HG 08-20... - Friedrich-Naumann
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Hintergrund: USA 31. August 2016 Scheitern erlaubt: Gründungskultur in den USA Iris Froeba Die USA gelten als Paradebeispiel in Sachen Gründungskultur. In keinem anderen Land der Welt gibt es eine so hohe Anzahl an Start-ups. Der amerikanische Gründergeist hat über die letzten Jahre vor allem innovative Ideen im Hightech-Bereich hervorgebracht. Das legendäre Silicon Valley im Bundesstaat Kalifornien ist der wohl bedeutendste Standort der IT- und Hightech-Branche weltweit. Das Valley hat einflussreiche Unternehmen wie Google, Apple, Intel und Facebook hervorgebracht. Doch auch in der Start-up-Hochburg USA ist nicht alles Gold, was glänzt. Viele neu gegründete Unternehmen überleben gerade einmal ein Jahr. Scheitern ist die Regel und nicht die Ausnahme. Die U.S.-Regierung und der Privatsektor verfolgen daher verschiedene Initiativen und legislative Schritte, um Amerikaner und Einwanderer zum Gründen zu motivieren, da Unternehmensgründungen der wichtigste Wachstumsmotor der U.S.-Wirtschaft sind. Hintergrund: USA / August 2016 |1 Die USA gelten als Paradebeispiel in Sachen Gründungskultur. In keinem anderen Land der Welt gibt es eine so hohe Anzahl an Start-ups. Der amerikanische Gründergeist hat über die letzten Jahre vor allem innovative Ideen im Hightech-Bereich hervorgebracht. Die Namen Elon Musk, Steve Jobs und Mark Zuckerberg sind uns Allen ein Begriff. Sie sind nicht nur Unternehmer und Innovatoren, sondern berühmte Persönlichkeiten, die es nach ganz oben geschafft haben. Die Gründer verstecken sich nicht hinter ihren Produkten, sondern werden selbst zur Marke und werden dafür gefeiert wie Hollywoodstars. Längst ist das Streben nach Innovation und Selbstverwirklichung auch in der amerikanischen Popkultur angekommen. In der Reality-TV Show “Shark Tank“ wetteifern Existenzgründer um das Geld von Business Angels1, und die Comedyserie „Silicon Valley“ erzählt von jungen Gründern eines Technologie-Start-ups auf ihrem Weg zu Ruhm und Reichtum. Viele junge Studenten eifern ihren Idolen nach, in der Hoffnung, den Campus gegen das Silicon Valley einzutauschen. Doch auch in der Start-up-Hochburg ist nicht alles Gold, was glänzt. Viele neu gegründete Unternehmen überleben gerade einmal ein Jahr. Scheitern ist die Regel und nicht die Ausnahme. Die U.S.-Regierung und der Privatsektor verfolgen daher verschiedene Initiativen und legislative Schritte, um Amerikaner und Einwanderer zum Gründen zu motivieren, da Unternehmensgründungen der wichtigste Wachstumsmotor der U.S.-Wirtschaft sind. Zwei entscheidende Dinge machen Start-ups aus: Erstens eine innovative Idee und zweitens ein sehr hohes Wachstumspotenzial. Start-upUnternehmer fungieren als treibende Kraft der Veränderung und des Fortschritts, indem sie neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln, effizientere Produktionsverfahren einführen, neue Geschäftsmodelle erarbeiten und Arbeitsplätze schaffen. Auch kleine und mittlere Unternehmen, die nicht in die Kategorie Start-up fallen, wie etwa das Café um die Ecke oder der Hersteller Google Campus / flickr by Adrian Libotean für Elektrogeräte im Nachbarort, sind traditionelle Kraftquellen der Wirtschaft. Doch um ein Unternehmen erfolgreich zu starten und zu führen, bedarf es eines passenden Handwerkzeugs und eines förderlichen Umfelds. Die USA gelten als idealer Ort für Unternehmensgründungen. Zu diesem Ergebnis kommt auch das „Ernst & Young G20 Entrepreneurship Barometer“2, das 1.500 Unternehmer aus den G20-Ländern über ihre Einschätzung zur Gründungskultur in den jeweiligen Ländern befragt hat. Die Vereinigten Staaten haben es in der Studie unter die Top-Fünf-Länder geschafft, in denen Unternehmertum am stärksten gefördert wird. Ebenfalls unter den Top-Fünf: Australien, Kanada, Südkorea und das Vereinigte Königreich. 1 Private Investoren, die Start-up-Unternehmen finanzieren. http://www.ey.com/GL/en/Services/Strategic-Growth-Markets/The-EY-G20-Entrepreneurship-Barometer2013 2 Hintergrund: USA / August 2016 |2 Die Europäische Union landet knapp hinter den USA auf Platz sechs; Deutschland erreichte den 8. Platz. Für die Studie wurden die G20-Länder in fünf Kategorien bewertet: 1) Welche Möglichkeiten der Startfinanzierung gibt es, 2) steht die Kultur des Landes dem Unternehmergeist offen gegenüber, 3) welche Steueranreize gibt es, 4) von welchen Fortbildungsmaßnahmen können Unternehmer profitieren, und 5) inwiefern werden Gründer vom öffentlichen und privaten Sektor unterstützt? In den Kategorien „Zugang zur Startfinanzierung“ und „förderliches kulturelles Umfeld“ liegen die USA auf Platz eins. Ein großes Netzwerk an Risikokapitalfirmen und Business-Angels, die Möglichkeit des Crowdfunding und der Zugang zu Inlandskrediten wie u.a. Small Business Loans erleichtern Existenzgründern in den USA den Start. Zudem gibt es eine Vielzahl von StartupAccelerators3, Gründerzentren sowie Mentorenprogramme, die Existenzgründer in der schwierigen Anfangsphase unterstützen. Hinzu kommt die „Alles-ist-möglich“-Einstellung, die im Land der unbegrenzten Möglichkeiten allgegenwärtig ist. In den USA ist Scheitern kein Tabu, sondern Quelle des Lernens. 43 Prozent der amerikanischen Unternehmer, die für die Ernst & Young Studie befragt wurden, gaben an, dass sie sich von Misserfolgen nicht entmutigen lassen, sondern diese als Chance sehen, dazuzulernen. In den G20-Staaten teilten diese Auffassung im Schnitt nur 25 Prozent der Befragten. Und dennoch: In den letzten 35 Jahren hat das U.S. Census Bureau einen stetigen Rückgang von Unternehmensgründungen verzeichnet. Im Jahr 2009 lag die Eintrittsrate von Unternehmen erstmalig seit 1977, dem Jahr, in dem die Daten zum ersten Mal aufgezeichnet wurden, unter der Austrittsrate. Ausschlaggebend hierfür war vor allem die „Große Rezession“ der Jahre 2008/09. Die Zahlen haben unter Wirtschaftsexperten für großes Aufsehen gesorgt. Das Brookings Institute4 berichtete über die nachlassende Dynamik der U.S.-Wirtschaft und auch die ehemaligen Präsidentschaftsbewerber Senator Marco Rubio, Gouverneur Jeb Bush und Carly Fiorina bezogen sich in ihren Wahlkampfreden auf die Daten, um vor dem Zusammenbruch der U.S.-Wirtschaft zu warnen. So äußerte sich Rubio in einer TV-Debatte der republikanischen Kandidaten wie folgt: „Kleinunternehmen in Amerika müssen kämpfen. Zum ersten Mal seit 35 Jahren gibt es mehr Unternehmen, die schließen, als Unternehmen, die öffnen.“5 Doch die aktualisierten Zahlen des U.S. Census Bureau aus dem Jahr 2015 zeigen, dass sich der Trend erneut umgekehrt hat. Außerdem ist zu beachten, dass es sich bei den Daten um Ein- und Austrittsraten von Unternehmen aus allen Sektoren handelt. Betrachtet man nur die Hightech-Branche, ergibt sich ein anderes Bild: Die Eintrittsrate von Technologie-Start-ups in den USA bleibt bedeutend. 3 Startup-Accelerators sind Institutionen, die Start-ups durch Beratung, Trainings und Investitionen bei der Entwicklung helfen. 4 http://www.brookings.edu/~/media/research/files/papers/2014/05/declining%20business%20dynamism %20litan/declining_business_dynamism_hathaway_litan.pdf 5 http://time.com/4091301/republican-debate-transcript-cnbc-boulder/ Hintergrund: USA / August 2016 |3 Start-ups erobern die USA Start-ups haben das Land erobert und machen es bunter, innovativer und facettenreicher. AngelList 6 , eine Website für Existenzgründer und Business Angels, hat im Jahr 2015 um die 80.000 Start-ups ausfindig gemacht. Die meisten davon (33,5 Prozent) haben sich in Kalifornien angesiedelt. Dreh- und Angelpunkt ist das legendäre Silicon Valley, der wohl bedeutendste Standort der IT- und Hightech-Branche weltweit. Hier sind u.a. Google, Apple, Intel, Facebook, Ebay, Airbnb und Netflix zu Hause. Zwischen San Francisco und San Jose reihen sich über 16.000 Start-ups aneinander. Hat jemand eine Mark Zuckerberg / flickr by Alessio Jacona aussichtsreiche Idee, dann finden sich schnell finanzkräftige Investoren, denn die Büros der Risikokapitalgeber sind nur einen Steinwurf entfernt. Neben dem „Valley“ werden aber auch andere Regionen der USA immer attraktiver für Existenzgründer. Die beliebteste U.S.-Stadt für Gründer ist New York mit über 10.000 Start-ups. Aber auch Los Angeles, Boston, Chicago und Seattle holen auf. Zu den populärsten Branchen der Start-up-Szene gehören Mobilfunk, eCommerce und Social Media. Alle Standorte haben eines gemeinsam: Sie gehören zu den am dichtesten besiedelten und wohlhabendsten Regionen der USA, umringt von den besten Universitäten des Landes. Finanzielles und intellektuelles Kapital treffen aufeinander und wirken als Katalysator für Innovation und Fortschritt. Scheitern als Lernprozess Erfolgreiche Start-ups sind die besten Anreize für junge Entrepreneure, ein Unternehmen zu gründen. In den Vereinigten Staaten gibt es viele dieser Positivbeispiele. Doch auf die vielen Erfolgsgeschichten kommen mindestens genauso viele Misserfolge. Einigen Schätzungen zufolge liegt die Misserfolgsquote bei satten 90 Prozent.7 6 7 http://www.webpagefx.com/blog/marketing/made-in-america-startup-culture-in-the-usa-infographic/ http://fortune.com/2014/09/25/why-startups-fail-according-to-their-founders/ Hintergrund: USA / August 2016 |4 Die Gründe für den Misserfolg eines Unternehmens sind vielseitig. Laut der Forschungsdatenbank CB Insights scheitern die meisten Start-ups (42 Prozent), weil ihre Ideen beim Konsumenten nicht ankommen und die Nachfrage ausbleibt. 29 Prozent scheitern, weil sie nicht genügend Kapital haben, 23 Prozent wegen personeller Mängel und 19 Prozent wegen zu starker Konkurrenz. 8 Unternehmensgründungen sind und bleiben riskant. Auch in den USA ist Scheitern also die Regel und nicht die Ausnahme. Doch wird Scheitern in den USA nicht als persönliches Versagen, sondern als Lernmöglichkeit interpretiert. Gründer, die bereits gescheitert sind, werden nicht verspottet, sondern weiterhin von Investoren für neue Projekte unterstützt, denn sie gelten als erfahrener. Das Mantra aus dem Silicon Valley, das auch immer wieder auf Technologiekonferenzen zitiert wird, lautet: „Fail fast, fail often.“ Zu Deutsch: „Scheitere schnell, scheitere oft.“ Gründern muss die Angst vor dem Scheitern genommen und der Start in eine unternehmerische Zukunft erleichtert werden. Deshalb wird auch im Start-up-Paradies USA nach wie vor daran gearbeitet, den Gründergeist nachhaltig zu fördern. Initiativen zur Förderung des Unternehmertums Auf dem Global Entrepreneurship Summit, der im Sommer 2016 zum siebten Mal stattfand, betonte Präsident Barack Obama das Engagement der U.S.-Regierung zur Förderung des Unternehmergeistes in der ganzen Welt. Durch Innovationen im digitalen Ökosystem, den Ausbau von Public-Private-Partnerships, die Stärkung von Rechtsstaatlichkeit und transparentem Geschäftsverhalten, den Aufbau von Netzwerken von Innovatoren und Unternehmern und die Förderung von Frauen, der Jugend und benachteiligten Bevölkerungsgruppen tragen amerikanische Initiativen dazu bei, die Weltwirtschaft anzukurbeln. Per Dekret hat Präsident Obama verschiedene Entrepreneur-Programme, die amerikanische Unternehmer zum Erfahrungsund Wissensaustausch mit Unternehmern in der ganzen Welt verknüpfen, in Gesetzesakte überführt. Zu den Programmen gehören beispielsweise der Global Entrepreneurship Summit9, die Global Connect Initiative 10 und das Projekt Presidential Ambassadors for Global Entrepreneurship11. Aber auch in den USA selbst müssen Unternehmer als tragende Säule der Wirtschaft nachhaltig unterstützt werden. „Unternehmer verkörpern das Versprechen Amerikas: Der Gedanke, dass, wenn Du eine gute Idee hast, Entschlossenheit zeigst und bereit bist, hart zu arbeiten, Du in diesem Land erfolgreich sein kannst. Indem Unternehmer dieses Versprechen einlösen, spielen sie eine entscheidende Rolle für das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen.“12 – Präsident Barack Obama 2011. Im Jahr 2011 hat das Weiße Haus die Initiative Startup America13 ins Leben gerufen. Im Vorfeld besuchten hochrangige Vertreter der Obama-Administration Unternehmer in acht U.S.-Städten, um direkt von ihnen zu erfahren, wo es Verbesserungsbedarf gibt. Das Projekt verfolgt seitdem fünf Ziele: 1) der Zugang zu Kapital soll erleichtert werden, 2) Unternehmer sollen mit Mentoren vernetzt und 3) mit Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten vertraut gemacht werden, 8 https://www.cbinsights.com/research-reports/The-20-Reasons-Startups-Fail.pdf http://www.ges2016.org/ 10 http://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2015/09/247374.htm 11 https://www.whitehouse.gov/blog/2014/04/10/announcing-president-obama-s-new-ambassadors-globalentrepreneurship 12 https://www.whitehouse.gov/economy/business/startup-america 13 https://www.whitehouse.gov/economy/business/startup-america 9 Hintergrund: USA / August 2016 |5 4) bürokratische Barrieren sollen abgebaut werden und 5) Innovationsprozesse beschleunigt werden, damit bahnbrechende Technologien schneller vom Labor auf den Markt gelangen. Außerdem sollen Marktchancen in den Branchen Gesundheitswesen, saubere Energie und Bildung erschlossen werden. Parallel zu der Initiative der Obama-Administration haben Vertreter aus dem Privatsektor die Startup America Partnership gegründet. Der politisch unabhängige Zusammenschluss von Unternehmern, Konzernen, Dienstleistern, Universitäten und Stiftungen fördert innovative, wachstumsstarke U.S.-Start-ups. Mittlerweile operiert die Non-ProfitOrganisation unter dem Namen Techstars14 in über 1.000 Städten weltweit. Mit der Website BusinessUSA 15 wurde im Rahmen der Initiative Startup America des Weißen Hauses eine zentrale „one-stop-Plattform“ eingerichtet, auf der Unternehmer alle Informationen rund um die Themen Gründung und Expansion finden. Dadurch soll vermieden werden, dass Entrepreneure zu viel Zeit damit verschwenden, den föderalen Bürokratiedschungel nach Finanzierungsmöglichkeiten und aktuellen Vorschriften und Regularien durchzukämmen. Ein weiteres Regierungsprojekt mit dem Arbeitstitel Startup in a Day 16 hat zum Ziel, den Gründungsprozess zu verkürzen. Der Zeitaufwand für die Registrierung eines Unternehmens und die Beschaffung der erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen soll auf einen Tag limitiert werden. U.S.Städte und -Gemeinden der Native Americans wurden im vergangenen Jahr dazu aufgerufen, sich aktiv an dem Projekt zu beteiligen und Gründern so den Start zu erleichtern. Dafür hat die Small Business Administration (SBA) 17 einen 1,5 Millionen-Dollar-Wettbewerb ausgeschrieben. 25 Städte und zwei startups / pixabay.com Gemeinden haben den Wettbewerb im vergangenen Jahr gewonnen. Mit dem Geld sollen sie Online-Tools entwickeln, mit denen Unternehmer innerhalb eines Tages die erforderlichen Schritte für die Unternehmensgründung erledigen können. Ein weiteres Projekt des Weißen Hauses ist der White House Demo Day18, der im August 2015 erstmals in Washington, D.C. organisiert wurde. Im Rahmen des Demo Day haben Innovatoren und Unternehmer aus dem ganzen Land ihre persönlichen Erfolgsgeschichten vorgestellt. Hier ging es nicht darum, eine Idee zu verkaufen, sondern Erfahrungen unter Gründern und denen, die es werden wollen, auszutauschen. Zudem werden Universitäten, Unternehmen und Innovationszentren in allen Regionen der USA dazu ermutigt, mit Unterstützung des Weißen Hauses ihre eigenen Demo Days zu organisieren, um so den Wissenstransfer zu stärken und Netzwerke aufzubauen. 14 http://www.techstars.com/ http://business.usa.gov/about-us 16 https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2015/06/11/fact-sheet-white-house-and-small-businessadministration-launch-startup 17 Die ‚Small Business Administration‘ ist eine Regierungsbehörde, die Kleinunternehmen berät, sie unterstützt und ihre Interessen wahrt. 18 https://www.whitehouse.gov/demo-day 15 Hintergrund: USA / August 2016 |6 Auch auf legislativer Ebene hat Präsident Obama Schritte zur Förderung des Unternehmergeistes eingeleitet. Im Jahr 2011 stellte er den American Jobs Act 19 vor. Das Gesetzespaket sollte Kleinunternehmen Steuervergünstigungen gewähren, den bürokratischen Aufwand bei der Unternehmensgründung verringern und Gründern den Zugang zu Startkapital erleichtern. Doch das 447 Mrd. USD schwere Projekt wurde vom U.S.-Senat blockiert, woraufhin Präsident Obama das Gesetzespaket in mehrere kleinere Gesetze teilen musste. Eines dieser Gesetze, der Jumpstart Our Business Startups Act20 oder auch JOBS Act genannt, trat Anfang 2012 in Kraft. Auch der JOBS Act hat zum Ziel, Unternehmensgründungen zu erleichtern, indem der Zugang zum Kapitalmarkt erleichtert und bürokratische Bürden abgebaut werden. Gleichermaßen interessant wie umstritten ist Teil III des JOBS Act, der es Gründern ermöglicht, durch Crowdfunding21 Investoren zu finden. Das Finanzierungsmodell des Crowdfunding, das auch in Deutschland an Bedeutung gewinnt, hat damit erstmalig gesetzliche Rahmenbedingungen erhalten. Damit wurden Barrieren für Unternehmer beseitigt und völlig neue Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen. Präsident Obama betitelt das Gesetz als einen „Game Changer“ für amerikanische Start-ups. Laut JOBS Act kann jeder Amerikaner in Startups investieren. Zuvor war das nur zugelassenen Investoren, Banken und Business Angels möglich. Es dauerte weitere vier Jahre, bis die Börsenaufsicht U.S. Securities and Exchange Commission (SEC)22 die Regeln des Gesetzes so ausformulierte, dass die Investoren einen gewissen Schutz genießen, die Flexibilität des Finanzierungsmodells aber nicht darunter leidet. Seit Mai 2016 können Existenzgründer nun in einem Zeitraum von zwölf Monaten bis zu eine Million U.S.-Dollar von Privatinvestoren über eine Online-Plattform einsammeln, ohne dass eine Registrierung von Aktien erforderlich wird. Die Kleinanleger geben ihre Investitionen nicht direkt an die Unternehmen, sondern an OnlineVermittlungsplattformen, die bei der Börsenaufsicht SEC registriert sein müssen. Die Vermittler zahlen den Betrag dann an die Unternehmen aus. Rollenmodell des Crowdfunding / commons.wikimedia.org Der Betrag, den die Privatanleger pro Jahr investieren dürfen, orientiert sich am Einkommen bzw. am Reinvermögen. Personen, die pro Jahr nicht mehr als 100.000 USD verdienen, dürfen bis zu 2.000 USD pro Jahr investieren und Personen, die über 100.000 USD verdienen, können bis zu zehn Prozent ihres Einkommens bzw. Reinvermögens investieren. Die Obergrenze liegt hier bei $100.000 pro Jahr. Beim Crowdfunding erhalten Investoren für gewöhnlich keinen Anteil am Unternehmen, in das sie investieren, sondern eine Belohnung oder eine nicht-finanzielle Gegenleistung, wenn das Unternehmen erfolgreich ist, wie etwa den frühzeitigen Zugriff auf Produkte oder Merchandise-Artikel. Nach den SEC-Regeln können Privatanleger nun auch Eigenkapital an den Unternehmen erwerben. 19 https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2011/09/08/fact-sheet-american-jobs-act https://www.sec.gov/spotlight/jobs-act.shtml 21 Im ‚JOBS Act‘ steht Crowfund für ‚Capital Raising Online While Deterring Fraud and Unethical NonDisclosure‘ 22 U.S.-Börsenaufsichtsbehörde, die für die Kontrolle des Wertpapierhandels in den USA zuständig ist. 20 Hintergrund: USA / August 2016 |7 Die Investitionen sind jedoch sehr riskant, da die Jungunternehmen noch am Anfang stehen und auf einer bloßen Idee basieren, mit der aber noch kein Geld erwirtschaftet wurde. Neben den Initiativen der Bundesregierung gibt es zudem Ansätze auf der Ebene der Bundesstaaten. Im Bundesstaat New York können neue und expandierende Unternehmen dank der Startup New York-Initiative 23 für zehn Jahre steuerfrei operieren, wenn sie dies in der Nähe von oder auf einem Universitätsgelände tun. In New York City fördert zudem das Department of Small Business Services 24 Kleinunternehmen bei der Gründung. Die Behörde stellt Informationen rund Secretary Kerry Delivers Remarks at the Opening Plenary of the 2016 Global Entrepreneurship Summit in Palo Alto / commons.wikimedia.org um die Unternehmensgründung bereit und unterstützt die Entrepreneure sogar bei der Personalsuche. Auch das Silicon Valley profitiert von den Geschäftsanreizen, die der Bundesstaat Kalifornien bietet. In Kalifornien dient das Governor’s Office of Business and Economic Development (GO-Biz) 25 als erste Anlaufstelle für Existenzgründer. GO-Biz hilft Unternehmern bei der Suche nach einem geeigneten Standort, der Beschaffung von Genehmigungen sowie bei der Expansion und der Aufnahme des internationalen Handels. Darüber hinaus gibt es Einzelinitiativen in jedem der 32 Stadtbezirke des Valleys. Die Unterstützung von und die Kooperation mit dem Privatsektor ist entscheidend bei der Stärkung des Unternehmergeistes. Sogenannte Business Incubators und Business Accelerators sind wichtige Ressourcen für Existenzgründer. Bei Inkubatoren – auch Gründerzentren genannt – handelt es sich um Einrichtungen, die innovativen Start-ups bei der Gründung helfen. Gründerzentren sind auch in Europa weit verbreitet. Sie stehen beratend zur Seite, stellen Geschäftsräume und Gewerbeflächen bereit und helfen den Unternehmern beim Aufbau eines Netzwerkes. Finanziert werden die Zentren in der Regel von der Regierung, öffentlichen Institutionen und dem Privatsektor. Business Accelerators verfolgen dieselben Ziele mit dem Unterschied, dass sie die jungen Unternehmen nicht nur mit Mentorenprogrammen und Geschäftsräumen unterstützen, sondern auch in sie investieren. So stattet beispielsweise der Entrepreneurs Roundtable Accelerator (ERA)26 Unternehmen mit 40.000 USD aus. Im Gegenzug erhält ERA einen Anteil von acht Prozent am Aktienkapital der Unternehmen. Der Auswahlprozess solcher Accelerator-Programme ist jedoch sehr selektiv und nur die vielversprechendsten Startups werden aufgenommen. 23 http://startup.ny.gov/ http://www.nyc.gov/html/sbs/html/about/about.shtml 25 https://business.ca.gov/ 26 http://eranyc.com/ 24 Hintergrund: USA / August 2016 |8 Ein weiterer bekannter Accelerator ist Y Combinator 27 , der die Gründung von erfolgreichen Unternehmen wie Dropbox, Reddit und Airbnb beschleunigt hat. Während Inkubatoren Unternehmen über einen längeren Zeitraum begleiten, beschränken sich Accelerator-Programme auf ca. vier Monate und fungieren somit als Starthilfe. Einwanderer sind das Salz in der Start-up-Suppe Einwanderer gründen doppelt so häufig ihr eigenes Unternehmen wie gebürtige Amerikaner; laut Statistik sind Einwanderer weniger risikoscheu als der Rest der Bevölkerung. Viele von ihnen verlassen ihre Heimat, um in den USA finanziell besser dazustehen und sich selbst zu verwirklichen. Im Jahr 1996 hatten 13 Prozent der Existenzgründer in den USA einen Migrationshintergrund, acht Jahre später stieg ihr Anteil auf fast 29 Prozent.28 Auch das Silicon Valley wäre ohne Einwanderer ein ziemlich trostloser Ort. Ganze 44 der 68 Privatunternehmen im Silicon Valley, die mehr als eine Milliarde USD wert sind, wurden von Einwanderern gegründet. Dazu zählen Uber-Gründer Garret Camp aus Kanada, Palantir Technologies-Gründer Peter Thiel aus Deutschland, SpaceX-Gründer sowie Paypal- und Tesla-Mitgründer Elon Musk aus Südafrika, Stripe-Gründer Patrick Collison aus Irland und Tanium-Gründer David Hindawi aus dem Irak. Zudem sind 70 Prozent der Positionen im Management und der Produktentwicklung von Einwanderern besetzt. Zusammen kommen die 44 Privatunternehmen, die von Einwanderern gegründet wurden, auf einen Wert von 168 Mrd. USD und schaffen durchschnittlich 760 Arbeitsplätze pro Jahr.29 Bei den börsenorientierten Unternehmen des Silicon Valley sieht es ganz ähnlich aus. So stammt Google-Gründer Sergey Brin aus Russland, Sanmina-Gründer Jure Sola aus Bosnien, eBay-Gründer Pierre Omidyar aus Frankreich und Yahoo-Gründer Jerry Yang aus Taiwan. Natürlich werden nicht aus allen von Migranten gegründeten Unternehmern „Silicon Valley Stars“. Ein typischer Migrantenunternehmer verdient seine Brötchen nicht mit Apps, sondern mit Schnellimbissen oder Reinigungen. Wegen mangelnder Sprachkenntnisse oder fehlender beruflicher Erfahrung ist es für viele Einwanderer schwer, auf traditionellem Wege eine Anstellung zu finden, häufig landen sie in schlecht bezahlten Jobs. Der Schritt in die Selbstständigkeit ist für sie daher eine logische Konsequenz. Viele Städte und Kommunen sind sich der Bedeutung von Migrantenunternehmern bewusst und helfen ihnen bei ihrem Weg in die Selbstständigkeit. So hat beispielsweise der Bürgermeister von Pittsburgh die Initiative Welcoming Pittsburgh 30 ins Leben gerufen, die Einwanderer bei der Unternehmensgründung unter die Arme greift. Die Stadt Pittsburgh hilft den Existenzgründern, indem sie Immobilien, Ressourcen, Expertise, Trainings und auch Kapital zur Verfügung stellt. Auf Bundesebene koordiniert die Small Business Administration (SBA) Projekte wie z.B. die Kampagne Made it in America‘31. Über Partnerorganisationen wie etwa die Non-Profit Organisation SCORE 32 , bietet die Regierungsbehörde gezielt in Städten, in denen viele Einwanderer und Flüchtlinge leben, Trainings- und Mentorenprogramme für Existenzgründer und Kleinunternehmer in verschiedenen Sprachen an. Zudem unterstützt SBA Einwanderer mit einem KleinkreditProgramm. 27 https://www.ycombinator.com/ http://www.kauffman.org/~/media/kauffman_org/research%20reports%20and%20covers/2015/05/kauffman _index_startup_activity_national_trends_2015.pdf 29 http://nfap.com/wp-content/uploads/2016/03/Immigrants-and-Billion-Dollar-Startups.NFAP-PolicyBrief.March-2016.pdf 30 http://pittsburghpa.gov/welcoming-pittsburgh/ 31 https://www.sba.gov/MadeItInAmerica 32 https://www.score.org/about-score 28 Hintergrund: USA / August 2016 |9 Die Kredite liegen bei durchschnittlich 13.000 USD und werden von intermediären Kreditgebern wie Non-Profit- oder Communitybasierten Organisationen, die Erfahrungen im Kreditwesen und Management haben, zur Verfügung gestellt. Doch viele Einwanderer, die gerne ein Unternehmen gründen würden, können diesen Schritt nicht wagen, weil sie kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in den USA genießen. Die Chancen für Zuwanderer auf dem World Economic Forum, DAVOS/SWITZERLAND (24.01.2013), Social Innovation: amerikanischen Arbeitsmarkt Luis A. Moreno (L), President, Inter-American Development Bank, Washington sind stark abhängig vom DC; World Economic Forum Foundation Board Member; Global Agenda Council jeweiligen Visum. Während on Latin America, Peter A. Thiel (C), Partner, Founders Fund, USA; Young Global Leader Alumnus and Gabriela Frias (R), Anchor, CNN en Espanol, USA / sich Lawful Permanent www.flickr.com Residents, die in den USA eine unbegrenzte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis haben, relativ flexibel auf offene Stellen bewerben, ihr eigenes Unternehmen gründen und Hilfe bei der Arbeitssuche beanspruchen können, stehen Arbeitnehmer, die z.B. ein „H-1B Visum“ haben, in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Arbeitgeber. Auch Unternehmen, die expandieren und gerne Einwanderer einstellen würden, stoßen auf Probleme. Zwar können sie potenzielle Mitarbeiter über ein „H-1B Visum“ sponsern. Doch das Visum beschränkt sich auf sechs Jahre und kann nur über eine Lotterie gewonnen werden, deren Kontingent schnell ausgeschöpft ist. Zudem können sich kleine und junge Start-ups den Visumsprozess oftmals nicht leisten, was bedeutet, dass es viel verlorenes Potenzial gibt. Laut der Wirtschaftswissenschaftlerin Madeleine Zavodny führen mehr „H-1B Visa“ zu mehr Arbeitsplätzen für gebürtige Amerikaner. Zavodnys Studie zeigt, dass 100 zusätzlich ausgestellte „H-1B Visa“ zu zusätzlichen 183 Arbeitsplätzen für Amerikaner führen, da die Zuwanderung von Arbeitskräften für vielfältige Kenntnisse auf dem Arbeitsmarkt, produktivere Unternehmen und ein stärkeres Wirtschaftswachstum sorgt, das wiederum zu mehr Arbeitsplätzen führt. 33 Viele U.S.-Wirtschaftsexperten plädieren daher für eine Reform des amerikanischen Einwanderungsgesetzes, um es Migrantenunternehmern zu ermöglichen, langfristig im Land zu bleiben. Ein legislativer Schritt in diese Richtung wurde 2013 unternommen. Der Border Security, Economic Opportunity, and Immigration Modernization Act of 201334, für den der Senat überparteilich mit 68:32 Stimmen votierte, sieht u.a. vor, dass es Studenten aus dem Ausland leichter gemacht werden soll, nach ihrem Master- oder Doktorstudium in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, um einen brain drain zu verhindern. Bob Litan vom Council on Foreign Relations unterstützt die Reform: 33 34 http://www.aei.org/wp-content/uploads/2011/12/-immigration-and-american-jobs_144002688962.pdf https://www.congress.gov/bill/113th-congress/senate-bill/744 Hintergrund: USA / August 2016 | 10 „Der einfachste und beste Weg, die Gründung von neuen Unternehmen zu fördern, ist gleichzeitig auch der unbeliebteste: mit einer Reform des Einwanderungsgesetzes“, so Litan. „Wir müssen dafür sorgen, dass Absolventen, die einen Abschluss in den MINT-Fächern von einer amerikanischen Universität haben, hier in den USA bleiben. Dafür müssen wir ihnen green cards geben. Darüber hinaus brauchen wir mehr Unternehmervisa.“ 35 Seit der Abstimmung im Senat hängt der Gesetzesentwurf allerdings im Repräsentantenhaus fest und es bleibt ungewiss, ob er dort jemals zur Abstimmung freigegeben werden wird. Gründungskultur: USA versus Europa Die USA und Europa haben vieles gemeinsam. Doch bei bestimmten Sachverhalten gehen die Einstellungen auseinander. Diese Unterschiede werden auch beim Thema Gründungskultur sichtbar. Die Vereinigten Staaten sind eine individualistische Gesellschaft. Das Streben nach Innovation und Selbstverwirklichung hat in der amerikanischen Geschichte schon immer eine entscheidende Rolle gespielt – angefangen bei den Gründervätern, die ihre Idee, die nordamerikanischen Kolonien von Großbritannien loszulösen, verwirklichten. Was Unternehmertum bedeutet, lernen Amerikaner von Kindesbeinen an. Die ersten Dollarscheine verdienen sich amerikanische Kinder mit dem Verkauf von selbst gemachter Limonade an der Straßenecke oder indem sie den Rasen des Nachbarn mähen. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist man eher dazu bereit, Risiken einzugehen, auch wenn ein Scheitern nicht ausgeschlossen ist. Die amerikanische Kultur vermittelt: „Es ist in Ordnung, wenn du hinfällst. Du kannst immer wieder aufstehen.“ Eine aktuelle Studie von Professor Richard Geibel von der Fresenius Hochschule Köln und Meghana Manickam von der Stanford-Universität in Kalifornien aus dem Jahr 2015 vergleicht die Gründungsklimata in Deutschland und den USA. Dabei zieht Geibel interne und externe Faktoren heran, die das Gründungsklima im jeweiligen Land beeinflussen. Zu den internen Faktoren gehören z.B. die Mitarbeiter und das Teamklima, die Arbeitskultur sowie das Kundennetzwerk. Bei externen Faktoren handelt es sich beispielsweise um Initiativen der Regierung zur Förderung von Unternehmertum, Zugang zu Inkubatoren und Accelerators, Marktzugangsmöglichkeiten, Standortfaktoren und die Konkurrenz. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Unternehmer in den USA mit dem Gründungsklima generell zufriedener sind als Unternehmer in Deutschland. Die USA haben ein breites Netzwerk an Mentoren, einen großen Talentpool, einen leichteren Zugang zu Startkapital und Märkten sowie neugierige Kunden, die bereit sind, etwas Neues auszuprobieren. Laut Geibel müssten Inkubatoren in Deutschland stärker daran arbeiten, Existenzgründer mit Mentoren und Kapitalgebern zu vernetzen und auch selbst in die Unternehmen investieren. Deutschland müsse außerdem besser darin werden, deutsche Universitäten für Studierende aus dem Ausland attraktiver zu machen, um den Talentpool in Deutschland zu erweitern, aus dem zukünftige Start-up-Unternehmer hervorgehen. Das größte Hindernis sei es hierbei, dass an den meisten Hochschulen auf Deutsch unterrichtet wird, was viele ausländische Studenten davon abhält, sich zu bewerben. Bildungseinrichtungen in den USA haben es verstanden, das intellektuelle Kapital, das sie hervorbringen, auch auszuschöpfen. Die Bildungsqualität an europäischen Hochschulen ist eine der besten weltweit, doch sind die Lehrpläne oft sehr traditionell gestrickt. Was in europäischen Hörsälen häufig nicht vermittelt wird, ist der Mut, ein Risiko einzugehen. In den USA liegen viele der Top-Hochschulen wie z.B. Stanford, Berkeley und das California Institute of Technology, im oder in der Nähe des Silicon Valley. Hochschulen und Unternehmen kooperieren miteinander, anstatt aneinander vorbei zu leben. 35 https://fee.org/articles/immigrants-are-twice-as-likely-to-start-a-business-lets-let-them/ Hintergrund: USA / August 2016 | 11 Durch die räumliche Nähe haben einige Schwergewichte aus dem Silicon Valley wichtige Positionen und Ämter an den Hochschulen inne. Somit können sie den Studenten beratend zur Seite stehen und die nächste Generation von Entrepreneuren prägen. Es ist auch nicht unüblich, dass Führungskräfte aus der Gründerszene selbst im Hörsaal stehen und den Studenten von ihren Erfahrungen, Erfolgen und Misserfolgen berichten. Für die Studenten ist außerdem von Vorteil, dass sie direkt mit potenziellen Kapitalgebern in Kontakt kommen. Es ist kein Zufall, dass viele der Firmen im Silicon Valley, wie etwa Google, von jungen Studenten gegründet wurden, die zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung noch immatrikuliert waren. Von der Förderung des Unternehmergeistes an Universitäten haben schon die Gründer von Hewlett-Packard, William Hewlett und David Packard, lange vor dem „Silicon Valley-Boom“ profitiert. Der damalige Dekan der Stanford University Frederick Terman hatte das Talent der Studenten erkannt und sie bei ihrer Unternehmensgründung im Jahre 1938 unterstützt. Die Kombination von intellektuellem Kapital auf Seiten der Studenten und finanziellem Kapital aufseiten der Unternehmerschaft hat das Silicon Valley zu dem gemacht, was es ist. Silicon Valley / wikimedia by elf Zudem haben die Unternehmen im Silicon Valley direkten Zugriff auf den größten Konsumentenmarkt der Welt. Die Start-ups haben so die Möglichkeit zu wachsen und eine kritische Masse zu erreichen, bevor sie ins Ausland expandieren. Auch Europa hat einen aussichtsreichen und starken Binnenmarkt. Die Vereinheitlichung zahlreicher Vorschriften und Normen auf EU-Ebene und der freie Kapitalverkehr fördern den grenzüberschreitenden Handel. Doch die verschiedenen Sprachen der EU-Mitgliedstaaten sowie die teilweise unterschiedliche Implementierung von Richtlinien machen es Unternehmen schwieriger, zu expandieren und in allen europäischen Ländern Fuß zu fassen. Um eine Führungsrolle im Start-up-Bereich einzunehmen, muss Europa daher als ein einziger Markt verstanden werden. Was es bedeutet, nicht mehr Teil dieses Marktes zu sein, wird der europäische Start-up-Hub London in den nächsten Jahren zu spüren bekommen. Mit dem Brexit verliert London für viele Gründer, vor allem in der Fintech-Branche36, an Attraktivität. Denn der Brexit bedeutet Unsicherheit. Niemand kann vorhersagen, wie sich die Wirtschaft nach dem Austritt entwickeln wird. Zudem könnte der Brexit die Arbeitsmigration einschränken und den Zugang zum europäischen Binnenmarkt erschweren. Londoner Start-ups werden mit bürokratischen Hürden und hohen Transaktionskosten zu kämpfen haben. Daher haben einige Unternehmer bereits angedeutet, nach Berlin umzuziehen, dem zweitbeliebtesten Standort für Start-ups in Europa. Ein weiterer Pluspunkt, den die USA bieten, ist der Zugang zu Startkapital. Der Risikokapitalmarkt in den USA ist weiter entwickelt als in Europa. Investoren sind finanziell stärker aufgestellt und scheuen sich nicht, auch in verrückte Ideen zu investieren. Jeder noch so skurrilen Idee wird eine Chance eingeräumt und Produkte werden immer weiterentwickelt. 36 Moderne Technologien im Bereich der Finanzdienstleistungen. Hintergrund: USA / August 2016 | 12 Apple-Gründer Steve Jobs operierte stets nach dem Motto: „Oft wissen die Menschen gar nicht, was sie brauchen, bis man ihnen zeigt, was sie brauchen.“37 Auch wenn es in Europa immer mehr Risikokapitalgeber und Business Angel gibt, ist man vom Silicon-Valley-Niveau noch weit entfernt. Obwohl die Bruttoinlandsprodukte der USA und der EU vergleichbar sind und die Bevölkerung der EU größer ist als die der USA, hinkt die EU in Sachen Risikokapitalmarkt hinterher. Laut CB Insights haben Risikokapitalgeber im Jahr 2015 rund 5,4 Mal so viel Geld in den USA investiert als in Europa. Zudem haben Risikokapitalgeber in den USA mehr als drei Mal so viele Geschäfte abgeschlossen wie in Europa. 38 Die wahren Branchenriesen, die sogenannten Unicorn Businesses, Tech-Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde USD bewertet werden, sitzen in den USA. Doch eine Studie des unabhängigen Steve Jobs / Wikimedia by Matthew Yohe Forschungsinstituts GP Bullhound39 zeigt, dass es auch in Europa immer mehr Unicorn Businesses gibt. Die meisten Milliardenunternehmen (17) gibt es im Vereinigten Königreich. Schweden hat sechs Unicorn Business hervorgebracht und Deutschland vier. Der kumulative Wert dieser Unternehmen in Europa liegt bei 120 Mrd. USD. Zum Vergleich: Allein Facebook hatte im Jahr 2015 einen Börsenwert von 300 Mrd. USD. „In den USA führt das Zusammenspiel eines großen Kapitalpools, weltklasse Talenten, einer dynamischen Unterstützungsinfrastruktur und einer risikofreudigen Kultur zu einem selbstlaufenden Innovations- und Unternehmenszyklus.“ – Nicolas Brusson (FRA), Mitbegründer Fahrgemeinschaften auf langen Strecken.40 von BlaBlaCar, weltweiter Marktführer für Doch erfolgreiche europäische Unternehmen wie Adyen (Niederlande), Skype (Dänemark, Schweden und Estland), Spotify (Schweden), Just Eat (UK) und Criteo (Frankreich) zeigen, dass auch Europa einen wertvollen Nährboden für Start-ups bietet. Das Silicon Valley bleibt nach wie vor die Hochburg für Innovation und Fortschritt. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Sowohl in den USA als auch in anderen Regionen der Welt greift das Start-up-Fieber um sich. Neben den U.S.Städten New York City, Los Angeles, Boston, Chicago, Austin und Seattle, sind Berlin, Beijing (China), Kuala Lumpur (Malaysia), Bangalore (Indien), Warschau (Polen), Sofia (Bulgarien), Moskau (Russland), Tunis (Tunesien), Tel Aviv (Israel) und Sydney (Australien) aussichtsreiche und beliebte Standorte für Start-ups. 37 http://www.forbes.com/sites/chunkamui/2011/10/17/five-dangerous-lessons-to-learn-from-stevejobs/#578cf3fe60da 38 http://venturebeat.com/2016/03/13/why-europe-lags-behind-the-us-in-vc-investment/ 39 http://www.gpbullhound.com/wp-content/uploads/2015/06/GP-Bullhound-Research-Billion-DollarCompanies-2015.pdf 40 http://thenextweb.com/eu/2015/05/12/why-europe-needs-more-tech-leaders/ Hintergrund: USA / August 2016 | 13 Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer im Transatlantischen Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Washington, DC. Impressum Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) Fachbereich Internationales Referat für Querschnittsaufgaben Karl-Marx-Straße 2 D-14482 Potsdam Hintergrund: USA / August 2016 | 14