Verbindungen i. Quartal 2010

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Verbindungen i. Quartal 2010
V e r b i nd u n g e n
I. Quartal 2010
5
Das Magazin der QSC AG
2 | Ge winnspiel & Imp ress um
U n te r d i e se r Adr e sse f i n d e n S i e we i te r f ü h r en de In fos zu
Gewinnen Sie dieses
hochwertige Smartphone!
Baut spielend leicht Verbindungen auf:
Das ­elegante Nokia N97 mini
M itmac h e n & G e w in n e n
Mit diesem eleganten Smartphone sind Sie immer gut verbunden: Machen Sie mit bei unserem
­Gewinnspiel und gewinnen Sie mit etwas Glück ein Nokia N97 mini.
Klein, aber oho: Obwohl das kompakte Nokia N97
mini kaum größer als ein herkömmliches Slider­
handy ist, bietet es mit Volltastatur und großem
Touchscreen jede Menge Bedienkomfort. Die Start­
ansicht kann mit Mini-Programmen (Widgets) in­
dividuell konfiguriert werden, so dass man sofort
Zugriff auf E-Mails, Kalender oder Live-Feeds von
bevorzugten Social-Networking-Seiten, Nachrich­
tenagenturen und Wetterdiensten hat. Der interne
Speicher von acht Gigabyte ist mit microSD-Karten
auf bis zu 24 Gigabyte erweiterbar. Mittels Applika­
tionen lässt sich der Funktionsumfang noch erheb­
lich vergrößern.
Wie heißt die über die Tarn führende
­Brücke in Südfrankreich, die Paris mit
dem Mittelmeerraum verbindet?
a) Pont Neuf
b) Pont d‘Avignon
Die wichtigsten Daten im Überblick:
•Abmessungen: 113 x 52,5 x 14,2 Millimeter
•Gewicht: 138 Gramm
•Display: 640 x 360 Pixel, 16,7 Millionen Farben
• 5-Megapixel-Kamera mit Zeiss-Objektiv
•UKW-Radio und Musikplayer
•UMTS, WLAN, Bluetooth, USB 2.0
•E-Mail-Client mit Anzeige von Word-, Excel-,
PowerPoint- und PDF-Dokumenten
•Integrierter GPS-Empfänger
Möchten auch Sie ein Nokia N97 mini gewinnen? Dann
beantworten Sie einfach unsere Gewinnspielfrage.
c) Viadukt von Millau
Schicken Sie das Lösungswort bis zum
30.04.2010 per E-Mail an [email protected],
per beiliegendem Fax-Formular an die
QSC AG oder per Postkarte an VVA Kommunikation GmbH, BQB, Stichwort „Verbindungen“, Theodor-Althoff-Straße 39,
45133 Essen. Viel Glück!
Teilnahmebedingungen: Teilnahme­berechtigt sind alle natürlichen
Personen, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben und ihren
ständigen Wohnsitz in Deutschland haben. Mitarbeiter der QSC AG
sowie von Unternehmen, die mit der QSC AG im Sinne von § 15 AktG
verbunden sind, sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Der Gewinner
oder die Gewinnerin erhalten eine Benachrichtigung per Schreiben.
Die Benachrichtigung erfolgt an die mit dem Lösungswort übermittelte
Adresse. Eine Barauszahlung ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist
ausgeschlossen.
Die Digitalkamera aus BQB Nr. 4 hat H. Jeschull gewonnen. Herzlichen Glückwunsch!
Impressum
Herausgeber:
QSC AG
Mathias-Brüggen-Str. 55
50829 Köln
E-Mail: [email protected]
Internet: www.qsc.de
Telefon: 0800 7 72 23 75
Verlag: VVA Kommunikation GmbH
Theodor-Althoff-Str. 39, 45133 Essen
www.vva.de
Leitung: Catherine Castin
Bildredaktion: Frank Schuberth,
Alexandra Umbach
Verantwortlich i.S.d.P.: Thilo Veenema
Chef vom Dienst: Uwe Lippik
Art Director: Olaf Skrober
Weitere Autoren und Mitarbeiter:
Sebastian Arackal, Christiane Hautau,
Dirk Hautkapp, Claudia Isringhaus,
Sonja Loy (Grafik), Dirk Maertens,
Klaus-Stephan Otto, Katja Scheyhing,
Christoph Wennekers, Jan Wilms, Ute
Zimmermann, Sebastian Zweig
Bildnachweis: Atlantic Hotels (S.
4, 18, 19), Bildstelle (S. 17), Angela
Brandl (S. 28, 29), corbis (S. 24),
esa-Forschungszentrum (S. 14), Getty
Images (S. 17), Henkel (S. 6), istock
(S. 6, 16, 17, 26, 27, 28, 34), National
Geographic (S. 4, 8, 9, 12), (Nokia S. 2),
Okapia (S. 7), Porzellanmanufaktur
Meissen (S. 32, 33), Frank Schuberth
S. 4, 22, 23), shutterstock, (S. 3, 4, 6, 7,
21, 26, 30, 31)
Druck: VVA GmbH, Höherweg 278,
40231 Düsseldorf
Die in der BQB veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich
geschützt. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung durch die Redaktion.
d e n e in ze l nen Beitr äg en und noch v ieles m eh r: www.bqb-online.de
Ed i tori al | 3
Eine clevere Verbindung für biegsame Stoffe ist der
Reißverschluss, an dessen Entwicklung ab Mitte des
19. Jahrhunderts etliche Tüftler beteiligt sind. 1912
lässt sich Gideon Sundback eine heute noch übliche Metallvariante patentieren. Die serienmäßige
Produktion in Europa begründet 1924 der Schweizer
Martin Othmar Winterhalter, der sein „Rinne-Rippe“Patent unter dem Namen „ri-ri“ vermarktet. Heute
ist der Reißverschluss ein unverzichtbarer Alltagsgegenstand – laut der Schauspielerin Senta Berger
erfunden, „weil Männer keine Geduld haben“.
L iebe L es er i n ne n u nd L e s e r,
was hat ein Hering mit einem Unternehmen zu tun? Auf
den ersten Blick nichts, auf den zweiten jedoch eine ganze
Menge. Unter dem Stichwort Schwarmintelligenz unter­
suchen Wissenschaftler nicht nur, wie Verbände in der
Natur seit Millionen von Jahren funktionieren, sondern
auch, was komplexe Organisationen von heute daraus ler­
nen können. Mehr über die Möglichkeiten und Grenzen der
Schwarmintelligenz lesen Sie in unserer Titelgeschichte
(Seite 8). Demnach sind, ohne die Harmonie des Ganzen
zu vernachlässigen, in Unternehmen mehr selbstorgani­
sierte Prozesse gefragt. Das sei lohnenswert, meint unser
Autor Dr. Klaus-Stephan Otto, denn Schwarm­intelligenz
stärke die Lebendigkeit und Innovationsfähigkeit.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Einsatz von
Open Source, also Software, deren Quellcode offen zur
Verfügung steht und die von allen weiterentwickelt werden
kann. Wie wir als IT- und internetaffines Unternehmen
Open Source verwenden, erläutert Roland Hänel, Leiter
Netzdesign bei der QSC AG, im Interview (Seite 10).
Mit Verbindungen ganz anderer Art müssen sich Brü­
ckenbauer auseinandersetzen. Ein Monument höchster
Ingenieurskunst, das auch ästhetisch überzeugt, ist der
Viadukt von Millau in Südfrankreich (Seite 16).
Unverbunden sind Kaolin, Feldspat und Quarz
ziemlich gewöhnlich, aber nach dem Brenn­
vorgang entsteht daraus hochwertiges Porzel­
lan. Seit 300 Jahren produziert die Meissener
Manufaktur das weiße Gold (Seite 32).
Was für Porzellan noch Zukunfts­
musik ist, aber bei Lacken oder
Beton schon Realität, erfahren Sie in
unserem Beitrag über Materialien, die
sich selbständig reparieren (Seite 14).
Viel Spaß bei der Lektüre
wünscht Ihnen
Joachim Trickl
Chief Operating Officer
4 | In halt
5
16 |
Verbindungen
22 |
32 |
30 |
8 |
Standards
Aktuelles
2| Gewinnspiel
2| Impressum
3| Editorial
34| Glosse
5 | BQB kommt bei Lesern gut an | Roadshow
mit Allnet und QSC | QSC-Geschäftsbericht
2009 | Was die Welt zusammenhält
Titel
8 | Schwarmintelligenz
10 | Open Source
20 | Clevere Software für die Reiseplanung
21 | Networking in der Küche
22 | Mit WLL auf bestem Wege verbunden
Menschen & Projekte
24 | Mit Sprache Brücken schlagen
26 | Im Zeichen von Winkelmaß und Zirkel
28 | Allein auf der Seidenstraße
30 | Perfekte Harmonie
Perfekt & Premium
Lösungen & Innovationen
14 | Houston, wir haben kein Problem
16 | Ein Monument der Verbindung
18 | Auf Erfolgskurs „buten un binnen“
18 |
32 | Das weiße Gold
www.bqb-online.de
BQB kommt bei Lesern gut an
Wie gefällt Ihnen das Kundenmagazin
der QSC AG? Das hatten wir Sie in der
vorherigen BQB-Ausgabe gefragt, und
585 Leser haben bei unserer kleinen
Umfrage mitgemacht. Das Ergebnis:
Mit „sehr gut“ oder „gut“ beurteilen
94 Prozent die Inhalte und 95 Prozent
das Layout des Kundenmagazins. Das
Ergebnis freut uns sehr und ist uns An­
sporn, den bisherigen Standard zu hal­
ten und noch weiter zu verbessern. Für
die Teilnahme an der Leserbefragung
und Ihre Anregungen möchte sich die
BQB-Redaktion an dieser Stelle recht
herzlich bedanken.
A k tu e l l e s | 5
Wie gefällt Ihnen BqB im Hinblick auf
die Inhalte /Themen?
Inhalt
keine Angabe 1%
gar nicht 1%
Inhalt
sehr gut 23%
gut 71%
weniger gut 4 %
Optikgefällt Ihnen BqB im Hinblick auf
Wie
die
Optik/ das Layout?
Optik
sehr gut 51%
QSC-Geschäftsbericht 2009
Am 31. März wird die QSC AG ihren
Geschäftsbericht für das zurück­
liegende Jahr 2009 vorlegen; be­
reits am 3. März wird QSC die wich­
tigsten vorläufigen Kennzahlen für
2009 und einen Ausblick für 2010
veröffentlichen. Die Strategie des
Unternehmens, sich in dem sehr
schwierigen wirtschaftlichen Um­
feld auf eine Stärkung der Finanz- und Ertragskraft zu konzentrie­
ren, geht auf. Die QSC AG hat dementsprechend bereits im Novem­
ber die Prognose für das Gesamtjahr 2009 nach oben angepasst.
Die Strategie von QSC ist auf profitables Wachstum und damit auf
eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes ausgerich­
tet. Alle drei Business Units überprüfen regelmäßig die Deckungs­
beiträge sämtlicher Produkte und Dienste sowie Kunden und Ver­
triebspartner und trennen sich konsequent von margenschwachen
Umsätzen. Die Konzentration auf profitables Wachstum geht ein­
her mit einer Optimierung sämtlicher Prozesse sowie einem strik­
ten Kostenmanagement.
www.qsc.de/de/qsc-ag/investor-relations.html
keine Angabe 1%
gar nicht 1%
gut 44%
weniger gut 3 %
Roadshow mit Allnet und QSC
Zusammen mit der QSC AG tourte der Germeringer ITK-Distributor
Allnet im Februar durch Deutschland, um Fachhändler über Vor­
teile und Einsatzmöglichkeiten der IP-basierenden QSC-CentrexLösungen zu informieren. Das flexible IP-Centrex-Telefonsystem
IPfonie centraflex, das die Funktionen einer herkömmlichen
­Telefonanlage ins QSC-Netz verlagert, ist eine zukunftsweisende
Alternative zur klassischen Festnetz-Telefonie und vor allem für
kleine und mittelständische Unternehmen eine kostengünstige
Option. Die Zusammenführung von Sprach- und Datennetzen auf
IP-Basis reduziert erheblich den Aufwand für Installation, Betrieb
und Wartung. Passend hierzu zeigten die Hersteller Aastra DeTeWe
und Fluke Networks praxis­
orientierte Lösungen für die
Planung, Einrichtung und
Nutzung der virtuellen TKAnlagen.
6 | Akt u ellES
Wa s di e W e lt
„Simply good connections“ gewährleisten diese
praktischen Dinge, die uns mit ihren Verbindungen
das Leben erleichtern.
Uhu
„Im Falle eines Falles klebt
wirklich alles.“ Der Slogan ist zum Allgemeingut
geworden. 1932 erfindet der 64-jährige Bühler Apotheker August Fischer einen glas­
klaren Klebstoff aus Kunstharzen, der schnell und dauerhaft alles verbindet. Vier Jahre
später wird der Alleskleber bereits beim Bau des Luftschiffs „Hindenburg“ eingesetzt.
Der Name bezieht sich auf den Vogel Uhu, dessen Ruf Fischer bei einer Wanderung
durch seinen geliebten Schwarzwald vernimmt. Damit folgt er der damaligen Tradition,
Büroprodukte nach Vögeln zu benennen: Pelikan, Adler, Schwan usw. Das Design der
Klebertube im markanten Schwarz-Gelb ist bis heute fast identisch geblieben.
1969 bringt die Firma Henkel den
weltweit ersten Klebestift auf
den Markt. Der Henkel-Forscher
Wolfgang Dierichs orientiert
sich bei seiner Entwicklung am
Herausdreh­mechanismus eines
Lippenstifts, was eine be­­sonders
saubere Anwendung ermög­licht.
Heute kaufen Menschen auf der
ganzen Welt jährlich mehr als
130 Millionen
-Stifte.
Pritt
Während Knöpfe in der Form ähnlich den heu­
tigen als Zierelemente schon seit der Antike
bekannt sind, gibt es das
erst seit dem 13. Jahrhundert. Es löst weit­
gehend das Knopf-Schlaufe-Prinzip ab, bei
dem ein kugelförmiger Knopf oder ein Knebel
mittels geflochtenen Bändern und Schnüren
befestigt wird.
Knopfloch
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A k tu e l l e s | 7
Schon 1885 reicht der Pforzheimer Heribert Bauer ein Patent ein, „dazu
bestimmt, das Öffnen und Schließen der Herrenhosen mit Latz zu vereinfachen“. Doch sein Druckknopf geht nie in Serie. 1903 verbessert
der Stolberger Kurzwarenfabrikant Hans Prym den Vorläufer,
indem er rostfreies Metall verwendet und das Kopfteil mit einer
Feder versieht. In dieser Form ist der
,
einer der ältesten Markenartikel überhaupt, bis heute im
Handel. Täglich verlassen das mittlerweile in der dritten Generation geführte Familienunternehmen 15 Millionen Druckknöpfe aller Art und sorgen für das, was ein Werbeslogan des
Hauses verspricht: „Simply good connections“.
Druckknopf
z us a mmenhält
Was sich die meisten Heimwerker nur schwer vorstellen kön­
nen: Auch
gab es nicht immer. 1958 hat der Schwa­
be ­Artur Fischer eine bahnbrechende Idee, wie Schrauben am
bes­ten festen Halt in Wänden finden. Bis dato hatte man dazu
ein Holzstück in die Wand eingegipst und nach dem Trock­
nen die Schraube hineingedreht. Fischer feilt ein Rundstück
aus Polyamid (Nylon) zurecht, das laut Patentschrift „über
einen Teil seiner Länge geschlitzt und dessen vorderes Ende mit
säge­zahnförmigen Einschnitten versehen ist“. Sein Fischer-Dübel wird
ein überwältigender Markterfolg und legt den Grundstein für die neue Geschäfts­
sparte Befestigungstechnik.
Dübel
Immer wieder muss der Schweizer Ingenieur Georges de
Mestral die Kletten aus dem Fell seiner Hunde klauben. Als
er sich die Früchte unter dem Mikroskop genauer anschaut,
entdeckt er, dass sie keine starren Stacheln, sondern elas­
tische Häkchen aufweisen und deshalb auch nach dem Entfernen nicht abbrechen. Aus zwei Nylonstreifen – der eine
mit Häkchen, der andere mit Schlaufen – fertigt er daraufhin den
, der zwei Materialien
reversibel miteinander verbindet. 1951 meldet de Mestral
die Idee zum Patent an. Vermarktet wird der Verschluss zunächst unter dem Namen Velcro, der sich aus den Begriffen
Velours und Crochet (frz. Haken) zusammensetzt.
Klettverschluss
8 | Tite l | ver bindungen
Schwarmintelligenz
Obwohl Schwärme aus vielen selbstorganisierten Individuen bestehen, wirken sie wie ein einziger großer
­Organismus. Auch die Wirtschaft kann von der Natur lernen und die Kraft des Schwarms erfolgreich nutzen.
Tex t: Dr . Kla us - S t eph a n Ot to
Wer einmal im Ozean getaucht hat, wird den atemberaubenden
Anblick sich schnell und synchron bewegender Fischschwärme
nie mehr vergessen. Obwohl ein Schwarm aus vielen kleinen
­Fischen besteht, wirken diese in ihren eleganten Bewegungs­
abläufen wie eine Einheit. Sanft gleiten sie durchs Wasser, mal
eine schnelle Zickzack-Bewegung nach links, weil ein großer
Fisch kommt, dann wieder nach rechts auf der Suche nach Nah­
rung. Auch ohne „Leitfisch“ vollzieht der Schwarm seine Bewe­
gungen in perfekter Koordination.
In ähnlicher Weise wünscht sich so mancher Manager die Orga­
nisation seines Unternehmens, doch oft ist von einem solchen
synchronen Verhalten wenig zu spüren. Die Frage ist, wie wir
von den in Millionen Jahren entstandenen Verhaltensweisen der
Schwärme für unsere heutigen komplexen Organisationen lernen
können. Die Wissensgesellschaft stellt neue Herausforderungen.
Alte Führungsweisen funktionieren nicht mehr, hochintelligente
Mitarbeiter lassen sich nicht einfach kommandieren, aber zu viel
Freiheit und Dezentralisierung verhindern einen gemeinsamen
Kurs. Die bereichsübergreifende Zusammenarbeit wird immer
wichtiger. Veränderungen und die Komplexität des Umfelds neh­
men zu. Um darauf eingehen zu können, sind eine umfassende
Umfeldwahrnehmung und schnelle Reaktionsfähigkeit der ge­
samten Organisation, des „Organismus Unternehmen“, notwen­
dig. Es wächst die Herausforderung an die Unternehmen, sich
flexibel und schnell an Umfeldveränderungen anzupassen.
Erfolge aus Millionen Jahren Erfahrung
Von der Schwarmintelligenz können wir viel lernen, wenn es
um flexible, sich selbst organisierende Strukturen zur Lösung
dieser Herausforderungen geht. Beim Schwarm geht die Intel­
ligenz über die Fähigkeiten eines jeden Einzelnen hinaus. Das
Schwarmverhalten hat sich in der Evolution verhältnismäßig früh
entwickelt. Anfangs waren Organismen Einzelgänger und Einzel­
kämpfer, dann begannen sie in Gruppen zusammenzuleben, und
daraus entwickelte sich das Schwarmverhalten. Eine spezielle
Form des Zusammenlebens ist der Familienverband. Erst sehr
spät in der Evolution, nämlich in Herden, hat sich dann eine or­
ganisatorische Hierarchie entwickelt, wie sie heute das Zusam­
menleben in Organisationen bestimmt.
Die Stärke der Evolution ist, dass sie einerseits Komplexität der
Formen und Interaktionen entwickelt, andererseits aber ein­
fachere Formen weiterhin existieren lässt und dadurch die Vor­
teile der früheren Lösungen bewahrt. Das bedeutet übertragen
auf Organisationen, dass die unterschiedlichen Formen parallel
existieren sollten. Ein gutes Unternehmen braucht die Einzel­
kämpfer, zum Beispiel im Vertrieb bei den Kunden, es braucht
Führung und Hierarchie, es sollte aber auch in der Lage sein,
mit Schwarmintelligenz die Potenziale aller Mitarbeiter in seine
Aktivitäten zu integrieren.
Schwärme bestehen aus einer Vielzahl von Individuen, die mit­
tels direkter Kommunikation selbstorganisiert agieren. Als Ein­
heit folgen Fischschwärme dabei keinem Anführer, sondern je­
der in der Gruppe kann auf die Richtung des Schwarms Einfluss
nehmen. Die Koordination der Aktivitäten basiert auf der Einhal­
tung einiger weniger Regeln. Die ständige Interaktion zwischen
den Individuen ist die Basis für ein koordiniertes Verhalten des
Schwarms. Dieses Verhalten basiert auf der Befolgung von drei
einfachen Regeln:
•Zusammenbleiben: Bewege dich in Richtung des Mittelpunktes
derer, die du in deinem Umfeld siehst.
•Separieren: Bewege dich weg, sobald dir jemand zu nahe kommt.
•Ausrichten: Bewege dich in etwa dieselbe Richtung wie deine
Nachbarn.
Innerhalb der Gruppe wird also stets ein gleicher Abstand zu den
Nachbarn gehalten. Mithilfe des Seitenlinienorgans, einer Art
seitlichem Sensor, können Fische Bewegungsimpulse der an­
deren Fische in Bruchteilen von Sekunden empfangen und ent­
sprechend reagieren. Ändert sich der Abstand, weil der Nachbar
in eine andere Richtung schwimmt, wird der veränderte Abstand
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1 0 | Ti t e l | ver bindungen
sofort korrigiert. Sie sondieren somit permanent ihre unmittelbare Um­
gebung und passen sich den Bewegungen der Masse an, die wiederum
erst durch dieses Zusammenspiel möglich werden. Die jeweils außen
schwimmenden Fische geben die Richtung vor, wobei nicht immer die
gleichen Fische am Rand schwimmen. Das einzelne Tier hat nicht den
Gesamtüberblick, es hält sich nur an einfache Regeln. Dadurch erhöht
sich die Chance, Futter zu finden, und es reduziert sich das Risiko, ge­
fressen zu werden. Denn man kann den Feind besser wahrnehmen, sich
in der Masse besser „verstecken“, und schließlich wirkt der Schwarm
in seiner Größe abschreckend. Die „Intelligenz“ liegt im System, das
sich evolutionär bewährt hat. Aufgrund dieser einfachen Organisations­
regeln zeichnen sich Schwärme durch folgende Eigenschaften aus:
•Flexibilität: Schwärme verfügen über eine große Anpassungsfähigkeit
an unterschiedlichste Bedingungen.
•Robustheit: Schwärme sind sehr robust gegenüber dem Ausfall ein­
zelner Individuen, und die Mitglieder des Schwarmes agieren ohne
Aufsicht oder Kontrolle.
•Selbstorganisation: Durch die Interaktion autarker Einzelner agiert die
Gruppe ohne zentrales Kommando selbstorganisiert und dynamisch.
•Selbstregulation: Durch schnelle Rückkopplungen wird für stabile
Teilzustände gesorgt, die für den Erhalt des Lebens notwendig sind.
Erfolgreich in der Wirtschaft schwärmen
Dieses Prinzip lässt sich auch auf die Wirtschaft und
das Verhalten von Menschengruppen übertragen und
unterstützt den Trend zu mehr Eigenverantwortung
und Individualisierung. Ein einfaches Beispiel für eine
solche Übertragung kennen wir alle: Es ist der Feuer­
melder. Jeder kann das Glas einschlagen und dadurch eine schnelle
Rettungskette auslösen, genau wie der Fisch, der dem Feind ausweicht
und dadurch die Richtung des gesamten Schwarms ändert. Würde man
warten, bis eine Führungsperson gefunden ist und den Einsatzbefehl gibt,
hätte das Feuer vielleicht schon großen Schaden angerichtet. Für die
Übertragung von Schwarmintelligenz­prinzipien lassen sich drei unter­
schiedliche Wege darstellen:
•Anwendung auf technische Lösungen: Dies geschieht zum Beispiel
bei der Entwicklung von Software, wo Schwarmprinzipien verwendet
werden (zum Beispiel Ameisenlogarithmen bei Logistiksoftware oder
Open Source, siehe unten).
•Anwendung auf menschliche Interaktion: Dies geschieht in Unterneh­
men, die das Wissen und die Erfahrung ihrer Mitarbeiter stärker in die
Unternehmensentscheidungen einbeziehen, indem sie zum Beispiel
über Ideenzirkel ihre Innovationskraft für die Optimierung einsetzen.
•Die Verbindung technischer Lösungen mit der menschlichen Interak­
tion: Hier sind vor allem die vielen im Web 2.0 entstandenen Möglich­
keiten der Interaktion und Vernetzung, von Meinungen über Blogs bis
zu Marktplätzen, zu nennen.
Letzteres nimmt immer mehr zu. Das Internet bietet hier technische
Möglichkeiten, die es vor Jahren so nicht gab. Hotelbewertungen wer­
den im Netz gesammelt und führen dazu, dass ein Hotel weniger oder
mehr gebucht wird. Während früher solche Beurteilungen unabhängig
von den verkaufenden Unternehmen (zum Beispiel HRS) stattfanden,
sind sie inzwischen von ihnen integriert worden, weil es keinen Sinn
gemacht hätte, sich diesem Trend zu verweigern. Amazon zeigt für ein
bestimmtes Buch an, welche anderen Bücher von den Käufern dieses
„ Op en S ource wird n och
v i e l wicht ige r w e r d en“
Der Grundsatz, dass viele Köche den Brei verderben, gilt nur bedingt für die Entwicklung von Software.
Welche Vorteile und Chancen der Einsatz von Open Source bietet, erläutert Roland Hänel, Leiter Netzdesign bei der QSC AG.
Herr Hänel, wie würden Sie Open Source definieren?
Open Source ist eine Software, deren Quellcode offen zur Verfügung
steht, wobei „offen“ je nach Lizenz ganz unterschiedlich definiert
wird. Frei verfügbar heißt aber nicht unbedingt, dass sie kostenlos
sein muss. Selbst wenn die Software an sich kostenlos ist, so ist es
ihr Betrieb in der Regel nicht.
Was sind die Vorteile von Open Source?
Der wichtigste Vorteil ist die Transparenz, die aus dem Einblick in die
Software resultiert. Ein Quellcode ist wie der Bauplan eines Hauses:
Wer einen solchen Plan besitzt, kann einfacher einen Schaden
reparieren, denn er läuft nicht permanent Gefahr, ein Wasserrohr
anzubohren oder eine Stromleitung zu kappen. Auch ein Anbau, also
die Erweiterung des bestehenden Systems, lässt sich mit Kenntnis
des Plans leichter durchführen.
Ist diese freiwillige Bereitstellung von Wissen ein Gegenentwurf zu
Herrschaftswissen?
Ja, aber das ist nur ein Aspekt der freien Verfügbarkeit. Es geht
nicht nur darum, dass alle etwas nutzen können, sondern auch darum, dass es alle weiterentwickeln dürfen. Denn etwas, das vielen
zur Verfügung steht, kann auch von vielen verbessert werden –
und so wird das Produkt insgesamt immer besser. Ein prominentes
Beispiel hierfür ist die Entwicklung des AES (Advanced Encryption
Standard), ein Verschlüsselungs-Algorithmus, der heute State
of the Art ist und bis hinauf zu militärischen Hochsicherheits­
anwendungen eingesetzt wird. Der Algorithmus, entwickelt von
zwei Belgiern und später von der US-Regierung zum nationalen
Standard erhoben, ist frei verfügbar. Hintergedanke bei dieser Art
der Entwicklung war, dass eine Lücke im Verschlüsselungscode
eher gefunden wird, wenn der Code offen von allen einsehbar ist.
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T i te l | v e r b i ndu n ge n | 11
Buches zusätzlich gekauft wurden, und zeigt damit, wohin das
„Schwarm­interesse“ weist. Das Internetlexikon Wikipedia wird
von den Lesern selbst geschrieben. Erst 2001 gegründet hat es
heute jeden Monat 340 Millionen Nutzer. Es weist eine erstaun­
liche Qualität der Beiträge auf, da Fehler in Beiträgen schnell von
anderen korrigiert werden. Bei einem Test der Zeitschrift „Stern“
schnitt es besser ab als der Brockhaus.
Prof. Dr. Francis Heylighen, belgischer Kybernetiker, sieht das In­
ternet als einen Superorganismus, der nach Schwarmprinzipien
funktioniert. In der Informatik wird an sogenannten Software„Agentensystemen“ geforscht, die komplex vernetzt werden und
sich selbst steuern, miteinander kommunizieren und selbst lernen.
Im Flugverkehr wird daran gearbeitet, dass Flugzeuge nicht
mehr zentral von Fluglotsen geführt werden, sondern miteinan­
der kommunizieren und selber darauf achten, den richtigen Ab­
stand zu halten wie im Schwarm. Dies könnte Verspätungen und
Risiken erheblich reduzieren.
Prof. Dr. Jens Krause vom Institut für Gewässerökologie der
Humboldt-Universität zu Berlin forscht an der Anwendung von
Schwarmerkenntnissen für die Steuerung von großen Men­
schenansammlungen, besonders in Notsituationen. Er hat
herausgefunden, dass fünf Prozent der Teilnehmer einer Men­
schengruppe für eine Richtungsausrichtung ausreichen und wo
Ordner positioniert sein müssen, um Menschengruppen in die
richtige Richtung zu bewegen.
Der Gewinn, dass „ein Guter“ auf eine etwaige Lücke stößt und
die Anwender darüber informiert, wurde bei der Entscheidung für
Open Source als höher gewertet als das Risiko, dass „ein Bösewicht“ die Lücke findet und dann Schaden anrichten kann. Quasi
nach der Devise: Wir machen extra keine Geheimnisse darum und
haben den Vorteil, dass alle Wissenschaftler dieser Welt den Code
überprüfen. Und was dieser Überprüfung standhält, ist dann vermeintlich auch sicher.
Ein anderes Beispiel für die Popularität von Open Source ist der WebBrowser Netscape …
Ursprünglich war Netscape aber keine Open-Source-Software.
Erst als der Konkurrent Internet Explorer den Netscape-Browser
schon fast vom Markt verdrängt hatte, wurde der Programmcode
unter eine Open-Source-Lizenz gestellt. Mit Erfolg: Heute ist der
Netscape-Nachfolger Firefox in Deutschland der meistgenutzte
Browser.
Welche Schnittstellen gibt es zwischen der QSC AG und Open Source?
Als IT- und internetaffines Unternehmen verwenden wir viel Open
Source. Wesentliche Systembestandteile unserer IT, die wir zur
Steuerung und zum Betrieb unseres Kommunikationsnetzes benötigen, sind Open-Source-Bestandteile. Entweder betreiben wir sie
selber als Open Source, oder sie sind integriert in Herstellerkomponenten, die wir kaufen. So hat zum Beispiel jeder moderne Router
des Marktführers Cisco einen Linux-Kernel und beinhaltet damit
Open-Source-Komponenten.
Auch für die Optimierung logistischer Prozesse werden Schwarm­
prinzipien eingesetzt. Hier wird viel von Insektenschwärmen, spe­
ziell von Ameisen gelernt. Beim Einsammeln von Nahrung agieren
Ameisen wie Staffelläufer: Sie tragen ihre Beute nicht den ganzen
Weg zum Nest, sondern geben sie in einer Kettenformation weiter.
Dabei haben einzelne Ameisen keinen festen Platz in der Reihe,
die Übergabepunkte der Beute sind nicht starr fixiert. Wie eine flie­
gende Brigade variieren die Laufwege jeder Ameise entlang dieser
Körperkette. Wo immer gerade eine Ameise gebraucht wird, packt
sie mit an, dadurch entstehen keine Leerläufe.
Dies wurde auf den Produktionsablauf einer Versandhauskette
übertragen: Aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsdauer der
Packvorgänge gab es regelmäßig Arbeitsstaus. Die unterschied­
liche Geschwindigkeit des Verpackungsprozesses resultiert
dabei automatisch aus den unterschiedlich einzupackenden
Produkten. Zur Lösung des Problems wurden die Packer dann
nach dem Prinzip der fliegenden Brigade vom lange dauernden
bis zum schnellsten Vorgang gestaffelt eingesetzt. Bei diesem
Prinzip sucht jeder Mitarbeiter so lange Produkte für seine Be­
stellung zusammen, bis diese Arbeit vom nachfolgenden Packer
fortgesetzt wird. Der freie Mitarbeiter geht dann an den Anfang
des nächsten Packprozesses und übernimmt seinerseits die Ar­
beit von seinem Kollegen. Dieses einfache Prinzip gestattete es
den Teams flexibel auszugleichen, was zu unterschiedlich lange
dauernden Packprozessen führt – nämlich das unterschiedliche
Tempo der Arbeitskräfte und die unterschiedliche Zahl von zu
verpackenden Produkten.
Was schätzt die QSC AG an Open Source?
Ein großer Vorteil ist, dass wir kompetente Mitarbeiter haben, die
bestimmte, für uns wichtige Kernkomponenten weiterentwickeln
können. So gesehen profitieren wir von Open Source. Wir geben
aber auch etwas zurück, weil wir diese Modifikationen oft der Community wieder zur Verfügung stellen.
Also ein Geben und Nehmen …
Ja, aber das basiert nicht nur auf Nächstenliebe, sondern ist auch
kommerziell motiviert. Als Entwickler habe ich ein Interesse daran,
dass meine modifizierte Open-Source-Komponente kein absterbender Ast an einem großen Baum wird, sondern permanent weiter
gepflegt wird. Das erreiche ich am besten, indem ich meine Modifikation zurückgebe. Denn so enthält jede Weiterentwicklung auch meine
Änderungen, und nach einer erneuten Modifikation durch andere kann
ich es wieder zurücknehmen. So besteht eine Grundmotivation, das
eigene Werk immer wieder in den Topf zu geben. Das wird teilweise
auch durch Open-Source-Lizenzen gefördert. Es gibt Lizenzen, die
sehr freigiebig bei Modifikationen sind, aber es gibt auch Lizenzen,
wonach ein verändertes Open-Source-Werk wieder ein Open-SourceWerk sein muss. Wenn ich mich einmal entscheide, in diesen Kreis
einzutreten, bin ich auch verpflichtet, die Regeln zu befolgen. Die Lizenznehmer besitzen dann kein Patent auf die Weiterentwicklung,
sondern müssen ihren Kunden die gleichen Freiheiten einräumen. Als
einige Router-Hersteller Geräte mit modifiziertem Linux-Kernel auslieferten, ohne den Code ihrer Modifikationen zu veröffentlichen, wurden sie per Gerichtsentscheid zur Offenlegung gezwungen.
Welche Rolle wird Open Source in Zukunft spielen?
Der Open-Source-Gedanke wird zunehmen – vor allem bei Lösungs- und Netzanbietern, wie wir einer sind. Der Internetzugang
wird in den nächsten Jahren zu einer Standardware werden wie
zum Beispiel Strom, dessen messbare Qualität ein Endkunde heute bereits nicht mehr unterscheiden kann. Worüber wir uns dann
differenzieren müssen, sind die Dienstleistungen, die darauf aufgebaut sind. Wir kommen dann in Bereiche, in denen es keinen
interessiert, aus welchem Plastik das Gerät besteht oder ob die
DSL-Technologie X oder die DSL-Technologie Y besser ist. Stattdessen geht es mehr darum, welchen Service oder welche Benutzeraktion wir anbieten.
Was bedeutet das konkret für die QSC AG?
Open Source lässt sich immer auf zwei Schienen, also mehr oder
weniger aktiv, nutzen. So sind die wenigsten Linux-Nutzer aktives
Mitglied einer Open-Source-Community. Die meisten arbeiten mit
dem System, ohne daran etwas verändern zu wollen. Während die
QSC AG heute bei vielen Dingen noch mehr auf dieser eher passiven
Benutzerseite zu finden ist, wird das in Zukunft mehr in die andere
Richtung laufen. Denn wenn sich unser Geschäftsmodell stärker
in Richtung softwarelastiger Themen wie Software-as-a-Service
oder Platform-as-a-Service bewegt, werden wir in diesem Umfeld
­sicherlich auch eine aktivere Rolle einnehmen. Wir werden an mehr
Projekten aktiv partizipieren, und das heißt, dass mehr Mitarbeiter
von uns Beiträge zu Open-Source-Projekten leisten werden. In dem
Sinne ist das Thema auch für uns intern sehr interessant.
1 2 | Ti t e l | ver bindungen
T i te l | v e r b i ndu n ge n | 13
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Je komplexer Organisationen werden, umso stärker müssen
selbstorganisierte Prozesse ablaufen, denn das Funktionieren
kann bei vielen parallel laufenden Prozessen nicht mehr über
Anordnungen und Anweisungen gewährleistet werden. Ein trau­
riges Beispiel für die Effektivität solcher Organisationsformen
liefert Al Qaida. Ihre starke Dezentralität macht die Organisation
schwer angreifbar.
Grenzen der Schwarmintelligenz
Allerdings gibt es auch Grenzen der Schwarmintelligenz. Delfine
kreisen Fischschwärme ein und treiben sie Richtung Oberfläche.
Dann funktionieren die Schwarmregeln nicht mehr, die kleinen
Fische werden von den größeren gefressen oder von Vögeln. In
einer solchen Situation bräuchte es Führung, um mit unüblichen
Wegen der Gefahr zu entkommen. Schwarmverhalten unterstützt
das Funktionieren einer Organisation, aber es ersetzt nicht die
Notwendigkeit von Führung. Bei der Challenger-Explosion 1986,
ausgelöst durch eine spröde Dichtung, hatte der Zulieferer per
Gruppenmehrheit entschieden, dass auch bei kühleren Tempe­
raturen als geplant gestartet werden könnte. Eine verhängnis­
volle Fehlentscheidung. Zwei Ingenieure wiesen auf das Risiko
hin, konnten sich aber als Minderheit nicht durchsetzen.
Schwarmintelligenz funktioniert nur, wenn die Mitglieder selbst­
verantwortlich handeln. Sie dürfen nicht einfach nur nachahmen
oder auf Befehle warten. Dies machen uns Fische, Ameisen und
Bienen vor, die nicht immer das Gleiche tun, sondern eigenstän­
dig im Rahmen der Regeln entscheiden, was zu tun ist. Sie sind
damit sehr erfolgreich in ihren Lebensprozessen, obwohl sie nur
ein sehr kleines Gehirn haben.
Viele Unternehmen schwanken zwischen Zentralisierung und
Dezentralisierung. Kommt ein neuer CEO, so wird oft von einer
bestehenden Situation in ein anderes Extrem gewechselt. Das
Prinzip Schwarmintelligenz verbindet synchrones Handeln
und Einordnung mit dezentraler Umfeldwahrnehmung und
Beeinflussung der Richtung des Schwarms. Dafür ist es
notwendig, Kontrolle zu reduzieren und mehr Vertrauen in
der Organisation aufzubauen. Die Mitarbeiter sollten aber
auch stärker in die Unternehmenspolitik eingebun­
den werden, damit sie wissen, wie die gegenwärtige
Lage des Unternehmens ist, welche Gefahren dro­
hen, welche Chancen sich bieten und wohin das
Unternehmen sich entwickeln soll. Die Austausch­
prozesse im Unternehmen müssen beschleunigt werden. Es reicht
nicht mehr, dass nur die Führung informiert ist. Das Unternehmen
braucht eine neue Struktur, die nicht mehr sternförmig auf die Füh­
rung ausgerichtet ist, sondern eher netzwerkmäßig relativ selb­
ständig agierende Teams miteinander verbindet. Dazu ist es auch
nötig, nicht einfach nur zentrale Pläne umzusetzen, sondern von
dezentralen Einheiten erkannte neue Chancen aufzunehmen und
umzusetzen. Die synchrone Bewegung des Schwarms rührt aber
auch daher, dass die einzelnen Schwarmorganismen bereit sind,
sich einzuordnen. In unserer Gesellschaft, die das Individuum so
hochhält, fällt das vielen nicht leicht.
Schneller sein durch Selbstorganisation
Wenn Sie Ihr Unternehmen dazu bringen wollen, sich schneller
an Veränderungen im Markt anzupassen, so prüfen Sie, wie Sie
verstärkt Elemente der Schwarmintelligenz in Ihre Unterneh­
mensabläufe integrieren können. Wie können Sie die Umfeld­
wahrnehmung der Mitarbeiter systematisch in die Produktent­
wicklung integrieren? Wie können Sie es erreichen, dass mehr
und mehr Prozesse in ihrer Organisation selbstorganisiert ab­
laufen, aber gleichzeitig eine Harmonisierung stattfindet? Wie
können Sie technische Systeme einsetzen, um Schwarmintelli­
genzelemente für sich zu nutzen?
Es braucht eine Umgewöhnungszeit und vielleicht laufen am
Anfang bestimmte Prozesse etwas holpriger oder vielleicht auch
langsamer. Durch die Einbettung der Schwarmintelligenzprin­
zipien werden Organisationen aber langfristig anpassungsfä­
higer und erfolgreicher. Praktizierte Schwarmintelligenz stärkt
die Lebendigkeit und Innovationsfähigkeit von Organisationen
und damit ihre Überlebensfähigkeit.
Zur Person
Dr. Klaus-Stephan Otto ist Geschäftsführer der Dr. Otto Training & Consulting,
Seit über 25 Jahren unterstützt das Beratungsunternehmen Organisa­
tionsentwicklungsprozesse, begleitet innovative Projekte, stärkt Teamund Managementkompetenzen durch Seminare und Workshops sowie
durch das Coaching von Führungskräften. Von Klaus-Stephan Otto
erschien im Carl Hanser Verlag das Buch: „Evolutionsmanagement. Unternehmen entwickeln und langfristig
steuern“. Am 21. und 22. April 2010 findet der Workshop
„Innovationsentwicklung – von der Natur lernen“ statt.
www.dr-otto.de/iws
1 4 | Lö sung en & Innovat ionen | S elb s t h eilend e Mate r i a l i e n
Materialwissenschaftler des europäischen ESAForschungszentrums entwickeln für die Raumfahrt
Fasern, die sich selbst reparieren können.
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Lö su n g e n & I n n ovati o n e n | S e l b sth e i l e n d e Materi al i e n | 15
Houston , w i r
hab e n k ei n P ro b l em
Ein Lack, der nicht verkratzt, eine Betonwand, die eindringende Feuchtigkeit vertreibt, und ein Raumschiff, dessen
Hülle nahezu unverwundbar ist – Wissenschaftler forschen mit Hochdruck an „selbstheilenden Materialien“.
Text : C h ris toph W ennekers
Vorbild für die sogenannten Smart Materials ist wie so oft die Na­
tur. Genauer die menschliche Haut: Kleine Kratzer und Schnitte
heilen schnell ab, schon nach wenigen Tagen ist nichts mehr
von der Schramme zu erkennen. Anders bei Werkstoffen, etwa
Metallen: Hat beispielsweise die galvanische Schicht, die Metalle
vor Korrosion schützt, einen Kratzer, ist der Rostschutz dahin.
Internationale Forschungsteams untersuchen daher Konzepte
und Materialsysteme, die selbstheilende Eigenschaften für un­
terschiedliche Anwendungen besitzen. Die Wissenschaftler tra­
fen sich zuletzt im Sommer 2009 in Chicago, USA, zur zweiten
internationalen Konferenz für selbstheilende Materialien (Confe­
rence on Self-Healing Materials).
Auch Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik
und Automatisierung IPA in Stuttgart arbeiten mit der Universi­
tät Duisburg-Essen daran, den Selbstheilungseffekt der Haut auf
Werkstoffe zu übertragen. Sie bringen dazu in eine galvanische
Schicht flüssigkeitsgefüllte Kügelchen ein. Wird die Oberfläche
beschädigt, platzen die an dieser Stelle liegenden Kügelchen auf,
die Flüssigkeit läuft heraus und „repariert“ Kratzer. Die Schich­
ten können auch in mechanischen Lagern eingesetzt werden:
Reicht der Schmierstoff im Lager kurzfristig nicht aus, wird ein
Teil der Beschichtung abgetragen, die oben liegenden Kapseln
platzen und geben neuen Schmierstoff frei. So wird das Lager
nicht beschädigt, wenn es kurzzeitig trockenläuft. Bis allerdings
ganze Bauteile beschichtet werden können, dauert es nach Ein­
schätzung der Experten noch eineinhalb bis zwei Jahre.
Ewig schöner Lack fürs Auto
Auch der Autolack der Zukunft soll sich selbst reparieren. Kleine
Kratzer und Blessuren verschwinden dann von allein. Das Ge­
heimnis liegt in der Zusammensetzung der äußersten Schicht
der Lackierung, die aus einer neuartigen Polyurethanmischung
besteht. Wird dieser neue PUR-Lack erwärmt, fließen die kleinen
Blessuren auf dem Autoblech einfach wieder zusammen. Dazu
reicht schon die Sonneneinstrahlung an Sommertagen. Doch ist
der Lack zu weich, kann er nicht mehr geschliffen oder poliert
werden. Also verstärkten die Lackforscher von Bayer MaterialScience die Dichte des Molekülnetzes durch eine veränderte
Zusammensetzung der Rohstoffanteile. Weil die verwendeten
Rohstoffe wesentlich dünnflüssiger sind als die herkömmlichen,
können Autohersteller weniger Lösungsmittel einsetzen. Der
neue Lack ist deshalb besonders umweltfreundlich und soll
schon bald serienreif sein.
Den selbstheilenden Beton gibt es schon
Das bereits erhältliche Penetron-System zur Gebäudesanierung
dichtet Mikrorisse im Beton selbsttätig ab. Auf Feuchtigkeit re­
agiert der Wirkstoff mit den Betonbestandteilen und bildet eine
mikrofeine Kristallisation in der Struktur des Baukörpers. Die
Substanz „wächst“ dabei tief in das Kapillarsystem des Betons
hinein. Die Anwendungen sind vielseitig: Mauern und Stütz­
mauern, Fundamente, Keller und Nassräume, Parkdecks und
Industrieböden, Aufzugschächte, Treppenhäuser, Brücken,
Tunnel, Schwimmbecken, Wasserbehälter, Staudämme, Kraft­
werke, Kläranlagen, Kanalisationen, Tankstellen werden dank
der Selbstheilungskräfte des neuartigen Materials wasserdicht.
Und sollte sich später neue Feuchtigkeit bilden, wird der Abdich­
tungsvorgang automatisch im Beton fortgesetzt.
Warten auf den Supergummi
Materialforscher von der École Supérieure de Physique et Chi­
mie Industrielles in Paris tüfteln unterdessen am Supergummi:
Vom selbstflickenden Fahrradschlauch bis zur dauerhaft form­
stabilen medizinischen Prothese sind zahlreiche Einsatzzwecke
denkbar. Die Forscher beschränken sich bei den Ausgangssub­
stanzen auf Harnstoff und Fettsäuren aus Pflanzenöl. Das fertige
Material soll die gleiche Dehnbarkeit und Elastizität besitzen wie
herkömmliches, aus vulkanisiertem Kautschuk hergestelltes
Gummi. Während Letzteres jedoch beim Vulkanisieren durch
feste chemische Bindungen quervernetzt ist, bleiben die Bin­
dungen des neuen Stoffs chemisch flexibel, lassen sich leicht
wieder auflösen, umordnen und neu verknüpfen. Einmal zer­
schnitten, müssen die Enden nur etwa eine Minute aneinander
gehalten werden. Wie von Geisterhand verbinden sich die Stücke
dann miteinander und zeigen das gleiche Dehnungsverhalten wie
zuvor. Nach Ansicht der Forscher sollen schon bald die ersten
Produkte auf den Markt kommen.
Selbstheilung sogar im Weltraum
Materialwissenschaftler des Forschungszentrums der ESA im
niederländischen ESTEC (European Space Research and Tech­
nology Centre mit Sitz in Noordwijk) entwickeln derweil für die
Raumfahrt Fasern, die sich selbst reparieren können. Allerdings
trat dabei ein zusätzliches Problem auf: Beim Menschen reagiert
die Luft bei einem Heilungsprozess der Haut chemisch mit dem
„Reparaturstoff“ Blut und lässt es verhärten. Im luftlosen Raum
des Weltalls müssen mechanische „Adern“ daher nicht nur mit
einer flüssigen harzhaltigen Reparatursubstanz, sondern auch
mit einem speziellen Härtemittel gefüllt werden, damit diese bei
Beschädigung der Fasern in der Bordwand der Raumfähre zu­
sammenlaufen und sich vermischen können. Die neuen Stoffe
müssen zudem eine spezielle Konsistenz und Zusammenset­
zung aufweisen, damit die Risse gefüllt und ausgehärtet sind,
bevor eine Verdunstung stattfinden kann. Bis selbstheilende Ma­
terialien nach dem Vorbild der Natur auch im All funktionieren,
wird daher noch einige Zeit vergehen.
1 6 | Lö sung en & Innovat ionen | V ia d ukt von M il l a u
E i n Monume n t
de r Ve rb in du n g
Brückenbau zählt zu den Königsdisziplinen der Baukunst. Mit kühnen Konstruktionen und neuen Baumaterialien
überwinden Menschen fast jedes Hindernis. Ein Monument höchster Ingenieurskunst, das auch ästhetisch
überzeugt, ist der Viadukt von Millau in Südfrankreich.
T ext : UWe Lippik
Wenn Wolken das Tal der Tarn einhüllen, scheint es, als ob die
Brücke schwebt. Dann verschwimmen die wie Fächen angeord­
neten Stahlseile zu Segeln. Wo eigentlich der breite Schiffsrumpf
sein sollte, finden die Augen aber nur einen schmalen Binde­
strich, der sich wie ein Hochseil über den Horizont spannt.
Der 2.460 Meter lange Viadukt von Millau ist in vielerlei Hinsicht
überwältigend. Der mächtigste seiner insgesamt sieben Pfeiler
misst, wenn man den über die Fahrbahn ragenden Pylon hinzu­
rechnet, insgesamt 343 Meter. Das sind 19 Meter mehr, als der
Eiffelturm aufweist. Zur höchsten Brücke der Welt hat es trotz
des weltweit höchsten Pfeilers zwar nicht gelangt, aber immerhin
zum Prädikat „höchste Autobahnbrücke“. 270 Meter hoch über
der Tarn braust hier zweispurig der Verkehr in beide Richtungen.
Nicht hoch genug, um der Royal Gorge Bridge in Colorado die
Spitzenposition streitig zu machen: Auf ihrem – allerdings nur
fünf Meter breiten – Tragwerk, das in 321 Metern Höhe verläuft,
dürfen aber lediglich Fußgänger verkehren.
Der Viadukt von Millau ist die längste Schrägseilbrücke der Welt.
Von einer Hängebrücke unterscheidet sich eine Schrägseilbrü­
cke darin, dass sämtliche Seile von den Pylonen ausgehen und
diese die Hauptlast tragen. Das hat unter anderem den Vorteil,
dass der Brückenträger unter der Fahrbahn besonders schmal
sein kann. Bei einer Hängebrücke sind die Tragseile jenseits der
Pylone im Boden verankert, und von einem gespannten horizon­
talen Seil tragen weitere Seile nicht schräg, sondern in lotrechter
Richtung die Fahrbahn.
Wegen der starken Winde vor Ort sind beide Fahrbahnseiten des
Viadukts von Millau mit drei Meter hohen Kunststoffelementen
gesichert. Auch der wechselnde Querschnitt der Pfeiler und Py­
lone zollt dem starken Wind Tribut. Die schlanke und teilweise
offene Form soll möglichst wenig Angriffsfläche bieten. Von Wei­
tem betrachtet wirken Pfeiler und Pylone wie aus einem Guss.
Während die Pfeiler aber aus Beton sind, bestehen die Pylone
wie der weitere Überbau aus Stahl. Die Stahlbauweise wirkt
nicht nur eleganter als die Ausführung in Beton, sondern ist
auch leichter und aufgrund eines hohen Maßes an Vorfertigung
schneller zu bauen. Während die Betonpfeiler mit Hilfe variab­
ler Schalungen emporwuchsen, wurde der Überbau bereits an­
dernorts zu großen Teilen vorgefertigt. Aus stählernen Blechen
entstanden an verschiedenen Produktionsstätten immer größere
Einheiten, die Spezialtransporter zu den Widerlagern brachten.
Immer noch auf festem Boden schweißten Arbeiter die Teile zu
acht 351 Meter langen Fahrbahnsegmenten zusammen. Was
dann folgte, war gänzlich neu.
Normalerweise werden Schrägseilbrücken nämlich im symme­
trischen Freivorbau errichtet. Das heißt, wenn die Pylone stehen,
wird von ihnen aus zu beiden Seiten der Fahrbahnträger „an­
gestrickt“ und Stück für Stück mit Schrägseilen am Pylon ge­
sichert. Beim Bau des Viadukts gingen die Ingenieure einen an­
deren Weg: Nach dem Bau der Betonpfeiler schoben sie die acht
vorgefertigten Fahrbahnträger mit hydraulischen Pressen und
mit Hilfe provisorischer Stützen von beiden Seiten in Richtung
Talmitte. Damit die zeitweise frei schwebenden Enden sich nicht
zu weit nach unten biegen konnten, gingen zwei vormontierte
Pylone mit auf die Reise. Ihre Seile gaben dem auskragenden
Fahrbahnträger zusätzlichen Halt. Nach dem Brückenschluss
wurden die restlichen Pylone über die Fahrbahn zu den Pfei­
lern transportiert und aufgerichtet. Mit dem Spannen aller Seile
konnten schließlich die Hilfsstützen entfernt werden.
Pont du Gard des 21. Jahrhunderts
Nach nur knapp dreieinhalbjähriger Bauzeit wurde die Brücke
Ende 2004 eingeweiht, Mitte 2009 hatten sie bereits 20 Millio­
nen Fahrzeuge überquert. Die Baukosten von rund 400 Millionen
Euro sollen durch Mautgebühren finanziert werden. Die Fahrt mit
dem Pkw kostet 6,50 Euro (Stand Januar 2010). Auch wenn im
Zusammenhang mit der Brücke immer der Name des britischen
Stararchitekten Sir Norman Foster fällt, ist sein Verdienst eher
gering. Maßgeblich verantwortlich zeichnet der französische
­Ingenieur Michel Virlogeux, der schon den Bau der Pont de
­Normandie leitete und am Bau der Vasco-da-Gama-Brücke in
Lissabon beteiligt war.
Die Brücke, die vor allem in der Ferienzeit auf der Tangente
­ aris–Barcelona dafür sorgt, dass die Autofahrer schneller an
P
­ihren Urlaubsort kommen, ist heute selbst zum touristischen
Ziel geworden. Der Michelin-Reiseführer feiert sie als „Pont du
Gard des 21. Jahrhunderts“. Ob der Viadukt von Millau wie das
antike Vorbild auch 1000 Jahre überdauern wird, muss sich noch
zeigen. Der Hersteller garantiert der Brücke jedenfalls eine Le­
bensdauer von mindestens 120 Jahren.
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Lö su n g e n & I n n ovati o n e n | V i a d u k t vo n Mi l l au | 17
Die aus Beton gegossenen
Pfeiler stehen exakt 342
Meter auseinander.
Hydraulische Pressen schieben den stählernen Überbau von beiden Seiten in
Richtung Talmitte.
Die roten Hilfsstützen werden nach Spannen der Seile
entfernt.
Von jedem der sieben stäh­
lernen Pylone gehen jeweils
elf Seile aus.
1 8 | Lö sung en & Innovat ionen | At la nt ic H ot el s
Auf Er folgsku rs
„bute n un b in n en “
Die Bremer Hotelgruppe Atlantic verdoppelt 2010 ihre Kapazität und wagt den Schritt hinaus über die Grenzen des
Bundeslands Bremen. Für die Vernetzung der verschiedenen Standorte sorgt die QSC AG.
Text: UWe Lip pik
„Buten un binnen – wagen un winnen“, lautet der Wahlspruch der
Bremer Kaufleute. Das heißt „draußen und drinnen – abwägen
und gewinnen“ und beschreibt nicht nur hanseatischen Kauf­
mannsgeist, sondern auch das Geschäftsmodell der Bremer At­
lantic Hotels: „Binnen“ gibt es in alle Himmelsrichtungen verteilt
vier Hotels – im Norden das Hotel Vegesack, an der Universität
das Universum, nahe des Weserstadions das Atlantic an der Ga­
lopprennbahn und am Flughafen das Atlantic Airport. Etwas wei­
ter raus, aber noch immer im Bundesland Bremen, erhebt sich
in Bremerhaven das Flaggschiff Sail City, ein architektonisch
beeindruckendes Gebäude in Form eines Segels. „Buten“ steht
2010 auf dem Programm: Im Januar eröffnete als Franchise­
unternehmen in Essen das Kongresshotel an der Messe, weitere
Hotels folgen im März in Lübeck und im Juni in Kiel. Und nur ein
paar Schritte entfernt vom Schütting, dem Gebäude der Bremer
Kaufmannschaft, in dessen Türgiebel deren Wahlspruch prangt,
entsteht in der Böttcherstraße ein weiterer Neubau.
„Mit diesem Haus sind wir ab Mitte 2010 auch in zentraler Lage
präsent“, sagt Michael Stüring, der sich als Assistent der Ge­
schäftsführung um sämtliche Neubauten und die EDV-Belange
kümmert. Der 34-Jährige weiß aus dem Tagesgeschäft, dass
Innenstadtlage ein häufiges Buchungskriterium ist, auch wenn
man bei gleicher Entfernung in Berlin oder Hamburg viel länger
unterwegs ist.
Wer ein Atlantic Hotel aufsucht, dem fällt sofort die design­
orientierte Gestaltung auf. Im Hotel an der Galopprennbahn ist
der Empfangstresen einem Hindernis auf einer Jagdstrecke
nachempfunden; es dominiert die Farbe Grün. In Bremerhaven
verweist schon die Segelform auf das maritime Thema, das im
Inneren in vielen Abstufungen der Farbe Blau wiederkehrt. „Das
Gestaltungskonzept besteht in der Regel darin, das Äußere nach
innen zu holen“, erklärt Michael Stüring. „Ungeachtet dessen se­
hen wir uns immer als Zuhause auf Zeit für unsere Gäste.“ Dass
dem so ist, zeigt der sehr hohe Anteil an Stammkunden. „Wir
sind nicht so groß, dass wir wie eine anonyme Bettenburg wir­
ken.“ Abgesehen vom Franchise-Hotel in Essen mit 248 Zimmern
haben die Häuser 100 bis 200 Zimmer.
Die Hotels sind auf die Wünsche von Geschäftskunden zuge­
schnitten. Der Basiszugang zum Internet ist kostenlos, Busi­
ness-Terminals ermöglichen den Ausdruck von Dokumenten.
Für Michael Stüring zeigt sich die Fokussierung auf Geschäfts­
kunden bereits in den Zimmern. „Wir bieten Arbeitsplätze mit
ausreichend Platz sowohl für Laptop als auch Unterlagen.“ Für
Veranstaltungen aller Art steht ein breites Portfolio modernster
Tagungstechnik bereit: Beamer, WLAN, CAD-basierte Bestuh­
lungspläne sowie Licht- und Beschallungstechnik. In einigen
Hotels können sogar Autos über Außenlifte für Präsentationen in
höhere Stockwerke gebracht werden. „Wir orientieren uns sehr
stark am Markt vor der eigenen Haustür, ob das nun die nam­
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Lö su n g e n & I n n ovati o n e n | Atl a n ti c Hote l s | 19
Michael Stüring, Assistent der Geschäftsführung, wird 2010 weitere Atlantic Hotels
in Bremen, Lübeck und Kiel eröffnen.
Zu den bereits bestehenden Häusern der
Gruppe gehören in Bremen unter anderem
das Hotel Universum (l.) und das Hotel Airport (Mitte).
Das Flaggschiff der Gruppe, das Sail City in
Bremerhaven, ragt wie ein Segel aus dem
neuen Tourismusresort Havenwelten.
haften Autohersteller im Bereich der Rennbahn sind, der Bremer
Flughafen mit der Airport City als Dienstleistungs- und Service­
standort oder der Technologiepark am Universum.“ In Bremer­
haven hat das imposante Sail City selbst schon einen hohen
Zugfaktor. Es liegt inmitten des neuen Tourismusresorts Haven­
welten in unmittelbarer Nähe zu vielen touristischen Highlights.
Hinsichtlich Belegung und Umsätze ist das Mitte 2008 eröffnete
Sail City das stärkste Atlantic Hotel geworden.
Seit 2005, als an der Galopprennbahn das Atlantic Hotel eröff­
nete, besteht auch die Zusammenarbeit mit der QSC AG. Die Er­
öffnung weiterer Hotels erforderte die Vernetzung der einzelnen
Standorte. Zunächst wurden sämtliche Daten der Gruppe zentral
im Haus an der Rennbahn gespeichert. Mit wachsendem Daten­
volumen erfolgte dann im September 2009 der Umzug ins Data
Center Frankfurt, wobei die QSC AG ebenfalls die Anbindung re­
alisierte. Über dieses Netz läuft die gesamte Belegungs- und
Kundendatenverwaltung. „Wir sind darauf angewiesen, dass
unsere Standorte sicher und mit einer gleich bleibenden Perfor­
mance auf die Daten zugreifen können“, erläutert Michael Stü­
ring seine Anforderungen. „Lokale Anbieter findet man zwar zu
Genüge, aber die QSC AG ist einer der wenigen deutschlandwei­
ten Anbieter, die – einmal abgesehen von den ganz großen Unter­
nehmen – auch standortübergreifende Vernetzung leisten.“
2010 verspricht für die Atlantic Hotels ein wichtiges Jahr zu werden.
Mit Lübeck und Kiel vollzieht die Gruppe den Wandel von einer
Bremer zu einer norddeutschen Hotelmarke. Die Essener Eröffnung
markiert den ersten Schritt zu einer bundesdeutschen Hotelmarke.
Auch rein personell ist 2010 ein Quantensprung, denn in den
Neueröffnungen Kiel, Lübeck und Bremen finden 200 neue Mit­
arbeiter Arbeit. Von den neuen Toplagen schwärmt Michael
­Stüring schon heute: „In Lübeck sind wir das erste Haus, das in
der Innenstadt auf der sogenannten Altstadtinsel neu bauen darf.
Und in Kiel kann der Gast mit Blick auf die Hörn den Fähren beim
Ablegen zuschauen.“ Bis zu deren Eröffnung hat Michael Stüring
noch viel zu tun und danach vermutlich auch: „Das Hotel in Kiel
wird nicht das letzte sein, das wir bauen werden.“
2 0 | Lö sung en & Innovat ionen | R out eR a nk
Cl e v ere SoF t wa re für di e
Effe ktive Rei s epla n u n g
Auch im Zeitalter weltweiter elektronischer Vernetzung und Telekonferenzen muss man gelegentlich verreisen. Mit dem ökologischen
Reiseplaner routeRANK von Jochen Mundinger gelingt dies bei Bedarf sogar CO2-neutral.
Text: Christoph Wennekers
„Im Gegensatz zu anderen Lösungen, die jeweils
nur auf ein Verkehrsmittel eingehen, berücksich­
tigt routeRANK die gesamte Reiseroute, indem es
die verschiedenen Verkehrsmittel – Flug, Bahn und
Straße – kombiniert. In einer einzigen Suchanfra­
ge findet das System dann die beste Reiseroute,
geordnet nach den Kriterien günstigster Preis,
schnellste Reisezeit und niedrigste CO2-Emissi­
onen“, erläutert der Mathematiker die wichtigsten
Funktionen seines Routenplaners.
gänglichen Version unter www.routerank.com im In­
ternet testet, stellt zudem überrascht fest, dass die
Kriterien schnell, günstig und umweltfreundlich oft
keinen Widerspruch bedeuten. Oder anders herum:
Nicht immer garantiert ein ökologisch unkorrekter
Flug die schnellste Verbindung. Jochen Mundinger:
„Schaue ich bei anderen Reiseplanern zum Beispiel
nach einem Flug, sehe ich nur, dass die Verbindung
Genf–Köln circa 70 Minuten (Flug-)Zeit benötigt. Mit
Check-in und zwei Transfers bin ich aber schnell bei
fünf oder sechs Stunden Gesamtreisezeit.“
Der Reisende hat also die Wahl und kann seine
Route nach persönlichen Schwerpunkten zusam­
menstellen. Wer das System in der öffentlich zu­
Mit routeRANK spart man sogar schon wertvolle
Zeit bei der Reiseplanung. Das System kann auf
Wunsch außerdem auch anzeigen, ob und wie
lange man unterwegs arbeiten kann, und schont
außerdem noch das Reisebudget. Ein Student des
Statistical Laboratory an der Universität Cam­
bridge kam in seiner Master-Arbeit zu dem Ergeb­
routeRANK durchsucht die Straßennetze und Fahrpläne
öffentlicher Verkehrsmittel in ganz Europa sowie die Fluginformationen aller großen Flughäfen weltweit.
nis, dass „ein durchschnittlicher Reiseplanender
zweieinhalb Stunden an Suchzeit sowie 35 Prozent
des Reisepreises sparen kann“.
Maßgeschneiderte Lösungen
Vorteile, die auch Unternehmen und Institutionen
gerne für ihre Mitarbeiter und Mitglieder nutzen.
So gestaltete das Team um Jochen Mundinger
schon Corporate-Versionen für Nokia (Green Ex­
plorer) und den WWF (Travel Helper). Dabei ist
der Erfinder aus der Schweiz immer auf der Su­
che nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten.
Seine neuesten Ideen sind ein Direktlink zu Taxi­
unternehmen vor Ort sowie eine CO2-Kompensa­
tion über das Portal myclimate. Gegen einen ver­
gleichsweise geringen Beitrag kann der Nutzer von
routeRANK Klimaschutzprojekte in Entwicklungsund Schwellenländern fördern und damit quasi
CO2-neutral verreisen. Die Gebühr wird nach dem
Kohlendioxid-Ausstoß der individuellen Reise be­
rechnet. Auch hier spart derjenige am meisten, der
die Umwelt schont ...
Jochen Mundinger
und routeRANK
1998-2005: Universität Cambridge, Großbritannien, Studium
Mathematik mit Informatik
2005: Senior Researcher an der Ecole Polytechnique Fédérale
de Lausanne, Schweiz
2006: Start routeRANK: Forschung und Entwicklung wurden
durch die Schweizerische Förderagentur für Innovation (KTI) in
Zusammenarbeit mit der ETH Lausanne unterstützt.
Zahlreiche Auszeichnungen: routeRANK hat die Wettbewerbe
Schweizer Venture Leaders, Venture Kick und KPMG Tomorrow’s
Market Award gewonnen und war zudem für die niederländische
PICNIC Green Challenge, die Red Herring 100 Europe, den Green
IT Innovation Award 2009, die TechCrunch Europe Awards, die
Academic Enterprise Awards (Microsoft ICT Award) sowie für
den Microsoft Start-up of the Day nominiert.
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Lö su n g e n & I n n ovati o n e n | B l i n d Date Cooki n g | 21
Ne tworking i n der K ü c h e
Kochen liegt im Trend. Sich mit Überraschungsgästen zu verabreden, erhöht den Nervenkitzel und kann zu festen Verbindungen führen.
Te xt: Katja Sche yh ing
„Gemeinsam isst schöner“ – die Idee von Sonja Schrapp ist so einfach
wie erfolgreich. Vor rund zwei Jahren gründete die Schauspielerin
und Sängerin ihre Eventagentur „Blind Date Cooking“. Das Prinzip:
Drei Zweier-Teams treffen sich, ohne sich vorher gesehen zu haben,
zum Einkaufen und bereiten jeweils entweder Vorspeise, Hauptgang
oder Nachtisch vor. Gegessen wird dann in der Sechser-Gruppe bei
einem der Teammitglieder zu Hause in Köln, Münster oder Waren­
dorf. „Blind Date Cooking ist eine ganz zwanglose Art, neue Men­
schen aus der Umgebung kennenzulernen. Denn Kochen ist etwas
völlig Alltägliches, niemand muss sich dabei verstellen“, beschreibt
die 37-Jährige, die auch als Personal Coach arbeitet, das Konzept.
Wer also keine Lust hat, alleine auszugehen, neue Kontakte sucht
oder gerne mit Gleichgesinnten ein Rezept ausprobieren möchte, ist
hier richtig. Meisterkoch-Qualitäten sind nicht erforderlich. Während
das eine Team in Rehrücken mit Preiselbeeren oder selbst gemach­
ten Nudeln seine Herausforderung sieht, sind für eine andere Paa­
rung Würstchen mit Kartoffelsalat vielleicht völlig ausreichend. Im
Vordergrund stehen das gemeinsame Tun und der Spaß.
Wie nahe sich die Kochpärchen beim Schnibbeln, Rühren und Ab­
schmecken kommen, bleibt der Sympathie überlassen. Als Part­
nervermittlerin sieht sich Sonja Schrapp jedoch nicht: „Wir schaffen
einen entspannten Rahmen für eine gesellige Runde. Darunter sind
Geschäftsleute, die über diesen Weg Business-Kontakte aufbauen
möchten, genauso vertreten wie Singles, denen die üblichen Veran­
staltungen für Alleinstehende zu aufgesetzt sind.“ Dennoch: Sechs
Beziehungen, die aus einem gemeinsamen Kochabend entstanden
sind, sprechen für sich. „Das liegt natürlich auch an der Atmosphä­
re: Man geht gemeinsam einkaufen, kocht und isst zusammen, plau­
dert und steht nicht unter Zugzwang, wie das auf einer klassischen
Single-Party der Fall ist.“ Doch auch Paare, die neu in der Stadt sind
oder die ihren Bekanntenkreis erweitern wollen, nehmen das Ange­
bot gerne an. Sonja Schrapp weiß von Hobby-Kochgruppen und so­
gar von Männerfreundschaften, die beim Get-together am Herd ihren
Ursprung gefunden haben. Ganz zufällig ist die Zusammenstellung
der Teams nicht, die Auswahl erfolgt nach festen Kriterien. Alter, Be­
ruf, Interessen, persönliche Motivation – ein Anmeldebogen klärt die
wichtigsten Details, damit möglichst diejenigen zusammenkommen,
die auch zusammenpassen könnten. Zum Ausklang treffen sich die
über die jeweilige Stadt verteilten Gruppen in einer Bar, um auch hier
Gelegenheit zu haben, sich mit anderen Teilnehmern auszutauschen.
„Seit Kurzem wählen wir für diese Abschlussveranstaltung gezielt
Locations aus, die auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich erschei­
nen – vom Schwimmbad über einen Friseursalon bis hin zum Zoo, wo
ein Biologe noch eine kurze Führung gibt, ist alles denkbar. Unser
Ziel ist, den Abend zum unvergesslichen Event zu machen und den
Grundstein für möglicherweise bleibende Verbindungen zu schaffen“,
so die Geschäftsführerin, die für ihr innovatives Dienstleistungskon­
zept bereits den Unternehmerinnenbrief NRW erhielt.
2 2 | Lö sung en & Innovat ionen | K a b ellos e V erb i n d u n g e n
M it WLL d ra h t los
B e ste ns ve rb u n den
Nach ihrem Umzug stand der Kölner DFS Druck Brecher GmbH keine ausreichend schnelle Internet­
anbindung mehr zur Verfügung. Als Alternative zu einem teuren Netzausbau entschied sich das Unter­
nehmen an dem neuen Standort für eine drahtlose Anbindung.
T ext : UWe Lippik
In der Druckhalle der Kölner DFS Druck
Brecher GmbH riecht es nach Farbe. Mo­
derne Maschinen vom Typ Heidelberger
rattern und spucken Bogen für Bogen
aus. Auf Paletten getürmt, warten diese
darauf, geschnitten, gefaltet oder ge­
heftet zu werden. Gedruckt werden Pro­
spekte, Kataloge, Bücher und vieles mehr.
Ein vielseitiges Portfolio an hochwertigen
Druckerzeugnissen, die eines gemein
haben, wie Geschäftsführer Thomas Bre­
cher betont: „Ohne eine leistungsstarke
Internetanbindung läuft hier gar nichts.“
Denn die Basis von allem sind elektro­
nische Daten, die von den Kunden über­
wiegend per E-Mail oder FTP-Server zur
Verfügung gestellt werden.
Richtfunk als Alternative
Als das 1975 gegründete Familien­
unternehmen 2007 aufgrund wachsender
Kapazitäten seinen neuen Standort mit
inzwischen mehr als 100 Beschäftigten
bezog, erwies sich der bestehende In­
ternetanschluss schon bald als Hemm­
schuh. „Manchmal sind Mitarbeiter, die in
der Umgebung wohnen, nach Hause ge­
fahren, um dort die Daten herunterzula­
den und auf den USB-Stick zu ziehen. Das
ging immer noch schneller als über die
vorhandene Leitung“, erinnert sich Tho­
mas Brecher. Unter dem Gesichtspunkt
der immer kurzfristigeren Liefertermine
aber ein unhaltbarer Zustand, weshalb
dringend Abhilfe geboten war. Die Dru­
ckerei entschied sich schließlich für eine
WLL-Lösung (siehe Kasten) von QSC, also
für Internet per Funk.
Im Gegensatz zu terrestrischen Daten­
verbindungen werden Richtfunkstrecken
schnell und problemlos installiert. Der
Zugang erfolgt nicht über erdgebundene
Leitungskabel, sondern davon unabhän­
gig durch die Luft per Funk. Für die Im­
plementierung ist ein sogenannter Lineof-Sight-Check notwendig, den auch bei
der DFS Druck ein QSC-Mitarbeiter vor
Ort durchführte. Von einer Line-of-Sight
(LOS) spricht man, wenn sich die Anten­
nen an den jeweiligen Endpunkten einer
Funkstrecke ungestört „sehen“ können.
Die Schüssel auf dem Dach der Drucke­
rei ist zum Beispiel auf das Hochhaus
der Uniklinik Köln ausgerichtet. LOS-Ver­
bindungen kommen meist bei Systemen
mit hohen Anforderungen an Datenrate,
Verfügbarkeit und Reichweite der Funk­
strecke zum Einsatz. Die QSC AG bietet in
Sachen WLL ausschließlich LOS-Verbin­
dungen an.
„Die gebotene höhere Bandbreite im
Preis-Leistungs-Verhältnis ist für uns
die beste Lösung, zumal sie auch später
weiteres Potenzial für noch mehr Band­
breite bietet“, erläutert der Geschäftsfüh­
rer seine Entscheidung für WLL. „Wenn
wir weiter wachsen, ist es kein Problem
mehr draufzupacken. Auch Voice over IP,
das wir bislang noch nicht nutzen, ist eine
interessante Option.“ Im Anschluss an
die Termin­absprachen erfolgte die Imple­
mentierung binnen einer Stunde. Nach
dem Aufstellen musste die Schüssel nur
per Kabel an den Server angeschlossen
werden. Ein paar EDV-Einstellungen be­
züglich Router und Firewall und schon
war die neue Verbindung startklar. „Das
Netz hat sich im Alltagsbetrieb bewährt
und funktioniert problemlos bei allen Wet­
terbedingungen“, sagt Thomas Brecher.
Kundenkontakt auf Augenhöhe
Nicht nur das Produkt, auch der Service
überzeugt den Geschäftsführer, der die
QSC AG in jedem Fall weiterempfehlen
würde. Sein Fazit: „Die Verhandlungen
und Absprachen sowie später auch die
Umsetzung verliefen unkompliziert und
fair. Bei größeren Konzernen gab es kei­
nen Spielraum für individuelle Lösungen.
Wir hatten immer das Gefühl, nicht wich­
tig genug zu sein, während man uns bei
QSC von Anfang an auf Augenhöhe wahr­
genommen hat. Unsere Wünsche und
Bedürfnisse wurden analysiert und in eine
für uns wirtschaftliche und effektive Lö­
sung umgesetzt.“
Was ist WLL?
WLL steht für Wireless Local Loop und heißt übersetzt so viel wie „kabelloses Zugangsnetz“ oder
Internet per Funk. Die WLL-Lösungen der QSC AG
stellen eine ideale Basis sowohl für einen hochwertigen Internetzugang als auch für VPN (Virtual
Private Network) oder für Voice over IP dar. Sie
können als Hauptverbindung oder auch als redundante Back-up-Variante eingesetzt werden.
Neben ständiger Verfügbarkeit stehen in der Regel symmetrische Bandbreiten von 2 Mbit/s bis zu
800 Mbit/s zur Verfügung. Somit stellt WLL eine
echte Alternative zu terrestrischen Leitungen dar.
Nicht zuletzt bietet die Lösung durch Firewalls und
die unternehmensinterne Kommunikation via VPN
ein Höchstmaß an Sicherheit.
Thomas
Brecher,
Ge-
schäftsführer der Kölner
DFS Druck, mit der Schüssel, die für die drahtlose
Anbindung der Druckerei
ans Internet sorgt.
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Lö su n g e n & I n n ovati o n e n | K a b e l lo se V e r b i ndu n ge n | 23
2 4 | M e n schen & Pr ojekt e | d olm et s cher
M it der S p r ac h e
­B rücken s c h l ag en
Dolmetscher verbinden Menschen mit unterschiedlichen Sprachen. Ein anstrengender Beruf, denn Zuhören und
Übersetzen erfolgen fast parallel. „Der schönste Moment ist, wenn die Beteiligten mich komplett vergessen“,
sagt die Düsseldorfer Dolmetscherin Andrea Wilming.
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Dolmetscher versuchen,
den Redner so naturge­
treu wie möglich wieder­
zugeben, um dem Zu­
Tex t: C h ris t ia ne H a uta u
Die Amtseinführung von Barack Obama, Hugh Grant
bei „Wetten, dass ...“, Merkel und Sarkozy, Fachkon­
gresse oder Firmengeschäfte: Dolmetscher sitzen
überall dort, wo wichtige Personen etwas zu sagen ha­
ben. Im Verborgenen arbeiten sie wie eine unglaublich
leistungsfähige Blackbox. Blitzschnell wird der Input
von mindestens 60 Wörtern in der Minute von der einen
in die andere Sprache übersetzt und landet im Output.
Zuhören und Sprechen laufen fast parallel. Kein Wun­
der, dass laut einer Studie der Weltgesundheitsorgani­
sation WHO der Beruf des Simultandolmetschers fast
genauso stressig ist wie der von Düsenjetpiloten oder
Fluglotsen.
hörer auch seine Emo­tionen und Gedanken
zu vermitteln.
„Länger als 30 Minuten in der Kabine geht auch nicht,
dann wird abgewechselt, weshalb wir immer in Zwei­
er- und manchmal sogar in Dreier-Teams arbeiten.
Man kann das Gehirn nicht zwingen, wach zu bleiben“,
beschreibt die Düsseldorfer Dolmetscherin Andrea
Wilming ihren Alltag. Simultandolmetschen bedeutet,
dass fast zeitgleich aus einer schalldichten Kabine
übertragen wird. Ihre Pionierstunde hatte diese Tech­
nik 1945/46 bei den Nürnberger Naziprozessen, wo 36
Dolmetscher in und aus den vier Sprachen der Alli­
ierten übersetzten. Das bis dahin übliche schriftliche
Konsekutivdolmetschen hätte aufgrund der Zeitver­
zögerung das Gerichtsverfahren über Jahre gezogen.
Simultan werde heute bei rund 90 Prozent aller Ein­
sätze gedolmetscht, sagt Wilming, als Unterform gebe
es noch das sogenannte Flüstern zum Beispiel bei
Verhandlungen. Diese Technik sei aufgrund der vie­
len Hintergrundgeräusche aber für beide Seiten sehr
anstrengend, erklärt die Diplom-Dolmetscherin, die
für ihren Job sechs Jahre in Heidelberg studierte und
einige Zeit in den USA und in Spanien lebte. Ein Hoch­
schulabschluss oder ein vergleichbarer Abschluss ist
für Wilming unerlässliches Qualitätsmerkmal der un­
geschützten Berufsbezeichnung. Sie und viele ihrer
Kollegen sind zudem im VKD, dem Berufsverband für
Konferenzdolmetscher organisiert, der strenge Aufla­
gen für eine Mitgliedschaft hat.
Dolmetschen ist mehr als Sprache
Im Unterschied zu Übersetzern, die nur schriftlich ar­
beiten, übertragen Dolmetscher das Gesagte mündlich,
weshalb auch das Training von interkulturellen Kompe­
tenzen in der Ausbildung ganz groß geschrieben wird.
Denn nicht überall auf der Welt ist Kopfnicken gleich Ja
oder wird Händeschütteln als höflich bewertet. „Dol­
metschen ist mehr als Sprache, man verdolmetscht
ja auch Sitten und Gebräuche anderer Völker, und ich
kann helfen, Brücken zu bauen“, reflektiert die 32-Jäh­
Me n sch e n & p r oj e k te | d o l m etsch e r | 25
rige ihren Beruf. „Der schönste Moment ist, wenn die
Beteiligten mich komplett vergessen und die Kommu­
nikation wie von selbst funktioniert.“ Dafür schlüpft sie
möglichst tief in die Haut des Vortragenden hinein. In
der Kabine wird mit den Händen gestikuliert, die Stim­
me hebt und senkt sich, es wird gelacht, oder die Stirn
legt sich bedenklich in Falten. Dolmetscher versuchen,
den Redner so naturgetreu wie möglich wiederzugeben,
um dem Zuhörer auch seine Emotionen und Gedanken
zu vermitteln. Schließlich habe der Angesprochene ja
ein Recht darauf zu erfahren, was genau ihm gesagt
wird – auch im Subtext, betont Wilming.
Terminologische Vorbereitung ist Pflicht
Einige Male war sie schon richtig prominent. So hat
die zierliche Frau unter anderem Altkanzler Helmut
Kohl, der ehemaligen Familienministerin Ursula von
der Leyen und dem früheren ARD-Anchorman Ulrich
Wickert ihre Stimme geliehen. Damit es auch fachlich
bestens klappt, müssen sich Dolmetscher themen­
bezogen und terminologisch intensiv einarbeiten. Als
Faustregel gilt: Einen Tag lang dolmetschen bedeutet
mindestens auch einen Tag Vorbereitung, „der Kunde
merkt sonst sehr schnell, wenn ich nicht weiß, wovon
ich spreche“, so die 1,7er-Abiturientin. Dafür erhalten
Dolmetscher in der Regel ein Tageshonorar von 750 bis
900 Euro. Durch die Globalisierung ist die Nachfrage
tendenziell steigend, allerdings würden manche Firmen
versuchen, Dolmetschleistungen einzusparen, indem
zum Beispiel Englisch als offizielle Sprache festgesetzt
werde. „So entsteht dann häufig ein Gesprächsmisch­
masch aus Denglisch, Spenglisch oder Frenglisch, wo­
mit sich keiner der Beteiligten wohlfühlt und was auch
zu Missverständnissen führen kann“, gibt Wilming,
die auch als Pressesprecherin des Berufsverbands
arbeitet, zu bedenken. Vorbild für eine internationale
Zusammenarbeit ist die Europäische Union: Um das
Niveau und die Gleichberechtigung ihrer politischen
Diskussionen und Verhandlungen zu sichern, wird in
der EU offiziell in 23 Sprachen gesprochen.
Kommunikationsunfälle kann es aber auch in Brüssel
geben. Die liegen dann weniger am fehlenden Geld,
sondern in der Tücke der Sprache. Witze verlieren in
der Übersetzung meistens ihre Pointe, und auch Rede­
wendungen können mal schiefgehen. Manchmal sorgt
sogar das Wetter für Unverständnis, wie sich Wilming
an einen Kabineneinsatz vor einer Freilichtbühne erin­
nert: „Plötzlich fing es furchtbar an zu stürmen, zudem
schüttete es wie aus Kübeln. Als wir uns dann nach
der Aufführung umdrehten, war vom Publikum nichts
mehr zu sehen, nur noch unsere Kabine stand auf dem
riesigen Platz“, erzählt sie schmunzelnd.
2 6 | M e n schen & Pr ojekt e | F reim a urer
Im Zeichen von Z irk el
un d Win ke lma SS
Um die Verbindung der Freimaurer ranken sich viele Legenden und Gerüchte. Doch was macht die Bruderschaft
wirklich? „Die Freimaurerei ist ein Rückzugsort, um an sich selbst zu arbeiten“, erklärt ein Logenmitglied.
Text: chr isti a ne H a uta u
Louis Armstrong, Winston Churchill, Clark Gable, Johann Wolfgang von Goethe, Wolfgang Amadeus Mozart, Gustav Stresemann
oder George Washington – so unterschiedlich diese Persönlichkeiten auch waren, sie hatten eins gemeinsam: Alle gehörten
zu den Freimaurern. 1776 schrieb Lessing über die Ideale der
Logenbrüder: „Dass es in jedem Staate Männer geben möchte,
die über die Vorurteile der Völkerschaft hinweg wären, die dem
Vorurteile ihrer angebornen Religion nicht unterlägen, welche
bürgerliche Hoheit nicht blendet und bürgerliche Geringfügigkeit
nicht ekelt.“
Tugend, Toleranz und freies Denken – diese Werte zählen bis
heute und verbinden circa sechs Millionen Brüder auf der ganzen
Welt. „In den Logen sitzen Männer aus den unterschiedlichsten
Glaubensrichtungen und Berufen. Denn was man beispielsweise unter Gott versteht, bleibt jedem selbst überlassen“, betont
Harald E. Meyer (60), Sekretär der Vereinigten Großlogen von
Deutschland, die Wichtigkeit der Toleranz. Die VGlvD in Berlin
ist sozusagen die Repräsentationsspitze der fünf Großlogen, die
sich wiederum aus 470 Einzellogen zusammensetzen, in denen bundesweit rund 14.000 Mitglieder organisiert sind. „Aller-
dings gehen die Freimaurer in ihrem Glauben
grundsätzlich von einem höheren Wesen aus“,
fügt der Physiker hinzu.
Die Einzelloge ist, ähnlich wie beim Sport, ein eingetragener Verein. Es muss ein Beitrag entrichtet werden, man ist an Spielregeln gebunden, und das Logenhaus steht zunächst jedem offen.
Da stellt sich die Frage: Was passiert da eigentlich, was ist Freimaurerei? Ein traditioneller Männergesprächskreis mit Hohem
Hut und weißen Handschuhen, den Zeichen des freien Mannes,
eine Serviceverbindung wie der Lionsclub oder vielleicht eine Art
Museum für alte Maurersitten und Gebräuche? Weder noch: „Die
Freimaurerei gibt Menschen inneren Halt, sie gibt Struktur und
ist ein Rückzugsort, um an sich selbst zu arbeiten, sich selbst
zu korrigieren, im Prinzip ist Freimaurerei Lebensschule“, fasst
Alexander N. (40), der seinen vollständigen Namen wegen eventueller Vorurteile nicht nennen möchte, zusammen. Seit zehn
Jahren ist der Ingenieur Mitglied der Düsseldorfer Loge „Rose
und Akazie“. „Wir sind ein im Diesseits stehender Lebensbund
und keine Religion“, ergänzt Hans-Dieter T. (75). Die diesseitige
Logenarbeit kann, je nach eigener Zielsetzung, eher karitativ
oder mehr an der Selbstveredelung orientiert sein. Meistens
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Me n sch e n & P r oj e k te | F r e imau re r | 27
Freimaurersymbole, zum Beispiel das
allsehende Auge, finden sich auch auf
der Ein-Dollar-Note der USA.
ist es eine Mischung aus beidem. Für die Arbeit an sich selbst
treffen sich die Brüder der „Rose und Akazie“ in regelmäßigen
Abständen zur Tempelarbeit in einem besonderen Versammlungsraum des Logenhauses. Durch Rituale und philosophische
Gespräche sollen Erkenntnisprozesse für das eigene Wachstum
ausgelöst werden.
Vollkommener Schliff des Steins als Sinnbild
Eine tragende Rolle spielen dabei Symbole wie zum Beispiel Winkelmaß und Zirkel. „Das Maß symbolisiert das göttliche Gesetz,
der Zirkel dagegen steht für die menschliche Seele, die sich dem
Gesetz öffnet“, erklärt Hans-Dieter T. Weitere Zeichen sind unter
anderem Kelle, Hammer sowie der raue und der kubische, also
der geschliffene vollkommene Stein, dessen Perfektion ein Freimauer im irdischen Leben aber niemals erreichen wird. Die Symbole und auch der Schurz, der heute noch bei der Tempelarbeit
häufig getragen wird, spiegeln die Traditionen der freien herumreisenden Dombauer im späten Mittelalter wider. Die Steinmetze
waren nicht in ortsansässigen Innungen, sondern in überregionalen Bauhütten, auf Englisch „lodges“ bzw. Logen, organisiert.
1717 schlossen sich dann in London zum ersten Mal Freimaurerlogen zu einer Großloge zusammen. Schon damals war man der
vielen Kriege überdrüssig, und es galt das Motto: Nicht den anderen ändern oder mit Gewalt anpassen, sondern vornehmlich an
sich selbst arbeiten, wie man symbolisch den Stein schleift. Auch
die hierarchischen Grade der Freimaurer orientieren sich am
Handwerk. Sie sind in Lehrling, Geselle und Meister unterteilt.
Nach jeweils einem Jahr intensiver Selbst­arbeit kann in einer
feierlichen Zeremonie der Aufstieg erfolgen. Was aber letztlich
hinter den verschlossenen Tempeltüren passiert, soll möglichst
wenig an die Öffentlichkeit gelangen, denn die gemeinsamen Erlebnisse und Rituale der Brüder sind die eigentlichen Geheimnisse der Freimaurer bzw. der jeweiligen Loge. „Das darf nicht
zerredet und dadurch zerstört werden“, sagt Alexander N. Doch
genau diese Verschwiegenheit gab nicht nur in der Vergangenheit
immer wieder Anlass für Gerüchte und Spekulationen. Während
der NS-Zeit wurde gar ein generelles Logenverbot für die damals
rund 80.000 Brüder erlassen. Bis heute ist es daher Ehrenkodex,
dass die Namen lebender Mitglieder nicht genannt werden. Berühmte Freimauer wie der Schauspieler und Entwicklungshelfer
Karl-Heinz Böhm (71) haben sich in der Regel selbst bekannt.
„Rose und Akazie“-Bruder Hans-Dieter T. (75) erzählt, dass ihn
einst sein Chef über ein Zeitungsfoto mit den Worten „ist ja nicht
so schlimm“ geoutet habe. Wirkliche Nachteile habe er zum
Glück aber nie erfahren. Letztlich sind die Freimaurer auch eine
Weltbrüderkette: Geht man in eine andere Stadt oder ins Ausland
und meldet sich bei einer Loge an, hat man sofort Kontakte mit
Menschen, die ähnlich denken.
Und auch wenn bei den traditionellen Freimaurern die Frauen bei
der Tempelarbeit draußen bleiben müssen, so gibt es doch viele
Veranstaltungen, wo die Partner mit eingebunden sind. Zudem
hat sich das weibliche Geschlecht schon lange emanzipiert: In
den 80er-Jahren sind zahlreiche Frauen- und sogar gemischte
Logen entstanden. Großsekretär Harald E. Meyer hat da allerdings seinen Grundsatz: „Männliche und weibliche Logen sind
in Ordnung, von gemischten halte ich nicht soviel. Männer und
Frauen passen einfach nicht an allen Orten zusammen.“
2 8 | M e n schen & Pr ojekt e | S eid ens t ra ss e
Mythos Seidenstraße
Ihr Exotik und Luxus verheißender Name kam erst auf, als die legendäre Handelsroute schon längst Geschichte war: Zwischen 1868 und
1872 unternahm der deutsche Geograf Ferdinand von Richthofen
mehrere Reisen nach China und nannte in seinen Reisebeschreibungen den jahrhundertealten Karawanenweg „Seidenstraße“. Der
Begriff „Straße“ ist allerdings irreführend, denn die Seidenstraße
war ein weit verzweigtes Verkehrsnetz mit Haupt- und Nebenrouten, die von China durch Zentralasien bis zum Mittelmeer und zum
Schwarzen Meer führten. Außer Seide brachten die Karawanen
Teppiche, Jade, Keramik, Tee und Gewürze nach Europa, aus dem
Westen kamen auf diesem Weg Weihrauch, Elfenbein, Gold und Wein
nach China. Die Seidenstraße war aber nicht nur ein Handelsweg,
sondern diente auch als Missionspfad für die Weltreligionen sowie
dem Austausch von handwerklichen Techniken und wissenschaftlichen Errungenschaften. Ihre Blütezeit hatte sie zwischen dem 6.
und 9. Jahrhundert. Xian, zeitweise chinesische Hauptstadt, und
Byzanz, das heutige Istanbul, waren die beiden Metropolen an ihren
Endpunkten. In der frühen Neuzeit verlor der Handelsweg mit dem
Aufkommen der Seeschifffahrt an Bedeutung.
Die Reise zwischen China und dem Mittelmeerraum dauerte zwei
bis drei Jahre. Je nach Route waren mehr als 6.000 Kilometer zurückzulegen, die zum Teil durch unwirtliche Landstriche wie das
Pamir­gebirge oder die Wüste Taklamakan führten. „Die einzigen
Wegweiser sind die ausgedörrten Knochen der Toten“, notierte ein
chinesischer Mönch, nachdem er die Taklamakan durchquert hatte.
Aufgrund der großen Gesamtdistanz verkehrten die Händler nur auf
Teilstrecken. Die Chinesen übergaben die Waren an zentralasiatische
Aufkäufer, die sie weiter zu persischen, syrischen und griechischen
Kaufleuten transportierten. Dieser Zwischenhandel führte dazu, dass
die beiden großen Handelspartner an den jeweiligen Endpunkten der
Route, der Kaiser von China und die römischen Herrscher, erstaunlich wenig voneinander wussten.
Entscheidend zum Mythos der Seidenstraße beigetragen hat die Handelsware, der sie ihren Namen verdankt: die Seide. Lange Zeit hatten
die Chinesen das Monopol für die Herstellung inne und setzten alles
daran, dieses Geheimnis zu wahren. Die Römer, wichtigste Abnehmer
in der Antike, vermuteten gar, dass die Seide auf Bäumen wachse.
Gewonnen wird die feine Textilfaser aus den verpuppten Raupen des
Seidenspinners, die sich von den Blättern des Maulbeerbaums ernähren. Vor dem Schlüpfen werden die Raupen abgetötet. Danach
wird der Seidenfaden ihres Kokons in einem Stück abgewickelt. Bei
Todesstrafe war es verboten, Seidenraupen auszuführen. Nach einer
von vielen Legenden rund um die Seide schmuggelte eine Prinzessin
Seidenraupen und Maulbeersamen in ihrem Kopfputz außer Landes,
da sie in der Fremde nicht auf Gewänder aus diesem edlen Textil
verzichten wollte.
All ein a u f der
S ei den s t ra ss e
Einmal die Seidenstraße von Istanbul bis nach Peking hinunterbrettern –
die Bikerin Angela Brandl (47) aus dem bayerischen Moosburg setzte sich ­
auf ihre Honda Dominator, gab Gas und erlebte einen Trip, den sie niemals
vergessen wird. Ein Gespräch über sechseinhalb Monate Abenteuer.
Fernab der Zivilisation:
I n te r v i e w: S e b a sti a n A r ac k a l
auf einer Schotterpiste
Wie entstand die Idee, auf der Seidenstraße bis nach Peking zu fahren?
im Pamirgebirge.
Vor zehn Jahren bin ich mit dem Motorrad von Deutschland nach Australien
gereist und habe dabei den südlichen Teil der Seidenstraße kennengelernt –
damals habe ich schon davon geträumt, auch den nördlichen Teil zu erkunden.
Mich haben zudem die historischen Reiseberichte Marco Polos zu der Reise
inspiriert.
Welche Bedeutung hat die legendäre Handelsroute heute?
Im Vergleich zu ihrer Blütezeit hat die Seidenstraße natürlich an Bedeutung
verloren. Streckenweise spielt der Lkw-Verkehr eine wirtschaftliche Rolle. Zu­
nehmenden Tourismus findet man in Städten wie dem usbekischen Samar­
kand. Manche Regionen sind sehr einsam, dort ist man praktisch alleine un­
terwegs. Der schlechte Straßenzustand erschwert das Reisen.
Eine gut 28.000 Kilometer lange Strecke auf dem Motorrad zurückzu­
legen, ist nicht gerade die angenehmste Art sich fortzubewegen.
Ich bin kein Typ, der im Auto reist. Das ist mir zu weit weg vom Geschehen. Das
Motorrad war für mich ein Türöffner. Wenn mich die Einheimischen in Zen­
tralasien mit meiner Honda gesehen haben, war ich in jeder Jurte herzlich
willkommen. Mehr noch als die einzigartigen Landschaften haben mich die
Menschen und ihre Kultur fasziniert.
Wie haben Sie sich verständigt?
Samarkand – alte Handelsmetropole an der Seidenstraße.
Für eine meiner früheren Reisen habe ich Russisch gelernt, das hat mir
weiter­geholfen. Englisch manchmal auch. In China habe ich mich mit Zetteln
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verständigt, auf denen ich bestimmte Schriftzeichen notiert hatte. Zur Not hilft
Bayerisch, das verstehen alle. Der Klang der Stimme ist entscheidend.
Me n sch e n & p r oj e k te | se i d e n strasse | 29
in meiner deutschen Heimat nicht schätze. Die Herausforderung ist, sich in beiden
Welten zurechtzufinden. Ich kann mir nicht vorstellen, immer unterwegs zu
sein. Trotzdem bekomme ich schnell wieder Fernweh.
Wie haben Sie die Verbindung nach Deutschland gehalten?
Gelegentlich schickte ich Mails, oder ich habe angerufen. GPS hatte ich nicht
dabei, auch kein Handy.
Klingt archaisch – veränderte sich Ihr Zeitgefühl während der Reise?
Tipp: Wer mehr über Angela Brandls Motorradtouren erfahren möchte, kann ­einen
ihrer Vorträge besuchen. Sie erzählt dort die besten Anekdoten von unterwegs
und zeigt ihre Reisebilder. Aktuelle Termine finden sich auf ihrer Website
www.angelabrandl.de
Ich löste mich völlig aus meinem alltäglichen Rhythmus. Mein Zeitgefühl
prägte die Dauer meiner Visa der Länder, die ich durchquerte. Und natürlich
die Jahreszeiten: Den Pamir-Highway konnte ich beispielsweise nicht im Okto­
ber befahren, in dem Hochgebirge ist es dann zu kalt.
Stichwort Zeit: Wie bekamen Sie Ihre sechseinhalb Monate dauernde
Motorradtour mit Ihren beruflichen Verpflichtungen unter einen Hut?
Ich kündigte. Mit dem Plan, dass ich mir nach der Rückkehr wieder eine neue
Stelle als Zahnarzthelferin suchen würde. Bei früheren Reisen hat das schon
gut funktioniert. Bei Bewerbungen sind meine Reisen kein Problem. Eher im
Gegenteil: Die Leute sagen sich, wenn sie ihre Touren meistert, wird ihr auch
die Organisation einer Praxis gelingen. Zurzeit verdiene ich mein Geld mit Rei­
sevorträgen.
Hatten Sie einen Kulturschock bei der Rückkehr ins bayerische Moosburg?
In Zentralasien fand Angelika
Den Mut brauchen Sie nicht fürs Wegfahren, sondern fürs Heimkommen. Unter­
wegs kann ich freier leben. Was aber nicht heißt, dass ich das geregelte Leben
Brandl Unterkunft in den traditionellen Jurten.
3 0 | M e n schen & Pr ojekt e | C H öre
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Me n sch e n & P r oj e k te | ch öre | 31
P ER FEKTE HAR M O NIE
Auch wenn die Rolling Stones sangen: „It‘s the singer, not the song“ – es müssen nicht immer die Solisten sein, die im Rampenlicht stehen.
Im Chor macht das Miteinander die Musik. Und den Erfolg bringen verbindliche Tugenden wie Rücksicht und Einfühlungsvermögen.
Te xt: Jan Wilms
Die Berliner Philharmonie strahlt in Festbeleuchtung. Heute ist einer
der Höhepunkte der Saison, die Musikfreunde tragen Abendgardero­
be und erwarten ein großes Konzert: Brahms und Schönberg, Wie­
ner Spätromantik und Frühmoderne, Werke für Orchester und Chor.
Aufgeführt von den Berliner Philharmonikern unter der Leitung des
Stardirigenten Christian Thielemann. Doch es ist nicht das weltweit
gefeierte Orchester, das später den herzlichsten Applaus hören wird.
Auch nicht sein Maestro. Es ist der Berliner Rundfunkchor, der mit
seiner stimmgewaltigen und beseelten Interpretation von Brahms’
„Schicksalslied“ das Publikum tief berührt.
Auch die Europäische Kulturhauptstadt 2010 steht im Zeichen des
gemeinschaftlichen Gesangs: Am 5. Juni wird in der Veltins-Arena
auf Schalke der weltweit größte mehrstimmige Chor auftreten. Das
Projekt der RUHR.2010 vereint 65.000 Profi- und Amateursänger un­
ter Leitung des Bochumer Generalmusikdirektors Steven Sloane in
einer gigantischen Interpretation von Beethovens Neunter Sympho­
nie. Der Auftritt ist der Höhepunkt des „SING! – Day of Song“, an
dem insgesamt 300.000 Hobbysänger aus dem Ruhrgebiet auf den
Straßen, Plätzen und Kanälen zwischen Duisburg und Dortmund sin­
gen werden. Gleichzeitig ist der Tag ein starkes Symbol für eine San­
gestradition, die sich bundesweit in zahllosen Vereinen und Chören
organisiert.
Einer der im Sommer am „Day of Song“ teilnehmenden Chöre ist
der Knappenchor Consolidation aus Herten, 1917 von Bergleuten ge­
gründet, die immer noch die Mehrheit der Sänger stellen. Der Vor­
sitzende Frank Beran sitzt im Gemeindehaus der Herz-Jesu-Kirche
Herne-Wanne, gerade ist der letzte Akkord des Bergdankgottes­
diensts verklungen. „Im Chor ist es wie unter Tage: einer für alle,
alle für einen“, sagt Beran. Denn das lernt der Kumpel schon auf
seiner ersten Schicht: Wer Alleingänge der Gruppenräson vorzieht,
steht schnell abseits. „Unser Beruf und auch die Bergmannschöre
sterben langsam aus“, meint Beran: „Die Sozialkompetenz und das
Gemeinschaftsgefüge könnten aber auch andere Branchen gut ge­
brauchen.“
Wie sehr Chöre die sozialen Strukturen stärken, wird oft übersehen.
In den vergangenen Jahrzehnten galt in der Verhaltenswissenschaft
das Paradigma des Menschen als eigennütziger Homo oeconomicus.
Doch mindestens genauso oft basieren Erfolg und Fortkommen auf
Kooperationen. In der Kunst, schon immer Extremform und Testbo­
den für gesellschaftliche Entwürfe, heißen Gemeinschaften Ensem­
ble – das französische Wort bedeutet zusammen oder miteinander.
Ein Chor ist die archaischste Form eines Ensembles – und immer
noch die populärste.
Doch was ist das Geheimnis eines herausragenden Chores? Die ob­
ligatorische Voraussetzung sind exzellente gesangliche Fähigkeiten.
„Ohne soziale Kompetenzen wie Empathie und Wahrnehmung – das
Hören der anderen Sänger, um das eigene Verhalten abzustimmen –
nützt jedoch selbst die beste Stimme nichts“, erklärt Hans-Hermann
Rehberg, Direktor des Berliner Rundfunkchors. Sein Chor gilt als
­einer der besten der Welt, das 64-köpfige Ensemble tourt regel­mäßig
durch Europa, Amerika und Asien, 2007 gewann eine der Chor­
aufnahmen einen Grammy,. „Flexibilität ist enorm wichtig“, meint
der Berliner Chordirektor. „Manchmal muss man führen, manchmal
sich führen lassen können.“ Jede Sängergruppe ist so stark wie das
schwächste Glied – schon die kleinste Eskapade würde die Anstren­
gungen des Kollektivs sabotieren.
Vom Tempel der Hochkultur zu den letzten Protagonisten der
Schwerindustrie: Der Weg von der Berliner Philharmonie bis zu den
singenden Bergleuten aus dem Ruhrgebiet ist kürzer, als man an­
nimmt. Nur mit Ensemblegeist und Teamwork kann aus tiefen Bäs­
sen, kraftvollen Baritonen, stolzen Tenören und strahlenden Sopranen
ein harmonischer Wohlklang entstehen. „Die Kraft der gemeinsamen
Anstrengung, das Volumen der ganzen Gruppe ist schöner als jede
Einzelleistung“, sagt Hobbysänger Frank Beran nach der Probe für
die Eröffnung der Europäischen Kulturhauptstadt auf der Essener
Zeche Zollverein über die Motivation seines Chores. Als Belohnung
werden heute im Gemeindehaus Schnittchen und Pils serviert. Frü­
her erhielten die Sänger eine Tonne Kohle extra.
Der Berliner Rundfunkchor arbeitet währenddessen an seinem Pro­
gramm für die Salzburger Mozartwoche. „Natürlich will jeder Sänger
ein Held sein, denn alle bringen absolute Höchstleistungen“, sagt
Hans-Hermann Rehberg über seine am Konservatorium ausgebil­
deten Musiker. „Dieser Wettbewerb ist für die Verbindung genauso
wichtig wie die Sozialkompetenzen. Im Chor sind Gemeinsinn und
persönlicher Ehrgeiz keine Widersprüche.“ Seit 2007 organisiert der
Rundfunkchor deshalb auch den Workshop „LeaderChorBerlin“: Ein­
mal im Jahr ordnen sich 40 Führungskräfte und Unternehmer ins
Kollektiv. Und erleben, dass sie nur auf diesem Weg erfolgreich sein
können.
3 2 | Pe rf ekt & Pr emiu m | m eiss ener P orz ella n
Da s w eiSSe Gol d
Seit 300 Jahren dreht sich in Meißen alles um Porzellan. Das weiße Gold ist heute wie in der
Vergangenheit sowohl Exportschlager als auch Wertanlage.
„Tea with the Dragon“ heißt
diese aktuelle Kollektion.
Der Ming-Drache wird seit
1730, das berühmte Zwiebelmuster (oben) seit 1793
von Hand gemalt.
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Text : U t e Z imm erm a nn
Auf den ersten Blick ist es nur eine einfache Verbindung von un­
spektakulären Bestandteilen: zwei Teile Kaolin, ein Teil Feldspat,
ein Teil Quarz. Quarz und Feldspat sind die häufigsten Mineralien
der Erdkruste. Kaolin, ein hydratisiertes Aluminiumsilikat, ist
schon etwas seltener zu finden, aber auch nicht so ungewöhn­
lich. Dennoch: Die genaue Zusammensetzung der drei Bestand­
teile und ihr Mischungsverhältnis sind bis heute ein großes
Geheimnis. Jahrelang haben die schlauesten Köpfe ihrer Zeit
experimentiert, damit aus diesen drei Stoffen etwas unglaublich
Kostbares entsteht: nämlich Porzellan.
Geschafft hat es schließlich Johann Friedrich Böttger
(1682–1719). Der ehemalige Apothekerlehrling hatte sich
der Alchemie verschrieben und war zunächst auf der Suche
nach einer Möglichkeit, Gold herzustellen. Schließlich experi­
mentierte er mit Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und Gott­
fried Pabst von Ohain in einem Forschungslabor. Berichte, dass
Porzellan für sie nur ein Abfallprodukt auf der Suche nach dem
begehrten Edelmetall war, sind falsch. Böttger, Tschirnhaus und
von Ohain wollten eine Keramik herstellen, wie sie zu ihrer Zeit
nur aus China bekannt war: leicht, weiß, fast transparent, hart
und glatt.
Das Kunststück gelang schließlich dem 26-jährigen Bött­
ger, als er die richtige Mischung für das weiße Gold ge­
funden hatte. Zwei Jahre später, 1710, entstand auf der
Albrechtsburg in Meißen die erste Porzellanmanufaktur
auf europäischem Boden. Die Erzeugnisse waren weit mehr
als nur Teller, Tassen oder Zierobjekte: Meißener Porzellan,
als Handelsmarke „Meissener Porzellan“ geschrieben, wurde
zum Statussymbol der europäischen Fürstenhäuser. Um sich
von Fälschungen abzugrenzen, wurden ab etwa 1720 die Stücke
mit Unterglasurfarbe gekennzeichnet. Als Markierung diente
zunächst das Monogramm von Kurfürst August dem Starken
(1670–1733), später zwei gekreuzte Schwerter. Sie sind das äl­
teste ununterbrochen in Verwendung stehende Markenzeichen
der Welt.
P e r f e k t & P r e m i u m | Me i sse n e r P o r ze l l an | 33
Wer das nötige Kleingeld und Stil hat, legt Wert auf Hartpor­
zellan aus der Manufaktur Meissen. Und wenn der Teller nicht
für die gehobene Tischkultur ist, dann dient er als Wertanlage.
„Meissener Porzellan hat von jeher eine große Bedeutung als
Kunst- und Wertanlage“, sagt Christian Kurtzke, Vorsitzender
der Geschäftsführung. Und tatsächlich, im Anlageranking einer
Studie landete Meissener Porzellan auf dem zweiten Platz mit
einem jährlichen Ertrag von 13,3 Prozent vor Gold, den Gemäl­
den alter Meister und Diamanten. So wurde zum Beispiel 2009
im Auktionshaus Sotheby’s die Figur „Dame mit Mohrenknaben“
aus den 1920er-Jahren versteigert. Damaliger Ladenpreis: rund
400 Reichsmark (heute umgerechnet 120 Euro). Im Rahmen der
Auktion erzielte die rüstige Dame stolze 12.000 Euro. „Wertstei­
gerungen von bis zum 20-Fachen des Ursprungspreises sind
fast normal“, freut sich einer der fleißigsten Sammler figuraler
Kunstwerker aus der Meissener Manufaktur.
Meissener Porzellan, das ist Luxus pur. Das war vor 300 Jahren
so und ist bis heute so geblieben. Laut einer Studie des Mar­
kenverbandes und Wirtschaftsprüfern der KPMG gehört die
Manufaktur Meissen zu den bekanntesten deutschen Luxus­
marken. Nur der Nobelkarossenhersteller Porsche konnte sich
vor den Sachsen platzieren. Und selbst wem PS-Stärken mehr
bedeuten als Porzellan, der hat dennoch großen Respekt vor der
handwerklichen Kunstfertigkeit, mit der bis heute die einzelnen
Stücke gefertigt werden. Da wäre zum Beispiel der Designklas­
siker „Zwiebelmuster“. Im Vergleich zu anderen Objekten des
Hauses eher ein Schnäppchen – das Gute-Morgen-Set aus Teller,
Müslischale und Kaffeebecher kostet 179 Euro. Trotzdem dürfen
sich die Porzellanmaler keinen Fehler erlauben. Denn das Zwie­
belmuster in blauer Farbe wird mit Hand gemalt, jeder Pinsel­
strich muss sitzen, nichts ist zu korrigieren oder wegzuwischen.
Diese extrem anspruchsvolle Handarbeit macht den Preis. Doch
die Tradition beginnt schon weit vor dem Bemalen, nämlich bei
der Gewinnung des Rohstoffs Kaolin für die Porzellanmasse und
die Farbherstellung. Kaolin wird seit 1764 in der Grube Seilitz
abgebaut, dem kleinsten und ältesten Kaolin-Bergwerk Europas.
Zwei Bergleute sind dort damit beschäftigt, mit Hacke, Schaufel
und Bohrhammer rund 200 Tonnen Rohkaolin pro Jahr für die
Meissener Manufaktur abzubauen. Seit vergangenem Jahr un­
ter anderem auch, um das Material für edle Schmuckstücke zu
liefern.
Natürlich ist die Wirtschaftskrise auch an der Manufaktur Meis­
sen nicht spurlos vorübergegangen, und so suchte der Manufak­
turchef neue Märkte im Luxussegment. Gefunden hat Christian
Kurtzke eine Schmuckkollektion aus dem Hause Meissen von
1710, die nun frischen Wind in die Aus­lagen der Juweliere
bringen soll. „Wir sind uns immer treu geblieben und ha­
ben uns nie von der Vergangenheit verabschiedet“, sagt
der Vorstandsvorsitzende bei der Präsentation der Meissen
Fine Jewellery Kollektion. Diese Verbindung von klassischen
Kollektionen und handwerklicher Tradition mit modernem Zeit­
geist macht die Meissener Manufaktur auch 300 Jahre nach
ihrer Gründung zu einem der erfolgreichsten deutschen Unter­
nehmen.
3 4 | Glosse
Gesine
Nicole
Steffi
Harald
Jutta
Martin
S tay away, frien ds !
Über nimmersatte Netzspinnen und die Wahl und Qual in sozialen Netzwerken.
T ext : Dirk Hautk app
Vom leidenschaftlich gern mit grauen Gänsen schwimmenden Verhaltensfor­
scher Konrad Lorenz wissen wir verlässlich: Das Zusammenleben gleich­artiger
Lebewesen auf engem Raum fördert eher früher als später Argwohn und Miss­
gunst. Ganz gleich, ob es sich um die Putzerfische am Bart des Buckelwals
handelt oder um die Wirtstiere auf dem Planeten Erde. Vielleicht darum zog
Lorenz so oft in die Stille der Natur. Wo keine Menschenseele rumort, da kann
es auch keinen Stau geben. Lorenz kannte die Datenautobahnen nicht.
In den Verstrickungen des weltweitwunden Netzes wird es immer drängeliger.
Und wir alle drängeln mit. Manch einer hat sein Leben komplett vernetzt.
­Facebook, Twitter, MySpace, Flickr, Lokalisten, Wer-kennt-wen, Knuddels,
StayFriends, Schüler- wie StudiVZ haben mehr Mitglieder, Freunde und „Fol­
lower“ als China und Indien Einwohner zusammen. Und das sind schon ver­
dammt viele. Wie nimmersatte Netzspinnen spinnen wir unsere Fäden in alle
Richtungen, um Informationen und Kontakte zu erbeuten.
Nie den Beziehungsstatus eines Menschen „hochgestuft“. Ich war von gestern.
Ich bin meinen Freunden persönlich zuleibe gerückt. Mit einer guten Flasche
Wein. Aber doch nicht mit der Computermaus.
Was mich digitalen Neandertaler veranlasst hat, meine Höhle zu verlassen?
Kein Mammut, sondern Martina war‘s. Also eigentlich ein Klassentreffen. Sie
wissen schon. Nach einer Ewigkeit Leute treffen, denen man schon früher aus
dem Weg ging. Denn es ist doch so. Der „Schwarm“, den man auf dem Schul­
hof vergeblich anhimmelte, kommt nie zum Klassentreffen. Es sei denn ... da
gibt es doch bestimmt ... im Internet ... genau ... so eine Art DRK-Suchdienst
für verschollene Mit-Abitur-Schönheiten. Die Seite heißt: Bleibt Freunde! Der
harmlos klingende Imperativ hätte mich gleich stutzig machen müssen. Aber
ich wollte Martina schon damals sagen, wie schön sie ist.
Soziale Netzwerke sind wie eine Droge. Doch, das wusste ich, ich war gewarnt.
Wer nicht drin ist, 24 Stunden am Tag, eingeloggt wie eine lebende Such­
maschine, immer auf Empfang nach neuen virtuellen Wahlverwandtschaften,
ist out. Den gibt’s quasi gar nicht. Digitales Neandertal, sozusagen. Auch ich
war viele Jahre so ein digitaler Neandertaler. Es gab mal eine Zeit, da hab auch
ich noch analog gedacht.
Drei Monate Premium-Mitgliedschaft später: Von Martina keine Spur, dafür
aber von Martin. Er hat mich ebenso gefunden wie auch Detlef, Steffi, Nicole,
Gesine und Jutta. Plagegeister von damals, die ich unfreiwillig rief, ich werde
sie nicht mehr los. Manche schreiben jeden Tag. Wollen alles wissen. Leute,
die ich nie kennenlernen wollte, zeigen ihr Leben in einer Aufdringlichkeit, die
mich vor dem Bildschirm abstürzen lässt. Gestern hat sich Herr E. registrieren
lassen. E. war schon als Chemielehrer ein Experiment mit ungewissem Aus­
gang. Ich muss hier raus. Ich habe euch doch nichts getan. Netzwerk abge­
schaltet. Stay away, friends!
Ich habe Bücher gelesen, aber kein „Gesichtsbuch“. Hatte Kontakte, aber nie
eine Kontaktliste gepflegt. Habe nie jemanden „geaddet“. Nie „gegruschelt“.
Und wenn sich Martina inzwischen doch gemeldet hat? Vielleicht sollte ich
noch mal nachschauen. Nur einmal, nur ganz kurz ...
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