Musterlösung Probeklausur Wirtschaftsprivatrecht / Bürgerliches Recht
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Musterlösung Probeklausur Wirtschaftsprivatrecht / Bürgerliches Recht
Musterlösung Probeklausur Wirtschaftsprivatrecht / Bürgerliches Recht + Handelsrecht / Recht der Wirtschaft für Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsinformatiker Wintersemester 2009/10 (27.01.10) Die kursiv gedruckten Hinweise müssen nicht zwingend genannt werden, um die volle Punktzahl zu erreichen. 1. Der Gebrauchtwagenhändler Hans verkauft dem sportwagenbegeisterten Tom einen einjährigen Audi des Models TT zum privaten Gebrauch. Fünf Monate nach Übergabe des TT erleidet Tom einen Unfall, bei dem das Auto erheblich beschädigt wird. Ein beauftragter Sachverständiger stellt fest, dass der Unfall durch einen Bremsendefekt verursacht wurde. Jedoch kann nicht festgestellt werden, ob dieser Defekt bei Übergabe des Fahrzeugs an Tom bereits angelegt oder erst später verursacht worden war. Im Zuge dessen äußert Tom gegenüber Hans, dass er angesichts des gegenwärtigen Zustandes des Autos kein Interesse mehr habe, am Kaufvertrag festzuhalten. Tom verlangt von Hans Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises. Zu Recht? (20 Punkte) zu Frage 1: (20 Punkte) (Bähr, Grundzüge des Bürgerlichen Rechts, S. 211 ff., insbes. S. 216) Tom (T) könnte gem. §§ 437 Nr. 2, 346 ff., 323 I BGB vom Kaufvertrag zurücktreten. Der Rücktritt setzt als Gestaltungsrecht sowohl eine Rücktrittserklärung als auch einen Rücktrittsgrund voraus. Mit der Äußerung er wolle nicht mehr am Kaufvertrag festhalten und seiner Rückforderung des Kaufpreises hat T seinen Rücktrittswillen gegenüber Hans (H) kundgetan. Eine Rücktrittserklärung i.S.d. § 349 BGB liegt somit vor. Des Weiteren müsste auch ein Rücktrittsgrund gegeben sein. Dieser könnte hier in der mangelbehafteten Leistung der Kaufsache zu sehen sein. Hierfür müsste ein Sachmangel bei Gefahrübergang gem. § 434 BGB vorgelegen haben. Unter einem Sachmangel ist eine negative Abweichung der Istbeschaffenheit von der Sollbeschaffenheit zu sehen. Für eine Verwendung als Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr eignet sich lediglich ein Auto mit intakten Bremsen. Auch stellt die sichere Bremsfähigkeit eines Kfz-Fahrzeuges eine Beschaffenheit dar, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die T als Käufer nach der Art der Sache erwarten konnte; vgl. § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB. Ferner setzt die Vorschrift voraus, dass dieser Mangelbefund bereits bei Gefahrübergang, gemäß § 446 BGB also bei Übergabe, vorlag. Dies konnte der beauftragte Sachverständige aber gerade nicht feststellen. Grundsätzlich trägt derjenige die Beweislast für die anspruchsbegründenden Merkmale, der sich auf den Anspruch beruft. Gemäß § 476 BGB ist diese Beweislast aber zu Lasten des Verkäufers umgekehrt, wenn der Mangel sich, wie hier, innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang zeigt und ein Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 BGB vorliegt. Auch Letzteres ist, da H Unternehmer ist und T das Auto zum privaten Gebrauch und somit als Verbraucher erwarb, der Fall; vgl. §§ 13, 14 BGB. Daher ist von einem Mangel bei Gefahrübergang auszugehen. Der Mangel ist auch nicht etwa unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. 1 Für den Rücktritt vom Kaufvertrag ist es sodann grundsätzlich erforderlich, dass dem Verkäufer erfolglos eine Nachfrist zur Mangelbeseitigung gesetzt wird. Somit müsste T dem H eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat, welche erfolglos verstrichen ist. Dies sieht die Grundregel des § 323 I BGB vor, auf die in § 437 Nr. 2 BGB nochmals verwiesen wird. Vorliegend hat T jedoch die sofortige Rückzahlung des Kaufpreises verlangt, ohne H eine Möglichkeit zur Nachbesserung durch Reparatur des Autos zu geben. Somit hat er ihm keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. An dieser Stelle bietet sich eine Diskussion hinsichtlich der Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung wg. der erheblichen Beschädigung des Autos gem. § 440 BGB (Nacherfüllung unzumutbar) oder gem. § 323 II Ziffer 3 BGB (Rechtfertigung des Rücktritts wg. besonderer Gründe) an. (Argumentum: Gesamtwiederherstellung des Autos wg. des erheblichen Schadens möglicherweise nicht ohne Einschränkungen möglich ist, so dass die Reparatur des Bremsdefektes für den T nutzlos erscheint) Da §§ 440, 323 II Ziffer 3 BGB jedoch sehr hohe Anforderungen an die für die Entbehrlichkeit der Fristsetzung notwendige Interessenabwägung stellen, wird T den H im Zweifel jedoch zunächst zu einer Nachbesserung aufzufordern haben. Anders u.U. bei einem sog. vielfach mangelbehafteten Montagsauto. T kann daher mangels Fristsetzung nicht gem. §§ 437 Nr. 2, 346 ff., 323 I BGB vom Kaufvertrag zurücktreten. (Anderes Ergebnis mit oben angeführter Argumentation durchaus vertretbar.) 2. Detlev hat bei Eigentümer Emil ein Kfz gestohlen. Er veräußert dieses an Harald. Harald hält Detlev für den Eigentümer, weil dieser einen perfekt gefälschten Personalausweis vorzeigt, der die Identitätsangaben des Kfz-Briefes enthält. Bei einer Polizeikontrolle stellt sich heraus, dass das Fahrzeug tatsächlich gestohlen war. Im Folgenden wendet sich Emil an Harald und verlangt von diesem Herausgabe des Autos. Zu Recht? zu Aufgabe 2: (20 Punkte) (vgl. Bähr, Grundzüge des Bürgerlichen Rechts S. 360 ff.) Emil (E) könnte die Stereoanlage von Harald (H) möglicherweise gem. § 985 BGB herausverlangen. Der Herausgabeanspruch gem. § 985 BGB erfordert, dass das Auto noch im Eigentum des E ist. Ursprünglich war der E Eigentümer des Autos. Er könnte das Eigentum jedoch durch einen Eigentumserwerb des H gem. § 929 BGB verloren haben. Ein Eigentumserwerb des H setzt gem. § 929 BGB Einigung und Übergabe voraus. Detlev (D) und H waren sich vorliegend darüber einig, dass H Eigentümer des Autos werden sollte. Des Weiteren müsste H das KfZ auch übergeben worden sein. Die Übergabe müsste zudem durch den Berechtigten erfolgt sein. D müsste somit als Berechtigter verfügt haben. Dies ist dann erfüllt, wenn er entweder Eigentümer bzw. zur Verfügung von E berechtigt worden ist. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Zwar hat D das KfZ an H übergeben, doch war er niemals Eigentümer des Autos, da er es gestohlen hatte. Infolgedessen konnte D nicht als Berechtigter über das KfZ verfügen. 2 In Betracht kommt jedoch ein gutgläubiger Erwerb iSd § 932 BGB. Dieser überwindet die Nichtberechtigung des Veräußerers. Hierfür müsste H in gutem Glauben bezüglich der Eigentümerstellung des D gewesen sein. Gem. § 932 II BGB ist der Erwerber dann nicht gutgläubig, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Vorliegend hat D dem H einen perfekt gefälschten Personalausweis vorgelegt, der die Identitätsangaben des Kfz-Briefes enthält. Somit konnte H vorliegend davon ausgehen, dass es sich bei dem ihm veräußerten Auto um das des D handelte. H handelte mithin gutgläubig i.S.d. § 932 II BGB. Jedoch ist ein gutgläubiger Erwerbs gem. §§ 929, 932 BGB dann ausgeschlossen, wenn die Sache dem Eigentümer abhanden gekommen ist. Dies ist hier jedoch der Fall, da dem E das Auto gestohlen wurde. Der E hat somit gegenüber H einen Anspruch auf Herausgabe des Autos gem. § 985 BGB, da er weiterhin Eigentümer ist und der H kein ersichtliches Recht zum Besitz i.S.d. § 986 hat. 3. Bitte beantworten Sie ALLE drei folgenden Fragen. (insgesamt 20 Punkte, die variabel zwischen den einzelnen Fragen verteilt werden können) a) Erläutern Sie näher was den subjektiven Tatbestands einer Willenserklärung ausmacht. zu 3 a: Der subjektive auch innere Tatbestand einer Willenserklärung setzt sich aus Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille zusammen. Der Handlungswille ist der Wille, überhaupt eine Äußerung abzugeben. Das ist etwa bei Reflexbewegungen oder Handlungen im Schlaf nicht der Fall. In diesen Fällen wird deshalb das vorliegen einer Willenserklärung verneint. Das Erklärungsbewusstsein liegt vor, wenn sich der Handelnde bewusst ist, mit seiner Handlung eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben. Beispiel für ein Fehlen des Erklärungsbewusstseins ist der Trierer Weinversteigungsfall, bei dem ein zuwinken als Angebot beim Mitsteigern gewertet wurde. Nach der Rechtsprechung liegt bei fehlendem Erklärungsbewusstsein dann eine Willenserklärung vor, wenn der Handelnde bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass sein Handlung als Willenserklärung aufgefasst werden könnte (potenzielles Erkläraunsbewusstsein). Die Willenserklärung ist jedoch unter den Voraussetzungen des § 119 Absatz 1 BGB anfechtbar. [Nach anderer Auffassung liegt keine gültige Willenserklärung vor]. Der Geschäftswille liegt vor, wenn der Erklärende den Willen und die Absicht hat, ein Rechtsgeschäft eines bestimmten Inhalts vorzunehmen. Ein Fehlen des Geschäftswillens berührt die Wirksamkeit der Willenserklärung nicht unmittelbar. Die Willenserklärung kann jedoch unter den Voraussetzungen des § 119 Absatz 1 BGB angefochten werden. 3 b) Welche Gründe können eine Kündigung nach dem KSchG sozial rechtfertigen? Erläutern Sie diese näher! Die in § 1 II S. 1 KSchG enthaltene Generalklausel unterscheidet bei der Sozialwidrigkeit zwischen personen-, verhaltens- und betriebsbedingten Gründen, wobei jeder Kündigungsgrund einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben muss. Mit der betriebsbedingten Kündigung verfolgt der Arbeitgeber den Zweck, den vorhandenen Personalbestand an den vorhandenen oder künftigen Personalbedarf anzupassen. Es geht also um den Zusammenhang zwischen Personalbedarf und Personalbestand. Bei einer Kündigung aufgrund verhaltensbedingter Gesichtspunkte verletzt der Arbeitnehmer hier trotz grundsätzlich hinreichender Eignung seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Mit der verhaltensbedingten Kündigung reagiert der Arbeitgeber somit auf eingetretene Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers. Bei einer Kündigung aus personenbedingten Gründen fehlt dem Arbeitnehmer die für die ordnungsgemäße Erfüllung erforderliche persönliche, gesundheitliche und fachliche Qualifikation. Eine personenbedingte Kündigung ist somit eine Reaktion des Arbeitgebers auf den Wegfall der Fähigkeit des Arbeitnehmers, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Das Gesetz geht damit von der idealtypischen Vorstellung aus, dass sich jeder Kündigungssachverhalt einem klassifizierten Kündigungsgrund zuordnen lässt. Dies bereitet in der Praxis zuweilen Schwierigkeiten. Einerseits sind Mischtatbestände denkbar, andererseits kommt es vor, dass ein Arbeitgeber die Kündigung auf mehrere Kündigungssachverhalte stützt. c) Geben Sie einen Überblick über den Ablauf eines Klageverfahrens im ordentlichen Zivilprozess. Das Klageverfahren beginnt mit der Klageerhebung i.S.d. § 253 I ZPO durch einen Schriftsatz (Klageschrift) schriftlich oder bei amtsgerichtlichen Verfahren auch mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle. Das zuständige Gericht bestimmt sich unter anderem nach dem Streitwert und ist entweder das Amtsgericht oder das Landgericht. In aller Regel wird das Gericht erst nach Einzahlung eines Kostenvorschusses tätig. Bevor die Klage dem Beklagten zugestellt wird, muss das Gericht entscheiden, ob zunächst ein schriftliches Vorverfahren (§ 276 ZPO) durchgeführt werden soll oder ein früher erster Termin (§ 275 ZPO) anberaumt werden soll, der zugleich auch Haupttermin sein kann. Der mündlichen Verhandlung soll im Allgemeinen eine Güteverhandlung vorangehen (278 ZPO). Das Gericht soll überhaupt in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. Kommt es in der Güteverhandlung zu keiner Einigung, schließt sich daran die mündliche Verhandlung an. In der Verhandlung tragen die Parteien (Kläger und Beklagter) ihre Argumente vor und beantragen Verurteilung und Klageabweisung. Hierbei bestimmen die Parteien des Rechtsstreits den Streitgegenstand, die Beweismittel (Sachverständige, Augenschein, 4 Parteivernehmung, Urkundsbeweise und Zeugen) und in gewissem Umfang auch den Ablauf des Verfahrens. Während des Verfahrens ist das Gericht an die Prozessmaximen (Prozessgrundsätze) und damit auch an die Anträge der Parteien gebunden (Dispositionsmaxime). Kommt das Gericht zu der Entscheidung, dass die Klage nicht zulässig ist, wird es sie mit einem Prozessurteil abweisen. Wenn das Gericht der Auffassung ist, die Klage sei zulässig, muss es über die Begründetheit, über die materielle Rechtslage, entscheiden. Kommt es nicht zum Anerkenntnis durch den Beklagten oder zum Klageverzicht durch den Kläger, entscheidet das Gericht durch Sachurteil. Es wird verkündet und den Parteien zugestellt, Damit ist die erste Instanz beendet; nun können innerhalb bestimmter Fristen Rechtsmittel (Berufung gegen Urteile der ersten Instanz und die Revision gegen Urteile des Berufungsgerichts - ausnahmsweise auch als Sprungrevision gegen erstinstanzielle Urteile) eingelegt werden, sofern hierfür die Voraussetzungen vorliegen (s.u.). Das Urteil wird durch die Einlegung der Rechtsmittel nicht aufgehoben, sondern es wird lediglich der Eintritt der Rechtskraft aufgeschoben. Eine Zwangsvollstreckung ist daher nur vorläufig möglich, häufig nur gegen Sicherheitsleistung oder der Beklagte kann die Vollstreckung zunächst durch Sicherheitsleistung abwenden 5