Strategien zur Vermeidung von Luftproblemen und der Einfluss von

Transcription

Strategien zur Vermeidung von Luftproblemen und der Einfluss von
Strategien zur Vermeidung von Luftproblemen und der
Einfluss von inhomogener Felddurchströmung auf das
Betriebsverhalten von Solaranlagen
1
2
Dipl. -Phys. Ralph Eismann , Dr. –Ing. Karin Rühling
1
Ernst Schweizer AG Metallbau, Bahnhofplatz 11, CH – 8908 Hedingen
Tel.: +41 (0) 44 763 62 30, [email protected]
2
TU Dresden, Institut für Energietechnik, Helmholtzstraße 10, D-01069 Dresden
Tel.: +49 (0) 351 463 – 3 23 75, [email protected]
Zusammenfassung
Betriebsstörungen als Folge ungenügender Entlüftung von Solaranlagen sind ein
häufiges Übel. Diese lassen sich durch optimale hydraulische Gestaltung und durch
geeignetes Vorgehen beim Füllen der Anlage weitgehend vermeiden. Bei grossen
Kollektorfeldern mit vielen parallel geschalteten Kollektoren muss grundsätzlich mit
inhomogener Felddurchströmung und der daraus resultierenden inhomogenen
Temperaturverteilung gerechnet werden. Dies muss bei der Platzierung des
Kollektorfühlers berücksichtigt werden, hat aber auf den energetischen
Wirkungsgrad praktisch keinen Einfluss, sofern die Strömung ausgebildet und
ungestört ist. In den weniger gut durchströmten Absorbern können jedoch die
entsprechend höheren Temperaturen die Desorption von gelösten Gasen
ermöglichen. Regelprobleme und Betriebsstörungen können die Folge sein. Grosse
Anlagen sollten daher zusätzlich über die Vorlauftemperatur geregelt werden.
1
Einleitung
Solaranlagen müssen so geplant und gebaut werden, dass sie innerhalb der
normalen Wartungsintervalle störungsfrei funktionieren. Während es zur
energetischen Auslegung sehr viel Literatur und gute Planungssoftware gibt, besteht
im Hinblick auf Betriebssicherheit und Störungsfreiheit noch einiger
Handlungsbedarf.
Neben der Stagnationsproblematik sind Luftprobleme und ungünstige Fühlerplatzierung eine häufige Quelle von Ausfällen und Fehlfunktionen. In diesem Beitrag
werden einige ausgewählte Ursachen dieser Probleme beschrieben und
Massnahmen zu deren Vermeidung diskutiert. Hierbei handelt es sich um
Praxiserfahrungen und durch Theorie gestützte Überlegungen.
Luftprobleme äussern sich in der Regel als Durchflussstörung, die zu partieller
Stagnation einzelner Bereiche oder zur Blockade des ganzen Solarkreises führen
kann. Die wohl häufigsten Ursachen sind ungünstiges Vorgehen bei der Füllung und
zu geringe Fliessgeschwindigkeiten beim Spülen. Dadurch können bereits nach der
Inbetriebnahme grosse Mengen Luft im Kreislauf vorhanden sein.
Eine weitere Ursache ist die Desorption von Gasen aus der Wärmeträgerflüssigkeit,
die nach dem Spülen mit Atmosphärengasen gesättigt ist. Dabei kann es je nach
Gestaltung der Anlage und Betriebssituation Tage oder Wochen dauern, bis sich die
Gasblasen am Ort mit dem geringsten Druck und der höchsten Temperatur so weit
angesammelt haben, dass sich Durchflussstörungen manifestieren. Typischerweise
treten Luftprobleme häufig nach Revisionen mit Neubefüllung und nach
Stagnationsphasen auf.
Grosse Kollektorfelder mit vielen parallel geschalteten Kollektoren werden naturgemäss ungleichmässig durchströmt. Die maximale Abweichung vom Mittelwert der
Durchströmung soll aus zwei Gründen einen zulässigeni Wert nicht überschreiten.
Erstens ist dann die Verschlechterung des energetischen Wirkungsgrades
gegenüber homogener Durchströmung vernachlässigbar und zweitens besteht keine
Gefahr, dass einzelne Stränge durch Dampfbildung blockiert werden. Dabei wird als
hinreichend vorausgesetzt, dass der Druck an allen Stellen des Kreislaufes über
dem Dampfdruck des Wärmeträgermediums liegt. Dampf allein ist aber selten der
Grund für Durchflussstörungen. Meist sind dafür freie Gasblasen verantwortlich, die
durch Desorption von gelösten Gasen noch vor dem eigentlichen Sieden der
Flüssigkeit in Teilen des Kollektorfeldes entstehen.
2
Ursachen von Luftproblemen
Im Gegensatz zu Solaranlagen werden Heizungsanlagen gleichzeitig über Vor- und
Rücklauf gefüllt und am Hochpunkt grundentlüftet. Die Füllgarnituren in den
handelsüblichen Pumpengruppen für Solaranlagen sind jedoch so angeordnet, dass
die Anlage über den Rücklauf befüllt wird (Abbildung 2). Dies hat zur Folge, dass in
den fallenden Leitungen eine Durchmischung von Luft und Wärmeträgermedium
stattfindet, und zwar umso stärker, je grösser der Leitungsquerschnitt ist. Das
korrekte Vorgehen beim Füllen der Anlage ist daher eine entscheidende
Voraussetzung für den störungsfreien Betrieb. Im Folgenden werden
Fehlermöglichkeiten aufgezeigt
Vermeidung dargestellt.
i
und
anschliessend
Massnahmen
zu
deren
nach VDI 6002 gelten +-10% als zulässig, die ENV 12977-1 gibt 20% an, wobei vermutlich dasselbe
gemeint ist.
2.1
Zu rasches Füllen der Solaranlage
Die üblicherweise verwendeten Jet-Pumpen sind sehr leistungsfähig und verleiten
dazu, die Anlage "in einem Rutsch" durchzuspülen, in der Meinung, dadurch die Luft
am ehesten aus dem Kreislauf zu fördern. Tatsächlich aber bleibt der Luft, die in
Winkeln und Taschen des Leitungssystems sitzt, keine Zeit, durch ihren Auftrieb als
grössere Luftblase an die Oberfläche der einströmenden Wärmeträgerflüssigkeit zu
steigen. Durch die stark turbulente Strömung werden die Luftblasen in feinste
Mikroblasen zerrissen, die sich nur schwer abscheiden lassen. Zudem ist der
Binnendruck in solchen Mikroblasen sehr viel höher als in grossen Blasen, so dass
die Atmosphärengase entsprechend rascher in Lösung gehen.
Günstig ist langsames Füllen zu Beginn des Füllvorganges. Dadurch wird erreicht,
dass die strömende Flüssigkeit in den steigenden Leitungen nur wenige und eher
grosse Luftblasen enthält. In den horizontalen und fallenden Leitungen können sich
grössere Lufttaschen und Blasen aufhalten. Wenn nur noch wenige Luftblasen den
Nachspeisebehälter erreichen, ist der Solarkreis grösstenteils gefüllt und die noch
vorhandenen Lufttaschen sind stationär. Nun kann der Volumenstrom schrittweise
erhöht werden, damit auch diese Lufttaschen aus dem Kollektorfeld nach unten
gefördert und im Nachspeisebehälter abgeschieden werden.
2.2
Zu geringe Strömungsgeschwindigkeit beim Spülen
Luftblasen werden jedoch nur dann zuverlässig gefördert, wenn die Fliess-
Selbstentlüftungsgeschwindigkeit [m/s]
geschwindigkeit mindestens die Selbstentlüftungsgeschwindigkeit erreicht, ab der die
Lufttaschen allein durch die auf sie wirkenden Kräfte in der Strömung
wegtransportiert werden. Bei grossen Solaranlagen kann eine Jet-Pumpe leicht an
ihre Grenzen kommen. Zur
Diagramm 1
Selbstentlüftung von Rohrlei0.9
tungen gibt es viele Unter0.8
suchungen1, leider jedoch
mehrheitlich für Wasser und
0.7
für grosse Rohrdurchmesser
0.6
ab 100 mm. Diagramm 1 zeigt
die
Selbstentlüftungsgeschwindigkeit für Wasser
0.5
0.4
horizontal
0.3
fallend (45°)
0.2
10
20
30
40
50
60
70
Rohrdurchmesser [mm]
80
90
100
nach
dem
Modell
2
Walther und Günthert,
auf der Grundlage
Messungen an einem
von
das
von
PE-
Rohr 63x5.8 mm entwickelt wurde. Die VDI 6002 gibt als Anhaltswert eine
Mindestfliessgeschwindigkeit von 0.4 m/s an. Wieweit die Resultate für Wasser auf
Wasser-Glykol Gemische übertragen werden dürfen, muss durch künftige
Experimente geklärt werden.
Es ist also ratsam, den Volumenstrom und die Strömungsgeschwindigkeiten in den
kritischen Rohrabschnitten bei voller Leistung der Jet-Pumpe im Voraus zu
berechnen. Bei einer Solaranlage mit mehreren parallel geschalteten Strängen lässt
sich jeder Strang einzeln spülen, indem die anderen Stränge durch einen Kugelhahn
blockiert werden.
2.3
Sieden des Wärmeträgermediums am Hochpunkt der Anlage bei der
Befüllung
Am Ende des Schlauches, der das Wärmeträgermedium zurück in den Nachspeisebehälter leitet, herrscht Atmosphärendruck. In den darüber liegenden Teilen des
Kreislaufes ist der Druck um die geodätische Höhe vermindert, wobei der
Druckverlust der Rohrströmung wieder addiert werden muss. Daher kann es bei
großen Anlagenhöhen durchaus zum Sieden des Wärmeträgermediums kommen.
Das bringt folgende Schwierigkeiten mit sich:
•
Die Füllpumpe muss zusätzlich die Druckdifferenz überwinden, die durch die
vertikale Ausdehnung der Dampfblase entsteht. Der erreichbare Volumenstrom ist
dadurch kleiner.
• Bei Anlagen mit vielen parallel geschalteten Strängen kann es sein, dass
einer oder mehrere Stränge nicht durchspült werden und die nebst dem Dampf
vorhandene Luft nicht aus dem System gefördert wird.
2.3.1
Drosselung zur Vermeidung des Siedens
Um das Sieden des Wärmeträgermediums an hochgelegenen Stellen des
Kreislaufes zu vermeiden, kann man den Druck am Austritt des Schlauches durch
ein Drosselventil D erhöhen. Praktisch ist es, wenn der Druck durch ein Manometer
angezeigt wird. Dann kann man so weit
Abbildung 2
drosseln, dass gerade kein Sieden
auftritt.
D
p
H
Die Anordnung nach Abbildung 2 hat
zudem
den
Vorteil,
dass
bei
geschlossenem Hahn H nur das
Kollektorfeld gespült wird und bei
geöffnetem Hahn der grösste Teil des
Volumenstroms den Wärmeübertrager passiert. Dadurch erreicht man auch bei
Glattrohrwärmeübertragern in jenen Brauchwasserspeichern ausreichende Fliessgeschwindigkeiten, deren untere Windungen wegen des Reinigungsflansches ein
Gegengefälle aufweisen.
2.3.2
Ausnutzung des Unterdrucks zur Entgasung des Wärmeträgermediums
Andererseits kann man die Unterdruckbildung im Anschluss an den eigentlichen
Füllvorgang auch gezielt zur mindestens teilweisen Entgasung des Mediums nutzen.
Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn der Kreislauf in den Bereichen mit
Unterdruck absolut luftdicht ist. Naturgemäss sind die Leckraten bei Gasen
wesentlich grösser als bei Flüssigkeiten, wo aufgrund der Oberflächenspannung ein
Leck erst ab einem gewissen Überdruck aktiv wird. Eine erfolgreiche
Dichtigkeitsprüfung durch Abdrücken mit Flüssigkeit bietet daher noch keine Gewähr,
dass der Kreislauf auch gegen Teilvakuum dicht ist.
2.3.3
Entlüften nach der Inbetriebnahme und während des Betriebs
Kommen bei der Befüllung keine Entgasungsmethoden zur Anwendung, muss die
Anlage während einer gewissen Zeit nach der Inbetriebnahme periodisch entlüftet
werden. Sofern die Selbstentlüftungsgeschwindigkeit in allen Strängen erreicht wird,
kann dies durch einen geeigneten Luftabscheider an beliebiger Stelle im Kreislauf
geschehen. Die Wirkungen der im System integrierten Entlüfter werden aber häufig
überschätzt. Es lassen sich ausschliesslich die freien Gase aus dem System
entfernen, unter der nicht immer gegebenen Voraussetzung, dass die Gastaschen
und Blasen durch die Strömung auch zuverlässig an den Ort des Entlüfters gefördert
werden.
2.3.4
Füllen der Anlage unter Anwendung der Vakuumentgasung
Die Vakuumentgasung ist zweifellos die sicherste Methode, den Kreislauf von
Anfang an luftfrei in Betrieb zu nehmen und die einzige Möglichkeit, um die
Desorption von Gasen bei hohen Temperaturen zu vermeiden.
In Vakuumentgasern wird zur Gasdesorption gezielt ein Unterdruck erzeugtii, der
möglichst nahe am Siededruck des einströmenden Wärmeträgermediums liegt.
Während derartige Anlagen bezüglich des Systemdrucks praktisch keinerlei
Einsatzgrenzen unterliegen, ist das Verfahren temperaturseitig auf 90 °C limitiert, da
sonst in der Phase des aktiven Gasausschubs Verdampfung eintritt.
ii
Es dürfen nur solche Entgaser zum Einsatz kommen, die den Zutritt von Luft sicher ausschließen.
Sonst besteht erhöhte Korrosionsgefahr.
Im unmittelbaren Anschluss an den Füll- und Spülvorgang sollte der Vakuumentgaser in der Betriebsart „Dauerentgasung“ arbeiten. Als Serienprodukte sind
heute auf die Entgasung von Wasser-Glykolgemische zugeschnittene Spezialausführungen für den stationären und mobilen Einsatz erhältlich, die auch grosse
Anlagen bis zu einigen Kubikmetern Inhalt in weniger als einer Woche ausreichend
untersättigen. Der unbeaufsichtigte Betrieb ist nur zulässig, wenn durch eine
Regelung das Überschreiten der Grenztemperatur von 90 °C verhindert wird.
2.4
Desorption von Luft beim Betrieb der Anlage
Der Idealfall, dass der Kreislauf bei der Inbetriebnahme vollkommen luftfrei gespült
ist, lässt sich in der Praxis ohne Entgasungsverfahren nicht erreichen. Der erfahrene
Installateur stellt den Fülldruck daher etwas über den Solldruck ein, da er nach einer
gewissen Betriebszeit nochmals entlüften wird, oder weil die Lufttaschen über
automatische Entlüfter nach und nach ausgeschieden werden. Solange aber freie
Gase vorhanden sind, werden diese unter dem Betriebsdruck teilweise in Lösung
gehen, im Extremfall bis zur Sättigung der Solarflüssigkeit.
Als Beispiel sei einerseits auf das Messergebnis3 beim ordnungsgemäßen Befüllen
einer Heizungsanlage verwiesen. Der Sauerstoffgehalt lag dort mit 20 mg/l etwa
beim Doppelten der atmosphärischen Sättigung! Andererseits lässt sich mit Hilfe des
Diagramms 3 abschätzen, dass bereits ein kleines, bei Atmosphärendruck im
Kreislauf verbliebenes, Luftvolumen von rund 1% des Anlageninhaltes ausreicht, um
das Wärmeträgermedium bei einem absoluten Betriebsdruck von 1.8 bar und 15°C
zu sättigen. Die Annahme, dass das Wärmeträgermedium bei diesem Zustand
gesättigt ist, scheint daher gerechtfertigt.
Die Prozesse der Lösung und Desorption im strömenden Medium sind sehr komplex
und theoretisch kaum geschlossen darstellbar. Trotzdem soll versucht werden, eine
obere Grenze für das Volumen der durch Desorption auftretenden freien Gase zu
finden. Hierzu werden weitere Annahmen getroffen, die zwar in einer realen Anlage
nur näherungsweise zutreffen, mit denen sich aber bequem rechnen lässt:
•
Da die erforderlichen Stoffdaten für das übliche Wärmeträgermedium aus
40% Propylenglykol und Wasser nicht verfügbar sind, wird die Abschätzung für
Wasser durchgeführt. Für andere Medien gelten die Überlegungen sinngemäss.
• Der Druck sei im ganzen Kreislauf gleich. Dies trifft näherungsweise für den
Spezialfall zu, bei dem die Kollektoren, die Leitungen und der Speicher auf
derselben Höhe liegen.
•
Der Beitrag der Spurengase und der Gase, die durch chemische und
biologische Reaktionen entstehen können, werden nicht berücksichtigt.
•
Der gesamte Sauerstoff sei durch Oxidation in Korrosionsprodukten
gebunden
•
iii
Als Druckhaltung kommt eine Kompressor- oder Pumpendruckhaltung mit
einer kleinen Regelhysterese zum Einsatz, sodass
konstantem Betriebsdruck gerechnet werden darf.
näherungsweise
mit
Zunächst wird das Lösungsvermögen von Gasen in Lösungsmitteln dargestellt und
dann auf Stickstoff in Wasser angewandt:
2.4.1
Der
Löslichkeit von Gasen in Flüssigkeiten:
technische
Löslichkeitskoeffizient4
λi , L , N
beschreibt
das
maximale
Lösungsvermögen eines Gases i in einem Lösungsmittel L als Funktion der
Temperatur ϑ , und zwar in Normkubikmetern Vi , L , N pro Masse Lösungsmittel mL für
den Fall, dass der
Partialdruck des Gases über dem Lösungsmittel gleich dem
Normdruck pi , N = 1.013bar ist
λi , L , N (ϑ ) =
Vi , L, N
mL ⋅ pi , N
Mit der Normdichte ρi , N
sowie der Kenntnis der Temperatur und des effektiven Partialdruckes pi kann die
Masse des gelösten Gases bei Sättigung für beliebige Zustände berechnet werden:
mi , L = Vi , L, N ρi , N pi / pi , N = λi , L, N (ϑ ) mL ρi , N pi
In unserem Fall steht L für Wasser
und i für Stickstoff.
2.4.2
Partialdruck von Stickstoff beim Füllen und im Betrieb:
Trockene Luft besitzt die Zusammensetzung in Volumenprozenten von 78%
Stickstoff, 21% Sauerstoff und 1% weiteren Gasen. Luft kann in guter Näherung als
ideales Gas betrachtet werden. Daher können die Volumenanteile den Molanteilen
xi gleichgesetzt werden. Die im Kreislauf eingeschlossenen Luftblasen bestehen
jedoch nicht aus trockener Luft, sondern sind mit dem Dampf des Wärmeträgermediums gesättigt. Die Summe der Partialdrücke von Stickstoff, Sauerstoff und
Spurengasen ist also um den Dampfdruck pD des Wassers reduziert, wobei die
Mischungsverhältnisse der Luftbestandteile gleich bleiben. Beim Füllvorgang, der bei
einem Gesamtdruck von pF stattfindet, ist der Partialdruck des Stickstoffs in den
iii
Ob diese Annahme zutrifft, muss durch Untersuchungen an Kreisläufen mit inhibierten WasserGlykol Gemischen geklärt werden.
Luftblasen pi , F = ( pF − pD (ϑF ) ) xi . Falls im Betrieb bei einem Gesamtdruck pB Stickstoff aus der Lösung tritt, ist der Partialdruck des Stickstoffs pi , B = ( pB − pD (ϑB ) ) .
2.4.3
Masse und Volumen des im Betrieb desorbierten Stickstoffs
Die Masse des aus der Lösung getretenen Stickstoffs ist gleich der Differenz der
maximal gelösten Mengen zwischen Füllzustand und Betriebszustand
mi = mL ρi , N λi , L , N (ϑF ) pi , F − λi , L , N (ϑB ) pi , B  , sofern der Klammerausdruck positiv ist.
Diagramm 3
Stickstoffvolumen [l/kg Wasser]
0.1
0.09
Betriebsdruck
(absolut) [bar]
Sättigung bei 1.8 bar (absolut)
und 15°C Wassertemperatur
0.08
1.0
0.07
1.2
0.06
1.4
0.05
1.6
0.04
1.8
0.03
2.0
0.02
0.01
2.2
0
2.4
Andernfalls ist die Lösung
ungesättigt und es findet
keine Desorption statt. In
guter Näherung gilt die
Gleichung
des
idealen
Gases
piV = ni RT .
Die
Anzahl Mole ist ni = mi / M i .
Die Molmasse des zweiatomigen Stickstoffmoleküls
ist M i = 0.028 kg / mol . Der
technische
Löslichkeitskoeffizient ist für den Normdruck in bar definiert, während die Gasgleichung für den Druck in Pascal gilt. Es ist
15
25
35
45 55 65 75
Temperatur [°C]
85
95
105
daher zweckmässig, den technischen Löslichkeitskoeffizienten ebenfalls auf diese
Einheit zu beziehen: λi , L
V=
 m3 
1
= λi , L , N
Das Volumen der Gasblase ist dann
101325  kgPa 
mL ρ i , N
λi , L (ϑF ) pi , F − λi , L (ϑB ) pi , B  R (ϑ + 273) Dieses Volumen kann für einen
pi , B M i 
gegebenen Betriebszustand aus dem Diagramm 3 abgelesen werden. Falls auch
Sauerstoff berücksichtigt werden müsste, wäre das Volumen entsprechend grösser.
Die 1.8 bar Kurve würde dann die Temperaturachse bei 15 °C schneiden.
3
Einfluss von inhomogener Felddurchströmung auf das
Betriebsverhalten von Solaranlagen
Die praktische Bedeutung des Druckverlaufes in der Anlage und der
Temperaturverteilung in einem Kollektorfeld soll anhand des folgenden Beispieles
diskutiert werden. Die Resultate sind natürlich nicht auf beliebige Anlagen
übertragbar, sondern dienen nur zur Veranschaulichung. In diesem Abschnitt sollen
außerdem die Möglichkeiten für das Auftreten von freien Gasen (Luft) diskutiert
werden. Dabei werden zwei Fälle unterschieden:
Nicht ausspülbare Gastaschen im Kollektorfeld, beispielsweise in den
Sammelleitungen.
•
Erhöhung des Anteils freier Gase in der Flüssigkeit durch Gasdesorption bei
hohen Temperaturen und/oder lokal niedrigen Drücken.
•
Beispiel: Das Kollektorfeld besteht aus einer einzigen Reihe mit 16 Flachkollektoren
2
mit 2.3 m Aperturfläche. Diese haben einen Vollflächenabsorber mit integrierten
Sammelleitungen. Diese sind 2 m lang, haben einen Innendurchmesser von 20 mm
und besitzen an einem Ende einen Balgkompensator mit derselben Dimension. Das
Absorberrohr hat eine Länge von 24 m, einen Innendurchmesser von 7 mm. Es ist
als Mäander auf die Rückseite des Absorberbleches geschweisst. Die Rechnungen
wurden für spezifische Durchflüsse von 15 und 35 l/hm2 durchgeführt. Entsprechend
wurde 20 mm bzw. 25 mm für die Innendurchmesser der Vor- und Rücklaufleitungen
gewählt. Diese haben eine Länge von 20 m und beinhalten je 15 Winkel. Der
Anlageninhalt beträgt 70 l. Für den Betriebszustand wurden eine Globalstrahlung in
der Kollektorebene von 1000 W/m2 und eine Rücklauftemperatur von 30°C
angenommen. Das Kollektormodell beinhaltet die Daten aus dem Prüfbericht C691
des SPF in Rapperswil.
3.1
Fliessgeschwindigkeiten beim Füllen und im Betrieb
Fliessgeschwindigkeit [m/s]
Die Anlage werde mit einer Jet-Pumpe vom Typ Grundfos JP5 gefüllt und
anschliessend bei maximalem Volumenstrom gespült. Die Fliessgeschwindigkeiten
beim Spülen und im Betrieb sind in Diagramm 4 dargestellt. Gase, die in den
hinteren Kollektoren bei
Diagramm 4
hohen
Betriebstempera2.5
Grenze der Selbstentlüftung in
der horizontalen Sammelleitung
bei ca. 0.3 m/s
2.0
turen aus der Lösung treten,
werden selbst im high-flow
Betrieb nicht mehr ohne
Weiteres
durch
die
Strömung
aus
dem
Kollektorfeld gefördert. Im
low-flow Betrieb wird nur
1.5
1.0
0.5
0.0
1
2
3
4
5
6
Füllen einseitig
Betrieb einseitig high-flow
Betrieb einseitig low-flow
7
8
9
10 11 12 13 14 15 16
Kollektor
Füllen Tichelmann
Betrieb Tichelmann high-flow
Betrieb Tichelmann low-flow
noch in den Sammelleitungen der vordersten
Kollektoren die Selbstentlüftungsgeschwindigkeit
erreicht. Eventuell vorhandene Luft in den Sammelleitungen kann über ein
Entlüftungsventil jedoch nur dann entfernt werden, wenn sie dorthin bewegt werden
kann. Bei Flachdachmontage kann man versuchen, das Kollektorfeld mit leichtem
Gefälle gegen die vorlaufseitige Strömungsrichtung zu montieren, um die Selbstentlüftungsgeschwindigkeit zu reduzieren. Bemerkenswert ist, dass die Verrohrung
nach Tichelmann hinsichtlich Selbstentlüftung keine Vorteile bietet.
3.2
Druckverteilung im Betrieb
Die Anlage sei so gefüllt, dass der Druck am obersten Punkt des Kollektorfeldes
einen Überdruck von 0.8 bar bei stehender Anlage hat. Der Einfachheit halber wird
angenommen, dass sich alle Leitungen auf derselben Höhe befinden. Der
Betriebsdruck im MAG ist dann 0.8 bar. Infolge der Druckverluste ändern sich die
Drücke bei Betrieb gegenüber dem Ruhezustand.
Beim high-flow Betriebskonzept ist die Differenz zwischen der maximalen
Kollektoraustrittstemperatur und der Vorlauftemperatur klein. Allein aufgrund der
Temperatur scheint daher keine Gefahr für die Bildung freier Gase zu bestehen.
Jedoch können aufgrund der höheren Druckverluste auf der Vorlaufseite lokal
niedrigere Drücke herrschen, woraus u. U. ein beträchtliches Gasvolumen durch
Desorption resultiert.
Diagramm 5
MAG saugseitig, high-flow
low-flow
MAG druckseite, high-flow
low-flow
Druck (absolut) [bar]
2.4
2.2
2
1.8
1.6
1.4
1.2
1
Beim low-flow Betriebskonzept ist die Situation umgekehrt. Dort sind die
Druckverluste niedriger und demzufolge der vorlaufseitige Druck höher, also
bezüglich der Gefahr von Gasdesorption günstiger. Andererseits ist die Differenz
zwischen maximaler Kollektoraustrittstemperatur und Vorlauftemperatur hoch,
sodass nun wegen der tendenziell höheren Maximaltemperatur Gase aus der
Lösung treten können.
Es ist deutlich, dass beim high-flow Betrieb der druckseitige Anschluss des MAG
sehr nachteilig ist, da im Betrieb eine Druckabsenkung um 0.58 bar in der
vorlaufseitigen Sammelleitung auftritt. Bei einer Temperatur von 95 °C gibt das
Diagramm 2 ein Volumen der Gasblase von 0.09 l/kg an. Bei einem Anlageninhalt
von 70 l ist ein Gasvolumen allein durch Desorption von rund 6 l zu erwarten.
3.3
Strömungsverteilung im Betrieb
Diagramm 6 stellt die Strömungsverteilung über dem Kollektorfeld dar. Bei
einseitigem Anschluss ist die Abweichung vom mittleren Durchfluss mit +45% / -17%
wesentlich grösser als der
Diagramm 6
Grenzwert
nach
VDI
spezifischer Durchfluss [l/hm2]
55
high-flow
Tichelmann
50
45
40
high-flow
einseitig
35
30
low-flow
Tichelmann
25
20
low-flow
einseitig
15
Promille verschlechtert.
Dies
kann
getrost
vernachlässigt
werden.
Hingegen ist der Temperaturverteilung grössere
Beachtung zu schenken.
10
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Kollektor
3.4
6002. Der Wirkungsgrad
ist
gegenüber
dem
homogenen
Idealfall
lediglich
um
wenige
Temperaturverteilung im Betrieb
Die Unterschiede der Temperaturen am Kollektoraustritt erstrecken sich im low-flow
Betrieb über bis zu 13 K. Für die Regelung der Anlage über die Kollektortemperatur
ist also entscheidend, wo der Fühler platziert wird.
Für den Anlagenstart könnte der Absorberfühler an einer beliebigen Stelle des
Kollektorfeldes
angeordnet
werden,
da
Temperaturverteilung hinreichend isotherm ist.
bei
ruhendem
Medium
die
Für den Überhitzungsschutz ist jedoch die Position des Temperatursensors an
jenem Kollektor vorteilhaft, der am weitesten von den Feldanschlüssen entfernt ist,
weil dieser Kollektor am Ende einer Stagnationsphase als letzter noch mit Dampf
Diagramm 7
78
low-flow, Austritt
Tichelmann
Temperatur [°C]
76
74
low-flow,
Sammelleitung
Tichelmann
72
70
low-flow, Austritt
einseitig
68
low-flow,
Sammelleitung
einseitig
66
64
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
gefüllt ist. Beim Anschluss
nach Tichelmann ist dies der
mittlere Kollektor einer Reihe,
beim einseitigen Anschluss
der letzte Kollektor.
Dadurch wird verhindert, dass
die Pumpe anläuft, solange
das Kollektorfeld noch Dampf
enthält, was unter Umständen
heftige Kondensationsschläge
zur Folge haben würde.
Kollektor
Nach Diagramm 7 sind dies
aber gerade die Kollektoren,
bei denen die höchsten Betriebstemperaturen auftreten. Diese Temperaturen eignen
sich schlecht zur Regelung der Anlage. Bei grossen Anlagen ist die Vorlauftemperatur zur Regelung offensichtlich weit besser geeignet als die Absorbertemperatur.
4
Ausblick
Für eine geschlossene theoretische Betrachtung des Einflusses von Luft und
anderen Gasen auf den Betrieb sowie die energetische und exergetische Effizienz
von thermischen Solaranlagen ist noch eine Reihe von Problemen zu lösen. Dazu
gehören beispielsweise der Einfluss auf den Stagnationsfall, die Wirkungen auf das
Korrosionsverhalten und die Wechselzyklen der Solarflüssigkeit. Trotzdem kann bei
Kenntnis der im Beitrag beschriebenen wesentlichen Einflüsse von Luft auf den
Betrieb von Solaranlagen und der praktischen Umsetzung ausgewählter
Maßnahmen bei Anlagen- und Regelungskonzeption, Befüllung und Inbetriebnahme
schon jetzt eine deutliche Verbesserung erreicht werden.
1
Putignano, J.; Casartelli, E; Staubli, T.; Förderfähigkeit von Luft in Wasser-(Glykol) Gemischen in
Rohrströmungen. Semesterarbeit, Hochschule für Technik und Architektur HTA Luzern, Juli 2005
2
Walther, G.; Günthert, F.W.: Neue Untersuchungen zur Selbstentlüftungsgeschwindigkeit in Trinkwasserleitungen. gwf Wasser-Abwasser, 139 (1998) Nr.8: 475-481. www.bauv.unibw-muenchen.de
3
Uhlmann, D.; Rühling, K.: Gase in kleinen und mittleren Wasserheiznetzen. Schlussbericht zum AiFForschungsvorhaben 11103/B, p.67 Abbildung 5-1, TU Dresden Institut für Energietechnik, 1998
4
Rühling, K.: Gase in kleinen und mittleren Wasserheiznetzen und Kältekreisläufen. Schlussbericht
zum AiF-Forschungsvorhaben 12086 B, TU Dresden Institut für Energietechnik, März 2002