Berechnung der Zeitgleichung

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Berechnung der Zeitgleichung
Berechnung der Zeitgleichung
Um eine Sonnenuhr berechnen zu können, muss man zu jedem Zeitpunkt den Einfallswinkel der
Sonne relativ zur Äquatorebene (= Deklination δ) sowie den Winkel, um den sich die Erde seit
dem Sonnenhöchststand weitergedreht hat (= Stundenwinkel τ), kennen.
Wenn sich die Erde gleichmäßig auf einer idealen Kreisbahn mit dazu senkrechter Drehachse
bewegen würde, wäre es nicht allzu schwer, diese Größen zu berechnen.
Da sich jedoch die Erde auf einer elliptischen Bahn mit veränderlicher Geschwindigkeit bewegt
und die Drehachse zur Ebene der Erdbahn (Ekliptik) um den Winkel γ geneigt ist, ist die Lösung
des Problems etwas komplizierter.
Ich habe im folgenden Artikel versucht, die Sachverhalte so zu veranschaulichen, dass man sich
den Ablauf der Erdbewegung sowie die Einflüsse auf die Deklination und den Stundenwinkel gut
vorstellen kann.
(Hinweis: Die Nutation der Erdachse wird im Folgenden nicht berücksichtigt.)
Algorithmus:
a) Berechnung der Zeitdifferenz d vom gegebenen Datum zum 1. 1. 2000, 12:00, ausgedrückt in
Tagen.
b) Berechnung des Anteils T am Julianischen Jahrhundert (= 36 525 Tage):
T=
d
36525
(Die folgenden Berechnungen erfolgen mit Näherungsformeln von Jan Meeus)
c) Berechnung der Exzentrizität ε der Erdbahn:
ε = 0,016708634 − 0,000042037 * T − 0,0000001267 * T 2
d) Berechnung der Schiefe der Ekliptik:
γ = 23,43929111 − 0,0130042 * T − 0,00000016 * T 2
e) Berechnung des Winkelweges M, den die Erde seit dem letzten Periheldurchgang
zurückgelegt hätte, wenn sie sich auf einer Kreisbahn bewegen würde:
M = 357,52910 + 35999,05030 * T − 0,0001559 * T 2 − 0,00000048 * T 3 mod 360
f) Berechnung des Winkelweges ν , den die Erde seit dem letzten Periheldurchgang tatsächlich
zurückgelegt hat (Die Berechnung erfolgt mit der Keplergleichung unter Verwendung des
Newtonschen Iterationsverfahrens):
hilf = M −
M − ε.sin M − M
hilf − ε.sin hilf − M
, E = hilf −
,
1 − ε.cos M
1 − ε.cos hilf
 1+ ε
 E 
ν = 2 * tan −1
.tan  
 2 
 1− ε
g) Berechnung des Winkelweges, den die Erde seit dem letzten Frühlingspunkt zurückgelegt
hätte, wenn sie sich auf einer Kreisbahn bewegen würde:
M 2 = 280,46645 + 36000,76983 * T + 0,0003032 * T 2 mod 360
h) Berechnung des Winkelweges, den die Erde zwischen Periheldurchgang und Frühlingspunkt
zurückgelegt hätte, wenn sie sich auf einer Kreisbahn bewegen würde:
M1 = M − M 2
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i) Die Nullpunkte von M und ν sind so festgelegt, dass für den Winkelweg ν 1 , den die Erde
zwischen Periheldurchgang und Frühlingpunkt tatsächlich zurückgelegt hat, gilt:
ν1 = M 1
j) Berechnung des Winkelweges, den die Erde seit dem Frühlingspunkt tatsächlich zurückgelegt
hat:
ν 2 = ν − ν1
k) Projektion von ν 2 auf die Äquatorebene:
RA = tan −1(tan ν 2 .cos γ)
l) Berechnung der Zeitdifferenz zwischen Mittagsmeridian und Sonnenhöchststand
(=Zeitgleichung):
ZG = (M 2 − RA ) * 4 min
l) Berechnung der Deklination:
δ = sin −1 (sin γ.sin ν 2 )
m) Berechnung des Stundenwinkels:
τ=
[(OZ − (Zeitzone) − 12 : 00 ) + ZG] in min + λ
4
(OZ ... gültige Ortszeit innerhalb der Zeitzone, λ ... geographische Länge )
Beispiel:
Datum: 4. 10. 2007, OZ: 17:00, Zeitzone: GMT +1, Geographische Länge: λ = 18°
Ergebnis:
d = 2833,1667; T = 0,07756788; ε = 0,016705; γ = 23,43828°; M = 269,89896°; ν = 267,98510°;
M 2 = 192,96970°; M 1 = ν1 = 76,92927°; ν 2 = 191,05583°; RA = 190,16345°; ZG = 11,225 min;
δ = — 4,37459°; τ = 80,80625°
1. Idealisierter Zustand
Im idealisierten Zustand (ohne Deklination und Ellipsenbahn) bewegt sich die Erde mit
konstanter Geschwindigkeit auf einer Kreisbahn um die Sonne. Wenn wir den Meridian durch
einen festen Punkt jeweils um 12:00 Uhr betrachten, so sehen wir, dass er sich (relativ zur
Sonne) jeweils um denselben Winkel M weiterdrehen muss, um den sich die Erde um die Sonne
bewegt. (siehe Abbildung)
M
M
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2. Abweichungen vom idealisierten Zustand:
a) Ellipsenbahn:
Die Erde bewegt sich nicht auf einer Kreisbahn um die Erde, sondern sie beschreibt nach dem
zweiten Keplerschen Gesetz eine Ellipsenbahn. Dabei ist die Geschwindigkeit in Sonnennähe
größer als in größerer Entfernung zur Sonne. Üblicherweise misst man den überstrichenen
Winkel vom Perihel weg – das ist der sonnennächste Punkt der Erdbahn. Der tatsächlich von der
Erde in einem bestimmten Zeitraum überstrichene Winkel ν wird aus dem Winkel M berechnet,
den die Sonne bei einer gleichmäßigen Kreisbahn in dieser Zeit zurückgelegt hätte.
E
E
M
ν
S
E
Perihel
Die dazu nötigen Gleichungen lauten: (siehe: http://tau.fesg.tumuenchen.de/~iapg/web/lehre/veranstaltungen/veranstaltungen/studienplan/Mechanik_Kap5
_0607.pdf )
E − ε.sin E = M (Keplergleichung) (1)
tan
ν
1+ ε
E
=
.tan (2)
2
1− ε
2
ε ... numerische Exzentrizität der Erdbahn (≈ 0,01671)
E ... exzentrische Anomalie (für uns eine „Hilfsvariable“ zur Berechnung von M)
Hinweis: Für die Lösung von Gleichung (1) müssen M und E im Bogenmaß angegeben werden.
Am besten löst man diese Gleichung durch ein Iterationsverfahren:
E 0 = M , En +1 = M + ε.sin En , ...
E − ε.sin E n − M
oder das Newtonverfahren: E 0 = M , En + 1 = En − n
1 − ε.cos En
(Hinweis: In der Astronomie bezeichnet man den Winkel ν als Wahre Anomalie und den Winkel
M als Mittlere Anomalie)
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b) Ekliptik:
Eine zweite Änderung der idealisierten Verhältnisse ergibt sich daraus, dass die Erdachse nicht
senkrecht auf die Ebene der Erdbahn um die Sonne steht. Die Äquatorebene der Erde ist um
etwa γ = 23,44° gegenüber der Erdbahnebene geneigt. Eine Drehung in der Erdbahnebene um
einen Winkel α entspricht daher nicht einer Drehung um denselben Winkel in der
Äquatorebene. Der Winkel α muss zuerst in die Äquatorebene projiziert werden:
β = tan −1(tan α.cos γ )
3. Zusammenschau aller Effekte:
Wir wollen nun die Auswirkungen der oben beschriebenen Effekte im Laufe des Jahres
beobachten:
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Phase :
Die Erde befindet sich im Perihel. Der Winkel zwischen dem einfallenden Sonnenstrahl und der
Schnittgeraden von Erdbahnebene und Äquatorebene beträgt ν1 . Wir legen den Nullpunkt für
die Messung des von der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne zurückgelegten Winkels (= wahre
Anomalie) durch den einfallenden Lichtstrahl im Perihel fest.
Den Nullpunkt für die Bewegung des Mittagsmeridians (blau) können wir beliebig festlegen.
Eine Möglichkeit wäre, ihn ebenfalls mit dem einfallenden Sonnenstrahl zu fixieren.
In der Praxis wird er jedoch so festgelegt, dass der Winkel zur Schnittgeraden von
Erdbahnebene und Ekliptikebene gleich groß ist, wie der Winkel ν1 . Es gilt dann M 1 = ν1 .
Zwei Gründe sprechen für diese Wahl des Nullpunktes:
Falls der Winkel γ zwischen Erdbahnebene und Äquatorebene Null wäre, dann würden
die beiden Nullpunkte zusammenfallen.
Falls die Erde sich auf einer Kreisbahn bewegen würde, dann wären die
Winkelgeschwindigkeiten für M und ν gleich groß und die Winkel M1 und ν1 würden im
gleichen Zeitabschnitt zurückgelegt werden. Dies hätte zur Folge, dass im
Frühlingspunkt ( ) die Zeitgleichung Null wäre.
Wenn wir nun die Nullpunkte für die beiden Winkelmessungen (Bewegung der Erde um die
Sonne, Bewegung des Mittagsmeridians) wie oben beschrieben festlegen, dann hat dies zur
Folge, dass die Meridiane durch die beiden Nullpunkte nicht zusammenfallen. Es ergibt sich ein
Differenzwinkel zwischen ihnen. Der Mittagsmeridian (blau) läuft dem Meridian durch den
Nullpunkt der wahren Anomalie (orange) nach. Die Sonnenuhr geht daher nach.
Das Ausmaß der Differenz können wir berechnen, indem wir den Winkel ν1 auf die
Ekliptikebene projizieren: ν1 = tan −1(tan ν1.cos γ) und anschließend die Differenz zu M1
bilden. Division durch 24 (h) und Multiplikation mit 60 (min) ergeben die Zeitdifferenz.
(für 2008: ν1 = 76,924 ° , γ = 23,44° ergibt die Winkeldifferenz – 1,13° und die
Zeitdifferenz – 4,52 min.)
Phase :
Nun betrachten wir die Erde im Frühlingspunkt. Der Sonnenstrahl fällt genau in der Richtung
der Schnittgeraden von Erdbahnebene und Äquatorebene ein. Die Erde hat sich um den Winkel
ν Υ = ν1 auf ihrer Bahn weitergedreht. Da sich jedoch die Erde auf einer Ellipsenbahn bewegt
und die Geschwindigkeit während des Jahres variiert, hat der Mittagsmeridian in dieser Zeit
nicht denselben Winkel zurückgelegt. Der vom Mittagsmeridian zurückgelegte Winkel M Υ ist
kleiner als ν Υ . Es ergibt sich wieder eine Zeitverschiebung zwischen dem Mittagsmeridian
(blau) und dem Meridian durch den einfallenden Sonnenstrahl (orange). Ihr Wert beträgt
M Υ − M 1 (bzw. M Υ − ν1 ).
(für 2008: M Υ = 75,065° ergibt die Winkeldifferenz – 1.859° und die Zeitdifferenz –
7,436 min.)
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Phase :
Zuletzt wollen wir die Zeitgleichung für einen beliebigen Zeitpunkt berechnen. Wir bezeichnen
den von der Erde auf ihrer Bahn zurückgelegten Winkel ν und den vom Mittagsmeridian
zurückgelegten Winkel M . Der seit dem Frühlingspunkt von der Erde zurückgelegte Winkelweg
beträgt dann ν 2 = ν − ν 1 .
Die Projektion dieses Winkels auf die Ekliptikebene ergibt den Wert tan
−1
(tan(ν 2 ).cos γ ) .
Der Mittagsmeridian hat seit dem Frühlingspunkt den Winkel M 2 = M − M 1 = M − ν 1
zurückgelegt.
Die Differenz der beiden Winkel beträgt also: M 2 − tan
−1
(tan(ν 2 ).cos γ )
(z.B. 20. 5. 2008: ν = 136,760° , M = 135,437° ergibt die Winkeldifferenz 0,865° und
die Zeitdifferenz 3,64 min)
(Hinweis: In der Astronomie wurden folgende Bezeichnungen eingeführt:
M 2 ... Mittlere Länge der Sonne
ν 2 ... Wahre Länge der Sonne
tan −1 (tan(ν 2 ).cos γ ) ... Rektaszension)
4. Praktische Durchführung:
Mit den bisher angeführten Rechenschritten könnte man die Zeitgleichung für jeden Zeitpunkt
berechnen, wenn man ν1 und M kennen würde. In der Wirklichkeit kommen aber noch folgende
erschwerende Sachverhalte dazu:
Weder die Lage des Perihels auf der Erdbahn noch der Abstand zwischen Perihel und
Frühlingspunkt noch die Schiefe der Ekliptik noch die Exzentrizität der Erdbahn sind
konstant, sondern sie alle verändern sich im Laufe der Zeit.
In der Praxis löst man die Schwierigkeiten durch folgende Schritte:
Man berechnet für einen gegebenen Zeitpunkt das Julianische Datum (dieses gibt die
Zeit in Tagen an, die seit dem 1. Januar − 4712 (4713 v. Chr.) 12:00 Uhr vergangen sind;
dem 1. Januar 2000 12:00 Uhr entspricht zum Beispiel das Julianische Datum
2 451 545,0).
Dann dividiert man die Differenz zu einem Referenzdatum (z.B. 1. Januar 2000) durch
ein Julianisches Jahrhundert (= 36525) und erhält den Anteil T des Julianischen
Jahrhunderts, das seit dem Referenzdatum verstrichen ist.
Anschließend verwendet man Näherungsformeln (von Jan Meeus), welche die
gewünschten Größen in Abhängigkeit von T festlegen:
Mittlere Anomalie:
M = 357,52910 + 35999,05030 * T − 0,0001559 * T 2 − 0,00000048 * T 3 mod 360
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Numerische Exzentrizität:
ε = 0,016708634 − 0,000042037 * T − 0,0000001267 * T 2
Schiefe der Ekliptik:
γ = 23,43929111 − 0,0130042 * T − 0,00000016 * T 2
Winkelweg, den die Erde seit dem letzten Frühlingspunkt zurückgelegt hätte, wenn sie sich auf
einer Kreisbahn bewegen würde:
M 2 = 280,46645 + 36000,76983 * T + 0,0003032 * T 2 mod 360
V. Deklination und Stundenwinkel:
Die Deklination δ bezeichnet den Winkel, unter dem
der Sonnenstrahl auf die Äquatorialebene der Erde
trifft (siehe Abbildung).
Es gilt:
δ = sin −1 (sin γ.sin ν 2 )
Den Stundenwinkel für die Wahre Ortszeit WOZ (bei dieser steht die Sonne um 12 Uhr genau im
Süden) erhalten wir, indem wir:
— die koordinierte Weltzeit berechnen: UTC = Zeit, die in der jeweiligen Zeitzone gültige ist
minus Zeitzone (OZ + GMT),
— die Differenz (in Minuten) zu 12:00 Uhr bilden,
— den Wert der Zeitgleichung addieren,
— das Ergebnis durch 4 dividieren (60 Minuten entsprechen 15°),
— und zuletzt die geographische Länge λ addieren.
τ=
[(OZ − (Zeitzone) − 12 : 00 ) + ZG] in min + λ
4
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© Schwarz Alfred, A-4202 Hellmonsödt, Sonnenhang 42, E-mail: [email protected]
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