Die stärksten Injektionspumpen der Welt

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Die stärksten Injektionspumpen der Welt
Die stärksten
Injektionspumpen
der Welt
TONY WATERFIELD
BRIAN GERMAINE
SULZER PUMPS
Ende November 2001 vergab die Azerbaijan International Oil Company (AIOC) Aufträge für die
Lieferung von Injektionspumpen für das «AzeriChirag-Guneshli Full Field Development (ACG-FFD)»Programm. Zusammen mit der angegliederten
BTC-Pipeline (Baku–Tiflis–Ceyhan) gehören diese
Projekte vermutlich zu den gegenwärtig weltweit
größten zur Erschließung von Erdöl- und Erdgasvorkommen. Die AIOC forderte drei potentielle
Anbieter im Rahmen einer Ausschreibung auf,
entsprechende Pumpen zu offerieren. Nach einer
umfangreichen Evaluierung beauftragte sie Sulzer
Pumps mit der Fertigung, Montage und Prüfung
dieser wichtigen Pumpenaggregate.
Das ACG-Ölfeld liegt vor
der Küste Aserbaidschans im
Kaspischen Meer (Bild 1). Es enthält nachgewiesene Ölreserven in
der Höhe von 5,4 Mrd. Barrel und
Erdgasreserven im Umfang von
100 Mrd. m3. Damit umfasst es
rund die Hälfte der nachgewiesenen Offshore-Ölreserven Aserbaidschans.
Eine zentrale Rolle bei der Erschließung spielen vier gewal-
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tige Wasserinjektionspumpen mit
einer Leistung von je 27 MW, die
gemeinsam in der Lage sind, täglich bis zu 1,0 Mio. Barrel Meerwasser mit einem Druck von
480 bar in die Lagerstätte zu pumpen (Bild 2). Die Leistung der mit
RB211-Gasturbinen von RollsRoyce angetriebenen Pumpen ist
um 50% höher als bei jeder anderen Meerwasserinjektionspumpe,
die jemals gebaut wurde.
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Vereinfachtes Schmierölsystem
dank Direktantrieb
Bei der Konstruktion der Pumpe
wurde auf Folgendes geachtet:
Die Drehzahl der Gasturbine
wurde mit 4800 min–1 vorgegeben, damit eine Pumpe mit
Direktantrieb, d.h. ohne Getriebe, eingesetzt werden konnte.
Eine solche Lösung ist nicht nur
Platz und Kosten sparend, sondern vereinfacht auch das
Schmierölsystem erheblich.
Bei Sulzer intern durchgeführte
Erosionsprüfungen für die
Laufräder ergaben eine maximale Förderhöhe von 600 m pro
Stufe. Die Strömungsgeschwindigkeit durch die Laufräder
darf dabei 55 m/s nicht überschreiten, damit beim Einsatz
von Duplexstahl nur geringfügige Erosion auftritt.
Zwei Hydraulikausführungen mit
einer spezifischen Drehzahl von
BTC-Pipeline
Die Baku–Tiflis–Ceyhan-Pipeline hat einen Durchmesser
von mehrheitlich 107 cm und
weist acht Pumpwerke sowie
98 Ventilstationen auf. Sie
wird mehr als 150 Flüsse sowie Berge von bis zu 2700 m
Höhe überqueren, bis sie bei
Ceyhan am Mittelmeer wieder
Meereshöhe erreicht. Die Bauarbeiten begannen im ersten
Quartal 2003 und werden
Ende 2004 abgeschlossen sein.
Die ersten Lieferungen vom
Azeri-Ölfeld sind für das erste
Quartal 2005 geplant. Sulzer
Pumps hat einen umfangreichen Auftrag zur Lieferung
elektrischer und turbinenbetriebener Pumpen für diese
wichtige Pipeline erhalten.
1 Die Chirag-Plattform wird rund 100 km östlich von Baku im Kaspischen Meer bei einer Wassertiefe
von 120 m betrieben. Pumpen von Sulzer unterstützen die Erschließung der reichen Öl- und Gasvorkommen in Aserbaidschan.
nq = 27 bzw. nq = 18 werden dem
anspruchsvollen Injektionsprofil
gerecht: einer Nennleistung von
427–5958 m3/h bei 4664 m Förderhöhe (Nennförderstrom der
«High-flow»-Einschubeinheiten
1650 m3/h). Die beiden 8-stufigen
Konstruktionen entsprechen dem
«In-line»-Konzept und sind mit
einem Entlastungskolben ausgestattet, der die verbleibenden
Axialkräfte verringert (Bild 3). Bei
beiden Hydraulikdesigns handelt
es sich um Abwandlungen bestehender, bewährter Konstruktionen. Die Einschubeinheiten der
Pumpen wurden angeglichen, damit die nq-18-Laufräder und der
Leitapparat in die «High-flow»Einschubeinheit passen; Welle und
Lager konnten ohne Modifikation
übernommen werden.
maldrehzahl gefahren wird. Die
Pumpe ist deshalb für diese
Dauerlast ausgelegt. Bei der Nennförderhöhe von 4664 m ist die
Pumpe in der Lage, einen Durchfluss von 2020 m3/h zu erbringen
– rund 20% über der Nennleistung.
Aufgrund der hohen Leistungsaufnahme dieser Pumpen musste
der Wellendurchmesser über das
übliche Maß hinaus vergrößert
werden. Größere Wellenabmes-
2 Die von Sulzer Pumps gelieferten 27-MW-Injektionspumpen
werden auf der unbemannten C&WP-Plattform betrieben werden.
Sangachal
West Azeri PDQ
Central Azeri PDQ
Dauernder Überlastbetrieb
möglich
Während der Wintermonate wird
die Injektionsrate erhöht, indem
die Gasturbine mit 105% der Maxi-
Central Azeri C&WP
East Azeri PDQ
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3 Konstruktion der
leistungsstärksten
Injektionspumpe
der Welt (27 MW).
Der Nenndurchmesser des Laufrads
beträgt 420 mm,
der maximale
Durchmesser des
Topfgehäuses
1250 mm und das
Gesamtgewicht der
Pumpe 19 800 kg.
Enorm hohe Leistung
sungen führen dazu, dass sich die
Einströmfläche des Laufrads und
damit der Wirkungsgrad der
Pumpe verringern. Damit die zuverlässige Funktion der Hydraulik
garantiert werden konnte, wurden
mittels «Rapid Prototyping» exakt
maßstabsgetreue Modelle beider
Konstruktionen angefertigt und in
einer dreistufigen Testpumpe
überprüft. Die Abnahme-Modellversuche erfolgten in Gegenwart
des Kunden bei Sulzer Pumps in
Winterthur (CH).
Flexibler Betrieb mit
«Low-flow»-Einschubeinheiten
Das besondere Merkmal dieses
Projekts ist das variable Injektionsprofil. In den ersten beiden Produktionsjahren rechnet man mit
eher niedrigen Injektionsraten, für
die folgenden zehn Jahre mit rela-
Anzahl Pumpen im
Einsatz
4 «High-flow»-Pumpen
3 «High-flow»-Pumpen
1 «High-flow»-Pumpe
Die größte Herausforderung bei
der Herstellung derartiger Pumpen sind ganz einfach ihre Abmessungen. Insbesondere die Fertigung der Topfgehäuse und der
Deckel aus Super-Duplex-Material
ist kritisch.
900
Wasserinjektion gesamt
(in tausend Barrel pro Tag)
2 «High-flow»-Pumpen
Hochwertiger Fertigungsprozess
1000
1 «Low-flow»-Einschub
1 «Low-flow»-Einschub
od. 1 «High-flow»-Pumpe
tiv konstanten Förderstromraten,
und am Ende der Ausbeutung des
Ölfelds dürften dann eher variable
Förderstromraten
erforderlich
werden (Bild 4). Eine Drosselung
der Leistung ließe sich erreichen,
indem die Injektionspumpe mit
geringeren Drehzahlen betrieben
wird. Doch wegen der niedrigen
Injektionsrate von nur 427 m3/h ist
die Drosselung mit einer «Lowflow»-Einschubeinheit wirtschaftlicher und bequemer.
800
700
600
500
400
Super-Duplex-Materialien werden
heute von jedem Injektionspumpen-Hersteller bevorzugt, da sie
eine hervorragende Erosions-/
Korrosions- und Lochfraß-Beständigkeit mit einer hohen mechanischen Festigkeit verbinden. Je
höher allerdings die Materialstärke ist, umso stärker steigt das
Versprödungsrisiko während der
Wärmebehandlung.
Sulzer Pumps arbeitete auf allen
Stufen eng mit ihrem bevorzugten
Schmiedewerk zusammen, um
sicherzustellen, dass die 10 000 kg
schweren Topfgehäuse mit einem
300
200
100
0
2006
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Das wichtigste Problem, das
den Betreiber BP und dessen
Engineering Contractor «Kellogg Brown & Root» beschäftigte, waren die aufgenommene Antriebsleistung der
Maschinen sowie ihre bedeutenden Abmessungen. Dass
die Pumpen mit hohem Druck
arbeiten, erschien ihnen eher
zweitrangig, da Sulzer Pumps
kurz zuvor mit der «Thunder
Horse» eine Meerwasserinjektionspumpe mit Weltrekorddruck gefertigt und getestet
hatte (vgl. STR 4/2002, S. 10).
Sulzer Pumps konnte jedoch
nachweisen, bereits Injektionspumpen mit einer Leistung
von 18,65 MW und Kesselspeisepumpen mit 35 MW für das
deutsche Kraftwerk Lippendorf gefertigt zu haben.
2008
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2010
2012
2014 2016
Jahr
2018
2020
2022
2024
4 Wasserinjektionsprofil für den gesamten Ausbeutungszeitraum des Ölfeldes. Man beachte die durch den
Einsatz einer «Low-flow»-Einschubeinheit erreichte Flexibilität im ersten Jahr.
5 Geschmiedete,
noch nicht endbearbeitete Topfgehäuse mit
einem Gewicht von
je 10 000 kg.
Höchstmass an Zuverlässigkeit
gefertigt werden konnten. Vier
Töpfe und Deckel wurden nun
erfolgreich geschmiedet und
wärmebehandelt. Im August 2003
waren die Topfgehäuse (Bild 5)
fertig für die Endbearbeitung im
Sulzer-Werk in Leeds (GB).
Leistung umfassend bestätigt
Angesichts der zentralen Rolle, die
diese Pumpen für den Erfolg des
gesamten Projekts spielen, und
der enormen Abmessungen bestand der Auftraggeber auf umfassenden Tests, bevor die Aggregate
ausgeliefert wurden:
Jede Pumpe und alle ErsatzEinschubeinheiten werden bei
voller Drehzahl und unter Volllast getestet.
Jede Pumpe und alle ErsatzEinschubeinheiten werden mit
voller Drehzahl und unter Volllast mit den RB211-Gasturbinen von Rolls-Royce in dem
erst kürzlich fertig gestellten
30-MW-Prüfstand von Sulzer
getestet (Bild 6). Dabei werden
auch alle Instrumente, die Betriebsvorgänge und die Steuerungen des fertigen Pakets geprüft.
An je einer Einschubeinheit
werden mechanische Tests mit
neuen bzw. völlig abgenutzten
Spaltspielen (zweifaches Spiel
im Vergleich zum Neuzustand)
vorgenommen, um die in der
Konstruktionsphase abgegebenen Voraussagen hinsichtlich
der Rotordynamik zu überprüfen.
Im Lauf des Jahres 2003 fertigt Sulzer Pumps die weltweit größten
Injektionspumpen. Im Zentrum
der eingereichten Ausschreibungsunterlagen standen Auswahl und
Konstruktion der Pumpen, analy-
tische Untersuchungen, die Fähigkeit zur Fertigung der kritischen
Bauteile und eine umfassende
Risikoabschätzung. Die im Lauf
der letzten beiden Jahre bei Sulzer
Pumps eingegangenen Aufträge
zur Lieferung von Ausrüstung für
das ACG-FFD belaufen sich mittlerweile auf mehr als 25 Mio. GBP
(40 Mio. USD).
KONTAKT
Sulzer Pumps (UK) Ltd.
Brian Germaine
Manor Mill Lane
Leeds, LS11 8BR
United Kingdom
Telefon +44 (0)113-272 45 28
Telefax +44 (0)113-272 44 74
[email protected]
6 Der neue 30-MW-Prüfstand von Sulzer in Leeds (GB).
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