Laute und Silbenlängen im Lateinischen

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Laute und Silbenlängen im Lateinischen
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Laute und Längen
Laute und Silbenlängen im Lateinischen
als Vorgabe für die Skandierung
1. Die lateinischen Laute
Vokale:
a, e, i, o, u (und y in Fremdwörtern)
Diphtonge:
ae, oe, au, eu
Konsonanten:
mutae
(stumme, Verschlusslaute)
Dauerlaute
tenues
(stimmlos
hart)
mediae
(stimmhaft
weich)
aspiratae
(Hauchlaute)
Labiale
(Lippenlaute)
p
b
ph
f (v)
m
Dentale
(Zahnlaute)
t
d
th
s (z)
n
r
c, q, k
g
ch
i (vor Vokal
als „j“), h
ng, gn
l
Gutturale
(Gaumenlaute)
spirantes
nasales
(Reibelaute) (Nasenlaute)
liquidae
(fließende
Zungenlaute)
„i“ als unser „j“ und v (ähnlich dem englischen w) nennt man Halbvokale. „i“ wird zu „j“, wenn es
mit dem folgenden Vokal eine Silbe bildet (Iulius, Pompeius, Ianus, iacio, ieci iectum usw.). Bei
Wörtern der konsonantischen Deklination auf -o bleibt das i ein Vokal: nat-i-o, reg-i-o usw..
„m“ und „n“ rechnet man auch oft zu den Liquidae.
„h“ wird nur sehr schwach gesprochen und deshalb manchmal nicht geschrieben (arena = harena).
„z“ gibt es nur in Fremdwörtern.
„ch“ gab es anfangs auch nur in Fremd- und Lehnwörtern (chaos, charta); später wird es auch in ursprünglich lateinischen Wörtern gebraucht, z.B. „pulcher“.
2. Betonung und Silbentrennung
a) Die letzte Silbe wird nie betont, es sei denn, sie ist die einzige.
Bei drei- und mehrsilbigen Wörtern wird die vorletzte Silbe nur betont, wenn sie lang ist; sonst wird
die drittletzte Silbe betont: natúra, ínsula.1
1
Naturlange Vokale werden hier durch Unterstreichung gekennzeichnet.
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Laute und Längen
b) Eine Silbe wird lang gemessen, wenn
- ihr Vokal lang ist (Naturlänge) oder
- auf einen (kurzen) Vokal mehrere Konsonanten folgen (Positionslänge):
BSP: natúra, Augústus
Naturlängen lernt man mit den Vokabeln oder aus den Flexionstabellen.
!!! muta cum liquida !!!
Verbindungen von c, g, p, b, t oder d (mutae) mit l oder r (liquidae) gelten im Lateinischen als einheitlicher Laut und längen die vorausgehende Silbe nicht.
BSP: Pátroclus, álacris, fúnebris, lócuples
Diese Verbindungen wirken sich auch auf die Silbentrennung aus:
Pa-tro-clus, ala-cris, fu-ne-bris usw.
 In der Dichtung können solche Silben lang oder kurz gemessen werden.
3. Silbenwertung
In der Dichtung werden zwei benachbarte oder nur durch „h“ getrennte Vokale (Binnenhiat) zu einem Laut verbunden, ohne dass es in der Schreibweise sichtbar wird (Synizese = Zusammenfallen).
Eodem kann zwei- oder dreisilbig gemessen werden.
Deinde, deesse, antehac werden immer zweisilbig gemessen: gesprochen dejnde, desse, anthac.
Halbvokale helfen Dichtern auch häufig aus der metrischen Klemme, da sie konsonantisch gebraucht werden können, aber nicht müssen:
geschrieben:
gesprochen:
parietibus
fluviorum
genua
tenuia
paries = Wand
fluvius = Fluss
genu = Knie
tenuis = zart
parjetibus
fluvjorum
genva
tenvia
Zusammentreffen eine Vokals am Wortende mit einem Vokal zu Anfang des folgenden Wortes (Hiat):
Ein Hiat wird vermieden durch
a) Synaloiphe: Bei Auslaut auf Vokal oder m vor vokalischem Anlaut oder h wird der auslautende
Vokal nur kurz angeschlagen.
b) Elision: Bei Auslaut auf Vokal oder m vor vokalischem Anlaut oder h wird der auslautende Vokal ganz unterdrückt.
BSP zu a) und b):
geschrieben: monstrum horrendum informe ingens, cui lumen ademptum
gesprochen: monstr orrend inform ingens, cui lumen ademptum (Elision) oder
monstuorrendvinform ingens, ... (Synaloiphe am Anfang, Elision am Ende). Die unterstrichenen Buchstaben werden als eine Silbe gesprochen (der Unterstrich soll hier also keine Länge symbolisieren).
c) Aphärese: Ist das zweite Wort „es“ oder „est“, so wird dessen „e“ ausgestoßen:
geschrieben: hora quota est?
gesprochen: hora quotást?
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Laute und Längen
Grundlagen der Metrik
Versfüße:
Trochäus
-u
Iambus
u-
Daktylus
-uu
Anapäst
uu-
Kretikus
-u-
Choriambus
-uu-
Trochäus und Iambus können vertreten werden durch den
Tribrachys
úuu
Daktylus und Anapäst können vertreten werden durch den
Spondeus
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Vers:
Verbindung mehrerer Versfüße bzw. Metren.
Metrum:
Entweder:
die Verbindung von 2 Trochäen, Iamben oder Anapästen
oder:
nur ein Daktylus.
Je nach Zahl der Metren ist ein Vers ein
Monómeter (1), Dimeter (2), Trimeter (3), Tetrameter (4), Pentameter (5) oder Hexameter (6).
Daktylischer Hexámeter
Die ersten 4 daktylischen Füße können durch je einen Spondéus ersetzt werden, der 5. Fuß selten.
Ein Einschnitt befindet sich entweder nach dem 5. Halbfuß (Penthemimeres) oder nach dem 7.
Halbfuß (Hephthemimeres), dann aber meist mit einer Nebenzäsur nach dem 3. Halbfuß (Trithemimeres):
- u u | - u u | - // u u| - u u | - u u | - x
(Penthemimeres)
Quádrupedánte putrém sonitú quatit úngula campum
mit vierfüßigem Lärm erschüttert der Huf das staubige Feld
- u u| - // uu| - u u| - // u u | - uu | - x
(Hephthemimeres)
Príncipibús placuísse virís nón última láus est
bedeutenden Männern zu gefallen ist nicht das geringste Lob.
Diärese: Einschnitt fällt mit dem Ende eines Versfußes zusammen
Zäsur: Versfuß wird durch Wortende geteilt.
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Laute und Längen
Daktylischer Pentámeter
Der daktylische Pentameter besteht aus 4 vollständigen und zwei halben Daktylen. Der erste halbe
Versfuß steht nach zwei vollständigen Daktylen und beendet mit einer Diärese (Einschnitt auf Wortende) die erste Hälfte des Pentámeters; der zweite halbe steht am Ende. Nur die erste Hälfte des
Pentameters kann üblicherweise durch Spondeen ersetzt werden; in der zweiten Hälfte sollten die
Daktylen erhalten bleiben.
Der Pentameter steht nie allein, sonder immer als zweiter Vers hinter einem Hexameter. Beide bilden zusammen das sogenannte elegische Distichon (dístichon = Zweizeiler).
- u u | - u u | - || - u u | - u u |
U
Die letzte Silbe kann in Ausnahmefällen auch kurz sein.