luftpolizeidienst - Informationsgruppe PRO
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luftpolizeidienst - Informationsgruppe PRO
LUFTPOLIZEIDIENST Die Luftwaffe – essentieller Teil der Schweizerischen Sicherheitspolitik Eine der wichtigsten Aufgaben, welche die Schweizer Armee im Zusammenhang mit der Sicherheitspolitik unseres Landes zu übernehmen hat, ist die Unversehrtheit unseres Staatsgebietes vor unerwünschter äusserer Einflussnahme zu garantieren. Dazu gehört die Wahrung der Lufthoheit. Sie ist das Recht eines Staates, die Benützung des über seinem Staatsgebiet liegenden Luftraumes bindend zu regeln und diese Regelung auch durchzusetzen.1 Das im Völkerrecht verankerte Neutralitätsrecht ist aber im Gegenzug auch eine Verpflichtung für die Schweiz, den eigenen Luftraum zu kontrollieren und allenfalls zu intervenieren, falls die Sicherheit des Landes oder der allgemeinen Luftfahrt im Schweizer Luftraum dies erfordert. Seit dem 11. September 2001 ist diese Kontrolle des Luftraumes in Friedenszeiten zu einer unverzichtbaren Aufgabe eines Staates geworden. Das sicherheitspolitische Umfeld Seit dem Fall der Berliner Mauer hat sich das sicherheitspolitische Umfeld in Europa und damit auch in der Schweiz grundlegend geändert. Unsere unmittelbare, territoriale Nachbarschaft ist seit gut fünfzehn Jahren friedlich und stabil. Eine Änderung dieses Zustands ist nicht erkennbar, ein Verteidigungsfall scheint auf absehbare Zeit als unwahrscheinlich. Die unmittelbare Bedrohung geht im heutigen Umfeld vermehrt von nichtstaatlichen Akteuren und Einzelpersonen aus. Konflikte werden vielfach nicht mehr um territoriale Eroberungen geführt, sondern um ideologische, ethnische und fundamentalistisch-religiöse Ziele sowie wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Unsere Umwelt ist global vernetzt und dynamisch geworden. Nicht-staatliche Akteure und Einzelpersonen haben über Verkehrsmittel innerhalb von Stunden weltweiten Zugang, auch zur Schweiz. Immer mehr machen nicht-staatliche Akteure auch Gebrauch vom Luftraum. Der Einsatz von unbemannten Flugobjekten zur Aufklärung durch die Hisbollah oder der Angriff der Tamil Tigers auf Stützpunkte der Armee mit bewaffneten, zivilen Kleinflugzeugen sind Beispiele dafür. Die aktuelle Bedrohungslage in der Schweiz wird geprägt von einer nicht-autorisierten Benutzung unseres Luftraumes. Eine solche unerlaubte Benutzung kann aus nicht bewilligten Überflügen mit bemannten oder unbemannten Luftfahrzeugen, aus sogenannten „Renegade“-Flugzeugen2, der Bedrohung der Luftfahrt durch schultergestützte Flablenkwaffen oder dem Einsatz einer Bogenschusswaffe bestehen. Ein "Renegade" kann ein entführtes Grossflugzeug, aber auch ein zweckentfremdetes Kleinflugzeug sein. Beispiele dafür sind die Ereignisse am 11. September 2001, aber auch ein Vorfall im Jahre 2002, als ein Schweizer Pilot mit seinem Kleinflugzeug in Mailand in das Pirelli-Hochhaus flog. 1 Verordnung über die Wahrung der Lufthoheit (VWL) vom 23. März 2005 (Stand am 19. April 2005), Art 2 lit a. Ein Flugzeug wird als Renegade bezeichnet, wenn es sich nicht mehr unter Kontrolle des dafür ausgebildeten, zugelassenen und autorisierten Piloten befindet. 2 Unter einem nicht bewilligten Überflug versteht man auch einen Überflug eines ausländischen Staatsluftfahrzeuges ohne diplomatische Freigabe (Diplomatic Clearence) oder mit nicht-bewilligter Fracht bzw. Zuladung (Bewaffnung). Eine solche Problematik stellte sich in den letzten Jahren wiederholt, als die Schweiz während der Balkankonflikte den Überflug nur für bestimmte ausländische Staatsluftfahrzeuge freigab. Ebenfalls in diese Kategorie fallen die Überflüge der CIA-Gefangenentransporte. (Foto: Luftwaffe) Aufgaben der Luftwaffe Die Hauptaufgaben der Luftwaffe sind: • • • Wahrung der Lufthoheit Durchführung von Lufttransporten Beschaffung und Verbreitung von Nachrichten für die politische und militärische Führung Die Aufgabe zur Wahrung der Lufthoheit kann aufgeteilt werden in Luftpolizeidienst und Luftverteidigung. Man spricht von Luftpolizeidienst, weil die Aufgaben ähnlich sind wie die Aufgaben der Autobahnpolizei. Diese überwacht den Verkehr, kontrolliert auffällige Fahrzeuge und interveniert bei einem Vergehen. Die Schweizer Luftwaffe überwacht und kontrolliert den Luftraum und ihre Benutzer und interveniert, falls nötig. Hat ein Flugzeug im kontrollierten Luftraum über der Schweiz Navigations- oder Funkprobleme, was relativ oft vorkommt, so eilt die Luftwaffe zu Hilfe und begleitet das Flugzeug bis zu einem Flughafen, damit keine Gefahr für andere Flugzeuge entsteht. Die Luftwaffe stellt auch fest, ob Benutzungseinschränkungen von Lufträumen eingehalten werden und setzt solche Beschränkungen durch – dies geschieht beispielsweise bei Anlässen wie dem WEF oder der Euro 08. Im schlimmsten denkbaren Fall eines bewaffneten Konflikts stellt die Luftwaffe mit ihren Kampfflugzeugen die Luftverteidigung sicher. Luftpolizeidienst Im Rahmen des Luftpolizeidienstes überwacht die Luftwaffe mit ihren Radarstationen 24 Std pro Tag und 365 Tage im Jahr den Luftraum über der Schweiz. Die Luftwaffe überprüft die auf dem Flugplan gemachten Angaben über Flugweg und Flughöhe mit den tatsächlichen Flugbewegungen. Im Gegensatz zu den meisten zivilen Radarstationen können militärische Radars auch Flugzeuge ohne funktionierenden Transponder orten und verfolgen.3 Im Jahr 2007 zählte man in der Schweiz fast 1,1 Millionen Flugbewegungen nach Instrumentenflugregeln (IFR), dazu kommen noch unzählige Bewegungen nach Sichtflugregeln (VFR).4 Bei Bedarf interzeptieren Flugzeuge der Luftwaffe – in den meisten Fällen Kampfflugzeuge – das fragliche Flugzeug um es visuell zu identifizieren. Ist eine Intervention nötig, so führen/zwingen die Kampfflugzeuge das fehlbare Flugzeug auf eine andere Route oder einen Flugplatz in der Schweiz zur weiteren Überprüfung durch die Bundesbehörden. In Ausnahmefällen, beispielsweise bei der Verletzung einer Flugbeschränkungszone wird ein Warnschuss mittels Infrarot-Täuschkörpern, sogenannten Flare abgegeben, im Extremfall erfolgt auf Befehl durch den autorisierten Entscheidträger der Waffeneinsatz. Gegenwärtig überprüft die Luftwaffe täglich die Einhaltung der erteilten Diplomatic Clearance, insbesondere, ob der Flugzeugtyp, die Immatrikulation und die vermutete Zuladung den auf der Anfrage gemachten Angaben entspricht. Im Schnitt stellt die Luftwaffe wöchentlich mindestens eine Luftraumverletzung fest, beispielsweise einen unbewilligten Einflug in einen kontrollierten oder eingeschränkten Luftraum oder eine unbegründete Abweichung vom eingereichten Flugplan. Fast monatlich muss die Luftwaffe intervenieren, um bei Navigations- oder Funkproblemen Hilfestellung zu leisten. Ablauf des Luftpolizeidienstes Die Prozessschritte des Luftpolizeidienstes können anhand der unten dargestellten Grafik nachvollzogen werden. Zuerst wird ein Radarecho festgestellt. In einer ersten Phase wird versucht, dieses Echo mittels Vergleich der vom Sekundärradar, auch IFF-Transponder genannt, ausgesandten Daten und den im Flugplan gemachten Angaben zweifelsfrei zu identifizieren. Dies geschieht durch den Identifikationsoffizier (IDO) und mit passiven Mitteln. Kann das Flugzeug nicht zweifelsfrei identifiziert werden oder besteht eine Diskrepanz zwischen den gemachten Angaben und den tatsächlichen Daten, informiert der IDO den Chief Air Defense (CAD). Je nach Situation ordnet dieser eine Interzeption an. Als Interzeption bezeichnet man die Phase zwischen der Zielzuweisung und der Positionierung des Abfangjägers zwecks weiterem Vorgehen. Sie wird meist durch einen Jägerleitoffizier, dem Tactical Fighter Controller (TFC) unterstützt. Das weitere Vorgehen hängt wiederum von der Situation ab. Entweder wird das interzeptierte Flugzeug auf Distanz weiter überwacht oder es findet eine visuelle Identifikation statt, bei der Flugzeugtyp, die Immatrikulation und offensichtliche Hinweise über die Zuladung festgestellt und allenfalls mit Foto dokumentiert werden. Unter Umständen wird versucht ein Funkkontakt mit dem Flugzeug herzustellen. Weiteres Vorgehen ist eine Begleitung ohne zusätzliche Massnahmen, auch Escort genannt, oder eine Intervention. Im Falle einer Intervention wird das identifizierte Flugzeug auf eine andere Route oder zur Landung auf einem Schweizer Flugplatz geführt/gezwungen. Im Ausnahmefall wird den Anordnungen mit dem Ausstoss 3 Flugsicherung funktioniert hauptsächlich per Radarüberwachung. Radar steht für Radio Detection and Ranging. Eine Radarantenne generiert einen elektromagnetischen Impuls, der auf ein Flugzeug stösst und reflektiert wird. Man unterscheidet zwischen Primär- und Sekundärradar. Primär-Radar bedeutet, dass man nur die reflektierten Impulse zur Luftlagedarstellung nutzt. Für die Flugsicherung von entscheidender Bedeutung ist das SekundärRadar (Secondary Surveillance Radar). Dabei strahlt die Bodenanlage Abfrageimpulse aus, die ein Gerät im Flugzeug (genannt Transponder) beantwortet. Ein entscheidender Vorteil des Sekundär-Radars: Die auf dem Bildschirm dargestellten Ziele sind verlässlicher zu identifizieren, weil Daten wie zum Beispiel die Flughöhe übermittelt werden (Quelle: DFS-News-Letter Okt. 2004). 4 EUROCONTROL, Medium-Term Forecast: IFR Flight Movements 2007-2013, S 33. von Infrarot-Täuschkörpern, sogenannten Flare im Sinne eines Warnschusses Nachdruck verliehen. Im Extremfall kann ein autorisierter Entscheidträger den Waffeneinsatz auch auf ein ziviles Flugzeug befehlen. Alle geschilderten Prozessschritte des Luftpolizeidienstes findet nach international standardisierten Verfahren statt. Prozessschritte im Luftpolizeidienst Radarecho Identifikation unbekannt • Feststellen der Flz Daten durch Vergleich des Flugplanes mit Sekundärradar (electronic ID) Interzeption Überwachung • Phase zwischen Zielzuweisung und Positionierung zwecks - Überwachung - Identifikation - Intervention • Definiertes Standadverfahren nach ICAO Identifikation • Radarüberwachung (monitoring) • Diskretes Folgen (shadowing) • Feststellen Flz Typ & Immatrikulation (VID numbers) • Photodokumentation (photo evidence) • Funkkontakt herstellen (radio interrogation) • Begleitung ohne weitere Massnahmen (escort) Intervention • Flz auf andere Route führen/zwingen (deviation) • Flz zur Landung führen/ zwingen (diversion to land) • Warnung durch Abfeuern von Infrarot-Täuschkörpern (warning shots with flare) • Zerstören des Flz, befohlen durch autorisierten Kommandanten (destruction) Waffeneinsatz in allen Phasen möglich bei Notwehr/Notstand (Grafik: Luftwaffe) Da die Schweiz ein kleines Land ist und bei Feststellung von Unregelmässigkeiten wenig Zeit für eine Interzeption zur Verfügung steht, ist sie auf Kooperation mit den benachbarten Staaten angewiesen. Aus diesem Grund hat die Schweiz im November 2004 mit Frankreich einen Vertrag über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der beiden Staaten im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft abgeschlossen. Ähnliche Abkommen wurden mit Italien (2006), mit Deutschland (2007) und mit Österreich (2008) abgeschlossen. Im Rahmen von luftpolizeilichen Massnahmen zu Gunsten des World Economic Forum (WEF), des G8-Gipfels in Evian 2003, der Olympischen Winterspiele 2006 in Turin und der EURO 08 wurden alle diese Abkommen bereits erfolgreich umgesetzt. Alarm-Bereitschaft am Boden / Quick Reaction Alert (QRA) Die Schweiz wird von modernen Militärflugzeugen oder einem Linienflugzeug innert 10 – 15 Minuten überflogen. Ein Flugzeug auf dem Weg über die Schweiz zu interzeptieren, identifizieren und über weitere Massnahmen zu entscheiden ist also im wahrsten Sinne des Wortes ein Sekundengeschäft. Um möglichst schnell Kampfflugzeuge in der Luft zu haben, müssen diese in Alarm-Bereitschaft stehen. International spricht man in diesem Zusammenhang allgemein von Quick Reaction Alert (QRA). Man unterscheidet verschiedene Varianten von Alarm-Bereitschaft. Die extremste Form von Alarm-Bereitschaft, welche die kürzeste Reaktionszeit garantiert, ist die sogenannte Combat Air Patrol (CAP) bei welcher sich zwei oder mehrere Flugzeuge in der Luft in einem Warteraum befinden und sofort vom Jägerleitoffizier abgerufen werden können. Sie ist jedoch sehr aufwendig und nutzt die eingesetzten Mittel rasch ab; die dabei resultierende, hohe Flugstundenzahl bedingt intensive Wartungszyklen. Mit nur 33 F/A-18 könnte die Luftwaffe diese Form von Alarm-Bereitschaft maximal 2-5 Wochen aufrecht erhalten. Eine weniger wartungsintensive Variante ist, die Flugzeuge auf Alarm-Bereitschaft am Boden, auf QRA, bereitzuhalten. Hier unterscheidet man, ob sich der Pilot bereits angeschnallt im Flugzeug befindet, oder ob er sich in der Nähe des Flugzeuges aufhält. Sitzt der Pilot angeschnallt im Flugzeug, ist er innert 3-4 Minuten in der Luft. Diese Variante erlaubt somit eine schnelle Reaktionszeit; sie ist weniger wartungs- aber sehr personalintensiv. Hält sich der Pilot in der Nähe des Flugzeuges auf, verlängert sich die Reaktionszeit auf ca. 15 - 30 Minuten. Dies setzt aber voraus, dass die Luftwaffe über eine ständige Lagebeurteilung verfügt und der Datenaustausch mit den angrenzenden Ländern verlässlich funktioniert. In aussergewöhnlichen Lagen kann eine raschere Bereitschaftszeit notwendig sein. Wenn das zu schützende Gebiet sich nahe der Landesgrenze befindet, wie dies beim World Economic Forum (WEF) in Davos der Fall ist, müssen die Flugzeuge in der Nähe in einem Warteraum in der Luft abrufbereit sein. Die Schweizer Luftwaffe kann mit den gegenwärtig zur Verfügung gestellten Mitteln den Schweizer Luftraum permanent passiv (RADAR) überwachen, sie kann jedoch nicht 24 Stunden pro Tag intervenieren. In Anbetracht der knappen Ressourcenlage und des sicherheitspolitischen Umfeldes erachtet es der Bundesrat als vertretbar, zurzeit auf eine höhere Bereitschaft und auf die permanente Luftraumüberwachung mit Interventionsmöglichkeit zu verzichten.5 Eine QRA-Organisation hätte einen Mehrbedarf an Personal und Material zur Folge und würde zu jährlich wiederkehrenden Kosten in der Höhe von 15 Millionen Franken und zusätzlichen 75 Stellen (Bodenpersonal, Skyguide-Mitarbeiter, Fachspezialisten) führen. >>> QRA (Quick Reaction Alert) – Luftraumorganisation der Luftwaffe (http://www.pro-kampfflugzeuge.ch/d/qra-2011-03-14.pdf) 5 Siehe Antwort des Bundesrates auf Interpellation 08.3106 von Nationalrat Christian Waber (EDU). Fazit: Hoffnung ist keine Methode! Die Luftwaffe schafft Ordnung und Sicherheit im Luftraum über der Schweiz. Entscheidend für die zu treffenden Massnahmen und die dafür benötigten Mittel ist die sicherheitspolitische Lage. Für friedliche Zeiten, in denen nur Kontrolle zu Bürozeiten gefordert wird, mögen 33 Kampfflugzeuge ausreichen, sobald wir uns aber über längere Zeit in Zeiten erhöhter Spannung befinden bräuchte die Schweiz 40 – 50 moderne Kampfflugzeuge um in ihrem Luftraum rund um die Uhr intervenieren zu können. Im Falle eines Konfliktes würde der Bedarf an modernen Kampfflugzeugen auf 60 – 70 ansteigen. - Teile Schweizer Luftraum - 24h/14 Tage schützen, sperren z.B. Balkankrieg, Irakkrieg Euro, G8, WEF+ 40–50 Kampf-Flz Schutz Kontrolle Wirkung (Grafik: Luftwaffe) Damit die Luftwaffe im Rahmen des Luftpolizeidienstes ihre Aufgabe auch in Zeiten erhöhter Spannung und bei Bedarf auch über längere Zeit, während 24 Stunden/Tag und Nacht, mit der gewohnten Zuverlässigkeit ausführen kann ist die Beschaffung eines modernen Mehrrollen-fähigen Kampfflugzeuges als Tiger Teilersatz unabdingbar. Bei einem Verzicht auf diese Beschaffung könnte die Luftwaffe ihre Leistung zur Wahrung der Lufthoheit nur noch in Friedenszeiten erbringen. „Hoffnung ist keine Methode“!6 6 Gordon R Sullivan & Michael V. Harper, Hope is not a Method, 1997, New York Broadway Books, S 225.