Wenn die Eltern zum Pflegefall werden
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Wenn die Eltern zum Pflegefall werden
Finanzen ■ BAUERNBLATT l 29. Juni 2013 Beratung rund um das Geld: Inanspruchnahme für Pflegekosten Wenn die Eltern zum Pflegefall werden Die Kosten für Pflegeleistungen und insbesondere für einen Platz im Pflegeheim sind oft so hoch, dass die eigenen Einkünfte der Eltern und die gesetzlichen Pflegeleistungen nicht ausreichen, um diese Kosten abzudecken. Hier stellt sich für die Kinder die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang sie selbst für die Pflegekosten der Eltern als Unterhalt aufzukommen haben. Früher wurde bei der Überlassung landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen der Altenteilsleistungen häufig Hege und Pflege vereinbart. Dies umfasst grundsätzlich auch die Kosten für Pflegeleistungen. Mitunter wurde diese Klausel auch dahingehend eingeschränkt, dass Hege und Pflege nur insoweit geschuldet wurde, als dies auf dem Hof möglich ist unter Berücksichtigung der Belange des Hofes und ohne zusätzliche Hilfskräfte. Vertragliche Regelungen sind gegenüber der gesetzlichen Unterhaltspflicht vorrangig, wenn sie über die gesetzliche Unterhaltspflicht herausgehen. zählen aber alle verfügbaren Quellen, also auch Miet- und Kapitaleinkünfte sowie Rentenbezüge jeder Art, Leistungen der gesetzlichen oder privaten Pflegeversicherung oder Sozialleistungen wie die Grundsicherung und natürlich Altenteilsleistungen. Ein Anspruch zum Beispiel auf die Grundsicherung besteht, wenn der jeweilige Elternteil 65 Jahre alt oder schlicht dauerhaft erwerbsgemindert ist und über keine eigenen finanziellen Mittel verfügt. den, bevor Unterhaltsleistungen seitens der Kinder erfolgen. Neben den Einkünften haben die Eltern aber auch das Vermögen aufzubrauchen, soweit dies den Eltern zumutbar ist. Dabei kann auch die Veräußerung eines im Eigentum der Eltern stehenden Hausgrundstücks erforderlich werden, sofern es von beiden Eltern wegen einer anderweitigen Unterbringung nicht mehr bewohnt wird. Das Haus muss aber dann nicht verkauft werden, wenn es Müssen Kinder regelmäßig Pflegekosten decken? Kinder sind nicht in jedem Fall verpflichtet, für die Pflegekosten der Eltern aufzukommen. Sie müssen erst zahlen, wenn sich die Eltern nicht selbst unterhalten können oder die eigenen Einkünfte der Eltern die Kosten nicht decken. Im letzten Fall wären die Kinder zur Aufstockung verpflichtet. Entscheidend ist daher zunächst, über welche Einkünfte und welches Vermögen die Eltern überhaupt verfügen. Reichen diese Mittel aus, müssen die Kinder nicht einspringen. Zwar ist bei pflegebedürftigen Menschen nicht mit einem Erwerbseinkommen zu rechnen; zu den anzurechnenden Einkünften Sorgentelefon für landwirtschaftliche Familien mittwochs 8.00 bis 12.00 Uhr (04 31) 55 77 94 50 [email protected] Werden die Eltern zum Pflegefall, stellt sich die Frage nach der Unterhaltspflicht für die Kinder. Kinder sind nicht in jedem Fall verpflichtet, für die Pflegekosten der Eltern aufzukommen. Die Höhe der Unterhaltkosten ist von der persönlichen finanziellen Lage des/-r Unterhaltspflichtigen abhängig. Die Höhe der Grundsicherung entspricht in etwa der Sozialhilfe. Für die Eltern besteht eine Verpflichtung, diese Ansprüche geltend zu machen. Vor der Klärung eines Anspruchs auf Grundleistung empfehlen sich auch freiwillige Unterhaltsleistungen nicht. Werden nämlich dauerhaft freiwillige Unterhaltsleistungen an die Eltern erbracht, werden diese Zahlungen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) bei der Bemessung des Anspruchs auf Grundleistung berücksichtigt. Deshalb sollte zunächst die Entscheidung über die Gewährung von Grundsicherung abgewartet wer- noch so hoch belastet ist, dass der Erlös den Unterhalt nur für kurze Zeit sicherstellen kann. Unterhaltspflicht durch Einkommen begrenzt Wenn wegen fehlender oder zu geringer Einkünfte der Eltern eine Lücke bei der Deckung der Pflegekosten besteht, führt das nicht per se zur Zahlungspflicht. Entscheidend ist weiter, ob die Kinder überhaupt selbst in der Lage sind, aus ihren Einkünften Zahlungen zu leisten, ohne den eigenen Unterhalt zu gefährden. Die Zahlungspflicht ist daher wei- ter von der Höhe des bereinigten Nettoeinkommens des Kindes abhängig. Bei Angestellten wird das Einkommen anhand des durchschnittlichen Jahreseinkommens ermittelt, bei Selbstständigen anhand der durchschnittlichen Einkünfte der vergangenen drei Jahre. Steuerlich zulässige und insbesondere pauschale Minderungen des Einkommens eines Selbstständigen, zum Beispiel Ansparrücklagen oder Abschreibungen, müssen dabei rechtlich nicht zwangsläufig voll berücksichtigt werden. Das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen kann daher das zu versteuernde Einkommen übersteigen. Einzusetzen ist dieses Einkommen regelmäßig nur, soweit es über einen Betrag von 1.600 € monatlich hinausgeht. Bei diesem Betrag spricht man von dem sogenannten Selbstbehalt. Des Weiteren kann er zusätzlich 50 % des über den Selbstbehalt hinausgehenden Betrages behalten. Das maßgebliche bereinigte Nettoeinkommen ist das Nettoeinkommen des Kindes abzüglich vorrangiger Ausgaben wie zum Beispiel Zins- und Tilgungsraten für Kredite und andere Verbindlichkeiten, Versicherungsbeiträge, tatsächlich gezahlte Steuern, Mieten, berufsbedingte Aufwendungen, angemessene Ausgaben für die private Altersversorgung (beispielsweise Lebensversicherungen, aber auch Immobilien oder Aktienfonds). Letztere Ausgaben sind in Höhe von bis zu 5 % des monatlichen Bruttoeinkommens abzugsfähig. Die Form der Altersversorgung unterliegt der Wahl des Kindes. Bei einem Selbstständigen können bis zu 25 % des fiktiven Einkommens zum Aufbau einer Altersversorgung abgezogen werden. Leben die Kinder getrennt oder geschieden und zahlen sie auch schon an ihre Expartner oder an eigene Kinder Unterhalt, sind auch diese Zahlungen vorrangig vom Nettoeinkommen abzuziehen. Aber auch in intakten Familien kosten Kinder Geld, die Kosten werden nur nicht durch förmliche Unterhaltszahlungen gedeckt. Daher sind auch in diesen Fällen Unterhaltsbeträge für die Kinder anzusetzen und abzuziehen, als ob 47 48 Finanzen man Kindesunterhalt zahlen würde. Gleiches gilt hinsichtlich der Unterhaltung des Ehegatten bei einer intakten Ehe. Die Berechnung ist im Einzelfall kompliziert und davon abhängig, ob und in welcher Höhe auch der Ehegatte berufstätig ist und eigenes Geld verdient. Erst wenn nach Abzug sämtlicher Posten noch ein Einkommensbetrag von mindestens 1.600 € verbleibt, kommt eine Zahlungspflicht gegenüber den Eltern in Betracht. Beispiel 1: Ein Landwirt verfügt über Einkünfte von monatlich 2.600 € netto, die Eltern sind pflegebedürftig. Er lebt geschieden und schuldet Kindesunterhalt für seine drei minderjährigen Kinder. Die Unterhaltslast für die Kinder beläuft sich auf monatlich insgesamt 810 €. Ferner zahlt er weitere 200 € monatlich in eine Altersversorgung. Das bereinigte Nettoeinkommen beläuft sich somit auf 1.590 €. Da dieser Betrag unter dem sogenannten Selbstbehalt von 1.600 € liegt, muss er für die Pflegekosten seiner Eltern nicht aufkommen. Beispiel 2: Verfügt der Landwirt über Einkünfte in Höhe von 4.000 € und leistet auf den Kindesunterhalt 1.081 €, verbleiben ihm 2.919 €. Hiervon sind 1.600 € frei. Vom restlichen Betrag in Höhe von 1.319 € hat er höchstens die Hälfte, nämlich 660 € zu zahlen. Ihm verbleiben dann selbst noch 2.260 €. Schonvermögen für die Kinder Neben dem Einkommen haben die Kinder gegebenenfalls auch mit dem eigenen Vermögen für den Unterhalt der Eltern aufzukommen. Diese Frage stellt sich vor allem dann, wenn das Einkommen der Kinder unter dem Selbstbehalt liegt. Abzustellen ist dabei nur auf das Vermögen des Kindes, nicht aber auf das seines Ehegatten. Der Ehegatte hat sein Vermögen nicht für Unterhaltspflichten der Schwiegereltern einzusetzen. In jedem Fall ist den Kindern ein Schonvermögen zu belassen, dessen Höhe nach Bundesländern variiert. In einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2006 hat das Gericht zudem klargestellt, dass Kinder ihr Vermögen nicht zur Finanzierung von Pflegekosten einsetzen müssen, wenn es für die eigene angemessene Lebensführung und Altersversorge benötigt wird. Da das Kind monatlich 5 % seines Bruttoeinkommens frei zum Auf- BAUERNBLATT l 29. Juni 2013 ■ bau einer Altersversorgung abziehen darf, unterliegt auch ein Kapitalbetrag dem Schonvermögen, der mit Aufwendungen in dieser Höhe während des Erwerbslebens erwirtschaftet werden kann. Zum Schonvermögen zählt auch die selbst bewohnte Immobilie, die weder veräußert noch belastet werden muss, um sich Liquidität zu verschaffen. Allerdings kann die selbst bewohnte Immobilie Auswirkungen auf die Höhe des Einkommens haben. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass das bestehen in den Seitenlinien wie können Eltern und Kinder daher zum Beispiel bei Geschwistern, nicht vereinbaren. Möglich ist aber eine interne Stiefeltern, Stiefkindern oder Freistellung von UnterhaltsansprüSchwägern. chen der Eltern. Verzichtet beiMüssen mehrere Kinder spielsweise der weichende Hofergemeinsam aufkommen? be weitgehend auf eine Abfindung oder erhält er nur eine ganz Sind mehrere Kinder pflegebe- geringe Abfindung, ist zu überledürftiger Eltern vorhanden, müs- gen, ob nicht der Hoferbe sich dasen alle Kinder in die Pflicht. Die für verpflichtet, den weichenden Pflegekosten werden indes ent- Erben von etlichen Unterhaltsansprechend den jeweiligen Einkom- sprüchen der Eltern freizustellen. mens- und Vermögensverhältnis- In diesem Fall hätte der weichende sen geteilt. Allerdings muss ein Erbe einen Anspruch gegen den Hoferben, wonach der Hoferbe die Beträge zahlt, die sonst der weichende Erbe bezahlen müsste. Eine solche Freistellung könnte vor dem Hintergrund in Betracht kommen, dass ohne die Überlassung die Eltern den eigenen Hof mit ihren Pflegekosten belasten würden, sei es durch Abverkäufe oder durch Aufnahme von Darlehen. Dr. Patrick Wüchner Lauprecht Rechtsanwälte und Notare ZINSBAROMETER Bevor der Ernstfall eintritt, sollte über eine Patientenverfügung nachgedacht werden. Fotos: landpixel Wohnen in der eigenen Immobilie einen geldwerten Vorteil darstellt. Dies folgt daraus, dass der Eigenheimbesitzer keine Miete zahlen muss und diese Ausgaben spart. Dieser Einsparvorteil wird als Einkommen gewertet, von dem auf der anderen Seite aber unter anderem die Tilgungsraten und Grundsteuern abgezogen werden. Ebenfalls muss das Vermögen nicht aufgelöst werden, wenn sich das Kind dadurch die fortlaufenden eigenen Einkünfte abschneiden würde. Das betrifft zum Beispiel landwirtschaftliche Betriebe, aus denen das Kind sein Einkommen erwirtschaftet. Müssen auch Geschwister der Eltern aufkommen? Keine Verpflichtung haben die Geschwister der Eltern, für die Unterhaltskosten ihres Bruders oder der Schwester aufzukommen. Unterhaltspflichtig sind lediglich Verwandte, die in gerader Linie voneinander abstammen. Keine Unterhaltsverpflichtungen Kind nicht damit rechnen, für Unterhaltsrückstände seiner Geschwister aufzukommen. Haben pflegebedürftige Eltern beispielsweise zwei ihnen gegenüber unterhaltspflichtige Kinder und kommt einer seiner Unterhaltspflicht nicht nach, muss der andere diesen Ausfall nicht aufstocken. Seine Unterhaltslast bleibt hierdurch unverändert. Unterhaltspflicht vertraglich ausschließbar? Nach alledem stellt sich die Frage, ob Kinder die Unterhaltspflicht abwehren können, indem sie mit den Eltern eine Vereinbarung schließen, in der auf Unterhaltsansprüche verzichtet wird. Folge eines solchen Verzichts wäre es, dass die Kosten durch Sozialleistungen aufgefangen werden müssten. Ein solcher Vertrag und der Verzicht auf künftige Unterhaltszahlungen wäre aufgrund der Belastung des öffentlichen Haushalts nicht möglich. Einen wirksamen Verzicht auf zukünftige Unterhaltsleistungen Stand 24. Juni 2013 Die Zinsspannen am Kapitalmarkt nehmen zu. Das Zinsbarometer bietet lediglich erste Anhaltspunkte zur aktuellen Kapitalmarktsituation (ohne Gewähr). Bei den gekennzeichneten Zinssätzen können sich je nach persönlicher Verhandlungssituation deutliche Abweichungen ergeben. Zinsen Geldanlage % Festgeld 10.000 €, 3 Monate1) 0,15 - 1,25 Kredite Landwirtschaftliche Rentenbank2) % effektiv (Sonderkreditprogramm) Maschinenfinanzierung 6 Jahre Laufzeit, Zins 6 Jahre fest 1,26 langfristige Darlehen 10 Jahre Laufzeit, Zins 5 Jahre fest 1,36 20 Jahre Laufzeit, Zins 10 Jahre fest 2,27 Baugeld-Topkonditionen3) Zins 10 Jahre fest 2,27 - 3,28 Zins 15 Jahre fest 2,96 - 3,63 1) Marktausschnitt (100 % Einlagensicherung) 2) Zinssatz Preisklasse A, Margenaufschlag 0,35 bis 2,85 %, je nach Bonität und Besicherung (7 Preisklassen) 3) Quelle: www.capital.de (Spanne der Topkonditionen)