoren. Die Bildpunktgröße (pitch) kann auch
als Signalabstand angesehen werden. Auf die Problematik der Geometrie der Bildpunkte ist
noch gesondert einzugehen.
Tabelle 3: Auflösung und Bildpunktgröße bei üblichen Monitoren mit CRT-Technik (nach
BRUNNER, 2000b; und DIETZ, 1997)
Bildschirmdiagonale
Bildpunktgröße [mm] bei Auflösung [Zeilen x Spalten]
800 X 600
1024 x 768
1280 x 1024
1600 x 1200
15"
0,34
0,27
0,21
–
17"
0,39
0,30
0,24
0,19
19"
0,44
0,34
0,27
0,22
21"
–
0,38
0,30
0,24
Als Maß für die Größe von elektronischen Anzeigen wird bekanntlich die Bildschirmdiagonale in Zoll angegeben (1” = 25,4 mm).
Die sichtbare Bildschirmdiagonale liegt bei CRT-Bildschirmen jedoch unterhalb der angegebenen Diagonalen, bei billigen sogar erheblich darunter. So kann ein 17”-Bildschirm lediglich eine sichtbare Diagonale von 15” aufweisen. Bildpunktgröße (Bildpunktabstand)
und somit die Auflösung liegen bei CRT-Bildschirmen folglich zwischen 60 dpi (0,44 mm)
und 130 dpi (0,19 mm).
Tabelle 4 gibt die Auflösung und Bildpunktgröße für übliche Monitorgrößen von LCDBildschirmen wieder, und zwar zunächst in Tabelle 4a für DeskTop-Monitore; in Tabelle 4b
folgt jene von in Notebooks integrierte Displays.
Die bei LCD-Bildschirmen angegebenen Bilddiagonalen entsprechen der tatsächlichen,
sichtbaren Diagonalen. Die Bildpunktgröße der LCD-Technologie ist somit bei DeskTopMonitoren (15”-18”) zwischen 0,26 und 0,30 mm und bei NoteBooks (12”-15”) zwischen
0,2 und 0,3 mm ansiedelt.
Auflösung und Bildgrößen elektronischer Bildanzeigen erweisen sich für die Visualisierung von Liniengraphik als großes Handicap. Die Bildschirmauflösung ist rund zehn mal
schlechter als die Auflösung des Auges und auch - wie gezeigt - als die Auflösung von
Offsetdruck und Non-Impact-Printing. Dennoch ist bei großformatigen Monitoren (mit 15”21”) - mit Einschränkungen - eine vertraute von den „Papierkarte“ gewohnte Kartengraphik
möglich.
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Tabelle 4: Auflösung und Bildpunktgröße für übliche Monitorgrößen mit LCD-Technik
Tabelle 4a: Auflösung und Bildpunktgröße bei DeskTop-Monitoren mit LCD-Technik
Bildschirmdiagonale
Bildpunktgröße [mm] bei Auflösung (Zeilen x Spalten)
1024 x 768
1280 x 1024
15"
0,30
–
17"
–
0,26
18"
–
0,28
Tabelle 4b: Auflösung und Bildpunktgröße bei in NoteBooks integrierten Monitoren
Bildschirmdiagonale
Bildpunktgröße [mm] bei Auflösung (Zeilen x Spalten)
800 X 600
1024 x 768
1400 x 1050
1600 x 1200
12"
0,30
0,24
–
–
13,3"
–
0,26
–
–
14"
–
0,28
0,20
–
15"
–
0,30
0,22
0,20
5.2 Kleinformatige mobile Bildanzeigen
Die Hardwareentwicklung ermöglicht - wie weiter oben schon angesprochen - bereits
mobile Geräte mit kleinformatigen Displays mit Bildformaten von 6” x 6” bis herunter auf
Handheld Pcs (ca. 6“ Bilddiagonale) mit Bildpunktgrößen von etwa 0,25 mm und schließlich
1
/2” breite Displays von Mobiltelephonen mit Bildpunktgrößen von 0,35 mm. Bei solchen
kleinformatigen Monitoren kann - falls kartographische Bildanzeigen erwartet werden - nur
eine eigenständige, stark vereinfachte Kartengraphik - wie bei Topogrammen - realisiert
werden. Für eine derartige Kartengraphik besteht zweifellos Entwicklungsbedarf.
5.3 Bildpunkte und Rastermatrix
Die oben gezeigte geringe Auflösung bei Monitoren ist zwar kritisch, die entscheidende
und auch einschneidende Limitierung liegt aber in der Geometrie des Bildpunkts, der in der
Rastermatrix der Bitmap-Graphik entsteht. Unabhängig von der Display-Technologie (und
auch der Beamer-Projektion) sind diese Bildpunkte rechteckig, zumeist quadratisch.
Die Bitmap-Graphik mit ihren Bildpunkten hat zur Folge, daß Graphik und Schrift nicht
„direkt“, sondern „anstelle“ durch rechteckige (idealerweise quadratische) Bildpunkte substituiert wird (Aliasing). Dies führt bei Liniengraphik zu fatalen Bildstörungen und Graphikdeformationen; dies ist auch bei zukünftig zu erwartenden Display mit größerer Auflösung
und somit mit kleineren Bildpunkten der Fall.
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6. Bildstörungen
Die angesprochenen verhängnisvollen Bildstörungen verdeutlicht Abbildung 2 an Hand
eines Kartenbeispiels eindrücklich.
Normale Kartengraphik
(vergrößert)
Bildstörung durch Aliasing
Abb. 2: Bildstörungen (nach SPIESS)
Die Bildstörungen resultieren aus der Deformation von Graphik (Abb. 3) und Schrift
(Abb. 6); sie zeigt sich insbesondere in der Richtungsabhängigkeit bei der Visualisierung
von Linien (BROWN, 1993), welche aus dem oben erläuterten Bildaufbau resultiert (Bitmap-Graphik).
Abbildung 3 verdeutlicht zunächst die Richtungsabhängigkeit der Linienwiedergabe; die
größten Störungen liegen dabei nahe der Horizontalen und Vertikalen. Die Störung bleibt
gering etwa bei 45°, allerdings ergib sich hier eine Verdünnung der Linie, die zu einem geringeren graphisches Gewicht führt. Weiterhin veranschaulicht die Abbildung die Deformation eines Rechtecks und zeigt insbesondere Deformationen eines Kreises infolge zufälliger
Lage in der Bildpunktmatrix. Kreise und Kreisscheiben sind aber wichtige Elemente der
konventionellen Graphik topographischer und thematischer Karten.
7. Kartengraphik in elektronischen Bildanzeigen
Karten zur elektronische Bildanzeige werden umfangreich auf CD-ROM vorgehalten
sowie reichlich und unübersichtlich im Internet angeboten. Solche Kartenvisualisierungen
sind zum Teil selbständig ohne oder mit geringer Interaktion anzutreffen. Häufig sind sie
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Richtungsabhängigkeit
bei der Bildanzeige
von Linien
Deformation eines Rechtecks
bei unterschiedlichen
Bildpunktgrößen
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Deformation eines Kreises
0° 5°
45°
80°
90°
Abb. 3: Graphikdeformationen
aber sinnvollerweise Bestandteil von Auskunftssystemen und Mutltimedia-Angeboten;
nicht zuletzt dienen Animationen der Visualisierung dynamischer raum- bzw. zeitbezogener
Prozesse.
In den meisten Fällen ist jedoch die Kartengraphik unbefriedigend, wenn nicht völlig ungeeignet. Kritische Betrachtungen hierzu finden sich kaum. Eine kritische Auseinandersetzung soll im folgenden geschehen.
Der erste Kritikpunkt ist, daß zumeist Kartengraphik aus vorhandener, für das Printmedium erstellte Kartengraphik am Bildschirm visualisiert wird. Diese Kartengraphik eignet
sich im allgemeinen nicht oder wenig für die Bildschirmvisualisierung; die durch Scannen erzeugten Rasterbilder stören und deformieren - wie gezeigt - Liniengraphik und Schrift erheblich und führen bis zur Unlesbarkeit. Transformationen in die Bildpunktstruktur der Bildschirmmatrix - welche solche Störungen minimieren - erfolgen nicht.
Andererseits finden sich umfangreich professionell gestaltete Graphik- und Textvisualisierungen. Graphiker und Typographen waren offenbar schon früh bemüht, die Schwach-
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stellen der elektronischen Bildanzeige erfolgreich auszugleichen oder zu überbrücken. Allgemeine Graphik hat allerdings größere Spielräume und Freiheiten als Kartengraphik mit
ihrer gebundenen, weil raumbezogenen Visualisierung.
Es ist gleichwohl erstaunlich, daß sich Kartographen, deren Profession ja das Gestalten
sein soll, nicht um eine geeignete Kartengraphik für elektronische Bildanzeigen kümmern.
Ausnahmen stellen die Arbeiten von SPIESS (1996a und b), MÜLLER und DIETRICH
(1998) und schließlich neuerdings NEUDECK (2000) dar. Es fehlt auch nicht an guten Produkten, die beispielhaft wirken könnten.
Eine bemerkenswert gute Kartengraphik weist z.B. die elektronische Seekarte von
ECDIS (Electronic Chart und Display Information System) auf (HECHT u.a., 1999). Eine
gute Bildschirmvisualisierung mit dennoch weitgehend vertrautem Kartenbild physischer
und politischer Karten liefert der ENCARTA WELTATLAS von Microsoft auf CD-ROM (letzte
Version: 2001). In der Kartengraphik wird meistens auf Kreissignaturen, für welche - wie
bereits betont - die Bitmap-Graphik besonders abträglich ist, verzichtet. Vielmehr dienen
Quadrate als Ortssignatur: diese Quadrate sind - wie die gleichermaßen gut geeignete
Kartenschrift - optimal in die Rastermatrix der Bildschirmvisualisierung transformiert. Die
Schwachstellen des ENCARTA WELTATLAS liegen eher in inhaltlichen Fehlern.
8. Optimierte Kartengraphik
Eine für die Bildschirmanzeige von Karten optimierte Kartengraphik bedarf einer
- geeigneten Kartengraphik
- geeignete Rasterkonvertierung
- Bildverbesserungsmaßnahmen.
Diese Komponenten sollen im folgenden erörtert werden.
8.1 Geeignete Kartengraphik
Wie bereits festgestellt, ist eine für die elektronische Bildanzeige optimierte Kartengraphik selten anzutreffen. Ein optimiertes „screen design“ für Kartengraphik muß der geringen
Bildschirmgröße und -auflösung durch eine geringe graphische Dichte und geeignete
einfache Signaturen gerecht werden. Daß dies möglich ist, beweist beispielsweise auch
die Kartengraphik im Fernsehen schon seit geraumer Zeit. Die Karten sind hier zumeist
plakativ gestaltet und nutzen hohle oder gefüllte Quadrate als Signaturen für Ortspositionen.
Aufgabe der Kartographie wäre es, Regelwerke für die Bildschirmvisualisierung von
Kartengraphik zu erstellen. Notwendige Mindestgrößen ergeben sich dabei aus dem Sehvermögen des Auges und der Geometrie und Größe des Bildpunkts der Bitmap-Graphik
der elektronischen Bildanzeige. Ein Vorschlag zu Mindestgrößen für die elektronische Bildanzeige stammt von MÜLLER und DIETRICH (1998) (Tabelle 5). Ein Vorschlag in
BRUNNER (2000a) geht in die gleiche Richtung.
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Tabelle 5: Mindestgrößen für Karten in elektronischer Bildanzeige
(nach MÜLLER und DIETRICH, 1998)
feine Linie
0,4 mm
60 dpi
Punkt / kleinste Kreisscheibe
3,0 mm
8 dpi
Quadrat
1,5 mm
16 dpi
8.2 Rasterkonvertierung
Neben der Nutzung einer für die Bildschirmvisualisierung optimierter Graphik ist die
Transformation in die Bildpunktmatrix der Bildanzeige von entscheidender Bedeutung; dies
wird hardwareseitig bei geeigneter Software erledigt. Die Rasterkonvertierung muß so geschehen, daß Signaturen und Schriften stets in gleicher Weise in die Bildpunktmatrix
transformiert werden. Die Bildanzeige am Monitor erfolgt nämlich - wie dargelegt - durch einzelne Bildpunkte der darzustellenden Graphik; diese muß also rasterkonvertiert werden.
Bei der Nutzung von Vektordaten ist die Rasterkonvertierung eine Aliasierung; bei bereits
vorhandenen Rasterdaten müssen diese in die Bildpunktmatrix der Bildanzeige transformiert werden
Abbildung 4 zeigt dies beispielhaft an einem Buchstaben: links der „ursprüngliche, analoge“ Buchstabe, in der Mitte eine Rasterkonvertierung ohne Rücksicht auf die Bildpunktmatrix der Bildanzeige: Bögen und Geradenstücke sind durch unterschiedliche Anzahl von
Bildpunkten substituiert; solche Pixel-Konglomerate finden sich häufig, obwohl eine für die
Bildpunktmatrix der Bildanzeige möglich ist. Dies zeigt das rechte Bild in Abb. 4.
Abb. 4: Rasterkonvertierung in die Bildpunktmatrix der Bildanzeige (nach TURTSCHI, 2000).
Trotz optimaler Rasterkonvertierung verbleiben infolge Aliasing Bildstörungen.
8.3 Bildverbesserungen für verbleibende Bildstörungen
Trotz geeigneter und optimierter Graphik, die exakt in die Bildpunktmatrix transformiert
wird, verbleiben Bildstörungen, verursacht durch die Bildanzeige quadratischer Bildpunkte
anstatt der tatsächlichen Graphik (Aliasing). Der Aliasingeffekt ist auch bei sehr kleinen
Bildpunkten störend.
Geeignet sind Bildverbesserungen durch Maßnahmen zum Antialasing. Hier werden
Bildpunkte aus Mischfarben der Graphik und des Bildhintergrunds eingearbeitet. Die so erzeugte „Unschärfe“ („Weichzeichner“) löst die scharfen Konturen auf und minimiert den
Treppenstufeneffekt durch eine „Kantenglättung“. Solche Maßnahmen zur Bildverbesse-
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rung für ein Antialiasing erfordern jedoch längere Bildaufbauzeiten, was aber bei den immer
leistungsfähiger werdenden Rechnern problemlos wird. Antialiasing ist bereits in vielen
Graphik- und Präsentationsprogrammen zumindest für die Schrift fest eingebaut. Abbildung
5 demonstriert Antialiasing anhand eines Schriftzuges.
Offsetdruck
Aliasing
Antialiasing
Schrift
Schrift
Abb. 5: Antialiasing
9. Schrift
Karten bedürfen der Schrift als wichtiges erläuterndes Element; eine eindeutig lesbare
Schrift ist daher von besonderer Bedeutung. Schriften sind besonders empfindlich gegenüber dem Aliasingeffekt.
Einen noch größeren Stellenwert besitzt Schrift überall dort, wo sie ausschließlich Information liefert; deshalb hat sich die Typographie schon frühzeitig mit „Matrixschriften“
befaßt. Solche Matrixschriften sind nicht neu; wir finden sie zum einen an Schriftanzeigetafeln im Bereich des öffentlichen Verkehrs in Flughäfen und an Bahnsteigen. Diese Schriften haben notwendigerweise feste Buchstabenbreiten und bringen - trotz der grundsätzlichen Einschränkungen - häufig gute Lösungen.
Zum anderen hat die Typographie zu Lösungen für die elektronische Bildanzeige von
Schriften an Monitoren beigetragen und dabei stets großen Wert auf „ästhetische“ Schrift
gelegt (TURTSCHI, 2000).
Elektronische Bildanzeige von Schriften an Bildschirmen erfordert die richtige Nutzung
geeigneter Fonts (Schriftschnitte); sie sollten mindestens 12 pt (≈ ca. 3,6 mm) groß sein.
Günstig sind serifenlose Fonts mit normaler oder halbfetter breiter Schrift; kursive Schriften
sind ungeeignet, weil ihre Stammstriche nahe der Vertikalen liegen (siehe Kap. 6). Derzeitig
stehen genügend bildschirmgeeignete Schriften zur Verfügung.
In die Matrixstruktur transformierte bildschirmgeeignete Schrift führt zu guter Wiedergabe
der Buchstaben, oft aber infolgedessen zu sehr unterschiedlichen Buchstabenabständen,
was wiederum schlechte Lesbarkeit zur Folge hat. Dies läßt sich durch größere Laufweite
(Tracking) der Schrift mittels größerer Buchstabenabstände ausgleichen; sog. „WebFonts“
- wie z.B. Verdana - erfüllen diese Forderung.
Die Schriften sollten grundsätzlich horizontal verlaufen; auch dies ist eine unbefriedigende Limitierung. Lediglich größere Schriften können gekrümmten oder schrägen Schriftverlauf haben.
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Helvetica
Courier
Letter Gothic
Geneva
Abb.6.: Schrift
10. Schluß
Wie umfangreich das Angebot von Karten für die Bildschirmvisualisierung ist, beweist
einerseits das Surfen im Internet und zeigen andererseits Verlagsprospekte für Produkte
auf CD-ROM. Unbefriedigende bis völlig ungeignete Kartengraphik infolge Einschränkungen im Bildaufbau und unprofessioneller Gestaltung ist bei diesen Angeboten und Produkten aber die Regel. Im Gegensatz dazu steht die Visualisierung von mancherlei äußerst
professioneller Graphik und Schrift für Erschließungsinstrumente und Bannerwerbung.
Bei der umfänglichen Literatur zur elektronischen Visualisierung von Geoinformation wird
dies aber kaum zu Kenntnis genommen.
Aufgabe der Kartographie wäre es aber zwingend, trotz dieser Limitierungen für eine
gute „attraktive“ elektronische Bildanzeige von Karten zu sorgen.
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Autor:
Universitätsprofessor Dr.-Ing. Kurt Brunner
Lehrstuhl für Kartographie und Topographie
Universität der Bundeswehr München
D-85577 Neubiberg
e-mail: [email protected]

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