Lösungsvorschläge zu den Fällen 24 bis 26

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Lösungsvorschläge zu den Fällen 24 bis 26
Dipl.-Jur. Frank Richter, LL.B.
VK zum GK Strafrecht im Sommersemester 2008
Universität Greifswald
Lösungsvorschläge zu den Fällen 24 bis 26
Zu Fall 24
A. Generelle Probleme im Rahmen der Beleidigungsdelikte1
I. Was ist Ehre?
II. Abgrenzung Werturteil vs. Tatsachenbehauptung
III. Beleidigung eines Kollektivs und Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung
IV. Beleidigungen im Familienkreis
V. Ehre Verstorbener?
VI. Privatklagedelikt (§§ 374 ff. StPO)
VII. Sexualbeleidigung (eher rechtshistorisch)
B. Lösungsvorschlag
Der A könnte sich einer Beleidigung im Sinne des § 185 StGB schuldig gemacht haben, indem er
den B als einen Spaghettifresser bezeichnete und ihn darüber hinaus mit „du“ ansprach.
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a. Tathandlung
Dann müsste der A seine Missachtung gegenüber B kundgetan haben. Dadurch, dass die
Kundgabe nur gegenüber dem B erfolgte, kann die Frage, ob es sich bei den Äußerungen um
Werturteile oder Tatsachen handelt dahingestellt bleiben.
Fraglich ist zunächst, ob B ein tauglicher Ehrträger ist. Ein solcher ist zumindest jeder lebende Mensch. Mithin ist B zweifelsfrei ein tauglicher Ehrträger. Weiter ist fraglich, ob die
Äußerungen des A ehrverletzend gewesen sind. Dies wären sie, wenn sie Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung des Betroffenen ausdrücken. Zu beachten ist hierbei, dass
man auf die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise abstellen muss. Darüber hinaus
muss man bei mehrdeutigen Äußerungen und künstlerischen Darbietungen beachten, dass
man auf Grund der Kunst- und Meinungsfreiheit, nicht die „schlimmste“ Deutung nehmen
darf, sondern sich fragen muss, was der vermeindliche Täter wirklich sagen wollte und im
Zweifel auf die Interpretation abstellen muss, welche die Rechte des Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt.
Vorliegend stellt sich somit die Frage, ob die Anrede „du“ ein Zeichen der Geringschätzung
gegenüber B ist. Dies kommt entscheidend auf den betroffenen Verkehrskreis an. Da A und
B Nachbarn sind, kann man davon ausgehen, dass diese persönliche Anrede üblich ist. Für
Gegenteiliges fehlen Hinweise im Sachverhalt. Mithin ist die Anrede mit „du“ nicht ehrverletzend. Weiter könnte die Bezeichnung „Spaghettifresser“ ehrverletzend sein. Einerseits
könnte man behaupten, dass dies sich mittlerweile eingebürgert hat als umgangssprachliche
1 Ein ersten kurzen Überblick bieten z.B.: Eppner/Hahn in: JA 2006 S. 702 ff..
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Bezeichnung für die Italiener. Darüber hinaus könnte man auch sagen, dass Spaghetti bzw.
Nudeln nun einmal eine beliebte Speise in Italien sind und der A damit nur die Ernährungsgewohnheiten des B anspricht.
Dies alles kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade auch in Kombination mit
der Bezeichnung „blöd“ dieser Sinn nicht gemeint sein kann. Außerdem spricht man eher
bei Tieren von „fressen“ und bezeichnet die Nahrungsaufnahme bei Menschen gewöhnlich
als „essen“. (Auch wenn es bei einigen Menschen eher nach fressen aussieht :-).)
Es zeigt sich mithin deutlich, dass es dem A gerade darauf an kam den B in seiner Ehre zu
verletzen, indem er ihm unterstellte zu „fressen“ und obendrein noch in erhöhtem Maße ungebildet zu sein. Die Äußerungen des A sind mithin ehrverletzend.
b. Kundgabeerfolg
Weiter müsste auch ein Kundgabeerfolg eingetreten sein. Dabei ist umstritten, ob der Adressat auch den beleidigenden Inhalt der Äußerung verstanden haben muss oder nicht. Vorliegend hat B verstanden, dass der A ihn beleidigen wollte, wodurch der Streit dahingestellt
bleiben kann, da auch die Voraussetzungen der strengeren Meinung erfüllt sind. Ein Kundgabeerfolg liegt vor.
A hat den objektiven Tatbestand erfüllt.
2. Subjektiver Tatbestand
Der subjektive Tatbestand setzt zumindest einen bedingten Vorsatz voraus. Unter Vorsatz
versteht man den Willen zur Verwirklichung eines Straftatbestands in Kenntnis aller objektiven Tatumstände. A wusste, dass er sich ehrverletzend gegenüber dem B geäußert hat. Mithin hat er den subjektiven Tatbestand verwirklicht.
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
In Ermangelung von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen handelte A auch rechtswidrig und schuldhaft.
III. Strafantrag
Nach § 194 I S. 1 StGB müsste der B noch einen Strafantrag stellen.
IV. Ergebnis
Der A hat sich einer Beleidigung im Sinne des § 185 StGB schuldig gemacht, indem er den
B als einen blöden Spaghettifresser bezeichnete. Er müsste allerdings noch einen Strafantrag
stellen (s.o.).
Was sollte man dem B raten?
Die Beleidigungsdelikte sind Privatklagedelikte. Die überwiegende Zahl der Beleidigungen
werden dabei nicht durch die Staatsanwaltschaft verfolgt. Es ist daher ratsamer den Zivilrechtsweg zu beschreiten.
(Joecks, Studienkommentar zum StGB, 7. Auflage 2007, Vor § 185 Rd. 37 ff.)
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Abwandlung 1
Vorliegend handelt es sich eher um Werturteile als um Tatsachenbehauptungen. Mithin
bleibt es bei einer Strafbarkeit aus § 185 StGB. Nur wenn Tatsachen gegenüber Dritten kund
getan werden, kommt eine Strafbarkeit aus § 186 StGB in Betracht. Man kann in Betracht
ziehen, ob man den Tatbestand teleologisch reduziert auf Grund der Freundschaft zwischen
C und A. Wenn man dieser Erwägung folgt, so hat sich der A nicht strafbar gemacht.
Abwandlung 2
Diese Abwandlung behandelt das Problem der Äußerungen im engsten Familienkreis. Bezüglich solcher besteht Einvernehmen, dass diese überwiegend nicht erfasst sind von den
§§ 185 ff. StGB. Über den Weg besteht jedoch Streit.
Es bietet sich an die Kundgabe zu verneinen. Wenn man davon ausgeht, dass die Familienmitglieder die Aussagen nicht aus dem familiären Rahmen heraus tragen, besteht auch keine
ausreichende Gefahr einer Ehrverletzung.
Grenzen:
--> bei Verleumdungen nicht
--> bei Beleidigungen zwischen Familienmitgliedern auch nicht
(Zur Vertiefung : Joecks, Studienkommentar zum StGB, 7. Auflage 2007, Vor §185 Rd. 27 f.)
Zu Fall 25
Generell ist bei den Beleidigungsdelikten darauf zu achten, dass es immer auf den jeweiligen
Einzelfall, insbesondere den beteiligten Personenkreis usw. ankommt.
Zu Var. 1:
BayOblG NJW 2005 S. 1291 ff.
Zu Var. 2:
KG NJW 2005 S. 2872 ff.
Zu Var. 3:
LG Regensburg NJW 2006 S. 629 ff.
Zu Var. 4:
OLG Karlsruhe NStZ 2005 S. 158 ff.
Zu Var. 5:
OLG Hamm NStZ – RR 2007 S. 140 ff.
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Fall 26
! Achtung ! Diese Rechtsprechung ist überholt und hat daher nur noch rechtshistorischen und
hohen Unterhaltungswert !
„Die Bäuerin“ (RGSt 74 S. 224 ff.)
Entscheidung (1940)
Die Bäuerin hat die Geschlechtsehre der Minderjährigen verletzt.
Gründe:
„... liegen in dem außerordentlichen Altersunterschied ... sowie in der großen Jugend der hier beteiligten Personen. Bei diesen Altersverhältnissen hatte der Geschlechtsverkehr der Beteiligten
etwas durchaus Unnatürliches; es war von vornherein offensichtlich ... dass in einem solchen Geschlechtsverkehr nicht das Geringste gefunden werden konnte, was vom sittlichen Standpunkt aus
billigenswert oder auch nur erträglich sein könnte. Vielmehr wurden die beiden ... Burschen ...
Opfer ihres von ihnen mangelhaft verstandenen ... Triebes, auch ihrer Neugier ... .
........
Die Angeklagte ... war es nach gesundem Volksempfinden nicht nur sich selbst, sondern auch den
beiden Lehrlingen und ebenso der Volksgesamtheit schuldig, den unreifen Burschen nicht verführerisch, sondern mütterlich gegenüberzutreten und im geraden Gegensatze zu der Art, wie sie
sich verhielt, die beiden jungen Menschen zur Beherrschung der sinnlichen Triebe anzuleiten.“
(RGSt 74 S. 224 ff. (225 f.))
„Die Zechfahrt“ (RGSt 70 S. 94 ff.)
Leitsatz: Durch eine Handlung gegenüber einer Ehefrau, die deren guten Ruf schädigt, kann der
Ehemann selbst dann beleidigt werden, wenn die Ehefrau sie sich gefallen lässt.
Gründe [1936]:
„Wenn auch der Angeklagte und die Eheleuten befreundet gewesen seien, so sei es doch eine grobe
Ungehörigkeit von ihm gewesen, die Abwesenheit des Ehemannes zu einer derartigen nächtliche
Fahrt mit der schon angeheiterten und leichtsinnig gewordenen Frau auszunutzen. Zur Ehre von
Ehegatten gehöre es, dass sie nicht nur einander die Treue hielten, sondern auch nach außen hin
alles vermeiden, was berechtige Zweifel an ihrer ehelichen Treue hervorrufen könne.“ (RGSt 70 S.
94 ff. (95 f.))
Rotbart von Tübingen (OLG Stuttgart NJW 1962 S. 62 ff.)
--> AG und LG haben auf Beleidigung erkannt. OLG verweist zurück – Einwilligung?
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