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f e at u r e 4 – medianet Mittwoch, 27. September 2006 feature Mittwoch, 27. September 2006 medianet – 5 b ollywood -facts Die gesamte indische Filmproduktion ist mit rund 1.000 Titeln pro Jahr die größte weltweit und umfasst neben Bombay noch zahlreiche andere Zentren. Die kommerzielle Hindi Film produktion mit dem Zentrum Bombay („Bollywood“) produziert zwischen 150 und 300 Filme jährlich. Indiens Filmindustrie ist nicht mit dem Studiosystem Hollywoods ver gleichbar. „Bollywood“ hat sich heute als Dachbegriff für die gesamte indische Filmindustrie durchgesetzt, obwohl diese auch andere Zentren außer Bombay hat. Die Produktionskosten eines Bolly woodfilmes entsprechen meist in etwa den Marketingkosten eines Hollywoodfilms. Die Finanzierung indischer Filme läuft seit der Jahrtausendwende geregelter. Dennoch sitzen oft Mafia-Dons in den Kinopremieren. Bollywoodfilme spielen nur einen Bruchteil der weltweiten Einnahmen von Hollywoodfilmen ein, erreichen aber eine weit höhere Besucherzahl. Der asiatische Kinomarkt ist mit Abstand der größte weltweit. BitTorrent will nächstes Jahr einen Online-Shop für Filme aus aller Welt einrichten – eine neue Nische für Bollywood. Bollywood-Superstar Shah Rukh Khan ziert ein Gros der Covers in einschlägigen DVD-Regalen. Sein neuer Film „Don“ startet im Oktober. Big Boom Bollywood? Leinwand Österreich ist ein beliebter Drehort für indische Filmproduktionen. Frischzellenkur aus Indien: Bollywood erreicht vor allem den asiatischen, arabischen, afrikanischen und osteuropäischen Raum. Aber auch hierzulande entsteht eine neue Nische an Unterhaltungsangeboten. b i r g i t p e s tal Diplomandin Institut für Publizistik, Wien © C. Hoschtalek birgit pestal Bollywood wird heute zur Projektions fläche facetten reicher Imaginationen und Klischees.“ Die Retrospektive des Filmcasinos in Wien zeigt neue Bollywoodfilme sowie indische Filmklassiker. © polyfilm © Abheet Gidwani Für einen Durchbruch in Europa und Amerika mangelte es bisher an Export strukturen und Synchronisation. B ollywood“ (die sehr missverständliche Kombination aus den Worten „Bombay“ und „Hollywood“) mutiert in der Berichterstattung mitunter zu einem Sammelbegriff für Indiens Kapitalmarkt, der die Fantasie der Börsenexperten und ausländischen Anleger beflügelt. Der Begriff war wahrscheinlich noch nie so präsent, vor allem auch in Indien. Das Land selbst „boomt“, aber gilt das auch für die Filmindustrie? Yash Raj, eine der größten indischen Filmfirmen, erwirtschaftet heute gut die Hälfte seiner Einnahmen über ausländische Märkte. Bollywood-Filme erreichen vor allem indische MigrantInnen – z.B. in den USA, England, Kanada und Australien. Eine Verdoppelung des Umsatzes der Filmindustrie in Bombay scheint – laut PriceWaterhouseCoopers – bis 2009 greifbar. Der größte indische Filmdistributor „Eros“ ging im Juli an die Börse – der Optimismus in der Branche ist groß. Indien wird von Hollywood aus als Drehort verstärkt angesteuert und viele internationale Koproduktionen sind geplant. Daneben hat Bollywood auch einen Platz im Herzen Europas erobert. Fremd und neu Der Bollywood-Trend erfasst aber auch die Körper: Was die Partyszene in Deutschland betrifft, hat ein wahrer Hype eingesetzt und Großveranstaltungen wie die „Biennale Bonn“ und das „Bollywood and Beyond“ in Stuttgart zogen heuer jeweils um die 10.000 Besucher an. Bollywood Tanz-Events sind gewöhnlich ausverkauft und in allen deutschsprachigen Ländern wurde über eine steigende Zahl von Bollywood-Tanzkursen berichtet, ganz abgesehen von Bolly-Aerobics und Bollywood-Yoga auf DVD. Doch zurück zum Film: Neben den Farben, der Musik und dem Ausstattungspathos ist für Fans im deutschsprachigen Raum insbesondere der Einblick in fremde Lebensphilosophien faszinierend. Indische Filme sind einfach erfrischend neu und anders – und sie sind keineswegs alle gleich. Dennoch bietet unser großteils verklärtes Indienbild keine geeignete Schublade für diese extravagante Popkultur. Mit westlichen Blicktheorien lässt sich das Hindikino nunmal kaum verstehen. Die fremde Dramaturgie, der schwelgerische Umgang mit Zeit und Raum, die emotionale Ausführlichkeit – das alles trägt dazu bei, dass sich viele europäische Zuseher wenig angesprochen fühlen oder bei Bollywood-Filmen mitunter an den falschen Stellen lachen. Trotzdem hat Bollywood im deutschsprachigen Raum mittlerweile eine beachtliche Fangemeinde. Für Liebhaber sind die Filme schlichtweg umwerfend, auch in einem Sinne, dass sie das Potenzial besitzen, alte Paradigmen umzuwerfen. Aber ob man nun die künstlerische Eigenständigkeit bewundert oder die Filme schlicht nicht aushält – Bollywood gilt heute als global markttragende Filmindustrie. Ähnlich wie es auch schon bei Animes oder MartialArts-Filmen zu beobachten war, spielt die Kinoauswertung im Westen allerdings nur eine geringe Rolle. Im Home Entertainment-Bereich gibt es hingegen Entwicklungspotenzial für weitere Anbieter. Schon seit Jahren wurde orakelt, dass die DVD-Industrie bald auf „Indiens klingendes Kino“ stoßen würde und tatsächlich gibt es heute eine Art Goldgräberstimmung. Mehrere Filmtitel schafften es in die Top Ten der deutschen Charts und „Bollywood“ war im Jahr 2005 mehrmals das am häufigsten gesuchte Schlagwort auf ebay.de. Verschiedene DVD-Anbieter vertreiben heute synchronisierte oder untertitelte Fassungen und regelmäßig erscheinen neue Filme. 70% weibliches Publikum Die deutsche Verleiherfirma Rapid Eye Movies sorgt bereits seit 2003 für eine massive Verbreitung des Phänomens Bollywood und hat in Zusammenarbeit mit RTL2 einen neuen Markt kreiert: Durchschnittlich 1,2 Millionen Deutsche sowie jeweils 50.000 Österreicher und Schweizer ließen sich von den erstmals synchronisierten Filmen mitreißen, wobei Frauen fast 70% des Publikums stellten (unter Experten wird bereits gemunkelt, dass Bollywood eine neue weibliche Käufergruppe aktiviert hat). Auch wenn die RTL2-Einschaltquoten tendenziell rückläufig erscheinen und in den hiesigen Kinos kaum Hindifilme zu sehen sind, spricht der DVD-Boom in hohem Maße dafür, dass Bollywood mittlerweile eine Öffentlichkeit anzusprechen vermag, die weit über ein kulturell interessiertes ArthousePublikum hinausgeht. Er erklärt sich möglicherweise aus einer Übersättigung an konventionellen Kommunikationsformen, die auf den Trend zur Erlebnisorientierung unzureichend reagieren. Bollywood-Filme entschleunigen aber auch den hektischen Alltag und versetzen in eine Art Urlaubsstimmung. Indische Filmemacher setzten zurzeit außerdem verstärkt auf Auslandsszenen. Set-Tourismus Der Zusammenhang zwischen Filmerfolgen und Tourismuswachstum ist spätestens seit „Herr der Ringe“ kein Geheimnis mehr. Gerade die rasant wachsende indische Mittelschicht interessiert sich für ausländische Filmschauplätze. Indische Filmteams werden heute mit Allround-Paketen, Vergünstigungen und diplomatischer Betreuung umworben. Die Firma CineTirol betreute seit 1999 bereits 59 indische Filme. Österreich wird derzeit zum Dreh ort vieler südindischer Produk tionen. Auch Paris und London sind als Schauplätze derzeit besonders attraktiv. In Großbritannien leben besonders viele indische MigrantInnen und Bollywoodfilme erzielen dort regelmäßig Top TenPlatzierungen in den Kinocharts. Das Superheldenepos „Krrish“ spielte etwa vergangenen Sommer rund 16 Millionen Dollar in die weltweiten Kinokassen und zählt damit zu den erfolgreichsten Bollywoodfilmen überhaupt. Mit „Superman Returns“, der bisher weit über 300 Millionen Dollar einspielte, kann der indische Masala-Held damit aber noch nicht konkurrieren. Indien wird seine Kino-Vormachtstellung ausbauen, sagte der indische Finanzminister Palaniappan Chidambaram bei einem Vortrag im Juni 2005 in Berlin und wagte eine kühne Behauptung: „Amerikanische Jugendliche werden in zwanzig Jahren glauben, dass sich der Name Hollywood von Bollywood ableitet. Tatsächlich ist die Internationalisierung des indischen Films in vollem Gange: Indische Stars erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit in Europa und ihre Vermarktungschancen steigen. Auf der anderen Seite sind Bollywood-Filme oft auf Auslandsmärkte angewiesen, um ihre Produktionskosten einzuspielen und genießen steuerliche Vorteile, für jenen Umsatzanteil, der außerhalb des Subkontinents erwirtschaftet wird.“ Hollywood meets Bollywood Um eine größere Zielgruppe im Westen zu erreichen, rücken hybride Filmprodukte zunehmend ins Rampenlicht, das heißt typisch indische Film-Sujets konvergieren mit „westlichen“ Storylines und Frame Settings. Der kulturelle Austausch ist wechselseitig und vielschichtig: Sony, Viacom, Fox und Disney interessieren sich für internationale Koproduktionen, Barrie Osborne, der Produzent der „Herr der Ringe“ Trilogie, beteiligt sich am Aufbau eines Studios in Chennai und Blockbuster Producer Irvin Kershner („Star Wars V“, „James Bond“) plant gerüchteweise einen Film mit indischen Stars und Song&Dance-Nummern. Der wahre Boom steht also vielleicht schon vor der Tür. Der Zusammenhang zwischen Filmerfolgen und Tourismuswachstum ist kein Geheimnis mehr. Gerade die indische Mittelschicht interessiert sich für ausländische Filmschauplätze.“