ersitzung und verjährung!

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ersitzung und verjährung!
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IMMOBILIEN-JOURNAL
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B E R I C H T
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Nr. 49 | Jänner 2007
Rechtsanwältin Dr. Alexandra Slama
Kanzlei
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„ERSITZUNG UND VERJÄHRUNG!“
Die Ersitzung führt zum Eigentumserwerb oder zum
Erwerb beschränkter dinglicher Rechte wie z.B. einer
Reallast oder Servitut.
Unter Reallast versteht man die „dinglich wirkende“ also gegen
jedermann wirkende Belastung eines Grundstückes mit der
Haftung für bestimmte, in der Regel wiederkehrende Leistungen
des jeweiligen Grundeigentümer. Der Reallastberechtigte ist befugt, von diesem die Leistung, und zwar ein positives Tun, zu
fordern. Kommt der Eigentümer seiner Verpflichtung nicht nach,
so kann der Berechtigte zur Befriedigung seines Anspruches
auch Zwangsvollstreckung in die haftende Sache führen. Die
Leistung, die dem Eigentümer der belasteten Liegenschaft obliegt, kann verschiedener Art sein: Dienstleistungen, Leistungen
von Produkten des belasteten Grundstückes, Geldrenten usw.
Der Reallastberechtigte hat ein Bezugsrecht. Ein Servitut ist ein
Synonym für Dienstbarkeit und man versteht darunter ein beschränktes dingliches Nutzungsrecht an einer fremden Sache.
Der Eigentümer oder die Eigentümerin dieser Sache ist verpflichtet, etwas zu dulden oder zu unterlassen. Der Berechtigte
ist zu schonender Ausübung verpflichtet.
Die Reallast unterscheidet sich von der Dienstbarkeit vor allem
dadurch, dass dem Eigentümer des belasteten Grundstückes
nicht bloß eine Pflicht zum Dulden, sondern eine solche zu aktivem Tun trifft. Die gesetzliche Regelung für die Ersitzung trifft
das Allgemein Bürgerliche Gesetzbuch in seinem vierten
Hauptstück (§§ 1451 ff). In diesem Abschnitt wird die Ersitzung
gemeinsam mit der Verjährung geregelt, wobei jedoch diese
Rechtsbegriffe konträr sind. Während die Ersitzung zu einem
Rechtserwerb führt, bewirkt die Verjährung einen Rechtsverlust.
Die Ersitzung ist ein originärer (ursprünglicher) Rechtserwerb,
der durch qualifizierten Besitz und Zeitablauf zustande kommt.
Bei der Ersitzung wird man nicht Rechtsnachfolger des bisher
Berechtigten, sondern man erwirbt seine Rechtsstellung Kraft
eigenen Rechts.
GRUNDVORAUSSETZUNG für die Ersitzung nach § 1461
ABGB ist rechtmäßiger, redlicher und echter Besitz während der
gesamten Zeit der Ersitzungsdauer.
Rechtmäßiger Besitz (§ 316 ABGB) bedeutet, dass der Besitz
einer Sache rechtmäßig ist, wenn er auf einem gültigen Titel
beruht. Andernfalls ist er unrechtmäßig. Rechtmäßiger Besitzer
einer Sache ist z.B. der Käufer nach Übergabe des Kaufgegenstandes. Unrechtmäßiger Besitzer ist z.B. der Dieb. Redlicher
Besitz (§ 326 ABGB) bedeutet, dass ein redlicher bzw. gutgläubiger Besitzer derjenige ist, der aus wahrscheinlichen Gründen
die Sache, die er besitzt, für die Seinige hält. Ein unredlicher
Besitzer ist derjenige, der weiß oder aus dem Umständen vermuten muss, dass die in seinem Besitz befindliche Sache einem
anderen gehört.
Das Gesetz nimmt die Redlichkeit bzw. Gutgläubigkeit des
Besitzers Der echte Besitz wird im Gesetz nicht direkt definiert,
sondern nur der unechte Besitz. Unechter Besitzer ist jemand,
der sich den Besitz durch List oder Bitte heimlich erschleicht
und das, was man ihm aus Gefälligkeit, ohne sich einer fortdauernden Verbindlichkeit zu unterziehen gestattet, in ein fortwäh-
rendes Recht zu verwandeln versucht. So wird der an sich
unrechtmäßige und unredliche Besitz überdies noch unecht. So
z.B., wenn die Hauseigentümerin der Mieterin gestattet, ein
kleines Stück Garten bis auf weiteres (also bis auf Widerruf) als
Blumengarten zu benützen und die Mieterin in der Folge
behauptet, sie besitze ein uneingeschränktes Nutzungsrecht
daran. Ersitzungsfähig sind sowohl natürliche, als auch juristische Personen. Eine juristische Person ist eine durch einen
Rechtsakt geschaffene nicht natürliche Person, die aufgrund
gesetzlicher Anerkennung Träger von Rechten und Pflichten
sein kann, so z.B. ein Verein, eine Aktiengesellschaft, eine
GmbH, eine Genossenschaft, ein Fonds, eine Stiftung oder der
(ruhende) Nachlass. Auch die Allgemeinheit kann bestimmte
Rechte ersitzen, so z.B. Geh- und Prozessionswege oder
Schiabfahrten.
DIE ERSITZUNG kann gegen alle Privatpersonen, die fähig
sind, ihre Rechte selbst auszuüben, stattfinden (§ 1454 ABGB).
Ausnahmen macht das Gesetz nur für Mündel-und Pflegebefohlene, Kirchen, Gemeinden und andere „moralische Körper“,
sowie Abwesende. Gegen sie ist eine Ersitzung nur unter
bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen möglich.
Ersessen werden können folgende Rechte (inklusive
Miteigentum): Eigentum, Reallasten, Servituten und nach §
1457 ABGB auch Jagd-, Fischerei- und Waldrechte. Nicht ersitzungsfähig sind verpfändete, geliehene, in Verwahrung oder zur
Fruchtnießung gegebene Sachen, sowie Personenrechte, das
sind etwa die Rechte eines Ehegatten, die Rechte der Eltern
gegenüber ihren Kindern, die Rechte eines Kindes, etc.
Es gibt eine Reihe von Ausschlussbestimmungen bezüglich der
Ersitzung in Sondergesetzen: So heißt es in § 50 Vermessungsgesetz etwa „die Ersitzung von Teilen eines im Grenzkataster
enthaltenen Grundstückes ist ausgeschlossen.“ Damit wird die
Ersitzung von Grundstücken weitgehend unmöglich und
beschränkt sich (bei unbeweglichen Sachen) auf Servituten.
Ebenso normiert das Forstgesetz in § 33 ForstG, dass „durch
die Benutzung des Waldes zu Erholungszwecken eine Ersitzung
nicht eintritt.“ Die Ersitzung von Wegerechten im Wald zu anderen Zwecken ist aber dennoch möglich.
DAS ÖSTERREICHISCHE RECHT unterscheidet zwei Formen
der Ersitzung, nämlich die eigentliche und die uneigentliche
Ersitzung: Die eigentliche (klassische Form) Ersitzung erfordert
„Ersitzungsbesitz“, das heißt, rechtsmäßigen, redlichen und
echten Besitz. Charakteristisch dafür ist, dass das fehlende
Eigentum des Vormannes durch den Ablauf der Zeit ersetzt
wird, wobei die Ersitzungsfrist bei beweglichen Sachen 3 Jahre,
bei unbeweglichen Sachen 30 Jahre beträgt. Ausnahme:
Außerordentliche Ersitzungszeit von 40 Jahren bzw. 6 Jahren in
Bezug auf öffentliche Körper, Gemeinden und die Kirche, ist kein
Titel (z.B. Kauf, Tausch, Schenkung), also rechtmäßiger Besitz
erforderlich. In ihrem Fall beträgt die Ersitzungsfrist immer 30
Jahre. Durch sie können auch Servituten, wie beispielsweise
Wege-oder Fahrrechte ersessen werden. Wenn beispielsweise
der Eigentümer einer Liegenschaft 30 Jahre hindurch nicht die
Benützung eines Weges durch den Nachbarn verhindert, so
kommt es zum (außerbücherlichen) Rechtserweb an der
Servitut (Wegerecht). Um einen möglichen gutgläubigen lastenfreien Erwerb von einer dritten Person entsprechend dem für
das Grundbuch geltenden negativen Publizitätsprinzip -„was
nicht eingetragen ist, gilt nicht“ – zu verhindern, ist in einem
solchen Fall eine möglichst rasche Eintragung des ersessenen
Rechtes im Grundbuch zu empfehlen.
Ist es zwar zur Ersitzung einer Dienstbarkeit jedoch noch nicht
zu ihrer grundbücherlichen Eintragung gekommen, so erlischt
die Dienstbarkeit nach 3 Jahren, wenn der Eigentümer des
belasteten (dienenden) Grundstücks die Ausübung der
Dienstbarkeit tatsächlich durch einen Zeitraum von drei Jahren
verhindert, indem er z.B. den Servitutsweg absperrt oder unbefahrbar macht. Um dies zu vermeiden, muss vor Ablauf der drei
Jahre eine Klage (Feststellung des ersessenen Rechtes –
Feststellungsklage) bei Gericht eingebracht werden.
Ebenso verhält es sich mit Dienstbarkeiten, die bereits im
Grundbuch eingetragen sind, jedoch über einen Zeitraum von
drei Jahren nicht genützt werden. Hier kann der Eigentümer des
dienenden Grundstücks auf Löschung der unrichtig gewordenen Eintragung klagen. Solange jedoch eine erloschene Dienstbarkeit noch im Grundbuch eingetragen ist, kann sie vom
Erwerber der Liegenschaft im Vertrauen auf den Grundbuchsstand gutgläubig erworben werden. Die Gutgläubigkeit setzt
aber voraus, dass für den jeweiligen Erwerber nicht erkennbar
war, dass der tatsächlichen Ausübung der Dienstbarkeit ein
Hindernis entgegenstand dh. er muss davon ausgehen können,
dass die Ausübung der grundbücherlich eingetragenen
Dienstbarkeit ungehindert möglich ist.
BEI EINER LIEGENSCHAFT kann es vorkommen, dass diese
zwar übergeben wird, die Eintragung des neuen Eigentümers im
Grundbuch jedoch unterbleibt. Der Übernehmer hat dadurch
zwar Besitz (Naturalbesitz), jedoch noch kein Eigentum erworben. Erst nach Ablauf der 30-jährigen Frist wird er durch
Ersitzung (außerbücherlich) Eigentümer. In der Zwischenzeit ist
er jedoch, unter der Voraussetzung rechtmäßigen Besitzes,
durch die Actio Publiciana (Klage aus dem rechtlich vermuteten
Eigentum § 372 ABGB) geschützt. Dies bedeutet, dass derjenige, der eine Sache redlich erworben hat und damit qualifiziert
besitzt bzw. besessen hat, diese ähnlich wie die der Eigentümer
einklagen kann. Der Käufer einer Liegenschaft, dessen Eigentumserwerb noch nicht im Grundbuch eingetragen ist, kann mit
ihrer Hilfe seinen Besitz schützen.
Die Beweislast für den Ersitzungsbesitz ist für die kurze und
lange Ersitzungszeit unterschiedlich geregelt. Während bei der
langen Ersitzungszeit nur der Zeitablauf zu beweisen ist, muss
bei der kurzen Ersitzungszeit neben dem Zeitablauf auch die
Rechtmäßigkeit, das heißt, der dem Besitz einer Sache zugrundeliegende gültige Titel (z.B. Kauf oder Tausch) des Besitzes
bewiesen werden.
Die Ersitzung erleichtert den Eigentumsbeweis und dient
dadurch auch der grundbücherlichen Eintragungsprinzip
gemacht.

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