DieGleichheitderKulturen
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Kultur / Medien NR. 250, DIENSTAG, 26. OKTOBER 2010 Verstaubter Krimi DieGleichheitderKulturen „Die Tochter des Mörders“, gestern, ZDF Bernd Giesekings „Die Farbe des Wassers“: Eindrucksvolle Uraufführung im Stadttheater Minden TV-KRITIK E ine lang zurückliegende schaurige Bluttat, eine schöne Frau auf der Suche nach der Wahrheit und eine feindselige Dorfgemeinschaft, in deren Reihen der Mörder lauert: Dieser ZDF-Thriller war nach einem uralten Krimimuster zusammengebastelt und mit verstaubten SchauerStilmitteln gespickt. Schwarze Katze hier, unheimliche Duschszene da – dabei ist Halloween doch erst kommendes Wochenende. Sophie von Kessel spielte die Wirtschaftsanwältin Hanna, die ein traumatisches Kindheitserlebnis verdrängt hatte, den Mord an ihrer Mutter. Nach dem Tod ihres Vaters, der zu Unrecht für die Tat im Gefängnis gesessen hatte, brach alles wieder auf. Hypnosesitzungen halfen Hanna, ihre Erinnerungen an die Tat zu rekonstruieren. Regisseur Johannes Fabrick schilderte das in Rückblenden leider arg vereinfachend. Cornelia Wystrichowski Morgen in der TV-Kritik: „Macht der Wunder – Die Geheimnisse des Vatikans“, ZDF, 20.15 Uhr Kinocharts: „Wall Street“ an der Spitze ¥ Berlin (dpa). Oliver Stones Film „Wall Street – Geld schläft nicht“, die Fortsetzung seines Erfolgsfilms aus den 80er Jahren, ist in Deutschland gleich auf Platz eins der Kinocharts gestürmt. Der Film mit Michael Douglas liegt damit vor der ebenfalls neu platzierten Komödie „So spielt das Leben“. Nur noch auf Platz zu finden ist der 3-D-Animationsfilm „Ich – Einfach unverbesserlich“. Auf Platz vier (Vorwoche: drei) gefallen ist die Verfilmung von Erich Kästners Erzählung „Konferenz der Tiere“. Von Platz zwei auf Rang fünf ist „The Social Network“ gerutscht. Emirat Katar will Christie’s übernehmen ¥ London (dpa). Das arabische Emirat Katar hat Interesse an einer Übernahme des traditionsreichen Londoner Auktionshauses Christie’s. „Wir bauen ein Museum, und Christie’s hat Verbindungen zu Dingen, die wir für unser Museum zusammentragen“, sagte der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani. Ein offizielles Gebot gibt es aber noch nicht. Christie’s bezeichnete eine mögliche Übernahme durch das Emirat Katar als „Spekulation“. Diese werde nicht kommentiert, sagte eine Sprecherin. Filmstiftung zeichnet 50 Kinos aus ¥ Düsseldorf (dpa). Die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen zeichnet in diesem Jahr 50 Kinos mit dem begehrten Kinoprogrammpreis NRW aus. Die Auszeichnung sei mit insgesamt 384.000 Euro verbunden, teilte die Filmstiftung gestern mit. Zur Preisverleihung am 2. November in Köln wird zahlreiche TV- und Kinoprominenz erwartet. Unter anderem überreichen Hannelore Elsner, Nicolette Krebitz und Moritz Bleibtreu die Preise. Die Namen der prämierten Lichtspielhäuser bleiben bis dahin geheim. Posthumer Triumph Schlingensiefs Oper „Mea Culpa“ begeistert gefeiert ¥ Hamburg (dpa). Es wurde ein Geburtstag, der unter die Haut ging. Viele Besucher applaudierten lange im Stehen. Einige – wie die Wiener Burgtheater-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky – hatten Tränen in den Augen. „Ich bin froh und nur traurig“, sagte Stantejsky mit wegkippender Stimme am Sonntagabend. Das ausverkaufte Gastspiel der Wiener mit Christoph Schlingensiefs sogenannter ReadyMadeOper „Mea Culpa“ (2009, Meine Schuld) beim Hamburger Theater Festival am Tag, an dem er 50 Jahre alt geworden wäre, geriet zum posthumen Triumph für den Künstler. Schlingensief hatte in Hamburg ursprünglich selbst mitspielen wollen. Am 21. August war er nach langem Kampf gegen die Krankheit an Lungenkrebs gestorben. Zu den Gästen gehörten nun seine Witwe, die „Mea Culpa“-Kostümbildnerin Aino Laberenz, ein Onkel Schlingen- siefs und eine Tante. In der Rolle des nach dem Sinn von Leben und Sterben suchenden Künstlers beeindruckte Bühnenstar Joachim Meyerhoff – neben Größen wie Irm Hermann, Margit Carstensen, Fritzi Haberlandt sowie Laiendarstellern. In der üppigen Opern-Collage aus multimedialen Versatzstücken der Kulturgeschichte samt Chor und fingiertem Orchester hat sich der Künstler mit seinem frühen Tod auseinandergesetzt. „Mea Culpa“ bildet den letzten Teil einer Trilogie im Zeichen des Krebses. Durchgehend nimmt Schlingensief darin Bezug auf seine eigene Arbeit – wie seine umstrittene Bayreuther „Parsifal“-Inszenierung von 2004 oder den aktuellen Bau seines Opern-Festspielhauses in Burkina Faso. „Ich will einfach noch nicht. Es ist einfach noch zu früh“, lässt Schlingensief Meyerhoff zuletzt ganz schlicht sagen. PERSÖNLICH Adam Fischer (61), Star-Dirigent, verlässt die Ungarische Staatsoper. Vor dem Hintergrund politischer Interventionen seitens der neuen rechts-konservativen Regierung will Fischer nur noch vier Vorstellungen in der laufenden Saison dirigieren, für die er schon früher unter Vertrag genommen worden war. „Das Ensemble widersetzt sich jeder Veränderung“, sagte der Künstler der Budapester Tageszeitung Nepszabadsag. FOTO: DPA Heino (71), blonder Volksmusiksänger, pilgert wieder durch Kirchen und Kathedralen. Unter dem Motto „Die Himmel rühmen“ geht Heino im November und Dezember zum zweiten Mal auf Tournee durch Gotteshäuser. In 16 Kirchen in Deutschland singt der blonde Barde mit der dunklen Brille Werke von Schubert, Mozart und Bach, aber auch populäre Lieder wie „Der Mond ist aufgegangen“ oder „Guten Abend, gut’ Nacht“. FOTO: DPA VON URSULA KOCH ¥ Minden. Was lange währt, wird endlich gut: Zwei Jahre später als ursprünglich geplant wurde jetzt Bernd Giesekings Schauspiel „Die Farbe des Wassers“ im Stadttheater Minden uraufgeführt und erntete lang anhaltenden, kräftigen Beifall. Drei Stege überspannen die Bühne. Sie sind abstraktes Sinnbild (entworfen von Hans-Peter Korth) sowohl für das Schiff als auch für die arktische Landschaft. Denn das Theaterstück des in Kutenhausen bei Minden geborenen Autors und Kabarettisten handelt von der ersten Arktisreise im Jahr 1883/84 des in Minden geborenen Wissenschaftlers Franz Boas. Er wurde zum Begründer der modernen Anthropologie in den USA. In 20 Szenen erzählt Gieseking von dieser Reise in eine fremde Welt, von der Suche nach Erkenntnisgewinn des einen Reisenden – Franz Boas – und von seinem Diener Wilhelm Weike, der ganz unbefangen der Kultur der Inuit begegnet. Auf seiner Reise gewinnt Boas die Erkenntnis, dass keine Kultur der anderen überlegen ist, sondern alle Kulturen gleichberechtigt sind. Damit ist dieses Schauspiel hochaktuell, bezieht die Gegenposition zu Sarrazins Thesen. Gleichzeitig aber bleibt das Verhältnis von Boas zu Weike immer das des Herrn zum Diener. Die Inszenierung von Holger Müller-Brandes mischt traditionelle Formen des Theaters mit surrealen Momenten. Vor allem nutzt sie Musik, geschrieben von dem Berliner Improvisations-Musiker Hermann Keller, um Stimmungen zu erzeugen. An zwei Flügeln spielt Keller mal harmonische, mal dissonante Klänge, die das Publikum die Kälte der Arktis nahezu körperlich spüren lassen. Keller ist damit, gelegentlich von Ilka Vierkant am Akkordeon unterstützt, der heimliche Dreh- und Angelpunkt der Regie. Die Handlung beginnt mit einem Disput zwischen Franz und seinem Vater Meier Boas (gespielt von Jürgen Morche), der Annäherung: Der Diener Wilhelm Weike (Markus Streubel) und die Inuit Tookavay (Ilka Vierkant). den Sinn dieser Reise zunächst nicht einsehen will. Ganz kurz wird in diesem Streit der deutsche Antisemitismus angerissen. Als der Vater erkennen muss, dass er seinen Sohn von diesem Vorhaben nicht abbringen kann, versucht er seinem Hausangestellten Wilhelm Weike zunächst mit der Aussicht auf Abenteuer zu ködern, um seinem Sohn einen „patenten Kerl“ zur Seite zu stellen. Doch erst die Aussicht auf doppelten Lohn kann Weike umstimmen. Diese sehr verschiedenen Reisegefährten werden von Sebastian Straub als Franz Boas und Markus Streubel als Wilhelm Weike sehr überzeugend dargestellt. Straub verkörpert den ehrgeizigen Forscher, der sich sei- nen Platz in der Wissenschaft erkämpfen will und Weike mit einer Spur Herablassung begegnet. Streubel zeichnet Weike als Typen, der überall seinen Platz findet, an Bord genauso nützlich ist, wie als wissenschaftlicher Assistent. Er begegnet den Inuit ganz unvoreingenommen, spielt und jagt mit ihnen, findet in der Arktis schließlich eine Liebe und will gar nicht wieder zurück nach Deutschland. Straub und Streubel sind es, die gemeinsam mit Ilka Vierkant als Schamane Napitak, als mythische Figur Ssedna und als Weikes Retterin und Geliebte Tookavay die Handlung des Stücks tragen. Evamaria Keding spielt Marie Krakowizer, die Verlobte und spätere Ehefrau von Franz Boas, die ihm auf seiner Reise in Träumen immer wieder begegnet. Hermann Keller verleiht dazu dem Inuk Ocheitu eine Stimme, ohne seinen Platz zwischen den beiden Flügeln zu verlassen. Betont schlicht hat Karen Friedrich-Kohlhagen die Kostüme mit zwei Ausnahmen gestaltet: Für die mythische Figur Ssedna entwarf sie ein Kleid aus Fischhäuten, dessen Form an die Gestalt von Nixen erinnert, den Schamanen Napitak stattet sie mit einem Pelzumhang, wilder Perücke und Schneebrille aus. Mit seiner Lichtgestaltung erzeugt Michael Kohlhagen immer wieder neue, stimmige Bilder, etwa wenn er während der Wanderung durch die Arktis, bei der Boas und Weike zu erfrieren drohen, in gleißend weißes NurnocheinBücherbusinOstwestfalen Diskussion über Zukunft der Fahrbibliotheken / 110 rollende Bibliotheken bundesweit VON JOACHIM GÖRES ¥ Paderborn/Eschede. „Für uns ist es viel einfacher, alle drei Wochen an der Haltestelle bei uns in der Nähe auf den Bücherbus zu warten als in die Stadt zur Bibliothek zu fahren. Im Bus entdecken wir immer etwas Interessantes und man kann ja Bücher auch vorbestellen”, sagt Maren Scharf. Ihr vierjähriger Sohn Thore hat beim Stöbern in den Regalen des Bücherbusses gerade das Spiel „Lotti Karotti“ und einige Bilderbücher gefunden, seine Mutter leiht einen Krimi aus. Eine typische Szene aus einem der bundesweit rund 110 rollenden Bibliotheken, die Leser auf dem flachen Land oder in den Außenbezirken großer Städte mit Büchern, CDs, Spielen, Zeitschriften, Hörbüchern und DVDs versorgen. Die einzige Fahrbibliothek in Ostwestfalen wird vom Landkreis Paderborn betrieben. „Kinder und Jugendliche machen 60 Prozent unserer Leser aus, dazu kommen vor allem ihre Mütter sowie Senioren. Jedes Jahr werden in unserem Bücherbus 125.000 Medieneinheiten entliehen. Wenn es den Bücherbus des Landkreises Paderborn nicht gäbe, hätten viele Menschen in den kleinen Dörfern keine Möglichkeit, etwas zum Lesen auszuleihen”, sagt Alfred Wolf, Leiter der Kreisfahrbücherei Paderborn. Die hält in 44 Or- ten und bietet den Lesern in Bad Wünnenberg, Lichtenau oder Thüle 6.500 Medieneinheiten an. Die Frage ist wie lange noch, denn der Bücherbus ist inzwischen 30 Jahre alt – einer der drei ältesten in Deutschland, die noch in Betrieb sind. „Der Bus wird sehr gut vom Fahrer gepflegt, aber die Reparaturkosten steigen. Für eine Neuanschaffung würde es angesichts der aktuellen Haushaltslage sicher kein Geld geben”, so Wolf. Ein Dilemma, vor dem viele deutsche Fahrbibliotheken stehen, wie das Treffen von Fahrbüchereien aus sieben Bundesländern am vergangenen Wochenende im niedersächsischen Eschede deutlich machte. Nach einer dort präsentierten Umfrage droht drei Fahrbibliothe- ken die Schließung, bei sechs ist die Zukunft unklar. In Osnabrück wird nach langer Diskussion nun ein neuer Bücherbus angeschafft – der alte durfte nur noch mit einer Sondergenehmigung in die Umweltzone. Gleichzeitig wurden in Osnabrück vier Stadtteilbüchereien geschlossen, deren Nutzer jetzt durch den Bücherbus mitversorgt werden sollen. Besser sieht es in Münster aus. Zwar wurde dort bereits vor zehn Jahren einer von zwei Bücherbussen stillgelegt, aber dafür eine neue Zweigstelle eröffnet. Heute hält die Fahrbibliothek an 23 Stationen in den Randbezirken der Stadt, 70 Prozent der Nutzer sind Kinder und Jugendliche. „Wir merken, dass die immer später aus der Schule kommen und deswegen werden wir unseren Fahrplan verän- dern”, kündigt Bücherbusleiterin Sandra Ney an. Sie informierte sich in Eschede über den neuesten Stand der Technik, denn in Münster soll der 23 Jahre alte Bus vermutlich im übernächsten Jahr durch einen neuen ersetzt werden. Kostenpunkt: rund 400.000 Euro. „Mit einem neuen Bus könnten dann auch Rollstuhlfahrer unser Angebot nutzen”, hofft Ney. Günter Bassen, Leiter der Büchereizentrale Niedersachsen, moderierte das Treffen in Eschede. Er ist für die Zukunft optimistisch. „Fahrbibliotheken galten lange als Auslaufmodelle. Deswegen ist es erfreulich, dass mehr als 20 Kommunen in nächster Zeit neue Busse anschaffen wollen.” Bassen hofft darauf, dass in Schleswig-Holstein demnächst ein in den Landtag eingebrachtes Gesetz verabschiedet, wonach Bibliotheken eine Pflichtaufgabe der Kommunen werden. Bislang sind Büchereien bundesweit freiwillige Leistungen, die zunehmend wegen der finanziellen Notlage von Städten und Gemeinden geschlossen werden. Schleswig-Holstein ist auch das einzige Bundesland, in dem es in jedem Landkreis einen Bücherbus gibt. In NRW fahren rollende Bibliotheken in den Landkreisen Paderborn und Soest sowie in den Städten, Mülheim, Gelsenkirchen, Gladbeck, MünsSeit30Jahrenunter- ter, Hamm, Herne, wegs: Der Paderbor- Köln, Krefeld, Duisner Bücherbus. burg, Düsseldorf und Aachen. FOTO: THEATER MINDEN Licht taucht, über dem ein Schimmer Blau schwebt. Regie, Schauspiel, Musik und Text verbinden sich zu einem stimmigen Ganzen. Das Publikum erlebt einen anregenden, spannenden und auch anrührenden Theaterabend. Großartig. Karten und Termine ¥ Weitere Aufführungen: 25., 26. 28., 29. Oktober und 6. November jeweils um 20 Uhr sowie 7. November um 18 Uhr, Stadttheater Minden; Karten bei Express-Tickets (Obermarktstr. 28-30 in Minden) und an der Abendkasse. ZDF: Seehofer folgt auf Stoiber ¥ Mainz (epd). Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer folgt dem Ex-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) im Verwaltungsrat des ZDF nach. Auf diese Personalie haben sich die Ministerpräsidenten verständigt, so der Leiter der Mainzer Staatskanzlei, Martin Stadelmaier. Stoiber, der am 27. September ausschied, hatte dem Verwaltungsrat 17 Jahre lang angehört. Stoiber selbst hatte Seehofer als Nachfolger vorgeschlagen. Die Bundesländer bestimmen fünf der 14 Verwaltungsräte des Mainzer Senders. Ein Mitglied wird von der Bundesregierung in das Gremium entsandt. Acht Mitglieder werden vom Fernsehrat gewählt. Der von der CDU dominierte Verwaltungsrat des ZDF hatte im November 2009 eine Verlängerung des Vertrags des damaligen Chefredakteurs Nikolaus Brender abgelehnt. Anschließend hatten zahlreiche Politiker mehr Staatsferne in den ZDFGremien gefordert. Die Grünen hatten im Februar eine Verfassungsklage gegen den ZDFStaatsvertrag angekündigt. Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) bereitet eine Klage vor. Im ZDF-Fernsehrat soll Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) den Sitz übernehmen, den bisher der frühere Regierungssprecher Ulrich Wilhelm (CSU) innehatte. Der NRW-Medien-Staatssekretär Marc-Jan Eumann (SPD) zieht für den früheren NRW-Medienminister Andreas Krautscheid (CDU) in das Gremium ein.