ersitzung und verjährung!
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ersitzung und verjährung!
4 IMMOBILIEN-JOURNAL – B E R I C H T – Nr. 49 | Jänner 2007 Rechtsanwältin Dr. Alexandra Slama Kanzlei Palais Egger-Helldorff Herrengasse 12 9020 Klagenfurt Tel. +43 463 508 000 Fax +43 463 508 000 2 E-Mail: [email protected] www.kanzleislama.at „ERSITZUNG UND VERJÄHRUNG!“ Die Ersitzung führt zum Eigentumserwerb oder zum Erwerb beschränkter dinglicher Rechte wie z.B. einer Reallast oder Servitut. Unter Reallast versteht man die „dinglich wirkende“ also gegen jedermann wirkende Belastung eines Grundstückes mit der Haftung für bestimmte, in der Regel wiederkehrende Leistungen des jeweiligen Grundeigentümer. Der Reallastberechtigte ist befugt, von diesem die Leistung, und zwar ein positives Tun, zu fordern. Kommt der Eigentümer seiner Verpflichtung nicht nach, so kann der Berechtigte zur Befriedigung seines Anspruches auch Zwangsvollstreckung in die haftende Sache führen. Die Leistung, die dem Eigentümer der belasteten Liegenschaft obliegt, kann verschiedener Art sein: Dienstleistungen, Leistungen von Produkten des belasteten Grundstückes, Geldrenten usw. Der Reallastberechtigte hat ein Bezugsrecht. Ein Servitut ist ein Synonym für Dienstbarkeit und man versteht darunter ein beschränktes dingliches Nutzungsrecht an einer fremden Sache. Der Eigentümer oder die Eigentümerin dieser Sache ist verpflichtet, etwas zu dulden oder zu unterlassen. Der Berechtigte ist zu schonender Ausübung verpflichtet. Die Reallast unterscheidet sich von der Dienstbarkeit vor allem dadurch, dass dem Eigentümer des belasteten Grundstückes nicht bloß eine Pflicht zum Dulden, sondern eine solche zu aktivem Tun trifft. Die gesetzliche Regelung für die Ersitzung trifft das Allgemein Bürgerliche Gesetzbuch in seinem vierten Hauptstück (§§ 1451 ff). In diesem Abschnitt wird die Ersitzung gemeinsam mit der Verjährung geregelt, wobei jedoch diese Rechtsbegriffe konträr sind. Während die Ersitzung zu einem Rechtserwerb führt, bewirkt die Verjährung einen Rechtsverlust. Die Ersitzung ist ein originärer (ursprünglicher) Rechtserwerb, der durch qualifizierten Besitz und Zeitablauf zustande kommt. Bei der Ersitzung wird man nicht Rechtsnachfolger des bisher Berechtigten, sondern man erwirbt seine Rechtsstellung Kraft eigenen Rechts. GRUNDVORAUSSETZUNG für die Ersitzung nach § 1461 ABGB ist rechtmäßiger, redlicher und echter Besitz während der gesamten Zeit der Ersitzungsdauer. Rechtmäßiger Besitz (§ 316 ABGB) bedeutet, dass der Besitz einer Sache rechtmäßig ist, wenn er auf einem gültigen Titel beruht. Andernfalls ist er unrechtmäßig. Rechtmäßiger Besitzer einer Sache ist z.B. der Käufer nach Übergabe des Kaufgegenstandes. Unrechtmäßiger Besitzer ist z.B. der Dieb. Redlicher Besitz (§ 326 ABGB) bedeutet, dass ein redlicher bzw. gutgläubiger Besitzer derjenige ist, der aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die Seinige hält. Ein unredlicher Besitzer ist derjenige, der weiß oder aus dem Umständen vermuten muss, dass die in seinem Besitz befindliche Sache einem anderen gehört. Das Gesetz nimmt die Redlichkeit bzw. Gutgläubigkeit des Besitzers Der echte Besitz wird im Gesetz nicht direkt definiert, sondern nur der unechte Besitz. Unechter Besitzer ist jemand, der sich den Besitz durch List oder Bitte heimlich erschleicht und das, was man ihm aus Gefälligkeit, ohne sich einer fortdauernden Verbindlichkeit zu unterziehen gestattet, in ein fortwäh- rendes Recht zu verwandeln versucht. So wird der an sich unrechtmäßige und unredliche Besitz überdies noch unecht. So z.B., wenn die Hauseigentümerin der Mieterin gestattet, ein kleines Stück Garten bis auf weiteres (also bis auf Widerruf) als Blumengarten zu benützen und die Mieterin in der Folge behauptet, sie besitze ein uneingeschränktes Nutzungsrecht daran. Ersitzungsfähig sind sowohl natürliche, als auch juristische Personen. Eine juristische Person ist eine durch einen Rechtsakt geschaffene nicht natürliche Person, die aufgrund gesetzlicher Anerkennung Träger von Rechten und Pflichten sein kann, so z.B. ein Verein, eine Aktiengesellschaft, eine GmbH, eine Genossenschaft, ein Fonds, eine Stiftung oder der (ruhende) Nachlass. Auch die Allgemeinheit kann bestimmte Rechte ersitzen, so z.B. Geh- und Prozessionswege oder Schiabfahrten. DIE ERSITZUNG kann gegen alle Privatpersonen, die fähig sind, ihre Rechte selbst auszuüben, stattfinden (§ 1454 ABGB). Ausnahmen macht das Gesetz nur für Mündel-und Pflegebefohlene, Kirchen, Gemeinden und andere „moralische Körper“, sowie Abwesende. Gegen sie ist eine Ersitzung nur unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen möglich. Ersessen werden können folgende Rechte (inklusive Miteigentum): Eigentum, Reallasten, Servituten und nach § 1457 ABGB auch Jagd-, Fischerei- und Waldrechte. Nicht ersitzungsfähig sind verpfändete, geliehene, in Verwahrung oder zur Fruchtnießung gegebene Sachen, sowie Personenrechte, das sind etwa die Rechte eines Ehegatten, die Rechte der Eltern gegenüber ihren Kindern, die Rechte eines Kindes, etc. Es gibt eine Reihe von Ausschlussbestimmungen bezüglich der Ersitzung in Sondergesetzen: So heißt es in § 50 Vermessungsgesetz etwa „die Ersitzung von Teilen eines im Grenzkataster enthaltenen Grundstückes ist ausgeschlossen.“ Damit wird die Ersitzung von Grundstücken weitgehend unmöglich und beschränkt sich (bei unbeweglichen Sachen) auf Servituten. Ebenso normiert das Forstgesetz in § 33 ForstG, dass „durch die Benutzung des Waldes zu Erholungszwecken eine Ersitzung nicht eintritt.“ Die Ersitzung von Wegerechten im Wald zu anderen Zwecken ist aber dennoch möglich. DAS ÖSTERREICHISCHE RECHT unterscheidet zwei Formen der Ersitzung, nämlich die eigentliche und die uneigentliche Ersitzung: Die eigentliche (klassische Form) Ersitzung erfordert „Ersitzungsbesitz“, das heißt, rechtsmäßigen, redlichen und echten Besitz. Charakteristisch dafür ist, dass das fehlende Eigentum des Vormannes durch den Ablauf der Zeit ersetzt wird, wobei die Ersitzungsfrist bei beweglichen Sachen 3 Jahre, bei unbeweglichen Sachen 30 Jahre beträgt. Ausnahme: Außerordentliche Ersitzungszeit von 40 Jahren bzw. 6 Jahren in Bezug auf öffentliche Körper, Gemeinden und die Kirche, ist kein Titel (z.B. Kauf, Tausch, Schenkung), also rechtmäßiger Besitz erforderlich. In ihrem Fall beträgt die Ersitzungsfrist immer 30 Jahre. Durch sie können auch Servituten, wie beispielsweise Wege-oder Fahrrechte ersessen werden. Wenn beispielsweise der Eigentümer einer Liegenschaft 30 Jahre hindurch nicht die Benützung eines Weges durch den Nachbarn verhindert, so kommt es zum (außerbücherlichen) Rechtserweb an der Servitut (Wegerecht). Um einen möglichen gutgläubigen lastenfreien Erwerb von einer dritten Person entsprechend dem für das Grundbuch geltenden negativen Publizitätsprinzip -„was nicht eingetragen ist, gilt nicht“ – zu verhindern, ist in einem solchen Fall eine möglichst rasche Eintragung des ersessenen Rechtes im Grundbuch zu empfehlen. Ist es zwar zur Ersitzung einer Dienstbarkeit jedoch noch nicht zu ihrer grundbücherlichen Eintragung gekommen, so erlischt die Dienstbarkeit nach 3 Jahren, wenn der Eigentümer des belasteten (dienenden) Grundstücks die Ausübung der Dienstbarkeit tatsächlich durch einen Zeitraum von drei Jahren verhindert, indem er z.B. den Servitutsweg absperrt oder unbefahrbar macht. Um dies zu vermeiden, muss vor Ablauf der drei Jahre eine Klage (Feststellung des ersessenen Rechtes – Feststellungsklage) bei Gericht eingebracht werden. Ebenso verhält es sich mit Dienstbarkeiten, die bereits im Grundbuch eingetragen sind, jedoch über einen Zeitraum von drei Jahren nicht genützt werden. Hier kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks auf Löschung der unrichtig gewordenen Eintragung klagen. Solange jedoch eine erloschene Dienstbarkeit noch im Grundbuch eingetragen ist, kann sie vom Erwerber der Liegenschaft im Vertrauen auf den Grundbuchsstand gutgläubig erworben werden. Die Gutgläubigkeit setzt aber voraus, dass für den jeweiligen Erwerber nicht erkennbar war, dass der tatsächlichen Ausübung der Dienstbarkeit ein Hindernis entgegenstand dh. er muss davon ausgehen können, dass die Ausübung der grundbücherlich eingetragenen Dienstbarkeit ungehindert möglich ist. BEI EINER LIEGENSCHAFT kann es vorkommen, dass diese zwar übergeben wird, die Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch jedoch unterbleibt. Der Übernehmer hat dadurch zwar Besitz (Naturalbesitz), jedoch noch kein Eigentum erworben. Erst nach Ablauf der 30-jährigen Frist wird er durch Ersitzung (außerbücherlich) Eigentümer. In der Zwischenzeit ist er jedoch, unter der Voraussetzung rechtmäßigen Besitzes, durch die Actio Publiciana (Klage aus dem rechtlich vermuteten Eigentum § 372 ABGB) geschützt. Dies bedeutet, dass derjenige, der eine Sache redlich erworben hat und damit qualifiziert besitzt bzw. besessen hat, diese ähnlich wie die der Eigentümer einklagen kann. Der Käufer einer Liegenschaft, dessen Eigentumserwerb noch nicht im Grundbuch eingetragen ist, kann mit ihrer Hilfe seinen Besitz schützen. Die Beweislast für den Ersitzungsbesitz ist für die kurze und lange Ersitzungszeit unterschiedlich geregelt. Während bei der langen Ersitzungszeit nur der Zeitablauf zu beweisen ist, muss bei der kurzen Ersitzungszeit neben dem Zeitablauf auch die Rechtmäßigkeit, das heißt, der dem Besitz einer Sache zugrundeliegende gültige Titel (z.B. Kauf oder Tausch) des Besitzes bewiesen werden. Die Ersitzung erleichtert den Eigentumsbeweis und dient dadurch auch der grundbücherlichen Eintragungsprinzip gemacht.