Praxis

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Praxis
praxis _ pratique
Aktuelle Entscheide – décisions actuelles
STEUERRECHT
DROIT FISCAL
n Honorarverzicht gegenüber sanierungs­
bedürftiger AG
Auch eine unabhängige Drittperson, welche
gegenüber einer AG sowohl eine Darlehensfor­
derung als auch eine Forderung aus Honorar
hätte, würde im Fall der eingeschränkten Zah­
lungsfähigkeit der AG auf die Amortisation des
Darlehens und nicht auf Zahlung der Hono­
rarforderung bestehen, da auf der Honorar­
zahlung Einkommens- und allenfalls Mehr­
wertsteuern zu begleichen sind. Der Beschwerdeführer hat sich deshalb im Drittvergleich
durchaus rational verhalten. Es besteht keine
Rechtspflicht des Aktionärs, durch besondere
Leistungen oder Verzichte zur Sanierung der
AG beizutragen. Eine Steuerumgehung liegt
demnach nicht vor. Zu prüfen ist aber, ob die
Abschreibung der Honorarforderung im Ge­
schäftsvermögen des Aktionärs geschäftsmä­
ssig begründet war. Das ist zu bejahen, denn
der Sanierungsbedarf der AG ist ausgewiesen
und ein Forderungsverzicht ist auch gegen
unabhängigen Dritten bei Insolvenz geschäfts­
mässig begründet. Dass der Beschwerdefüh­
rer gleichzeitig eine Darlehens­amortisation in
gleicher Höhe vornahm, ändert daran nichts.
Auch kann keine Rede davon sein, dass die
Umbuchung der Honorarzahlung auf Darle­
hensrückzahlung bei der AG unzu­lässig war.
Art. 16, Art. 24, Art. 18 und Art. 27 ff. DBG;
Art. 10 StHG
(BGer., 12.08.08, StE 2008, A 12 Nr. 18)
n Schuldzinsenabzug
Der Begriff «Schuldzinsen» ist wirtschaftlich
auszulegen. Vorliegend neutralisieren sich wirt­
schaftlich betrachtet die Wirkungen der aus­
gerichteten Schenkungen und des ge­währten
Darlehens gegenseitig. Es erübrigt sich, das
Vor­liegen einer Steuerumgehung zu prüfen.
Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG; Art. 9 Abs. 2 lit. a
StHG)
(BGer., 19.11.08 {2C.393/2008}, StR 2009, S. 110)
n Déduction des intérêts passifs
Le terme «intérêts passifs» doit être inter­
prété d’un point de vue économique. Ici, d’un
point de vue économique, les effets de la
donation effectuée et du prêt accordé s’an­
nulent l’un l’autre. Il n’est pas nécessaire
d’examiner le cas sous l’angle de l’évasion
fiscale.
Art. 33 al. 1 let. a LIFD; art. 9 al. 2 let. a LHID
(TF, 19.11.08 {2C.393/2008}, RF 2009, p. 110)
172
n Bewertungsvorschriften im Bereich der
Vermögenssteuer natürlicher Personen;
Besteuerung einer zum Geschäftsvermögen
eines Selbstständigerwerbenden gehörenden
Liegenschaft; Genfer Gesetzgebung
Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-recht­
lichen Angelegenheiten gegen die Entscheide
gemäss Art. 73 Abs. 1 StHG. Prüfungsbefugnis
des Bundesgerichts. Verhältnis zwischen den
Buchhaltungsvorschriften und dem Steuer­
recht. Besteuerung der zum Geschäftsver­
mögen Selbstständigerwerbender gehörender
Liegenschaften zum Verkehrswert/Ertragswert
im Sinne von Art. 14 Abs. 1 StHG, unter Aus­
schluss des Buchwertes; Spielraum der Kanto­
ne bei der Bewertung; Vereinbarkeit der ein­
schlägigen Genfer Gesetzgebung mit dem
Bundesrecht.
Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 StHG
n Impôt sur le capital – Capital propre
dissimulé d’une société holding, règles de
calcul
Pour déterminer le capital propre dissimulé des
sociétés de capitaux et des sociétés coopérati­
ves, il faut partir en règle générale de la valeur
vénale des actifs. On considérera quels fonds
étrangers la société peut obtenir par ses propres
moyens, en appliquant à la valeur vénale de ses
actifs des pourcentages différenciés selon leur
nature. La proportion d’endettement admissible
est donc fonction de la nature des actifs de la
société. Une société holding pure n’est pas as­
similable à une société financière.
Art. 29a LHID; art. 75 LIFD
(BGer., 15.05.08 {2C_648/2007}, BGE 134 II 207)
n Internationale Rechtshilfe
Durch das blosse Errichten von steuerprivi­le­gier­
ten Gesellschaften handelt ein Steuerpflichtiger
noch nicht arglistig. Dient eine solche Gesell­
schaft einzig dem Verbergen von Vermögens­
werten und daraus fliessenden Erträgen, liegt
eine blosse Steuerhinterziehung vor, die nicht zur
internationalen Rechtshilfe berechtigt.
§ 235, § 261 StG ZH; Art. 175 und Art. 186 DBG
n Règles d’évaluation en matière d’impôt
sur la fortune des personnes physiques;
imposition d’un immeuble relevant de la
fortune commerciale d’un indépendant;
législation genevoise
Recevabilité du recours en matière de droit pu­
blic contre les décisions visées par l’art. 73
al. 1 LHID. Pouvoir d’examen du Tribunal fé­
déral. Rapport entre les normes comptables et
le droit fiscal. Imposition des immeubles com­
pris dans la fortune commerciale des indépen­
dants à leur valeur vénale/de rendement au
sens de l’art. 14 al. 1 LHID, à l’exception de leur
valeur comptable; marge de manœuvre des
cantons pour déterminer cette valeur; confor­
mité au droit fédéral de la législation genevoise
prévue en la matière.
Art. 13 al. 1 et art. 14 LHID
(TF, 15.05.08 {2C_648/2007}, ATF 134 II 207)
n Kapitalsteuer – Verdecktes Eigenkapital
einer Holding; Berechnungsmethode
Um das verdeckte Eigenkapital der Kapitalgesell­
schaften zu ermitteln, muss man in der Regel
vom Verkehrswert der Aktiven ausgehen. Der Be­
trag der Fremdmittel, welche die Gesellschaft aus
eigener Kraft erhalten kann, wird aufgrund der
Aktiven mittels differenzierter Prozente je nach
ihrer Natur ermittelt. Die zulässige, verhältnismä­
ssige Fremdfinanzierung hängt deshalb von der
Natur der Aktiven der Gesellschaft ab. Eine reine
Holdinggesellschaft kann nicht einer Finanzge­
sellschaft gleichgestellt werden.
Art. 29a StHG; Art. 75 DBG
(VerwGer. Kt. GE, 27.08.08 {A/56/2008 – FIN ATA/435/2008},
StR 2008, S. 78)
(Tribunal administratif ct. GE, 27.08.08 {A/56/2008 – FIN
ATA/435/2008}, RF 2008, p. 78)
(BundesstrafGer., 28.10.08 {RR.2008.165}, ZStP 2008,
S. 333)
n Steuersubjekt, Personengesellschaft,
Kollektivgesellschaft; Parteibezeichnung;
Auflösung der Gesellschaft, Liquidation
1.Eine Personengesellschaft (z.B. Kollektivge­
sellschaft) kann mehrwertsteuerpflichtig
sein.
2.Die Liquidation einer Personengesellschaft ist
so lange nicht beendet, als noch Gesell­
schaftsprozesse hängig sind. Trotz Löschung
im Handelsregister muss das Bundesverwal­
tungsgericht ein hängiges mehrwertsteuerli­
ches Beschwerdeverfahren weiterführen und
ohne Änderung der Partei ein auf den Namen
der Mehrwertsteuerpflichtigen lautendes Ur­
teil fällen.
Art. 17 Abs. 2 MWSTG; Art. 553 und Art. 589 OR;
Art. 42 HRegV
(BVGer., 25.05.08 {A-1541/2006}, BVGE 2008 Nr. 28,
S. 412)
n Sujet fiscal; Société de personnes; Socié­
té en nom collectif; Désignation d’une
partie; Dissolution de la société; Liquidation
1.Une société de personnes (par ex. une so­
ciété en nom collectif) peut être assujettie à
la TVA.
TREX Der Treuhandexperte 3/2009
praxis _ pratique
2.La liquidation d’une société de personnes
n’est pas terminée aussi longtemps que des
procès de la société sont encore pendants.
Malgré la radiation de la société au registre
du commerce, le Tribunal administratif fé­
déral doit poursuivre la procédure pendante,
relative à un recours de la société en ma­
tière de TVA, et, sans modification dans la
désignation de la partie recourante, rendre
un jugement libellé au nom de cette assuje­
tie.
Art. 17 al. 2 LTVA; Art. 553 et art. 589 CO;
Art. 42 ORC
(ATAF, 25.05.08 {A-1541/2006}, ATAF 2008 n° 28, p. 412)
n Vergütung der Mehrwertsteuer auf
Leistungen an Abnehmer mit Wohn- oder
Geschäftssitz im Ausland
Die Vergütung der schweizerischen Mehrwert­
steuer an ausländische Unternehmen bildet das
Pendant zum Abzug der Vorsteuer (durch in­
ländisch ansässige Unternehmen), welche auf
Inlandleistungen lastet, die steuerbaren Zwe­
cken im Inland dienen. Werden die im Inland
bezogenen Leistungen im Inland für steuerbare
Leistungen verwendet, greift nach der Kon­
zeption des Gesetzes der Vorsteuerabzug Platz.
Eine Steuervergütung erfolgt nicht. Art. 28
Abs. 1 Bst. b MWSTGV, der für eine Vergütung
der Mehrwertsteuer an Abnehmer mit Wohnoder Geschäftssitz im Ausland voraussetzt, dass
keine Leistungen im Inland erfolgen, erweist sich
als rechtmässig.
Art. 90 Abs. 2 Bst. b MWSTG; Art. 28 ff. MWSTGV
(BVGer., 23.06.08 {A-1667/2006}, BVGE 2008 / 38,
S. 557)
n Remboursement de la taxe sur la valeur
ajoutée perçue sur des prestations fournies
à des destinataires dont le domicile ou le
siège social est à l’étranger
Le remboursement de la TVA suisse à des en­
treprises étrangères forme le pendant de la
déduction de l’impôt préalable (par les entre­
prises établies en Suisse) grevant des presta­
tions fournies en Suisse et acquises à des fins
imposables en Suisse. Si les prestations four­
nies en Suisse sont utilisées en Suisse pour
des prestations imposables, c’est, selon le sys­
tème de la loi, la technique de la déduction
de l’impôt préalable qui prime. Un rembour­
sement de l’impôt n’est pas possible. L’art 28
al. 1 let. b OLTVA, qui pose, pour le rembour­
sement de la TVA à des destinataires dont le
domicile ou le siège social est à l’étranger, la
condition qu’elles ne fournissent aucune pres­
tation sur le territoire suisse, est conforme à
la loi.
Art. 90 al. 2 let. b LTVA; Art. 28 s OLTVA
(TAF, 23.06.08 {A-1667/2006}, ATAF 2008/38, p. 557)
TREX L’expert fiduciaire 3/2009
n Anforderung an den Beweis einer steuer­
befreienden Tatsache
Der rechtsgenügende Nachweis der Ausfuhr
von Gegenständen ist grundsätzlich nur mit zoll­
amtlich gestempelten Dokumenten möglich.
Andere von einer staatlichen Behörde ausge­
stellte Dokumente sind als privatrechtliche Er­
klärungen zu bezeichnen, die nicht als zoll­
amtliche Papiere qualifiziert werden können.
Art. 45a MWSTGV bringt Erleichterungen nur
in Bezug auf die Form, wie der zollamtliche
Nachweis zu erbringen ist, hebt aber die Pflicht
zu einem zollamtlichen Nachweis nicht auf.
Art. 15 Abs. 2 Bst. a und Art. 16 Abs. 1 MWSTV
winnabsicht gegeben ist oder nicht, kann offen
bleiben, weil angesichts der zehnjährigen Ver­
lustperiode sowie aufgrund der übrigen Umstän­
de die für das Vorliegen der Gewinnstrebigkeit
zusätzlich erforderliche, objektive Geeignetheit
der Tätigkeit von X., nachhaltig und mit gewis­
ser Sicherheit ein Einkommen zu generieren,
zu verneinen ist.
Art. 30 i.V.m. Art. 32 Abs. 1, Art. 32 Abs. 2 Bst. b
StG BE; Art. 25 i.V.m. Art. 27 Abs. 1, Art. 27
Abs. 2 Bst. b DBG
(BGer., 19.02.08 {2C_470/2007}, ASA 77, S. 339)
n Schuldzinsabzug; Steuerumgehung
Schuldzinsen müssen einerseits geschuldet
und andererseits fällig sein, damit diese steuer­
lich zum Abzug gebracht werden können. Wenn
es jedoch an einer Zinspflicht überhaupt fehlt
und es sich zudem um ein absonderliches Vor­
gehen handelt, indem Eltern Schenkungen an
ihre Kinder vornehmen, von diesen aber in glei­
chem Umfang wieder Darlehen aufnehmen,
ohne finanziell darauf angewiesen zu sein, so
können solche Schuldzinsen steuerlich nicht
akzeptiert werden.
§ 29 Abs. 1 lit. f StG BL; Art. 9 Abs. 2 StHG
n Exigence de la preuve pour un fait
exonérant de l’impôt
Il n’est en principe possible de prouver l’expor­
tation de biens qu’au moyen de l’attestation tim­
brée par la douane. Les autres documents pro­
duits par une autorité étatique doivent être
considérés comme des attestations de droit pri­
vé et ne peuvent pas être qualifiés de docu­
ments douaniers. L’art. 45a OLTVA n’apporte
des allégements qu’en ce qui concerne la forme
de l’attestation douanière, mais ne supprime
pas l’obligation de fournir une telle attestation.
Art. 15 al. 2 let. a et art. 16 al. 1 OTVA
(VerwGer. Kt. BE, 5.11.08, StE 2009, B 23.1 Nr. 63)
(KantonsGer. BL, 6.02.08, StE A 11 Nr. 4)
(TF 19.02.08 {2C_470/2007}, Archives 77, p. 339)
n Abgrenzung der selbstständigen Erwerbs­
tätigkeit zur Liebhaberei; Bildender Künstler
Die geschäfts- oder berufsmässig begründeten
Kosten, die bei selbstständiger Erwerbstätigkeit
von den gesamten steuerbaren Einkünften ab­
gezogen werden können, müssen aus einer ge­
schäftlichen Tätigkeit herrühren; im Rahmen
einer sog. Liebhaberei oder eines Hobbys ent­
standene Verluste sind steuerlich nicht zum Ab­
zug zugelassen. Als selbstständig erwerbstätig
gelten jene natürlichen Personen, die durch
den Einsatz von Arbeitsleistung und Kapital in
frei gewählter Organisation, auf eigenes Risiko,
anhaltend, planmässig und nach aussen sicht­
bar am wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen.
Für die somit erforderliche Gewinnstrebigkeit
müssen subjektives Streben nach Einkommen
und objektive Eignung der Tätigkeit zur nach­
haltigen Gewinnerzielung vorliegen. Ob tatsäch­
lich ein Gewinn erzielt wird, ist für die Bejahung
der Gewinnstrebigkeit zwar nicht allein ent­
scheidend. Eine längere Verlustdauer kann aber
ein gewichtiges Indiz für fehlende Gewinnstre­
bigkeit sein; im Sinn einer Faustregel gilt als
eine solche längere Verlustdauer eine Periode
von zehn Jahren, wobei aber stets die gesamten
Umstände des Falls zu würdigen sind. Die
Grundsätze gelten auch für Künstlerinnen und
Künstler. Die Frage, ob im strittigen Fall die Ge­
n Abzugfähigkeit der Erbschaftssteuer bei
der Grundstückgewinnsteuer
Angefallene Erbschaftssteuern sind keine Kos­
ten, welche bei der Berechnung der Grund­
stückgewinnsteuer zum Abzug gebracht wer­
den können, da es sich dabei nicht um Kosten
handelt, die in kausalem Zusammenhang mit
dem Erwerb des Grundstückes durch den Erb­
lasser stehen oder eine Wertvermehrung der
Liegenschaft bewirkt haben.
§ 78 Abs. 1 lit. c und § 76 Abs. 1 StG BL
(Kantonsgericht BL, 12.03.08, StE 2009, B 44.13.4 Nr. 1)
n Nichteinreichen der Steuererklärung
Bei der Festsetzung von Ordnungsbussen ist
nebst der persönlichen finanziellen Situation
auch der jeweiligen Strafempfindlichkeit Rech­
nung zu tragen, wie hohes Alter, fehlendes Un­
rechtsbewusstsein, bisheriges Verhalten, per­
sönliche Betroffenheit als auch besondere
Schicksalsschläge. Wer sich hingegen mangels
Abgabe der Steuererklärungen innert zehn auf­
einanderfolgender Jahre amtlich einschätzen
lässt, ohne dass besondere, unverschuldete Hin­
derungsgründe geltend gemacht werden, kann
im konkreten Fall mit einer gesetzlich vorge­
sehenen Maximalbusse von Fr. 10 000 belegt
werden.
§ 154, § 101 Abs. 1, § 155 und § 139b StG BL
(Kantonsgericht BL, 18.01.08, StE 2009, B 101.9 Nr. 11)
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praxis _ pratique
n Voraussetzungen der Nachsteuererhebung;
Verjährung
Voraussetzung für die Einleitung eines Nach­
steuerverfahrens ist das Vorliegen neuer Tat­
sachen oder Beweismittel. Tatsachen sind
auch dann neu, wenn sie bei besserer Un­
tersuchung durch die Steuerverwaltung hät­
ten in Erfahrung gebracht werden können.
Die Steuerverwaltung ist nicht gehalten,
Quervergleiche zu den Steuer­dossiers von
Drittpersonen anzustellen, und sie muss sich
auch das Wissen anderer Dienststellen – wie
hier das Grundbuch- und das Erbschaftsamt
– nicht anrechnen lassen. Einer Nachbesteu­
erung stehen hingegen die Steuerausschei­
dungen entgegen, die der Wohnsitzkanton
der Steuerverwaltung regelmässig gemeldet
hat. Verjährung im ordentlichen Veranla­
gungsverfahren. Übergangszeitliche Geltung
der alt- und neurechtlichen Verjährungsbe­
stimmungen.
Art. 9 BV; Art. 53 Abs. 1 und Art. 47 Abs. 1
StHG; § 234 und § 177 StG BS
(BGer., 28.01.08, StE 2008 B 97.41 Nr. 22)
n Steuerbarkeit der Rente aus einer Zusatz­
versicherung wegen Erwerbsunfähigkeit;
Schuldenabzug bei Verlustscheinen
Die Rente aus einer privaten Zusatzversiche­
rung wegen Erwerbsunfähigkeit infolge Krank­
heit oder Unfall, die ergänzend zu einer ge­
mischten Lebensversicherung abgeschlossen
wurde und eine reine Risikoversicherung dar­
stellt, ist nicht zu 40%, sondern zu 100% steu­
erbar. Schulden, welche durch Verlustschein
ausgewiesen werden, können bei der Ermitt­
lung des steuerbaren Vermögens nicht als Pas­
siven berücksichtigt werden. Der Verlustschein
be­inhaltet keine unmittelbare Verpflichtung zur
Zahlung, die Schuld gilt vorerst einmal als un­
einbringlich. Erst wenn im Rahmen eines (neu­
en) Zwangsvollstreckungsverfahrens die Ver­
lustscheinsforderung seitens des Gläubigers
zur Vollstreckung gebracht wird, ist von der
Pflicht des Schuldners zur Leistung auszuge­
hen.
§ 24 lit. b und § 47 Abs. 1 StG BS; Art. 149,
Art. 265 und Art. 82 SchKG
(Steuerrekurskommission BS, 1.02.07, StE 2008 B 26.12
Nr. 7)
n Ergänzende Vermögenssteuer
Die ergänzende Vermögenssteuer kann
nicht nur beim Eigentümer, sondern auch
beim Nutzniesser erhoben werden. Steuer­
auslösendes Ereignis ist die Veräusserung,
selbst wenn die Verkehrswertbesteuerung
schon früher eingesetzt hat. Die Steuer wird
für die Jahre, in denen die Liegenschaft zu
174
Recht zum Ertragswert be­s teuert wurde, er­
hoben.
§ 78 Abt. 1 lit. c und § 76 Abs. 1 StG SG
(Verwaltungsrekurskommission Kt. SG, 20.08.08, StE 2009,
B 51 Nr. 1)
n Verlustvortrag bei selbstständiger Erwerbs­
tätigkeit
Ein überschuldeter Liegenschaftenhändler gab
mit der Veräusserung seines letzten Objektes
seine Erwerbstätigkeit auf. In den Folgejahren
erzielte er mit Liegenschaftenschätzungen ein
Einkommen von bis zu Fr. 3800. Das Steueramt
verweigerte ihm die Verlustverrechnung der frü­
heren Verluste mit der Begründung, die neue
Tätigkeit stehe in keinem Zusammenhang mit
der früheren Tätigkeit. Das Bundesgericht hielt
unter Verweis auf die sehr unterschiedliche
Doktrin fest, dass bei natürlichen Personen die
Verluste aus selbstständiger Erwerbstätigkeit
auch mit dem übrigen Einkommen verrechen­
bar seien, weshalb kein enger Zusammenhang
mit anderen Einkünften verlangt werden dürfe.
Es entschied unter Verweis auf Art. 211 DGB,
dass frühere Verluste mit dem aktuellen Ein­
kommen verrechenbar seien, solange eine selbst­
ständige Erwerbstätigkeit vorliege. Dies auch
dann, wenn es sich um eine geringfügige selbst­
ständige Erwerbstätigkeit handle. Die restrikti­
vere «Luzerner Praxis», wonach ein Umsatz von
mindestens Fr. 25 000 erzielt werden müsse,
damit eine Verlustverrechnung zum Tragen
komme, habe keine Grundlage im Gesetz.
Art. 67 Abs. 1 StHG; Art. 211 DBG; § 37 Abs. 1
StG SO
(BGer., 18.06.08 {2C_101/2008}, MB)
n Report de pertes en cas d’activité lucrative
indépendante
Un négociant de biens-fonds surendetté a ces­
sé son activité lucrative avec l’aliénation de son
dernier objet. Dans les années suivantes, il a
réalisé, avec des estimations de biens-fonds,
un revenu jusqu’à concurrence de 3800 francs.
L’office des impôts lui a refusé la déduction des
pertes précédentes, pour motif que la nouvelle
activité ne se trouvait pas en rapport avec celle
exercée auparavant. En renvoyant aux opinions
très diverses exprimées dans la doctrine, le Tri­
bunal fédéral a relevé que dans le cas de per­
sonnes physiques les pertes résultant d’une ac­
tivité lucrative indépendante peuvent également
être compensées avec les autres revenus, rai­
son pour laquelle il ne peut être exigé un rap­
port étroit avec d’autres recettes. En référence
à l’art. 211 LIFD, il a statué que les précédentes
pertes sont compensables avec le revenu actuel
aussi longtemps qu’il se présente une activité
lucrative indépendante, et ce également lorsque
cette dernière est de peu d’importance. Plus
restrictive, la «pratique lucernoise » – selon la­
quelle il y a lieu de réaliser un chiffre d’affaires
d’au moins 25 000 francs pour qu’une déduc­
tion des pertes puisse intervenir – ne trouve pas
de fondement dans la loi.
Art. 67 al. 1er LHID; art. 211 LIFD; § 37 al. 1er
loi soleuroise sur les impôts
(TF, 18.06.08 {2C_101/2008}, MB)
n Vermietung zu einem Vorzugspreis;
Reformation im Rahmen der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
Art. 107 Abs. 2 BGG, wonach das Bundes­
gericht bei Gutheissung einer Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in der
Sache selber entscheidet oder diese zur neuen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückweist, geht
Art. 73 Abs. 3 StHG, der bloss die Kassation
vorsieht, vor. Liegt der vereinbarte Mietzins er­
heblich (in einem «bedeutenden Differenzbe­
trag») unter dem Eigenmietwert, ist von einer
missbräuchlichen Gestaltung auszugehen. Die
Differenz zwischen dem vereinbarten Mietzins
und dem Eigenmietwert wird dem Eigentümer
als steuerbares Einkommen zugerechnet. Ver­
schiedene Kantone haben Bestimmungen er­
lassen, die es erlauben, die Differenz zwischen
vereinbartem Mietzins und Eigenmietwert bei
jeder unterpreislichen Vermietung steuerlich zu
erfassen. Solche Bestimmungen liegen im kan­
tonalen Gestaltungsspielraum der Steuerharmo­
nisierung. Gewährt das kantonale Recht für das
am Wohnsitz selbst genutzte Wohneigentum ei­
nen Abzug von 40 Prozent vom Eigenmietwert,
steht dieser einem Eigentümer, der sein Wohn­
eigentum unterpreislich vermietet, nicht zu, weil
er sie nicht selber nutzt.
Art. 7 Abs. 1 StHG; Art. 8 und Art. 127 Abs. 2
BV; § 23 Abs. 3 StG TG
(BGer., 26.06.08, StE 2008 B 25.2 Nr. 10)
n Kirchensteuer trotz Austritt am Ende des
Jahres
Ein Thurgauer Geschwisterpaar muss für das
Jahr 2004 Kirchensteuern zahlen, obwohl seine
Austrittserklärung noch am letzten Tag des Jah­
res beim Kirchenrat eingetroffen ist. Das Bun­
desgericht hat die Beschwerde der beiden ab­
gewiesen.
Der Bruder und seine Schwester hatten am 30.
Dezember 2004 den Brief abgeschickt, mit dem
sie ihren Austritt aus der katholischen Kirche
erklärten. Das Schreiben ging bei der Kirch­
gemeinde Amriswil am Silvester ein. Die Thur­
gauer Steuerbehörden erhoben von ihnen für
das Jahr 2004 dennoch Kirchensteuern. Die
Steuerbeamten hatten sich auf den Standpunkt
gestellt, dass der Austritt erst am Neujahrstag
2005 wirksam geworden sei. Da gemäss dem
TREX Der Treuhandexperte 3/2009
praxis _ pratique
Thurgauer Steuergesetz auf die Verhältnisse am
Ende der Steuerperiode abzustellen sei, seien
die Geschwister im Jahr 2004 deshalb noch
kirchensteuerpflichtig.
Das Bundesgericht hat diese Ansicht nun be­
stätigt und die Beschwerde der beiden abge­
wiesen. Laut den Lausanner Richtern liegen sie
zunächst mit ihrer Annahme falsch, dass der
Austritt bereits mit der Übergabe des Briefes an
die Post am 30. Dezember anerkannt werden
müsste. Aber auch mit dem Eingang des Schrei­
bens einen Tag später sei der Austritt noch
nicht wirksam geworden. Die Steuerpflicht ende
vielmehr erst nach Ablauf dieses Tages. Auch
bei der Kirchensteuer gelte der Grundsatz, dass
sie noch für den ganzen Tag zu erheben sei, an
dem der Austritt erfolge.
Damit sei die Steuerpflicht erst am folgenden
1. Januar entfallen. Anders könnte die Sache
laut den Lausanner Richtern nur dann ausse­
hen, wenn das kantonale Steuerrecht eine an­
derslautende Regelung enthält. Das sei im Kan­
ton Thurgau aber nicht der Fall, weshalb der
Entscheid der Steuerbehörden nicht willkürlich
sei.
Art. 15 Abs. 4 BV; Art. 8 DBG; § 55, § 57 StV TG
(BGer., 12.11.08 {2C_382/2008}, Jusletter 1.12.08)
n Sorties d’Eglise trop rapides
Trop pressés de ne plus payer l’impôt ecclésias­
tique, deux contribuables thurgoviens ont été
déboutés par le Tribunal fédéral. Ils soutenaient
que leur sortie d’Eglise coïncidait avec la date
où ils avaient remis leur lettre à la poste.
Tous deux avaient rédigé leur déclaration le 29
décembre 2004 et l’avaient déposée à l’office
postal le lendemain. Ils auraient voulu qu’elle
déploie ses effets le même jour et que le fisc en
tienne compte de façon à alléger quelque peu
leur ardoise fiscale pour 2004.
Une requête que le fisc thurgovien avait refusé.
Pour lui, il est hors de question que la sortie de
l’Eglise de deux contribuables, un frère et une
sœur, devienne effective avant le 1er janvier 2005.
TREX L’expert fiduciaire 3/2009
En dernière instance, le Tribunal fédéral confir­
me ce point de vue. Une déclaration de sortie
doit parvenir aux autorités auxquelles elle est
destinée avant de pouvoir déployer ses effets,
soulignent les juges fédéraux. Comme les auto­
rités paroissiales ont reçu la lettre de sortie le
31 décembre, les deux contribuables étaient
encore assujettis à l’impôt ecclésiastique ce
jour-là. Ce n’est que le lendemain, soit le 1er jan­
vier 2005, qu’ils étaient libérés du paiement de
l’impôt d’église.
Art. 15 al. 4 CSt.; art. 8 LIFD; § 55 et § 57 StV TG
(TF, 12.11.08 {2C_382/2008}, Jusletter 1.12.08)
n Steuerhaftung der Ehegatten
Gemäss § 12 Abs. 1 StG ZH haften die in recht­
lich und tatsächlich ungetrennter Ehe lebenden
Ehegatten solidarisch für die Gesamtsteuer.
Diese Norm ist – anders als im Bundessteuer­
recht, wo in Art. 13 Abs. 2 DBG ausdrücklich
angeordnet ist, dass die Solidarhaftung bei
Trennung der Ehe auch für alle noch offenen
Steuerschulden entfällt – dahingehend auszu­
legen, dass die Solidarhaftung der Ehegatten
bei einer Scheidung für die während des Zu­
sammenlebens entstandenen Steuerschulden
bestehen bleibt. Die Solidarhaftung entfällt hin­
gegen nach § 12 Abs. 1 StG, wenn einer der
beiden Ehegatten zahlungsunfähig ist. Ein
Überschuss der Schulden über die Aktiven be­
deutet nicht notwendigerweise Zahlungsunfä­
higkeit, wenn wie in casu ein erhebliches Ein­
kommen vorhanden ist.
Art. 13 Abs. 2 DBG; § 12 Abs. 1 StG ZH
(Finanzdirektion Zürich, 21.05.07/BGer., 13.12.07
{2C_306/2007}, StE 2008 B 13.5 Nr. 7)
n Einkommenssteuer; Gewerbsmässiger
Liegenschaftenhandel; Rechtliches Gehör
Steuerbarer Immobilienhandel liegt nach der
Praxis des Bundesgerichts vor, wenn die steu­
erpflichtige Person Liegenschaftengeschäfte
nicht nur im Rahmen der privaten Vermögens­
verwaltung bei sich zufällig bietender Gelegen­
heit tätigt, sondern wenn sie dies systematisch
und mit Absicht der Gewinnerzielung im Sinn
einer selbstständigen Erwerbstätigkeit tut. Das
ist zu verneinen, wenn nur das Indiz der Be­
rufsnähe des Liegenschaftengeschäfts erfüllt
ist und keine weiteren Indizien erkennbar sind.
Führt die Verwaltung die für die Sache erfor­
derlichen Akten nicht, so stellt dies eine Ver­
letzung des rechtlichen Gehörs dar mit der Fol­
ge, dass allfällige aus der Beweislosigkeit
resultierende Nachteile nicht die steuerpflich­
tige Person treffen.
Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 16 Abs. 3 und Art. 18
DBG
(VerwGer. ZH, 22.10.08 {SB.2007.124}, ZStP 2009, S. 40)
n Schulderlass
Erlässt ein Gläubiger ohne Schenkungsabsicht
gegenüber einem Schuldner Schulden, so stel­
len diese insoweit steuerbares Einkommen dar,
als der Schuldner zur Rückzahlung fähig und
die Schuld somit noch werthaltig gewesen
wäre.
§ 16 Abs. 1, 3 StG ZH; Art. 16 Abs. 1 und 3 DBG
(BGer., 13.08.08 {2C_120/2008, 2C_121/2008}, ZStP 2008,
S. 300)
n Einkommenssteuer; gewerbsmässiger
Wertschriftenhandel
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungs­
gerichts ist die selbstständige Erwerbstätigkeit
dadurch gekennzeichnet, dass ihr Träger durch
Einsatz von Arbeitsleistung und Kapital in frei
bestimmter Selbstorganisation planmässig, an­
haltend und nach aussen sichtbar zum Zweck
der Gewinnerzielung am wirtschaftlichen Ver­
kehr teilnimmt. Damit sind die Anforderungen
des Verwaltungsgerichts an die Bejahung einer
selbstständigen Erwerbstätigkeit als nebenbe­
ruflicher gewerbsmässiger Wertschriftenhändler
175
praxis _ pratique
höher als diejenigen des Bundesgerichts für die
direkte Bundessteuer.
§ 16 Abs. 3 und § 18 StG ZH
SOZIALVERSICHERUNGSRECHT
ASSURANCES SOCIALES
(VerwGer. ZH, 22.10.08 {SB.2007.127}, ZStP 2009, S. 33)
n Volle Erwerbstätigkeit
«Volle Erwerbstätigkeit» i.S.v. Art. 28bis Abs. 1
AHVV liegt in der Regel vor, wenn für die Tätig­
keit ein erheblicher Teil der im betreffenden Er­
werbszweig üblichen Arbeitszeit aufgewendet
wird. Diese Voraussetzung fehlt, wenn der Bei­
tragspflichtige nicht während mindestens der
halben üblichen Arbeitszeit tätig ist. Prüfung
dieser Frage bei Selbstständigerwerbenden ei­
nerseits sowie bei einer nebenamtlichen Tätig­
keit zugunsten des Gemeinwesens anderer­
seits. Soweit (auch) ein Ehrenamt ausgeübt
wird, kann daraus keine AHV-rechtlich bedeut­
same Erwerbstätigkeit abgeleitet werden.
Art. 10 Abs. 1 AHVG; Art. 28bis Abs. 1 AHVV
n Kapitalsteuer; Nachlassverfahren
Die Kapitalsteuer, welche nach Bewilligung der
provisorischen Nachlassstundung bis zum Vor­
liegen des genehmigten Nachlassvertrags an­
fällt, stellt keine Masseverbindlichkeit dar, son­
dern fällt unter den gerichtlich genehmigten
Nachlassvertrag. Denn sie entsteht unabhängig
vom Einfluss des Sachwalters und unterliegt in
diesem Sinn auch nicht seiner Genehmigung
(im Unterschied zu den transaktionsbezogenen
Steuern und Abgaben wie Mehrwertsteuer,
Grundstückgewinnsteuer oder Sozialversiche­
rungsabgaben). Allein aus dem Umstand der
befristeten Weiterführung der Geschäfte kann
nicht indirekt auf Zustimmung des Sachwalters
zur Kapitalsteuer geschlossen werden, was je­
doch Voraussetzung für die Begründung einer
Masseschuld während dieser Periode bildet.
Art. 310 Abs. 2 SchKG; § 59, § 78 und § 79
Abs. 2 StG ZH
(VerwGer. ZH, 3.09.08 {SB.2008.28}, ZStP 2009, S. 53)
176
(BGer., 9.07.08 {9C_545/2007}, SZS 2008, S. 568)
n Activité lucrative à plein temps
En règle générale, il n’y a d’«activité à plein
temps» au sens de l’art. 28bis al. 1 RAVS que
lorsque l’activité est exercée pendant une part
considérable de la durée de travail usuelle dans
le secteur d’activité concerné. Cette condition
préalable n’est pas remplie lorsque la personne
soumise à cotisation ne travaille pas au moins
pendant la moitié du temps de travail habituel.
Examen de cette question pour une personne
exerçant une activité indépendante d’une part,
et pour une autre personne exerçant une acti­
vité accessoire au profit de la communauté
d’autre part. Pour autant qu’un mandat hono­
rifique ait (aussi) été exercé, on ne peut en dé­
duire une activité lucrative significative dans
l’optique du droit de l’AVS.
Art. 10 al. 1 LAVS; art. 28bis al. 1 RAVS
(TF, 9.07.08 {9C_545/2007}, RSAS 2008, p. 568)
n Eintritt des Vorsorgefalles Invalidität;
Zulässigkeit der Ausrichtung und der Rück­
erstattung eines Vorbezuges zur Förderung
des Wohneigentums und einer Austrittsleis­
tung
Bis zum Eintritt des Vorsorgefalles Invalidität
(welcher zeitlich übereinstimmt mit der Entste­
hung des Anspruchs auf Invalidenleistungen) ist
ein Vorbezug zur Förderung des Wohneigen­
tums zulässig. Eine Rückzahlung des Vorbezu­
ges nach Eintritt des Vorsorgefalles Invalidität ist
ausgeschlossen. Rechtmässig erfolgt ist eine
Austrittsleistung auch dann, wenn sich im Nach­
TREX Der Treuhandexperte 3/2009
praxis _ pratique
hinein ergibt, dass diese nicht hätte überwiesen
werden dürfen, weil der Vorsorgefall Invalidität
bereits vorher eingetreten war. Eine Rückerstat­
tung der Austrittsleistung ist auch nach Eintritt
des Vorsorgefalles Invalidität zulässig.
Art. 23 lit. a und Art. 26 Abs. 1, Art. 30c Abs. 1
und 2 BVG bzw. Art. 331e Abs. 1 und 2 OR;
Art. 30d Abs. 3 lit. b BVG; Art. 2 Abs. 1 sowie
Art. 3 Abs. 2 und 3 FZG
(BGer., 21.11.08 {9C_476/2008}, BGE 135 V 13)
n Réalisation du risque de prévoyance
«invalidité»; admissibilité du versement ou
de la restitution d’un versement anticipé
pour encouragement à la propriété du
logement et d’une prestation de sortie
Jusqu’à la réalisation du risque de prévoyance
«invalidité» (lequel concorde temporellement
avec la naissance du droit à des prestations
d’invalidité), un versement anticipé pour en­
couragement à la propriété du logement est
admissible. Un remboursement du versement
anticipé après la survenance du risque de pré­
voyance «invalidité» est exclu. Une prestation
de sortie est effectuée valablement même s’il
apparaît après coup que celle-ci n’aurait pas dû
être versée parce que le cas de prévoyance «in­
validité» s’était déjà produit auparavant. La res­
titution d’une prestation de sortie est également
admissible après la survenance du risque de
prévoyance «invalidité».
Art. 23 let. a et art. 26 al. 1, art. 30c al. 1 et 2
LPP respectivement art. 331e al. 1 et 2 CO; art.
30d al. 3 let. b LPP; art. 2 al. 1 ainsi que art. 3
al. 2 et 3 LFLP
(TF, 21.11.08 {9C_476/2008}, ATF 135 V 13)
n Verrechnung der Barauszahlung der
Austrittsleistung mit einer Schadenersatz­
forderung gegen den Versicherten
Streitig ist, ob die beklagte Pensionskasse die
Barauszahlung der Austrittsleistung mit einer
Schadenersatzforderung, die sie gegen diesen
in seiner Eigenschaft als Verwaltungsrat bean­
sprucht, verrechnen kann.
Das Bundesgericht erachtet eine solche Ver­
rechnung als zulässig und stützt sich dabei auf
die Begründung des kantonalen Gerichts: In­
dem die Pensionskasse Schadenersatz in der
Höhe der ausstehenden BVG-Beiträge geltend
gemacht habe, habe sie sich auf einen direkten
Schaden beziehungsweise eine ursprüngliche
und nicht durch den Arbeitgeber abgetretene
Forderung berufen, weshalb Art. 39 Abs. 2 BVG
im konkreten Fall nicht anwendbar und die von
der Pensionskasse vorgenommene Verrech­
nung unter den Voraussetzungen von Art. 120
ff. OR zulässig gewesen sei. Die Verrechnungs­
schranke von Art. 39 Abs. 2 BVG greift nicht,
sobald die für die Verrechnung beigezogene Ge­
TREX L’expert fiduciaire 3/2009
genleistung nicht durch den Arbeitgeber zediert
wird, sondern eine originäre, auf Art. 754 OR
basierende Forderung darstellt, welche der Vor­
sorgeeinrichtung in ihrer Eigenschaft als Gesell­
schaftsgläubigerin im Besitz eines Verlust­
scheins zusteht. Die Rechtsprechung hat die
Verrechnung in Fällen wie dem vorliegenden
ausdrücklich zugelassen. Und obwohl das Bun­
desgericht jegliche Verrechnung zwischen einer
Austrittsleistung und einer originären Schaden­
ersatzforderung beziehungsweise einer Re­
gressklage ausgeschlossen hat, kann der Be­
schwerdeführer daraus nichts zu seinen
Gunsten ableiten, da es sich in jenem Fall nicht
um die Barauszahlung einer Freizügigkeitsleis­
tung, sondern um die Übertragung einer Frei­
zügigkeitsleistung an eine neue Vorsorgeein­
richtung gehandelt hat, weshalb der Schutz des
Vorsorgekapitals prioritär war.
Art. 39 Abs. 2 BVG; Art. 120 ff. und Art. 754 OR
conformément à l’art. 18c al. 1 LACI. Si elle est
versée sous la forme d’un capital, la prestation
de vieillesse anticipée doit également être im­
putée sur les prestations de l’assurance-chô­
mage, après avoir été convertie en une rente
mensuelle.
Art. 18c al. 1 LACI; art. 32 OACI
(BGer., 8.05.08 {9C_203/2007}, Mitteilungen über die
n Droit à l’indemnité journalière de l’assu­
rance-accidents une fois atteint l’âge
ouvrant droit à une rente AVS
Le droit à une indemnité journalière est main­
tenu au-delà de l’âge ouvrant droit à une rente
AVS, tant que la personne assurée n’a pas re­
couvré une pleine capacité de travail ou que le
traitement médical n’est pas terminé.
Art. 16 LAA
Berufliche Vorsorge Nr. 107, 12.08.08)
n Anrechnung einer Leistung der beruflichen
Vorsorge bei vorzeitiger Pensionierung an
die Leistungen der Arbeitslosenversicherung;
Leistung in Kapitalform
Eine bei vorzeitiger Pensionierung bis zum Er­
reichen des AHV-Rentenalters (Art. 21 AHVG)
ausbezahlte Überbrückungsrente, die alsdann
während einer Dauer von zehn Jahren, längs­
tens aber bis zum Tode des Rentenbezügers,
durch Abzüge von der Altersrente rückerstattet
wird, ist kein gewöhnliches Darlehen. Ein der­
artiger Vorschuss bildet vielmehr eine Altersleis­
tung der beruflichen Vorsorge, welche gemäss
Art. 18c Abs. 1 AVIG von den Leistungen der
Arbeitslosenversicherung abgezogen werden
muss. Auch wenn die Altersleistung als Über­
brückungsleistung in Kapitalform erbracht wird,
muss sie an die Leistungen der Arbeitslosen­
versicherung angerechnet werden, dies auf der
Basis einer durch Umrechnung ermittelten Mo­
natsrente.
Art. 18c Abs. 1 AVIG; Art. 32 AVIV
(BGer., 28.08.08 {8C_566/2007}, BGE 134 V 418)
n Imputation d’une prestation de retraite
anticipée de la prévoyance professionnelle
sur les prestations de l’assurance-chômage;
prestation en capital
Une avance AVS versée, en cas de retraite an­
ticipée, jusqu’à l’âge ouvrant le droit à une ren­
te AVS (art. 21 LAVS), puis remboursée par des
retenues sur la pension de retraite pendant dix
ans, mais au plus tard jusqu’au décès du re­
traité, ne constitue pas un simple prêt. Une
telle avance est une prestation de vieillesse de
la prévoyance professionnelle et doit être dé­
duite des pres­tations de l’assurance-chômage
(TF, 28.08.08 {8C_566/2007}, ATF 134 V 418)
n Taggeldanspruch einer Person nach
Erreichen des AHV-Rentenalters
Der Taggeldanspruch einer versicherten Person
besteht, sofern sie die volle Arbeitsfähigkeit
nicht wiedererlangt hat oder die Heilbehand­
lung nicht abgeschlossen ist, über das Errei­
chen des AHV-Rentenalters hinaus.
Art. 16 UVG
(BGer., 30.07.08 {8C_682/2007}, BGE 134 V 392)
(TF, 30.07.08 {8C_682/2007}, ATF 134 V 392)
n Invalidenrentenanspruch einer Person
nach Erreichen des AHV-Rentenalters
Der Anspruch auf Invalidenrente einer Person,
die vor Erreichen des AHV-Rentenalters verun­
fallt ist, kann auch noch nach der Pensionie­
rung begründet werden.
Art. 18 ff. UVG
(BGer., 30.07.08 {8C_682/2007}, BGE 134 V 392)
n Droit à une rente d’invalidité de l’assu­
rance-accidents une fois atteint l’âge
ouvrant droit à une rente AVS
Le droit à une rente d’invalidité d’une personne
qui a été victime d’un accident avant d’avoir at­
teint l’âge de la retraite peut encore prendre
naissance après l’ouverture du droit à la rente
AVS.
Art. 18 ss LAA
(TF, 30.07.08 {8C_682/2007}, ATF 134 V 392)
OBLIGATIONENRECHT
DROIT DES OBLIGATIONS
n Kleiner Unterhalt
Die Bestimmung über den kleinen Unterhalt ist
als Ausnahme zur Unterhaltspflicht des Vermie­
ters eng und im Zweifel zulasten des Vermieters
eng auszulegen. Es sprengt den Rahmen des
177
praxis _ pratique
kleinen Unterhalts, wenn eine Verstopfung des
Ausgusses nur noch vom Fachmann mit einem
Hochdruckreinigungsgerät behoben werden
kann.
Art. 259 OR
(Mietgericht de la Sarine, 7.11.08 {20 2007/43}, mp 2009,
S. 18)
n Menus travaux de réparation
L’obligation pour le locataire de procéder aux
menus travaux de réparation constitue une ex­
ception à l’obligation du bailleur d’entretenir la
chose louée; l’art. 259 CO doit dès lors être in­
terprété restrictivement et, en cas de doute, au
détriment du bailleur. La remise en état d’un
évier bouché effectuée par un spécialiste au
moyen d’un appareil de nettoyage à haute pres­
sion ne répond pas à la notion de menu travail
de réparation.
Art. 259 CO
(Tribunal des baux de la Sarine, 7.11.08 {20 2007/43},
mp 2009, p. 18)
n Whistleblowing
En l’absence de procédure spécifique prévue
dans la banque, le collaborateur qui, de bonne
foi, informe un avocat de la banque qu’il soup­
çonne le directeur d’actes délictueux n’a pas
commis d’acte répréhensible. Est abusif le li­
cenciement du collaborateur qui lui est notifié
de manière humiliante par la personne suspec­
tée sans lui laisser la possibilité de s’expliquer
et avec l’obligation de quitter immédiatement
les locaux.
Art. 336 CO
(TF, 8.08.08 {4A_2/2008}, DTA 2008, p. 280)
n Arbeitsvertrag; Konkurrenzverbot
Im Streitfall über die Interpretation einer Ver­
tragsbestimmung müssen die Umstände der
Erklärung berücksichtigt werden. Unter das
Konkurrenzverbot fallen nur unternehmens­
eigene Fabrikationstechniken. Kenntnisse, die
auch in einem anderen Unternehmen erworben
werden können, zählen zur Berufserfahrung.
Art. 340 Abs. 2 OR
n Whistleblowing
Der Bankangestellte, der gutgläubig einen An­
walt der Bank über seinen Verdacht informiert,
dass der Direktor strafbare Handlungen began­
gen hat, verhält sich nicht pflichtwidrig, sofern
kein besonderes bankinternes Verfahren vorge­
sehen ist. Seine Entlassung ist missbräuchlich,
wenn sie ihm von der verdächtigten Person in
demütigender Art mitgeteilt wird, ohne dass ihm
Gelegenheit für eine Erklärung gegeben wird
und er den Betrieb unverzüglich zu verlassen
hat.
Art. 336 OR
(BGer., 3.12.08 {4A_417/2008}, Schweizer Arbeitgeber
(BGer., 8.08.08 {4A_2/2008}, ARV 2008, S. 280)
(Obergericht ZH, 3.07.08, ZR 2009, S. 48)
178
2009 Nr. 7, S. 26)
n Benachrichtigung des Konkursrichters
durch die Revisionsstelle
Die Revisionsstelle kann eine während der
Dauer ihres Mandates eingetretene Überschul­
dung gültig anzeigen, auch wenn sie in der Zwi­
schenzeit abgewählt worden ist; das gilt jeden­
falls dann, wenn der Handelsregistereintrag bis
zur Anzeige noch nicht geändert wurde.
Art. 792c OR
ZIVILRECHT
DROIT CIVIL
n Scheidung, Vorsorgefall und Lohn­
fortzahlungsanspruch
Strittig war, ob der zwischen den geschiedenen
Ehepaaren vorzunehmende Vorsorgeausgleich
nach Art. 122 oder Art. 124 ZGB durchzufüh­
ren sei und damit auch die Frage der Zustän­
digkeit des Scheidungs- oder Berufsvorsorge­
gerichts. Das Bundesgericht hält unter anderem
fest, dass die Vorinstanz zu Unrecht davon aus­
gegangen sei, im massgebenden Zeitpunkt
(Rechtskraft des Scheidungsurteils: 13. Juni
2007) sei ein Vorsorgefall des Mannes klar ab­
sehbar gewesen, weil dieser Taggelder der ob­
ligatorischen Unfallversicherung bei einer
30-prozentigen Arbeitsfähigkeit bezogen habe,
vom Arbeitgeber für die festgestellte Arbeitsfä­
higkeit von 30% bis zum Zeitpunkt der ordent­
lichen Pensionierung freigestellt worden sei und
sich bei der Invalidenversicherung zum Leis­
tungsbezug angemeldet habe, weshalb mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein
Leistungsfall für die Vorsorgeeinrichtung entste­
he. Das Bundesgericht weist darauf hin, dass
die Entstehung des Anspruchs auf Invaliden­
leistungen in der beruflichen Vorsorge aufge­
schoben werden kann, solange der Versicherte
den vollen Lohn erhält. Wenn die Vorinstanz
somit ohne Weiteres davon ausgeht, dass mit
der zu erwartenden rückwirkenden Zuspre­
chung einer Rente der Invalidenversicherung
auch ein Vorsorgefall im Sinne der beruflichen
Vorsorge eintritt, so ist dies rechtsfehlerhaft;
entscheidend ist vielmehr, ob der Versicherte
einen Lohnfortzahlungsanspruch hat. Die Sa­
che ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen,
TREX Der Treuhandexperte 3/2009
praxis _ pratique
damit sie im Sinne der Erwägungen das Vor­
liegen eines Vorsorgefalles abklärt. Bestand im
massgeblichen Zeitpunkt noch ein Lohnfort­
zahlungsanspruch, war der Vorsorgefall nicht
eingetreten und ist die Aufteilung im Sinne von
Art. 122 ZGB gemäss dem Scheidungsurteil vor­
zunehmen. Andernfalls ist davon auszugehen,
dass der Vorsorgefall bereits eingetreten war,
und die Vorinstanz hat die Sache an das zustän­
dige Zivilgericht zur Festlegung einer angemes­
senen Entschädigung nach Art. 124 ZGB zu
überweisen.
Art.122, Art. 124, Art. 141 und Art. 142 ZGB;
Art. 26 BVG
n Entretien après le divorce; prise en
compte d’un concubinage antérieur au
mariage
Un concubinage antérieur au mariage ne peut
être pris en considération dans la fixation de
l’entretien après le divorce que jusqu’à un cer­
tain degré dans des cas exceptionnels qualifiés
(précision de la jurisprudence).
Art. 125 CC
Zürcher Obergericht verwehrt. Es war zum
Schluss gekommen, dass der Junge aus einer
intakten Familie stamme. Die leiblichen Eltern
hätten das Kind allein deshalb abgegeben, um
dem kinderlosen Paar die Elternschaft zu er­
möglichen. Damit liege keine soziale Elternlosig­
keit vor. Für das Kind bestehe zudem das Risi­
ko einer späteren Identitätskrise. Zwar dauere
das Pflegeverhältnis bereits eindreiviertel Jahre.
Bei einer Rückkehr zu den leiblichen Eltern sei
aber keine längerfristige ernsthafte Beeinträch­
tigung seines Wohls zu befürchten. Der Fami­
lienwechsel sei damit nicht gerechtfertigt. Das
Bundesgericht hat die Beschwerde der Pflege­
eltern nun gutgeheissen und die Sache zu wei­
teren Abklärungen ans Obergericht zurück­
geschickt. Laut den Lausanner Richtern sind
ihre Zürcher Kollegen zwar zu Recht davon
ausgegangen, dass die mit der Adoption ver­
folgten Wünsche der Beteiligten nicht entschei­
dend sein dürfen. Das Bundesgericht habe denn
auch vor drei Jahren in einem ähnlichen Fall
die Erteilung der Pflegebewilligung verweigert.
Hier gehe es aber um die Bewilligung der Ad­
option nach bereits erfolgreich verlaufenem
Pflegeverhältnis. In solchen Fällen komme die
Verweigerung der Adoption nur noch in krassen
Fällen in Frage. Es sei anerkannt, dass ein Pfle­
gekind nach der Trennung von den faktischen
Eltern gleich reagiere wie ein Kind bei der Tren­
nung oder beim Tod der leiblichen Eltern. Das
Obergericht habe insofern nicht ausreichend
begründet, weshalb der Junge bei einer Rück­
kehr keinen Schaden nehmen sollte. Diese und
weitere Fragen seien abzuklären.
Art. 264 und Art. 268a ZGB; Art. 8, Art. 9 und
Art. 29 BV; Art. 1 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 und
Art. 77 Abs. 1 IPRG
(TF, 3.11.08 {5A_538/2008}, ATF 135 III 59)
(BGer., 24.10.08 {5A_215/2008}, Jusletter 8.12.08, BGE
(BGer., 28.03.08 {9C_899/2007 und 9C_900/2007},
Mitteilungen über die Berufliche Vorsorge Nr. 107,
12.08.08)
n Nachehelicher Unterhalt; Berücksichti­
gung eines vorehelichen Konkubinates
Ein voreheliches Konkubinat darf bei der Fest­
setzung des nachehelichen Unterhalts nur in
qualifizierten Ausnahmefällen bis zu einem ge­
wissen Grad mitberücksichtigt werden (Präzi­
sierung der Rechtsprechung).
Art. 125 ZGB
(BGer., 3.11.08 {5A_538/2008}, BGE 135 III 59)
135 III 80)
n Überlassung des Neffen an kinderloses Paar
Das Zürcher Obergericht muss neu über die
Adoption eines Kindes entscheiden, das von
seinen in Serbien lebenden Eltern dem kinder­
losen Onkel und seiner Frau überlassen wurde.
Das Bundesgericht hat ihre Beschwerde gutge­
heissen.
Die Ehe des im Kanton Zürich lebenden alba­
nischen Paares war kinderlos geblieben. Der
Bruder des Mannes lebt mit seiner Frau in Ser­
bien. Als diese 2003 zum fünften Mal in Erwar­
tung war, kamen die beiden Ehepaare überein,
das Kind nach seiner Geburt gemäss albani­
scher Sitte dem kinderlosen Paar zu überlas­
sen. Die Zürcher Behörden erteilten den künf­
tigen Eltern 2005 die Bewilligung, ihren Neffen
im Hinblick auf eine spätere Adoption zur Pfle­
ge aufzunehmen. Im Juli kam der Junge in die
Schweiz und lebt seither bei den Pflegeeltern.
Die Adoption wurde ihnen dann aber 2007 vom
TREX L’expert fiduciaire 3/2009
n Adoption d’un enfant selon une coutume
balkanique
Le Tribunal fédéral donne un feu vert préalable
à l’adoption d’un garçon de cinq ans par son
oncle et sa tante, qui n’ont pas pu avoir de des­
cendance. Parents de quatre autres enfants,
ses géniteurs s’en étaient séparé alors qu’il était
âgé d’une année et demie pour se conformer à
une coutume balkanique qui veut que les cou­
ples stériles puissent adopter un neveu ou une
nièce.
Selon la tradition balkanique, l’enfant en bas
âge est confié par ses propres parents à des
proches qui n’ont pas de progéniture. Saisi
d’un recours contre un veto de la justice zuri­
choise, le TF appelle que l’adoption doit être
guidée en priorité par le souci de préserver l’in­
térêt de l’enfant. Il relève que le garçonnet vit
déjà depuis plus de trois ans chez son oncle et
sa tante. Il leur avait été confié lorsqu’il était
âgé d’un an et demi. Une séparation serait vé­
cue par le jeune garçon comme un véritable
deuil, souligne le TF, en se référant à une étu­
de de spécialistes de la petite enfance. Oppo­
sée à la demande d’adoption, la justice zuri­
choise avait admis qu’il y avait un risque de
traumatisme mais avait considéré que l’enfant
pouvait surmonter une telle épreuve. Pour Mon
Repos, qui lui renvoie le dossier, l’examen des
juges cantonaux est resté trop superficiel. Entre
autres, les magistrats avaient omis de prendre
en compte le fait que l’enfant, avant d’être
confié à son oncle et sa tante, ne vivait pas chez
ses parents mais était élevé par sa grand-mère,
qui le gardait en perspectivé de la future adop­
tion. Dans un arrêt rendu en 2005, le TF s’était
montré réticent à cette forme d’adoption intra­
familiale. Il avait refusé à un couple macédo­
nien le droit de confier son fils pour adoption à
un oncle et une tante. Il disait craindre que
l’enfant ne soit tiraillé entre ses parents et ses
parents adoptifs. Le cas n’était toutefois pas
comparable. La décision rendue il y a trois ans
concernait une demande de placement en vue
d’adoption alors que l’arrêt récent porte sur
l’adoption elle-même.
Art. 264 et art. 268a CC; art. 8, art. 9 et art. 29
CSt.; art. 1 al. 1, art. 75 al. 1 et art. 77 al. 1 LDIP
(TF, 24.10.08 {5A_215/2008}, Jusletter 8.12.08, ATF 135
III 80)
n Erbrecht; Teilungsvorschrift und
Eigentumsübergang
Der in einem Erbvertrag enthaltenen Teilungs­
vorschrift, wonach verschiedene Grundstücke
einem Erben zuzuweisen sind, kommt keine
dingliche, sondern nur schuldrechtliche Wir­
kung zu. Der Übergang des Eigentums an den
erbvertraglich zugewiesenen Grundstücken von
der Erbengemeinschaft auf den berechtigten
Erben ist erst gestützt auf eine – allenfalls nur
auf die fraglichen Grundstücke bezogene – Erb­
teilung und Grundbuchanmeldung durch die
Erbengemeinschaft möglich.
Art. 11 Abs. 1 aND; Art. 21 lit. e aNG; Art. 500
und Art. 502 Abs. 1 ZGB
(Entscheid der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion
Kt. BE, 27.01.09, BN 2009, S. 22)
n Droit des successions; Prescription de
partage et transfert de la propriété
La prescription de partage contenue dans un
pacte successoral en vertu de laquelle divers
immeubles sont attribués à un héritier n’a pas
de caractère réel mais exclusivement obligation­
nel. Le transfert de propriété des immeubles
attributés par pacte successoral de la commu­
nauté héréditaire à l’héritier ayant droit n’est
possible que sur la base d’un contrat de par­
tage – ne concernant le cas échéant que les
179
praxis _ pratique
immeubles attribués – et d’une requisition d’ins­
cription de la communauté héréditaire.
Art. 11 al. 1 aND; art. 21 let. e aNG; art. 500 et
art. 502 al. 1 CC
(Décision de la Direction de la justice, des affaires com­
munales et des affaires ecclésiastiques ct. BE, 27.01.09,
NB 2009, p. 22)
SCHULDBETREIBUNGS- UND
KONKURSRECHT
DROIT DE LA POURSUITE POUR
DETTES ET LA FAILLITE
n Anfechtung von ausgeführten Leistungen,
die auf einem Dienstleistungsvertrag beruhen
Voraussetzungen, unter welchen die Honor­
arzahlung an das Revisionsorgan für seine
Tätigkeit als Revisionsstelle (Art. 728a ff. OR)
und als Berater anfechtbar ist – im konkreten
Fall Ausarbeitung eines Businessplanes und
des vor­aussichtlichen Rechnungsabschlus­
ses.
Art. 288 SchKG
(BGer., 16.04.08 {5A_559/2007}, BGE 134 III 615)
n Révocation des prestations exécutées
sur la base d’un contrat de prestations de
service
Conditions auxquelles est révocable le paie­
ment d’honoraires à l’organe de revision pour
ses activités de réviseur (cf. art. 728a ss CO)
et de conseiller (in casu établissement d’un
business plan et d’états financiers prévision­
nels).
Art. 288 LP
(TF, 16.04.08 {5A_559/2007}, ATF 134 III 615)
STRAFRECHT
DROIT PENAL
n Rorschacher Geldwäscher- und
Betrugs-Ehepaar schuldig
Ein bekanntes Treuhänder-Ehepaar aus Ror­
schach hat sich des Betrugs und der Geld­
wäscherei schuldig gemacht. Das Bundesge­
richt hat ihren Antrag um einen Freispruch
abgewiesen. Die Strafen für das Paar müssen
neu festgelegt werden.
Art. 70 und 72 Abs. 3 aStGB; Art. 97 Abs. 3 StGB
n Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften;
Verjährung
Die Pflicht zur Identifizierung der Vertragspartei
entsteht mit der Aufnahme der Geschäftsbezie­
hung und dauert bis zu ihrer Beendigung an. Der
Finanzintermediär, der im Rahmen einer dauer­
haften Geschäftsbeziehung Geschäftsführungs­
handlungen tätigt, ohne die Identität des wirt­
schaftlich Berechtigten festzustellen, handelt
andauernd rechtswidrig. In diesem Fall stellt die
mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften ein
Dauerdelikt dar. Die Verjährung beginnt daher an
dem Tag zu laufen, an dem die Geschäftsbezie­
hung aufhört und damit die diesbezügliche Pflicht
zur Identifizierung nicht mehr besteht oder an
welchem der Finanzinterme­diär der rechtswidri­
gen Situation durch Feststellung der Identität des
an den verwalteten Vermögenswerten wirtschaft­
lich Berechtigten ein Ende gesetzt hat.
Art. 305 ter Abs. 1 und Art. 97 f. StGB; Art. 3–5
GwG
(BGer., 12.09.08 {6B_249/2008}, BGE 134 IV 307)
n Violation de l’obligation de diligence dans
les opérations financières; prescription
L’obligation d’identifier naît avec la relation
d’affaires et subsiste jusqu’au terme de celle-ci.
L’intermédiaire financier qui, dans le cadre
d’une relation d’affaires durable, effectue des
actes de gestion sans identifier l’ayant droit éco­
nomique agit en permanence de manière illicite.
La violation de l’obligation de diligence dans les
opérations financières se caractérise alors com­
me un délit continu. Dans cette hypothèse, la
prescription court du jour où s’éteint la relation
d’affaires, partant le devoir d’identification y re­
latif, ou du jour où l’intermédiaire financier ré­
gularise la situation illicite ainsi créée en iden­
tifiant l’ayant droit économique des valeurs
patrimoniales qu’il gère.
Art. 305ter al. 1 et art. 97 s CP; art. 3–5 LBA
n Grundstückgewinnsteuern; Bemessung
des Gewinns
Es verstösst nicht gegen Art. 127 Abs. 2 BV,
wenn bei der Ertragssteuer erfasste Aufwer­
tungsgewinne bei der Besteuerung des Grund­
stückgewinnes nicht berücksichtigt werden,
weil die Steuerbehörden (in Anwendung des
Gesetzes) den vom Verkaufserlös abziehbaren
Erwerbspreis gemäss dem «Verkehrswert vor
25 Jahren» festgelegt haben.
Art. 127 Abs. 2 BV
(BGer., 9.06.08 {2C_624/2007}, StR 2008, S. 886)
n Impôt sur les gains immobiliers; calcul du
gain immobilier
Les bénéfices de réévaluation, qui avaient été
pris en compte au niveau de l’impôt sur le bé­
néfice, n’ont pas été déduits lors de l’imposition
du gain immobilier. En effet, les autorités fisca­
les, dans leur calcul du gain immobilier, ont
déduit du prix de vente «la valeur vénale d’il y
a 25 ans» en lieu et place du prix d’acquisition,
ceci en application des dispositions légales. Ce
faisant, elles n’ont pas violé l’art. 127 al. 2
Cst.
Art. 127 al. 2 Cst.
(TF, 9.06.08 {2C_624/2007}, RF 2008, p. 886)
verfassungsrecht
droit constitutionnel
VERSICHERUNGSVERTRAGSRECHT
DROITS DES CONTRATS
D’ASSURANCE
n Grosse affaire d’escroquerie à Rorschach SG
Le Tribunal fédéral a confirmé la condamna­
tion d’un couple de Rorschach SG pour es­
croquerie et blanchiment d’argent. Il a par
contre refusé l’acquittement pour abus de
confiance.
Art. 70 et 72 Abs. 3 aCP; art. 97 al. 3 CP
(TF, 12.12.08 {6B_425/2008}, Jusletter 12.01.09)
(BGer., 11.08.08 {5A_374/2008}, BGE 134 III 608)
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(TF, 11.08.08 {5A_374/2008}, ATF 134 III 608)
(TF, 12.09.08 {6B_249/2008}, ATF 134 IV 307)
n Pfändung einer österreichischen Alters­
pension
Die ausgerichteten AHV-Renten und die Ergän­
zungsleistungen sind unpfändbar. Die österrei­
chische Alterspension ist dagegen beschränkt
pfändbar. Das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8
Abs. 1 BV) und das von Art. 8 Abs. 2 BV und
den Staatsverträgen mit der Europäischen Ge­
meinschaft gewährleistete Diskriminierungsver­
bot sind nicht verletzt.
Art. 8 Abs. 1 und 2 BV; Art. 93 Abs. 1 SchKG;
Art. 20 Abs. 1 und Art. 153a AHVG; Art. 20 und
32 ELG
(BGer., 12.12.08 {6B_425/2008}, Jusletter 12.01.09)
n Saisie d’une pension de vieillesse autri­
chienne
Les rentes de l’assurance-vieillesse et survivants
et les prestations complémentaires sont insai­
sissables. La pension de vieillesse autrichienne,
en revanche, est relativement saisissable. Le
principe de l’égalité (art. 8 al. 1 Cst.) et l’inter­
diction de la discrimination garantie par l’art. 8
al. 2 Cst. et les traités conclus avec la Commu­
nauté européenne ne sont pas violés.
Art. 8 al. 1 et 2 Cst., art. 93 al. 1 LP, art. 20 al.
1 et art. 153a LAVS, art. 20 et 32 LPC
n IV-Rente wegen schwerer Schmerzstörung
Wer wegen Schmerzstörungen schon vor 2004
eine IV-Rente erhalten hat, darf diese weiterhin
beziehen, auch wenn in einem vergleichbaren Fall
heute keine Rente mehr zugesprochen würde.
Art. 4 Abs. 1 IVG
(BGer., 26.03.09 {8C_502/2007}, Jusletter 30.03.09)
n Rentes AI pour les victimes de troubles
somatoformes
Les victimes de troubles somatoformes doulou­
reux n’ont pas à craindre la suppression de leur
rente AI si elle leur a été accordée avant 2004.
TREX Der Treuhandexperte 3/2009
praxis _ pratique
Elles peuvent continuer à la percevoir si leur
état de santé n’a pas évolué.
Art. 4 al. 1 LAI
(TF, 26.03.09 {8C_502/2007}, Jusletter 30.03.09)
INTERNATIONALES PRIVATRECHT
DROIT CIVIL INTERNATIONAL
n Klage auf Ergänzung eines ausländischen
Scheidungsurteils; Anerkennung eines
ausländischen Scheidungsurteils
Die Teilung der Austrittsleistung der beruf­
lichen Vorsorge untersteht grundsätzlich
dem auf die Scheidung anwendbaren Recht.
Wurde die nach französischem Recht an die
Ehefrau zu leistende Ausgleichszahlung na­
mentlich unter Berücksichtigung der Aus­
trittsleistung der beruf­lichen Vorsorge des
Ehemanns gemäss schweizerischem Recht
festgesetzt, so ist das Scheidungsurteil dies­
bezüglich nicht unvollständig und bedarf
folglich keiner Ergänzung. Die Anerkennung
eines ausländischen Scheidungsurteils, das
der Ehefrau eine Ausgleichszahlung zu­
TREX L’expert fiduciaire 3/2009
spricht, die weniger als die Hälfte der Aus­
trittsleistung der beruflichen Vorsorge des
Ehemannes beträgt, ist mit dem schweizeri­
schen materiellen Ordre public nicht offen­
sichtlich unvereinbar.
Art. 27 Abs. 1, Art. 61, Art. 63 Abs. 2 und Art. 64
Abs. 2 IPRG
festement incompatible avec l’ordre public
matériel suisse.
Art. 27 al. 1, art. 61, art. 63 al. 2 et art. 64
al. 2 LDIP
(BGer., 12.06.08 {5A_220/2008}, BGE 134 III 661)
n Anwaltshonorare
Das durch den Rechtsanwalt erlangte Resultat
muss bei seiner Honorarberechnung berück­
sichtigt werden, auch wenn keinerlei Verein­
barung der Parteien zu diesem Thema vor­
liegt.
Art. 116, Art. 117 Abs. 2 und Abs. 3 lit. c und
Art. 20 Abs. 1 lit c IPRG; Art. 394 OR
n Action en complément d’un jugement
de divorce étranger; reconnaissance d’un
jugement de divorce étranger
Le partage de la prestation de sortie de la pré­
voyance professionnelle est en principe régi
par le droit applicable au divorce. Le jugement
de divorce étranger n’est pas lacunaire, par­
tant susceptible de complément, lorsque la
pres­tation compensatoire allouée à l’épouse,
en application du droit français, a été fixée en
tenant compte, notamment, de la prestation
de sortie du mari selon le droit suisse. La
reconnais­sance d’un jugement de divorce
étranger allouant à l’épouse une prestation
compensatoire inférieure à la moitié de la
prestation de sortie du mari n’est pas mani­
(TF, 12.06.08 {5A_220/2008}, ATF 134 III 661)
(BGer., 9.02.09 {4A_561/2008}, Jusletter 30.03.09)
n Honoraires d’avocat contestés
Le résultat obtenu par l’avocat doit être pris en
compte dans le calcul de ses honoraires même
si aucune convention n’a été passée par les
parties à ce sujet.
Art. 116, art. 117 al. 2 et al. 3 let. c et art. 20
al. 1 let. c LDIP; art. 394 CO
(TF, 9.02.09 {4A_561/2008}, Jusletter 30.03.09)
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