Judounterricht an der Anne-Frank
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Judounterricht an der Anne-Frank
Judounterricht an der Anne-Frank-Schule 1983 gründete Bernd Eisermann, Förderschullehrer mit den Fachrichtungen Körperbehindertenpädagogikund Lernbehindertenpädagogik,die erste Judo-AG an der Anne-Frank-Schule Osnabrück (Förderschule mit dem Schwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung). In der Folgezeit entwickelte er mit TherapeutInnen und Erzieherinnen ein eigenes Konzept. Judo wird als Möglichkeit gesehen, den Menschen in seiner ganzen Persönlichkeitsreifungzu unterstützen, wobei die menschliche Persönlichkeit als unteilbare Einheit von Körper, Geist und Seele definiert wird. Mit dieser Sichtweise ergeben sich grundlegende Gemeinsamkeiten zur psychomotorischen Übungsbehandlung,einem Verfahren der Mototherapie, dem ebenfalls ein Konzept der ganzheitlichen Erziehung zugrunde liegt. InhaltlicherSchwerpunkt beider Konzepte ist es, Schwächen im Wahrnehmungs-und! oder Bewegungsbereichaufzuspüren, zu beheben oder zu kompensieren. Begleitendzu diesen Fördermaßnahmen sollen die Sozial- und Lernkompetenzen gestärkt werden. Nach diesem Konzept ist Judo somit insbesondere für Kinder mit psychomotorischenDefiziten bzw. Schwächen im Sozialverhalten geeignet. Konkret sollen folgende Lernziele angestrebt werden: - Schulung der Körperhaltung (Gleichgewicht), der Bewegungskoordination und der Wahrnehmung, - Steigerung der Konzent~ationsfähigkeit, - Vermittlung von Bewegungsfreude und Kraftgefühl, - Entwicklungvon Selbstvertrauen und Verantwortungsbewußtsein. 1984 nahmen Judoka der Anne-Frank-Schule zum ersten Male an einem Internationalen Judoturnierteil,welchesin der Nähevon Baselstattfand. . In den folgenden Jahren waren unsere Judoka regelmäßig bei großen Internationalen Wettkampfturnierenvertreten, u.a. in Bonn, Braunschweig, Essen, Gladbeck, Heidelberg, Koblenz JMünchen, Stuttgart und Würzburg. Zudem nahmen die Judoka jedes Jahr mit großem Erfolg an der Bolswessanen-Olympiadeteil, einem InternationalenJudoturnier in Amstelveen, Holland. 1998wurde in der Judoabteilung des Osnabrücker Turnerbundes (OTB) die erste Integrationsgruppeaufgebaut. Das erfolgreiche Judokonzept der Anne-Frank-Schule wurde in die Vereinsstrukturen des OTB integriert. In der Folgezeit wuchs die Teilnehmerzahlstetig an, da dieses Judokonzept ideell von einer Vielzahl von Kinderärzten,vom Kinderhospital Osnabrück sowie den Gesundheitsämtern unterstützt und oft als eine Art "therapeutisches Einwirken" empfohlen wird. Wesentliche Grundzüge des Konzeptes kommen gerade den Kindern mit Entwicklungsauffälligkeitenentgegen: Alle Gruppen sind geschlossene Gruppen mit maximal 12 - 14 Kindern, d.h. nach dem Aufbau einer neuen Gruppe stoßen keine neuen Teilnehmer hinzu, so dass eine ständige Fluktation vermieden wird und die Kinder Sicherheit und Beständigkeit in den Gruppengrundstrukturen erfahren. Weiterhin sind die Gruppen bezüglich des Alters und des Leistungsniveaus relativ homogen, da auf Kinder mit verlangsamten Lerntempo Rücksicht genommen wird und letztlich alle Judoka gemeinsam eine Gürtelprüfung absolvieren. Die Judotrainerinnen, die alle über Übungsleiterlizenzenim Bereich Judo und Rehabilitationssportverfügen, leiten die Gruppen möglichst lange, denn sie sind für die Kinder wichtige Beugspersonen und haben auch eine Vorbildfunktion. Bei der inhaltlichen Gestaltung einer Judostunde kommt der Wechsel zwischen einer eher kurzen Aufmerksamkeitsspanne (Erklärungen des Trainers) und einer längeren Bewegungsphase(Spiele, Übung der Judotechniken, Kämpfe) den Kindern sehr zugute. Jede Judostunde kann grob in drei Phasen gegliedert werden: einer Aufwärmphase mit psychomotorischenÜbungen und dem Erlernen der Falltechniken, in der Folge das Üben der Judotechniken im Boden und im Stand und zum Ausklang Bewegungsspiele oder Zweikämpfe. In einem Forschungsprojektder Universität Osnabrück von 2001 wurde das Judo-RehaAngebot des OTB als integratives und zukunftsweisendes Modell ausgewählt, das in seiner inhaltlichen Gestaltung und Größe einzigartig in Niedersachsen ist.