Dezember 2005 - Wunschfilme_2005
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Dezember 2005 - Wunschfilme_2005
CLUB PASSAGE PROGRAMMKINO In diesem Monat bereichert der CLUB PASSAGE das an Ereignissen aller Art gewiss schon nicht arme Jahr 2005 um ein weiteres Highlight, indem er drei Filme auf die Leinwand bringt, die zwar schon oft gewünscht, aber bisher noch nie hier gespielt wurden - „Welt“-Premieren im Club gewissermaßen... In allen drei Filmen spielt die Musik eine wesentliche, wenn nicht gar die Hauptrolle. Dass Musik im herkömmlichen Sinne nur einen verschwindend geringen Teil der Klangwelten ausmacht, die uns täglich umgeben, dringt uns im Allgemeinen kaum ins Bewusstsein. Der Musiker John Cage versuchte bereits 1952 zu verdeutlichen, dass der Unterschied zwischen Komposition und Weltgeräuschen gar kein solcher sein muss: Seine Komposition „4'33“ dauerte genau 4 Minuten und 33 Sekunden, während derer ein Pianist mit einer Stoppuhr vor seinem Instrument saß – und nichts spielte. Bei der Uraufführung waren viele Menschen verunsichert, einige verließen gar den Raum. Dabei hatte der Komponist lediglich die jedem Musiker vertrauten Pausenzeichen zur Hauptsache seines Stückes gemacht, welches nach seiner Erklärung aus „Stille verschiedener Längen“ bestand. In seinem Film „Touch the Sound“ (D/GB 2004) unternahm der Filmemacher Thomas Riedelsheimer („Rivers And Tides“) eine filmische Entdeckungsreise in die Welt der Rhythmen und Töne, die alles um uns her bestimmen, indem er die weltbekannte Perkussionistin Evelyn Glennie nach Deutschland, Japan, Kalifornien, Schottland und New York begleitete. Die Musikerin ist nach medizinischen Gesichtspunkten zu 80 Prozent taub, aber weit entfernt davon, dies als Behinderung zu empfinden. Evelyn Glennie, die Töne eher spürt als hört, meint „Hearing is a form of touch“ und gibt damit dem Wort von der Musik, die Menschen berühren kann, einen ganz eigenen Sinn. Als Solo-Perkussionistin in der klassischen Musik hat die mehrfache GRAMMYPreisträgerin mit fast allen Orchestern und Dirigenten von Weltrang zusammen gearbeitet. Ihre Musikalität, ihre herausragende Technik und ihren besonderen Sinn für die visuellen Aspekte der Perkussion verbindet Glennie zu Auftritten von solcher Vitalität, dass nicht selten die Grenzen klassischer Konzerte überschritten werden. In „Touch the Sound“ betrat die Musikerin einmal mehr ein für sie weitgehend neues Gebiet, als sie mit dem Musiker und Komponisten Fred Frith erstmals eine CD mit improvisierter Musik aufnahm. Diese Session bildet die Klammer, zwischen der Regisseur Riedelsheimer die Perkussionistin allein oder mit Kollegen musizieren lässt, wobei sie allen erdenklichen Alltagsgegenständen und Fundstücken Töne und Rhythmen entlockt. Hinzu kommen Sequenzen, in denen sie ihre Arbeit und ihre Sicht der Welt erläutert. Die Art, in der Glennie die gefundenen O-Töne mit selbst erzeugten Klängen mischte, bewog Riedelsheimer dazu, seine eigene Umgebung mit der Kamera zu belauschen und so die Klangbilder für das Auge sichtbar zu machen „Koyaanisqatsi“ für die Ohren... „You can change your life in a dance class“ lautet der Untertitel der viel beachteten und preisgekrönten Musik-/Tanz-Doku „Rhythm Is It!“ (D 2004), in der die Dokumentaristen Thomas Grube und Enrique Sánchez Lansch den Entstehungsprozess eines gewaltigen Musikprojekts begleiteten: Im Januar 2003 tanzten 250 Berliner Kids aus 25 Nationen in der Treptower Arena des Berliner Industriehafengeländes Strawinskis „Le Sacre du Printemps“. Das Besondere dabei: Kaum eines der Kinder im Alter zwischen 11 bis 17 Jahren hatte bis dahin Kontakt mit Tanztheater oder klassischer Musik. Die „Sacre“-Aufführung ist Bestandteil des Projekts „Zukunft@Bphil“, welches Simon Rattle - einer der jüngsten und experimentierfreudigsten Dirigenten im Kreise der angesehenen Orchester - gemeinsam mit den 2 Maldoom und Simon Rattle, von welch Letzterem der Satz stammt: „Musik ist das, was sie für Menschen tun kann. Zum Beispiel: Angst bewältigen.“ Manche Filme schaffen es, den Nerv ihrer Zeit zu treffen und das Lebensgefühl einer ganzen Generation einzufangen. Zählen „Easy Rider“, „Die Reifeprüfung“ oder „Harold und Maude“ mittlerweile zu den Klassikern (was dem „Generation X“- Film „Reality Bites“ so nicht vergönnt war), hat die mehrfach preisgekrönte warmherzige Independent-Komödie „Garden State“ (USA 2004) auf jeden Fall das Zeug zum Kultfilm. Zach Braff („Der Club der gebrochenen Herzen“), der als Darsteller vor allem aus der NBC-Ärzte-Sitcom “Scrubs“ bekannt ist, führte hier erstmalig Regie, spielte die Hauptrolle und schrieb auch das Drehbuch. Im Mittelpunkt der Geschehnisse eines Wochenendes steht der Jungschauspieler Andrew Largeman (Zach Braff), der zur Beerdigung seiner Mutter aus Los Berliner Philharmonikern initiierte, um „Menschen aller Altersstufen, unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft und Begabungen für eine aktive und schöpferische Auseinandersetzung mit Musik“ zu begeistern. Die Musik für das bisher größte Vorhaben dieser Art war bald gefunden: Igor Feodorowitsch Strawinskis Ballett „Le Sacre du printemps“ hatte 1913 bei seiner Erstaufführung im Pariser Champs-Elysées einen der größten Skandale der Kulturgeschichte provoziert (durch das „Beleidigen der Gewohnheiten“, wie der bei der von Ausschreitungen gefolgten Premiere anwesende Dichter Jean Cocteau sich später erinnern sollte); somit schien das abstrakte 35-Minutenstück bestens geeignet für das engagierte und innovative Unterfangen. Für die Leitung des „Sacre“-Projekts lud „Zukunft@Bphil“ den international erfahrenen Choreographen Royston Maldoom, der seit 30 Jahren Tanzprojekte an sozialen Brennpunkten realisiert, nach Berlin ein. „Rhythm Is It!“ begleitet insbesondere die jugendlichen Protagonisten Marie, Olayinka und Martin bei den dreimonatigen Proben. Hartnäckig und mit großer Liebe leiteten Maldoom und sein Team die ersten Tanzschritte der jungen Tänzerinnen und Tänzer an, die zwischen Zweifel und Begeisterung, Unsicherheit und Selbstbewusstsein verborgene Facetten ihrer Persönlichkeit erkundeten. Die Regisseure geben Einblick in die Arbeit eines der berühmtesten Orchesters der Welt – und sie zeichnen fast beiläufig die packenden Porträts von Royston Angeles nach New Jersey (Beiname „Garden State“) zurückkehrt. Seit Jahren unter Sedativen stehend, die ihm sein Psychiater-Vater (Ian Holm) nach einer Familientragödie verordnet hat, herrscht in Andrew ein emotionales Vakuum. Von seinem ehemaligen Schulfreund, dem Totengräber Mark (Peter Saarsgard, zuletzt an der Seite von Jodie Foster im Flugzeug-Thriller „Flight Plan“ zu sehen), wird Andrew in die Geheimnisse seines Heimatortes eingeführt. Am Ort seiner Jugend begegnet er schrägen Typen, gerät in verrückte Situationen und lernt unverhofft die exzentrische Sam (Natalie Portman) kennen, deren Charme und Natürlichkeit ihn in ihren Bann ziehen. Während Andrew nicht einmal am Grab der Mutter weinen kann, bricht Sam sogar bei der Beerdigung ihres Hamsters in Tränen aus – und steckt mit ihrer Lebensfreude auch Andrew an, zu dessen neu entdeckten Gefühlen bald auch das der ersten Liebe zählt. 3 Der fantastische GRAMMY-prämierte Soundtrack zu „Garden State“ spiegelt nach dem Willen des Regisseurs genau die Zeit der Entstehung seines Films wider. Die Rechte für Songs von Cold Play, Simon & Garfunkel, Nick Drake, The Shins, Remy Zero, Colin Hay u. a. zu bekommen, erwies sich zunächst als nicht einfach, denn mit dem Geld, das ursprünglich verlangt wurde, hätte man mehrere kleine Indie-Filme drehen können. Als Braff jedoch den Künstlern die Szenen zeigte, in denen ihre Songs zu hören sein sollten, wurde eine Zusammenarbeit im Rahmen des MiniBudgets möglich. Wer also noch ein passendes Weihnachtsgeschenk sucht... In diesem Sinne: Frohes Fest und allen Filmfreunden ein Jahr 2006, dessen man sich nicht zu schämen braucht! Die Idee zu einer filmischen Hommage an seine Heimat hatte der begeisterte Hobby-Fotograf Zach Braff bereits während seiner College-Zeit: „Es sollte eine intelligente Liebesgeschichte für ein junges Publikum werden. Ich wollte einen Film drehen über dieses einzigartige Gefühl, nach Hause zu kommen.“ Mit den Jahren sammelte er Anekdoten, arbeitete hier und da einzelne Szenen aus, aber erst 1999, nachdem er als Filmstudent etlichen Regisseuren über die Schulter geschaut hatte, machte sich Braff daran, das Drehbuch zu schreiben – welches nach nur drei Monaten fertig war. Dass der Jungregisseur seine Wunschbesetzung in persona auf dem Set begrüßen konnte, liegt an der Überzeugungskraft seines Drehbuchs, zählt aber wohl dennoch zu den Glücksfällen einer Independent-Produktion. O-Ton Z. Braff: „Wir hatten nicht in tausend Jahren daran gedacht, dass wir die Genannten (Portman, Holm, Saarsgard) tatsächlich bekommen würden. Aber nacheinander haben sie alle zugesagt. Wir waren richtig schockiert.“ Natalie Portman („Léon – Der Profi“), deren schauspielerische Qualitäten durch ihre Besetzung als Amidala/Padmé in den „Star Wars“-Episoden I bis III beinahe Gefahr liefen, ins Hintertreffen zu geraten, gibt in „Garden State“ weit mehr als nur das obligatorische Girl an des Hauptdarstellers Seite. Die von ihr verkörperte Sam ist ebenso komplex und interessant wie die männlichen Figuren – und sie besitzt (neben Schönheit) bei aller Verrücktheit auch Humor, Optimismus und Leidenschaft – Eigenschaften, welche die Schauspielerin mit ihrer Filmfigur gemein hat. Der renommierte britische Schauspieler Sir Ian Holm („Der Herr der Ringe“, „Aviator“) ließ es sich nicht nehmen, bei der LowBudget-Produktion (Drehzeit: 25 Tage) Andrews gefühlsarmen Vater zu verkörpern; sein Kommentar: „Zach ist ein brillanter junger Regisseur. Mit nur 28 Jahren hat er es einfach drauf. Es war gut für einen alten Mann wie mich, mit einem so jungen und energiegeladenen Menschen zu arbeiten.“ B.R. Dezember 2005 Wunschfilme SO 04.12. bis MI 07.12. „Touch the Sound“ SO 11.12. bis MI 14.12. „Rhythm Is It“ SO 18.12. bis MI 21.12. „Garden State“ Einlass: 20.30 Uhr – Beginn: 21.00 Uhr Wir zeigen keine Produktwerbung 4