Felix Mendelssohn-Bartholdy als Ausleger des Apostels Paulus

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Felix Mendelssohn-Bartholdy als Ausleger des Apostels Paulus
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TEIL B
Felix Mendelssohn Bartholdy als Ausleger
des Apostels Paulus ein theologisch- musikalischer Abend in der
Pauluskirche zu Essen-Heisingen am 27.8.2009
Das Paulus-Oratorium war in Auszügen zu vernehmen in einer Aufnahme von Kurt Masur mit dem
Gewandhaus Leipzig von 1986- Gundula Janowitz
Sopran -Hans Peter Blochwitz Tenor –Theo Adam –
Bass (Paulus)
Wir feiern in diesem Jahr 2009 in der musikalischen Welt den 200. Geburtstag von Felix
Mendelssohn Bartholdy und mit der kirchlich-theologischen Welt (der Ökumene) den 2000.
Geburtstag des großen Apostels Paulus.
Ich möchte mit Ihnen zusammen F.M.B. und Paulus verbinden, indem ich frage, wie der Musiker und getaufte Jude den Apostel versteht. Auch Paulus ist ein getaufter Jude, der von
Christus berufen wurde.
Paulus wurde der große Heidenmissionar, der die im Judentum aufgerichteten Grenzen und
Mauern niedergerissen hat.
Felix Mendelssohn Bartholdy wollte Ähnliches: die Anerkennung des Judentums im Christentum wie es sein Großvater Moses Mendelssohn gelehrt und dafür sich bis zum letzten Atemzug eingesetzt hat; Lessings, Vorbild und Freund, für seinen Nathan den Weisen.
I.
Die Berufung des Apostel. Theologischer Schwerpunkt im Teil 1 des
Paulus-Oratoriums.
1. Der theologische Kontext bei Felix Mendelssohn Bartholdy:
In einem Brief an seinen Freund Eduard Devrient berichtet Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1832: „Ich soll für den Cäcilienverein (in Frankfurt/M, „einer hochangesehenen Chorvereinigung“,) ein Oratorium machen. Der Gegenstand soll der Apostel Paulus sein. Im ersten Teil die Steinigung Stephani und die Verfolgung, im Leben
und Predigen und entweder der Märtyrertod oder der Abschied von der Gemeinde.
Die Worte möchte ich aus der Bibel und Gesangbuch hauptsächlich und dann …frei
haben.“
In der Komposition des Textes und eine für ein Oratorium entscheidende Aufgabe –
wirken Freunde, besonders der Jugendfreund, der ev. Pfarrer Julius Schubring aus
Berlin (Dessau) mit, der ihn auch später bei seinem zweiten Oratorium „Elias“ maßgeblich unterstützte.
Bis zur vollständigen Ausarbeitung sollten noch mehr als 4 Jahre vergehen. An der
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endgültigen Fertigstellung hatte sein Vater Abraham indirekt wesentlichen Anteil.
Abraham war der Sohn von Moses Mendelssohn, genannt Menachem (1729-1786),
des großen jüdischen Philosophen der Aufklärung, der „Sokrates in Berlin“.
G. E. Lessing hat ihm wie ich gerade sagte im „Nathan der Weise“ (1779) ein bleibendes Denkmal gesetzt. Moses Mendelssohn begründete auch mit Lessing und Nikolai
zusammen die deutsche Nationalliteratur. Sein Sohn Abraham (1776-1835) heiratete
in Berlin in eine sehr reiche jüdische Familie ein, Lea Salomons (1777- 1842) Felix
Mutter. Deren Großvater war einer der reichsten Bürger Berlins in der Zeit Friedrich
des Großen, als dessen Financier (wie so oft in der Geschichte) er besondere Privilegien besaß.
Vater Abraham war Bankier. Mit seinem Bruder Joseph betrieb er in Hamburg ein
Bankgeschäft. Der Ehe mit Lea entsprossen vier Kinder. Felix ältere Schwester Fanny,
genauso begabt wie ihr Bruder, die jüngere Schwester Rebecca und der jüngere Bruder Paul, der mit Erfolg die Berliner Bankgeschäfte des Vaters weiterführte. Felix wurde am 3. Februar 1809 in Berlin geboren.
1816 ließ Abraham seine Kinder in Berlin taufen. Felix war also 7 Jahre alt! Er trat 6
Jahre später (1822) selbst der reformierten Kirche bei, der im damaligen Berlin
gleichsam die „Staatsreligion“ repräsentierenden, evangelischen Glaubensgemeinschaft. Die Aufklärungsphilosophie seines Vaters Moses, in welcher der ethische Kern
des Christentums eine große Rolle spielte, wird außer gesellschaftlichen Gründen (die
Heinrich Heine ja bekanntlich gegeißelt hatte) zu dieser für Felix Mendelssohn Bartholdy wichtigen Entscheidung beigetragen haben. Jetzt fügte Abraham dem Namen
Mendelssohn den 2. Namen Bartholdy hinzu.
Der Tod des Vaters Abraham am 19. Nov. 1835 erschütterte den erfolgreichen 26 jährigen Künstler (von der Leipziger Universität war er zum Ehrendoktor ernannt worden
und hatte zuvor die hochdotierte Stelle des 5. Kapellmeisters des Gewandhausorchesters zum Anfang dieses Jahres 1835 übernommen).
Das Paulus-Oratorium war noch nicht vollendet. Im Frühjahr, Mai 1836, sollte er wiederum die Leitung des niederrheinischen Musikfestes übernehmen. Der Tod des Vaters, dieses besondere Ereignis motivierte ihn zur Vollendung seines ersten,geistlichen Oratoriums „Paulus“.
Am 22. Mai 1836 wurde das Paulus-Oratorium in Düsseldorf uraufgeführt (in Bonn
veröffentlicht). Es wurde zu einem denkwürdigen Musik-Fest, auch durch die Aufführung von Beethovens 5. Sinfonie. Der unglaubliche Erfolg schien alles in den Schatten
zu stellen, was seit Haydn‘s Spätwerken in Deutschland geschrieben worden war.
Nach einer Überarbeitung trat das Werk seinen Siegeszug an; in 18 Monaten ist es
mehr als 40-Mal zur Aufführung gebracht worden. Die Popularität ist erst durch den
10 Jahre jüngeren „Elias“ übertroffen worden (am 26. August 1846 in Birmingham
uraufgeführt). Heinrich Heine hatte die Aufführung des Paulus-Oratoriums in Paris
miterlebt und auch er spürte, dass hier nicht nur „Klassische Muster“ neuaufgelegt
sind.
In dem anschließenden Sommer 1836 übernahm Felix Mendelssohn Bartholdy vertretungsweise die Leitung des „Frankfurter Cäcilienvereins“, für den er den Paulus
komponieren sollte, wie wir hörten. In dieser Zeit wohnte er bei Verwandten vom
Leipziger Freunden, der Witwe eines reformierten Pfarrers Jeánrenaud. In eine der
beiden Töchter Cäcilie Charlotte Sophia (geb.1817) verliebte er sich und verlobte sich
mit der 7 Jahre jüngeren ev. Pfarrerstochter. 6 Monate später am 28. März 1837 heiratete er in Frankfurt/M seine Cäcilie. Aus dieser glücklichen, seinem Namen gemäßen Ehe, gingen zwischen 1838 und 1845 drei Söhne und zwei Töchter hervor.
2. Hören der Ouvertüre
3. Die mit der Berufung des Paulus zusammenhängenden Fragen:
Im ersten Teil des Paulus-Oratoriums steht die Berufung des Apostels „traditioneller
Weise immer als Bekehrung“ apostrophiert, im Zentrum. Die Ouvertüre wird durch
den Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ gleichsam zum Motto des Werkes. Die
Streicher intonieren das Kirchenlied in der langsamen Einleitung. Im a-Moll Teil leuchtet es wie ein Glanz im Dunkel. Der Wechsel zum a-Dur kündet musikalisch dieses
entscheidende Ereignis an.
Aber diese Berufung ist ohne einen Blick in die historische Situation nicht zu verstehen. Wir alle wissen, dass der Evangelist Lukas der erste Biograph des Paulus ist. Die
Texte von dessen Apostelgeschichte sind mit den Texten aus den Briefen des Paulus
in Beziehung zu setzen und kritisch zu analysieren. Das lehrt uns die historisch kritische Textanalyse, die seit der Aufklärung zu Zeiten des Felix Mendelssohn Bartholdy
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erst in den Anfängen steckte. Heute wird sie mit höchster Vollendung (aber auch ins
Extreme gehend, Gerd Lüdemann) geübt.
Damaskus – diese Stadt steht für das grundlegende Ereignis in der Paulus-Biographie.
Sie verweist aber auch auf ein Stück frühester Kirchengeschichte zurück. Wie das
Christentum in dieses heidnisch-syrische Gebiet weit jenseits der Grenzen von Jerusalem und Judäa gekommen ist, können wir den Quellen nicht direkt entnehmen. Ohne
das Vorhandensein des Christentums in dieser Stadt, wäre der Verlauf der Berufung
gar nicht vorstellbar.
In Jerusalem sind es in der Urchristenheit zwei Gruppen, die sich nicht grün gewesen
sind: „die sog. Hellenisten und die Hebräer“ (vgl. Apg 6).
Beide sind jüdischer Herkunft. Die Hellenisten stammen aus der jüdischen Diasporá
und sprechen Griechisch. Die Hebräer sind Eingesessene und sprechen wie Jesus Aramäisch. In der frühen Diakonie gibt es offenbar „Aufstände“ in der Gemeinde und so
werden Stephanus und Philippus zu ersten Diakonen gewählt, um die 12 Jünger von
diesen Aufgaben zu entlasten.
Stephanus aber ist nicht nur ein Diakon, sondern eine Art Wortführer der Hellenisten.
Er hält eine große Aufklärungspredigt gegen die Juden und stirbt, als Blutzeuge, als
erster Märtyrer ( vgl.Apg 22,20) unter den Steinwürfen der Menge vor den Toren Jerusalems. Diese Themen spielen eine große Rolle bei Felix Mendelssohn Bartholdy.
Danach bricht eine Verfolgung der Christen an und viele fliehen aus Jerusalem. Das
Evangelium verbreitet sich danach bis zu den Griechen (vgl. Apg 11,19f). Die Hebräer
blieben offenbar unbehelligt.
Die Hellenisten verbreiteten ein revolutionäres Verständnis des Christentums, ja waren „Fortschrittliche“: 1. Sie stellten sie den Tempeldienst in Frage, weil sie ihre Synagogen-Gottesdienste hatten und 2. hinterfragten sie den aus dem Diasporá-Judentum kommenden exklusiven Heilsanspruch des Judentums. Die besonders Frommen
„im Judentum die Pharisäer“, ärgerte dies mächtig, also auch den gesetzesstrengen
Pharisäer Paulus, der übrigens von Kind an Schaoul (Hebräisch) = Saulus (Lateinisch)
und Paulus (Griechisch = der Kleine) hieß.
Also Tempelkritik und exklusiver Heilsanspruch, weniger wohl die Messianität Jesu
waren die Gründe zur Verfolgung für einen gesetzestreuen Juden. Denn noch in den
30ziger Jahren des 2. Jhs nChr hat der von seinem jüdischen Volk gefeierte Rabbi Akiba den Führer der letzten großen Aufstandsbewegung der Juden gegen die Römer
(Kaiser Hadrian) Bar Kochba als Messias proklamiert.
Daher ist es entgegen der Darstellung in der Apostelgeschichte des Lukas ziemlich unwahrscheinlich, dass Paulus schon in Jerusalem die Urgemeinde verfolgt hat. Denn
Paulus sagt in Gal 1,22 selbst, er sei den Gemeinden Judäas (vorab Jerusalem) persönlich unbekannt gewesen. Erst später habe man von ihm gehört, als er schon als
Völkermissionar erfolgreich war. Also hat wohl der junge Paulus nicht die von Lukas
beschriebene wichtige Rolle des Kleideraufpassers bei der Steinigung des Stephanus
gespielt. An der Tatsache, dass Paulus die Gemeinde Christi verfolgt hat, ist damit
kein Zweifel ausgesagt. Paulus selbst äußert sich ja dazu Gal 1,13: „denn ihr habt ja
gehört von meinem früheren Leben im Judentum, wie ich über die Maßen die Gemeinde Gottes verfolgte und sie zu zerstören suchte….“. (vgl. auch Phil 3,6 „..nach
dem Eifer ein Verfolger der Gemeinde…“).
Aber auch bei der Rolle des Paulus auf dem Weg nach Damaskus, muss man aus
rechtlichen Gründen vorsichtig beim Bericht des Lukas sein. Dass Paulus mit Vollmachten des Hohenpriesters aus Jerusalem nach Damaskus unterwegs war, um Christen dann vor ein Tribunal zu schleppen, ist unhaltbar. Denn der Hohe Rat hatte solche Vollmachten, solche Jurisdiktionsgewalt über die Grenzen Judäas, zumal unter
der römischen Herrschaft hinaus, nie besessen. Wohl aber konnte der Pharisäer
Schaul- Paulus im Rahmen der Synagogengemeinden mit den dort geltenden Strafmaßnahmen, also bei der Geißelung, dem Bann und der Exkommunikation die Christen verfolgen. Denn auf dem Boden der Synagogen spielte sich in der frühen Zeit der
Kampf für und gegen Christus ab.
Paulus hat ja als Erleidender (sein Mitleiden in Christus) die grausame, synagogale
Strafe der 40-1 Geißelhiebe 5 x selbst kennengelernt, wie er 2.Kor 11,24 bezeugt.
Wichtig in dieser Fragestellung ist weiterhin: die Wendung zu Christus und seine Berufung durch Christus ist bei dem Apostel selten Gegenstand seiner Briefe oder Reden. Anders bei Lukas. Er bringt sie nicht weniger als 3x, einmal in direkter Erzählung
(Apg 9,1 ff), die Schubring und Felix Mendelssohn Bartholdy aufnehmen; zweimal in
eigene Reden des Paulus hineingewoben (22,3 ff; 26,2 ff). Sie variieren und sind oft
legendär ausgeschmückte Berufungsgeschichten. In der Ausdeutung mit Ausschmückung hat Lukas in den folgenden Jahrtausenden viele Nachfolger gehabt; aus
unserer Zeit nenne ich nur einen: Dieter Hildebrandt, Saulus / Paulus – ein Doppelleben,Hanser 1989, 66 ff: Variationen einer Vision oder wie kommt ein Mensch zu Fall?
Doch hören wir Paulus selbst! Nur an zwei Stellen seiner Briefe spricht er von diesem für ihn
entscheidenden Ereignis, in Phil 3 und in Gal am Anfang.
In Phil 3 spricht er davon in passivischen Wendungen:
„Ich ließ mich um alles bringen“ (3,8), und „weil ich von Christus ergriffen worden bin“
(3,12). Ein Geschehen also von außen, nicht intern. Und in der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern zählt der Apostel alle seine früheren Vorzüge auf; er könnte sich ihrer rühmen,
sieht es jetzt aber anders. Phil 3, 7ff: „Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi Willen für
Schaden erachtet…, ja ich halte es für Dreck ( Kot…), damit ich Christus gewinne und in ihm
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gefunden werde, dass ich nicht meine Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz kommt, sondern die aus dem Glauben an Christus, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben
zugerechnet wird“. (vgl. Röm 1,17; 3,22 Gerechtigkeit von Gott aufgrund des Glaubens – so
wörtlich…..). Das ist paulinische Rechtfertigungstheologie im Kern.
b) Gal 1,11 ff
Diese Stelle ist biographisch ergiebiger, obwohl Paulus auch hier nicht sein Berufungserlebnis ausmalt. Doch wir überlesen nicht, dass Paulus hier von seiner Berufung zum Apostel spricht. Die Berufung der Propheten Jeremia (1,5) und des Jesaja (49,1): „Der Herr hat mich berufen von Mutterleibe an“… Bei Jeremia noch
deutlicher: „Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete und sonderte
dich aus, ehe du von deiner Mutter geboren wurdest und bestellte dich zum Propheten für die Völker“.
Paulus sagt (1,15): „Als Gott aber, der mich von Mutterleibe an ausgesondert hat
und mich durch seine Gnade berufen hat, beschloss, seinen Sohn mir zu offenbaren, damit ich das Evangelium von ihm unter den Heiden verkündigen sollte, da
beriet ich mich nicht mit Fleisch und Blut (d.h. mit irgendeinem Menschen), zog
auch nicht nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern
zog fort in die Arabia und kehrte dann erst zurück nach Damaskus.“
Diese Gal-Stelle ist nicht nur als Selbstaussage des Apostels über seine Berufung
von höchster Bedeutung, sondern der Kontext: Gal 1 – 2 ist einzig in seiner Art. Er
berichtet über einen großen Zeitraum seiner Biographie exakt (17 Jahre). Über die
Zeit seiner Berufung berichtet Lukas fast nichts oder sehr wenig.
Warum äußert sich der Apostel hier so biographisch? Der Galater-Brief ist in späterer Zeit in Ephesus verfasst worden. Paulus hatte davon gehört, dass in Galatien
jüdische Agitatoren aufgetreten sind, welche die Gemeinden dort durcheinander
wirbelten. Ihr Angriff richtete sich gegen das gesetzesfreie Evangelium, das Paulus
unter den Heidenvölkern verkündete. Er hatte die angeblich heilsnotwendige Beschneidungsforderung und die Verbindlichkeit des ganzen Gesetzes, der Thorá –
so die Judaisten – unterschlagen. Mit dieser Kritik versuchten sie die Heidenmission des Apostels zu unterminieren. Die Judaisten verstanden sich wohl als Christen
und nicht als Juden. Aber ihr Christ-Werden war für sie die Eingliederung in das
erwählte jüdische Volk und die Übernahme aller Forderungen des Gesetzes, der
Thorá. Zudem stellten Sie seine Autorität in Frage. Also zwei Vorwürfe: Verfäl-
schung der Botschaft und eigenmächtige Annahme, also eine Anfrage an seine
rechtmäßige Berufung.
Paulus verteidigte beide. Indem wir diese bedenken, verstehen wir seine Berufung. Zur Verteidigung der Wahrheit seines Evangeliums und des göttlichen Ursprungs seiner Berufung, seiner Sendung und Apostolats sagt Paulus also folgendes:
Ich habe mein Evangelium nicht aus 2. und 3. Hand, d. h. von den
Aposteln aus Jerusalem, sondern ich habe es original von Gott selbst
empfangen. Davon spricht er im Prolog des Römer-Briefes:
Röm 1, 1-6
„Paulus ein Knecht Jesu Christi, berufen zum Apostel, ausgesondert zu predigen
das Evangelium Gottes, das er zuvor verheißen hat durch seine Propheten in der
heiligen Schrift von seinem Sohn Jesus Christus, unserm Herrn, der geboren aus
dem Geschlecht Davids, nach dem Fleische, und nach dem Geist, der da heiligt,
eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten. D
u r c h i h n haben wir empfangen Gnade und Apostelamt, in seinem Namen den
Gehorsam des Glaubens aufzurichten unter allen Heiden, zu denen auch ihr gehört, die ihr berufen seid von Jesus Christus“.
Ich bin nicht von menschlichen Autoritäten, sondern allein von göttlicher Autorität
abhängig. Denn ich habe keine Beziehungen zu Jerusalem gehabt. Weder bei meiner
Berufung, noch danach über etwa 17 Jahre (!) hinweg, von einem Kennenlernen des
Kephas, des Petrus, des erstberufenen Jüngers und Apostels 3 Jahre nach meiner Berufung bei Damaskus abgesehen. Das waren aber nur 2 Wochen (vgl. Gal 1,18 f). Bei
dieser Begegnung sah ich auch Jakobus, den Bruder von Jesus, „dem Herrn“.
Gott hat mir ohne Vermittlung durch die Apostel Evangelium und Sendung direkt zuteil werden lassen. Und darum predige ich die Beschneidungsforderung nicht mehr,
die ich einst als pharisäischer Diasporá-Missionar gepredigt habe (vgl. Gal. 5,11).
Gal. 1, am Anfang des Briefes kennzeichnet er seine Berufung so: „Paulus, ein Apostel
nicht von Menschen, auch nicht durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus
und Gott, dem Vater, der ihn auferweckt hat von den Toten“. Ja, und um seine Geg-
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ner völlig matt zu setzen, kann er in seinem Bericht über den Apostelkonvent in Jerusalem (Gal 2, 1 – 9) hinzufügen: sogar die Apostel, also Petrus, Jakobus und Johannes
haben mir damals die Freiheit meines Evangeliums für die Heiden, also ohne Beschneidungsforderung, bestätigt.
Die L e b e n s w e n d u n g, seine B e r u f u n g und seine T h e o l og i e hängen also u n t r e n n b a r miteinander zusammen. Auch der Apostel bezeugt, freilich ohne es wie Lukas auszumalen seine Vision, dh dass ihm eine Erscheinung zuteil geworden ist (vgl.1. Kor 15,; auch 9,1): „Zuletzt ist er (d. h. der Auferstandene) auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich
die Gemeinde Gottes verfolgt habe“(15, 8 – 9). Paulus hat keine Privatoffenbarung
erhalten, es waren keine visionären Eingebungen und geistlichen Entzückungen; er ist
kein Enthusiast. Davon ist bei Lukas auch keine Rede. In Jerusalem konnte Paulus für
sein Evangelium von der freien Gnade Gottes (seine sogenannte Rechtfertigungslehre), die Gott in Jesus Christus „als dem Ende des Gesetzes“ (Röm 10,4) allen eröffnet
hat, ein volles Verständnis nicht erwarten. Allerdings kamen von der Urgemeinde in
Jerusalem auch keine Anzeichen, die Kirchengemeinschaft etwa den hellenistischen
Gemeinden (in Antiochien, Damaskus und anderen Orten) aufzukündigen oder ihre
Sendboten und Missionare zu verketzern. Im Gegenteil berichtet Paulus mit Genugtuung, dass die Kunde von seinem Missionserfolgen, dem einstigen Christenverfolger,
auch zur Gemeinde im palästinensischen Mutterland gedrungen und dort Freude und
Lobpreis Gottes ausgelöst hat (vgl. Gal 1,23 – 24).
Ich stelle nun zwei letzte mit seiner Berufung zusammenhängende Fragen:
a) Wie ist diese Lebenswendung und Berufung bei Paulus vorbereitet gewesen?
Paulus hat sich vorher, mit den von ihm gehassten Christen, dieser „jüdischen
Sekte“, in Jerusalem auseinandergesetzt, vor allem auch mit den hellenistischen
Christen in Damaskus. Unvorbereitet und plötzlich trifft ihn, die durch die freie
und souveräne Tat Gottes in seinem Sohn Jesus Christus geschehene Berufung.
Kein langer Reifungsprozess geht voran, auch wenn die Glaubenszeugnisse der
Christen auf ihn eingewirkt haben mögen. Da ereignet sich kein innerer Zusammenbruch auf der morschen Grundlage seiner Frömmigkeit, den zu hohen Anfor-
derungen der Thorá (vgl. Röm 7, 7 – 25). Denn Paulus sagt: „ich war in allem untadlig“(vgl. Phil. 3,6).
Paulus ist nicht Martin Luther. Er ist nicht der von Gewissensängsten Gejagte unter der Frage: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Paulus ist ein stolzer
Pharisäer, dessen ungebrochener Ruhm seine Zugehörigkeit zum auserwählten
Volk Gottes, das Gesetz Gottes, die Thorá und seine eigene, daraus resultierende
Gerechtigkeit gewesen sind.
Paulus ist kein Pietist gewesen; hier hat kein Ungläubiger etwa plötzlich zum
Glauben gefunden, ist „bekehrt“ worden. Nein. Diesem Pharisäer Paulus hat Gott
durch den in Schande am Fluchholz des Kreuzes gestorbenen und von ihm auferweckten Juden Jesus Christus seinen weiteren Weg verstellt und ihm das Licht
aufgehen lassen, wie es Felix Mendelssohn Bartholdy so herrlich vertonte und
Paulus selbst im 2. Kor 4,6 so bezeugt: „Denn Gott, der gesagt hat, aus der Finsternis strahle das Licht, hat es in unseren Herzen aufstrahlen lassen, so dass hell
werde die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes, auf dem Antlitz Christi“.
b) Letzte Frage: Wie unterscheidet sich der Apostel von seinem „Biographen“ Lukas?
Lukas kennt von einer Gleichberechtigung des Paulus gegenüber den Zwölfen
nichts. Vergessen wir hier erst einmal, was die griechisch - orthodoxe, ostkirchliche Tradition der Verehrung des Apostels Paulus hat zukommen lassen. Paulus
und Petrus sind erst in einem langen Prozess die beiden Apostelfürsten geworden. In der Apostelgeschichte wird er von der Erscheinung blind, von einem gesetzestreuen Jünger Ananias in Damaskus wunderbar geheilt und auch getauft
(9,18; 22,12 ff). Dann kehrt er nach Jerusalem zurück. Dort erst erfüllt sich in einem erneuten Gesicht jene Bestimmung: Christus sendet ihn von den verstockten
Juden fort zu den Heiden (22,17 ff).
Nach Lukas nimmt also im Widerspruch zu dem Bericht des Apostels selbst in Gal.
1, das Missionswerk des Paulus in Jerusalem seinen Ausgang. Ebenfalls widersprüchlich zu Paulus wird dieser nach Apg
9,23ff bald seiner Berufung von Barnabas in die Urgemeinde eingeführt und auch
in den „Kreis der Zwölf“ und eben zwar nicht als legitimierter Apostel (s. o.), sondern als legitimierter Vertreter der apostolischen Kirche (die von den Zwölfen in
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erster Linie repräsentiert wird). Lukas hat hier nicht frei phantasiert, sondern ihm
mündlich zu gekommene Tradition verarbeitet. Denn Lukas denkt von seinem kirchen- und heilsgeschichtlichen Verständnis aus.
Er weiß nichts mehr davon (er schreibt am Ende des 1. Jh’s, knapp ein halbes Jahrhundert später), was nach Paulus das Wichtigste und Entscheidendste seiner Lebenswendung und Berufung war: dass der Pharisäer Paulus um Christi Willen das
Gesetz als Heilsweg aufgegeben hatte und das Evangelium von Gottes freier Gnade im Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus zum Zentrum seiner Verkündigung „als Licht unter den Heiden“ gemacht hatte.
Für Lukas blieb der Apostel der gesetzestreue Pharisäer bis zu seinem Tode. Darin
liegt die t i e f e D i f f e r e n z.
Wir wollen jetzt von Nr. 14 an, das Rezitativ (Tenor/Bass)
und den Knabenchor „Saul, Saul, warum verfolgst Du mich?
Nr. 15 den Chor: „Mache dich auf, werde Licht“ und
Nr. 16 den Choral: „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ hören.
a) Felix Mendelssohn Bartholdy hat die Worte des erhöhten Jesus Christus (nach Apg
9,3 – 6) durch den Knabenchor (heute meistens Frauenstimmen) singen lassen: „Saul,
Saul, warum verfolgst du mich? Ich bin Jesus von Nazareth, den du verfolgst! Stehe
auf und gehe in die Stadt…“. Das ist im 19.Jh eine Revolution gewesen: Jesus m u s s
t e von einer Männerstimme gesungen werden!!
b) Mit dem Jesajatext (Jes 66, 1 – 21): „Mache dich auf, werde Licht…“, den der Chor
singt, haben J. Schubring und Felix Mendelssohn Bartholdy in der Komposition, d. h.
der Zusammenstellung der Texte den wirklichen Paulus kongenial erfasst, wenn wir
an das schon zitierte Wort aus 2. Kor 4,6 denken (siehe oben Seite 10): Denn Gott,
der gesagt hat, aus der Finsternis strahle das Licht, hat es in unserem Herzen aufstrahlen lassen, so dass hell wurde die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes auf dem
Antlitz Christi“.
Paulus stellt sich hier auf eine Stufe mit seinen korinthischen Gemeindegliedern im
Blick auf seine und ihre Berufung durch Christus.
c) Mit dem Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme…“ nach dem Gleichnis von den tö-
richten und klugen Jungfrauen (Mt 25, 1 – 12) von Philipp Nicolai (1599), übrigens in
unserer Nähe, in Unna komponiert, wo er von 1596 an einige Jahre Pfarrer gewesen
ist! Mit diesem Choral, der so prächtig von den Posaunen intoniert wird, nähert sich
Felix Mendelssohn Bartholdy dem Höhepunkt, der schon in der Ouvertüre vorbereitet war.
d) Die Arie (Nr. 18): „Gott sei mir gnädig nach deiner Güte…“ nach dem Buß-Ps 51.
Nachdem der Apostel Gott um Tilgung seiner Sünden gebeten hat, er- wachte in ihm –
wie passend aus dem 51.Ps V. 15 von Schubring ausgesucht – „das Kämpferische“: „Ich will
das Übertreten Deiner Wege lehren, dass sich die Sünder zu dir bekehren!“ und seine Predigtaufgabe findet im berühmten V. 16 seinen Ausdruck: „Herr, tue meine Lippen auf, dass
mein Mund deinen Ruhm verkündige!“ Der Schluss des Psalms wird als unpassend weggelassen.
e) Nach der Dank-Arie des Apostels mit dem Chor, dem Text-Rezitativ, kommt es für
mich zum kompositorischen Höhepunkt: Dass J. Schubring Röm 11,33 ausgewählt
hat, finde ich genial. Warum?
In Röm. 9 – 11 beschreibt Paulus den Weg Gottes mit Israel. Kp. 11 zeigt, dass „die
Geschichte der Verheißungen über Israel nicht abgerissen ist“ (E. Käsemann). In 11,
18 f steht der heute viel zitierte Satz: „So sollst du wissen, dass nicht du die Wurzel
trägst, sondern die Wurzel trägt dich“ und in 11,32 der „Triumph der Gnade Gottes“
(Barth), wenn Paulus schreibt: „Denn Gott hat alle beschlossen unter den Unglauben,
auf dass er sich aller erbarme“. Und in V. 33 – 36 endet das große Thema des Weges
Gottes mit Israel in dem herrlichen Lobpreis der Wunderwege Gottes.
V. 33 ist von Felix Mendelssohn Bartholdy zum großen Schlusschor des Teil I des Paulus-Oratoriums vertont worden:
„O welch eine Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie gar
unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Ihm sei Ehre in
Ewigkeit! Amen.“
Der Apostel, die Gemeinde in Rom, in Heisingen und allerorten staunt über Gottes
unerforschliche Wege, über den neuen Weg der Paulus, seine Lebenswendung und
Berufung, den der unbegreifliche Gott als
D a s W u n d e r des Neuen Testaments herbeigeführt hat. „Ihm sei Ehre in Ewigkeit, Amen!“
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II.
Der Missionar Paulus in der Begegnung mit dem Heidentum als Beispiel aus
der reichen Missionstätigkeit des Apostels.
Mancher Kritiker hat sich über die Textauswahl negativ geäußert, gerade ein solches Urteil
kann ich nicht teilen. Denn aus dem reichen „Missionsleben des Apostels“ einen Höhepunkt
auszuwählen, ist nicht leicht. Leicht kann sich der Komponist verlieren. Das ist mitnichten
der Fall.
J. Schubring und Felix Mendelssohn Bartholdy wählen eine nicht unwichtige Szene aus, die in
der paulinisch-lukanischen Tradition eine wichtige Rolle spielt. Die vielfältig-religiöse Welt
des Hellenismus spiegelt sich in ihr paradigmatisch (vgl. Apg 14, ff).
Worum geht es?
a) Inhalt
Ein „von Mutterleibe an“ gelähmter Mann, ein Heide hört in Lystra, einem ( beim
heutigen Hatunseray, rund 30 km südlich von Konya liegenden kleinem Nest -vgl.
Paulus, Welt der Bibel, Heft 19, 2001 Kathol. Bibelwerk Stuttgart, 34f oben mit Bild)
die Predigt des Apostels Paulus. Da es im kleinen Lystra keine Synagoge gibt, predigt
Paulus unter freiem Himmel, vielleicht auf der Agorá, dem Marktplatz! Er erkannte
den Glauben dieses Heiden, die Bedingung für dessen Heilung. Mit lauter Stimme
sagt er zu ihm: „Stelle dich aufrecht auf deine Füße!“ (V. 10) „Und er sprang auf und
ging umher“. Die heidnische Menge ruft nach dieser unglaublichen Heilstat, wie sie
diese versteht: in den Aposteln Paulus und Barnabas sind die Götter zu uns in Menschengestalt „herniedergekommen“ (V. 11). Akklamatorisch nennen sie Barnabas –
Zeus - Juppiter, den Göttervater, den Wortführer Paulus aber Hermes – Mercurius,
den Götterboten, der im Namen der Götter redet.
Da wir weder wissen, wie Paulus, noch wie Barnabas wirklich ausgesehen haben, sind
diese Identifizierungen wohl aus ihrem Tun heraus zu verstehen. Paulus ist der Redner, der Götterbote. Im 4. Jahrhundert nach Christi charakterisiert Chrysostomos (=
„der Goldmund“), der Patriarch und große Prediger von Konstantinopel, den Beglei-
ter des Paulus, Barnabas so: „ein Mann von besonders stattlicher Gestalt, von würdiger Haltung“, so passte er wohl in die allgemeine Zeus-Ikonographie: große Gestalt,
gewaltige Haar- und Barttracht.
Jedenfalls trifft der Priester eines wohl vor dem Ort liegenden Zeus-Heiligtums Vorbereitungen für ein Opfer (V. 13): „Stiere, und Kränze … für die Opfertiere werden heran geführt“. Jetzt merken die Apostel, was vor sich geht (V. 14). Gut jüdisch zerreißen
sie ihre Kleider als Zeichen des Abscheus vor der Gotteslästerung durch das Heidentum. V. 15 – 17: Voller Entsetzen schreien Paulus und Barnabas den Heiden zu: „Ihr
Männer, was macht ihr da?“ Was folgt ist keine Heiden-Predigt, sondern polemische
Sätze gegen die geplante Opferhandlung und die Abgötterei, „die Idololatrie“: „Wir
sind auch sterbliche Menschen wie ihr und predigen euch das Evangelium, dass ihr
euch bekehren sollt von diesen falschen Göttern, zu dem lebendigen Gott, der Himmel und Erde und das Meer gemacht hat…..“
b) Hier sind wie in der Auseinandersetzung mit den Heidentum genauso wie mit der hellenistisch-jüdischen Welt 3 Dinge wichtig:
1. Die menschliche Sterblichkeit
1. Die Nichtigkeit der Abgötter, der Götzen
2. Der wahre, einzige Gott
Zu 1) Die Sterblichkeit des Menschen ist auch jedem griechisch-römischen Heiden
bewusst. Die Menschen sind ja doch den unsterblichen Göttern gegenüber die
Sterblichen, seit Homer/Hesiod, seit es griechische Religion gibt. Am Apollon-Tempel in Delphi stand groß die Aufschrift: „Erkenne dich selbst“ (als einen Sterblichen).
Zu 2) Die Nichtigkeit der Abgötter ist ein alter Topos der prophetisch-jüdischen Predigt (vgl. Jer 2,5: „eitel, nichtige Götter“; Röm 1,21 ff).
J. Schubring und Felix Mendelssohn Bartholdy zitieren, besser lassen den Apostel Jeremia 10, 14 f singen, was ebenso wie die folgenden Zitate über den lukanischen Text hinausgeht: „Wie der Prophet spricht: All eure Götzen sind Trügerei, sind
eitel Nichts und haben kein Leben …, sie müssen fallen, wenn sie heim gesucht werden“.
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Zu 3) Hier sind J. Schubring und Felix Mendelssohn Bartholdy „kreative Exegeten,
denn sie gehen weit über den etwas dürren“ lukanischen Text an dieser Stelle
hinaus. Zunächst holen sie aus der wichtigsten Auseinandersetzung des Apostels (der
wie Sie wissen fast erfolglosen) mit dem gebildeten griechischen Heidentum in Athen
(vgl.Apg 17) in der sog. Areopagrede einen wichtigen Vers herbei: „Gott wohnt nicht
im Tempeln, die mit Händen gemacht
sind“ (17, 24 f), auch wenn es die Hände
der berühmten Künstler des Parthenon, Iktinos
und Phidias sind- füge ich hinzu.
Dann wird Paulus selbst zitiert mit seinem weitreichenden Wort aus 1. Kor 3,
16 –17: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und dass der Geist Gottes in
euch wohnet? Wenn jemand den Tempel Gottes verderben wird, den wird Gott
verderben. Denn der Tempel Gottes ist heilig, der seid ihr“.
Bei der Wiedereinweihung des im Krieg zerstörten Berliner Domes hat unser am
10. Nov. 1996 verstorbener Präses der Kirche im Rheinland Peter Beier in seiner Predigt den Apostel Paulus sinngemäß zitiert:
„Die Wahrheit braucht keine Dome. Das liebe Evangelium kriecht in jede Hütte unter und hält sie warm. Die evangelische Kirche braucht keine Dome“.
Am
Schluss ruft Peter Beier der Gemeinde zu: „Füllet diesen Dom. Ohne Menschen bleibt
er eine Kulisse des Sinnlosen. Noch immer gibt es hier etwas zu hören, was anderswo
nicht zu hören ist. Noch immer gibt es etwas mitzunehmen, was einem sonst niemand einpackt. Der Dom gehört Euch. M e r k s B e r l i n ,du l i e b e St a d t.“
Der wahre, eine Gott ist der Schöpfer des Himmels und der Erde, oder nach dem nun zweifach besungenen Psalmvers (115,3): „Unser Gott ist im Himmel, er schaffet alles, was er
will.“
Felix Mendelssohn Bartholdy (und J. Schubring), obwohl reformiert getauft, war ein großer
Verehrer des Reformators Martin Luther. Denken wir nur an seine Reformationssinfonie,
1830 zur 300 Jahr-Feier der Confessio Augustana mit den wunderbaren Variationen zum Reformationslied „Ein feste Burg ist unser Gott“ komponiert. Hier in unserem Kontext lässt er
den Chor den Choral singen: „Wir glauben all an einen Gott…“, den Martin Luther als Glaubensbekenntnislied 1524, dem Jahr seiner meisten Liedschöpfungen, verfasst hat, und Felix
Mendelssohn Bartholdy nimmt auch die vorreformatorischen Melodien auf. Leider wird dieser Choral in unseren Gottesdiensten heute höchst selten gesungen.
C. Schluss
Nach der Rettung der Apostel vor der Steinigung, womit auch an die Steinigung des Stephanus vom Anfang des Paulus-Oratoriums erinnert werden soll, gestaltet Felix Mendelssohn
Bartholdy den Abschied des Paulus in und aus Ephesus als Ausblick auf das Lebensende des
Apostels in Rom. Im Rezitativ, das vor dem Schlusschor der Sopran singt, spielt der Text aus
2. Tim 4, 6 – 8 auf das Lebensende an; wörtlich heißt es dort bei Felix Mendelssohn Bartholdy:
„Denn ich werde schon geopfert und die Zeit meines Hinscheidens ist gekommen“. Ich habe
den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten. Hinfort
liegt für mich bereit die Krone der Gerechtigkeit, die mir der Herr, der gerechte Richter, an
jenem Tage geben wird, nicht aber uns allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb
haben.“
Der letzte Satz ist schon in den Schlusschor mit hineingenommen, der in den Lobpreis Gottes
mündet, wie der Schlusschor Teil I.
„Lobet den Herrn, Ihr seine Engel, lobet den Herrn“.
Rezitativ und Schlusschor Nr. 44 und Nr. 45, Masur Nr. 18 und Nr. 19 wollen wir jetzt zum
Ende hören.
Literatur:
Hans Christoph Worbs : Felix Mendelssohn Bartholdy in Selbstzeugnissen und
Bilddokumenten, Rowohlt, Hamburg (1974) 1976
Karl-Heinz Köhler:
Klavierauszug
Mendelssohn, Metzler –Musik, Stuttgart-Weimar 1995
Paulus op.36- Oratorium nach Worten der Heiligen
Schrift, Carus 1996
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