Das Erbe will sie nicht antreten

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Das Erbe will sie nicht antreten
15.12.11
Bollywoodfestival Stuttgart: Das Erbe will sie nicht antreten - Kultur regional - Stuttgarter Zeitung
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Bollywoodfestival Stuttgart
Das Erbe will sie nicht antreten
Von Erik Raidt, aktualisiert am 20.07.2011 um 16:45
Bollywood lässt grüßen. Foto: copyright Tanja Maria Ernst, courtesy Amrei
Heyne
Stuttgart - Sie hat es jahrelang geheim gehalten. Ihren Lehrern an der Kunstakademie hat sie
nichts verraten, auch nicht ihren Kommilitonen. "Bis vor fünf Jahren wusste niemand davon,
außer ein paar enge Freundinnen. Tanja Maria Ernst studierte an der Stuttgarter
Kunstakademie und dass sie dabei ausgerechnet einen Bogen um die Malklasse machte, hing
mit dieser Verschwiegenheit zusammen.
Die 40-Jährige ist die Großnichte von Max Ernst, einem der bedeutendsten deutschen Maler
des vergangenen Jahrhunderts. Seine "Heilige Cäcilie", entstanden 1923, ist in der
Staatsgalerie zu sehen, just also in der Heimatstadt von Tanja Maria Ernst, die schließlich
nach einigen Umwegen das wurde, was sie zunächst nicht werden wollte: Malerin. Derzeit
sind fünf ihrer Gemälde im Buchhaus Wittwer zu sehen, sie stammen aus dem Zyklus
"Unschuld in Eden" und zeigen Motive aus der Traumfabrik Bollywood, unter anderen den
indischen Superstar Shahrukh Khan. Die Ausstellung wirbt für das achte Filmfestival
"Bollywood and beyond", das am Mittwoch in Stuttgart anläuft.
Tanja Maria Ernst erzählt im Café des Kunstmuseums von Indien und ihrer
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Familiengeschichte, in der die Kunst immer eine wichtige Rolle spielte. Ihr Großvater, ein
Vetter von Max Ernst, arbeitete zwar in der Werbung, doch seine Leidenschaft galt der
Malerei. Tanja Maria Ernst erinnert sich noch genau, wie sie als Mädchen ihren Großvater
erlebte, der in seiner Freizeit Alte Meister kopierte. "In der Familie wurde wenig über Max
Ernst gesprochen", erzählt seine Großnichte. Aber keiner wagte es, selbst den Schritt in die
Malerei zu gehen. "Besser als Max geht nicht", lautete das geflügelte Wort in der Familie.
Sie suchte nach ihrem eigenen Weg
Auch Tanja Maria Ernst arbeitete sich am großen Namen ab, dessen Schatten sie so sehr
fürchtete, dass sie ihn an der Kunstakademie nicht verriet. Sie studierte Bühnenbild, arbeitete
im Fränkischen als Goldschmiedin, bevor sie dem folgte, was sie eigentlich schon immer
wollte: der Malerei. "Ich habe mich lange genug davor gedrückt", erzählt sie rückblickend.
Sie suchte nach ihrem eigenen Weg als Künstlerin und beschäftigte sich zunächst mit dem
Thema Heimat. Im Alltag stand sie vor den Problemen, die vielen jungen Künstlern den Start
erschweren: Wie finde ich Ausstellungsräume und Menschen, die für meine Kunst bezahlen?
In den ersten Jahren arbeitete Tanja Maria Ernst nebenbei. "Nicht nur aus wirtschaftlichen
Gründen, sondern auch weil ich der Isolation meines Ateliers entkommen wollte."
Wer in der Kunstszene Erfolg haben will, muss entdeckt werden. Für Ernst kam dieser
Moment, als sie von der Stuttgarter Galeristin Amrei Heyne angesprochen wurde. Seitdem
macht sich die Großnichte von Max Ernst auf, eigene Spuren in der Kunstwelt zu hinterlassen.
"Das Kino in Farbe, das Leben in Schwarz-Weiß"
Diese führen unter anderem nach Bollywood. "Die Farbigkeit der indischen Kinofilme hat
mich fasziniert", erzählt die Malerin, die selbst noch nie auf dem Subkontinent war. Eines
Tages sah sie sich einen Bollywoodfilm an und drückte die Stand-by-Taste, um diesen zu
unterbrechen. Als sie sich das Standbild des Films ansah, erkannte sie "ein vollständiges
Gemälde". Dieser Moment war ein Ausgangspunkt für ihre künstlerische Auseinandersetzung
mit Bollywood, die schließlich in einer zwölfteiligen eigenen Arbeit zu diesem Thema mündete.
"Indien", erzählt die Malerin, "hat mich auf eine kuriose Weise süchtig gemacht. Wenn man
sich länger damit beschäftigt, läuft das Kino in Farbe und das Leben in Schwarz-Weiß."
Als Künstlerin hat sie sich nach ihrer Bollywoodreihe anderen Themen zugewendet - vor allem
dem Verhältnis von Mensch und Natur, um das es in ihrer nächsten Ausstellung geht. Dem
Bollywoodfestival bleibt sie dennoch verbunden, sind indische Filme für sie doch eine
Entdeckungsreise in ihr eigenes Inneres: "Als Zuschauer wird man im Laufe eines Films durch
verschiedene emotionale Zustände geführt."
Das Bollywoodfestival läuft vom 20. bis zum 24. Juli.
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