Material zu ADHS für Angehörige - des Instituts für Psychologie an

Transcription

Material zu ADHS für Angehörige - des Instituts für Psychologie an
Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie
Institut für Psychologie II
Pädagogische - und Rehabilitationspsychologie
Projektleiter Dipl.-Psych. David Riha
A D (H )S –
In fo r m a tio n e n fü r A n g e h ö r ig e e r w a c h s e n e r B e tr o ffe n e r
1. Einleitung
Diese Übersicht wurde im Rahmen unseres Selbsthilfeprojektes zu Entwicklungs-,
Anpassungs,- und Aufmerksamkeitsstörungen entwickelt. Sie dient zu einer ersten
Information
darüber,
was
ADS
und
AD(H)S
sind
und
welche
Behandlungsmöglichkeiten bestehen. Der Text dient lediglich zur Information und
Orientierung, für eine Diagnosestellung ist ein persönliches Zusammentreffen mit
einem ausgebildeten Psychologen oder einem Facharzt notwendig.
W ä h r e n d d e r P r o je k tla u fz e it ( M a i 2 0 0 5 b is M a i 2 0 0 8 ) b ie te n w ir B e tr o ffe n e n e in
z w e is tü n d ig e s G e s p r ä c h z u r g e n a u e r e n D ia g n o s tik u n d w e ite r e
B e r a tu n g s g e s p r ä c h e a n u n d w o lle n S ie g e r n b e i d e r G r ü n d u n g v o n S e lb s th ilfe N e tz w e rk e n u n te rs tü tz e n .
2. Was ist AD(H)S?
Sehr allgemein versteht man unter der „Aufmerksamkeits-Defizit-Störung mit
Hyperaktivität“ eine bestimmte Klasse von Aufmerksamkeitsstörungen, die mit
Hyperaktivität und Impulsivität einhergehen können. Lange hat man
angenommen, dass diese Störung nur Kinder und Jugendliche betrifft. Erst jetzt
wendet man sich den Erwachsenen zu, die teilweise immer noch an dieser
besonderen Art der Aufmerksamkeitslenkung leiden.
3. Welche Symptome haben Betroffene?
AD(H)S-Betroffene haben bereits seit der Schulzeit Symptome, welche mehr oder
weniger ausgeprägt die drei genannten Bereiche betreffen können:
Aufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Hier ergeben sich auch im
Erwachsenenalter meist lange bestehende Beeinträchtigungen für die
Lebensqualität – sowohl der Betroffenen als auch ihrer Partner und Kinder. In der
Folge finden Sie einige konkrete Beispiele, wie sich diese Beeinträchtigungen bei
manchen Betroffenen zeigen. Allerdings handelt es sich lediglich um eine kleine
Auswahl.
Aufmerksamkeit:
Probleme mit der Organisation und dem „Durchhalten“ von Aufgaben und
Aktivitäten, Mühe, langweilige Aufgaben zu beginnen und zu Ende zu führen
Mühe mit Daueraufmerksamkeit z.B. bei uninteressanten Tätigkeiten oder
Vorgängen: Wegdriften, abgelenkt sein, Tagträumerei, unvollständiges Arbeiten,
Sorgfaltsfehler
Konzentrationsschwäche, rasche Ermüdbarkeit, dauerhaft zerstreut wirken
Übermäßige Vergesslichkeit: der Betroffene vergisst häufig, Dinge zu Ende zu
bringen und wirkt häufig sprunghaft
Häufiges Verlieren und Verlegen von wichtigen Gegenständen (z.B. Tasche, Handy,
Autoschlüssel…)
Hyperaktivität:
Große Ungeduld sowie Schwierigkeiten zu warten, wenn es erforderlich ist (in der
Kinoschlange, im Supermarkt)
ständig mit etwas spielen müssen (Stifte, Besteck, Schlüsselbund…)
häufig unruhig mit den Beinen wippen
häufiges Umherlaufen, auch im Gespräch mit anderen
Freude an (oder Zwang zu) aktivierenden Tätigkeiten (stundenlange Spaziergänge)
Aktionismus, Ideen schon umsetzen, noch bevor sie richtig zu Ende gedacht sind
sich nur laut beschäftigen können
Impulsivität:
Andere unterbrechen (z.B. herausplatzendes Antworten, noch bevor eine Frage
fertig gestellt ist)
Übermäßiges und lautes Reden ungeachtet sozialer Beschränkung oder
Angemessenheit (z.B. laute Kommentare im Theater)
sehr häufig „etwas unbedingt erzählen“ müssen
Niedrige Frustrationstoleranz, ungesteuerte Reaktionen bei Wut und Freude
rasch für Neues zu begeistern, aber auch rascher Interessensverlust
kann bei bestimmten Vorschlägen plötzlich begeistert aufspringen
heftige Stimmungsschwankungen
Diese und ähnliche Symptome bestehen bereits seit dem frühen Kindesalter und
sind nicht durch äußere Belastungen, „stressende Lebensereignisse“ oder andere
Erkrankungen bedingt. Häufig reagieren Angehörige mit Ärger, Wut und
Enttäuschung, denn die Betroffenen scheinen nicht willens (in Wirklichkeit in der
Lage!) zu sein, die beschriebenen Verhaltensweisen in irgendeiner Form zu
beeinflussen.
W e n n S ie d ie s e o d e r ä h n lic h e S y m p to m e v o n Ih r e m P a r tn e r k e n n e n ( e v e n tu e ll
a u c h n u r je n e a u s d e r R u b r ik „ A u fm e r k s a m k e it“ ) b e s te h t d ie M ö g lic h k e it, d a s s
e r / s ie a n e in e r A u fm e r k s a m k e its s tö r u n g le id e t.
D ie s b e d a r f je d o c h e in e r w e ite r e n d ia g n o s tis c h e n A b k lä r u n g !
2
4. Welche Ursachen hat AD(H)S?
AD(H)S ist eine multifaktorielle Erkrankung - das heißt, viele verschiedene
Ursachen kommen zusammen. Bisherige Forschungen lassen sich wie folgt
zusammenfassen:
es gibt eine genetische Komponente das heißt, eine erbliche
Vorbelastung kann eine dieser Ursachen sein
manche Funktionen im Gehirn Betroffener sind im Vergleich zu nicht
Betroffenen verändert
für den Grad der Ausprägung und die individuelle Entwicklung spielen
Umweltbedingungen und psychosoziale Faktoren eine entscheidende Rolle
5. Welche Störungen können mit AD(H)S einhergehen ?
Probleme durch häufigen Gebrauch von Suchtmitteln: Bei AD(H)S-Betroffenen ist
unter anderem der Dopamin-Haushalt verändert (Dopamin ist ein wichtiger
Botenstoff im Gehirn) – Alkohol, Nikotin und andere Drogen wirken auf diesen ein.
Im unbewussten Versuch, den eigenen Dopaminspiegel zu beeinflussen, können
sich bestimmte Verhaltensmuster herausbilden. Dies betrifft insbesondere den
exzessiven Konsum von Substanzen, welche das Dopamin-Niveau mittelbar oder
unmittelbar beeinflussen (Kaffee, Nikotin, Schokolade, insbesondere am Morgen
oder während konzentrationsfordernder Tätigkeiten).
A lle r d in g s k a n n e in e s o lc h e „ S e lb s tm e d ik a tio n “ , in s b e s o n d e r e b e i d e r
V e r w e n d u n g ille g a le r D r o g e n , s e lb s t z u e in e m P r o b le m w e r d e n .
Darüber hinaus können emotionale Störungen entstehen: eine grundsätzlich oder
zeitweise anhaltende veränderte Grundstimmung (z.B. Depression) spiegelt oft
die für die Betroffenen schwierige Lebensgestaltung und sich aus der
Aufmerksamkeitsbesonderheit ergebende soziale Konflikte wider. Auch häufige
Trennungen und sich wiederholende Wechsel des Arbeitsplatzes können zu
Beeinträchtigungen der Gefühlslage führen. Weitere mögliche, aber nicht
zwingende Begleiterscheinungen sind:
Angststörungen: unangemessene Angst vor Objekten oder Situationen
Persönlichkeitsstörungen: Verhaltensmuster, die von normalem Verhalten und
Erleben abweichen, was zur Beeinträchtigung der sozialen Funktions- und
Leistungsfähigkeit führt
„Psychosomatische Störungen“: körperliche
Störungen
ohne
eine
feststellbare,
organische
Ursache
(z.B.
Rückenschmerzen,
Magenschmerzen…)
D ie s e B e g le its tö r u n g e n k ö n n e n e in e ig e n s tä n d ig e s P r o b le m in d e r P a r tn e r s c h a ft
b z w . d e n fa m iliä r e n B e z ie h u n g e n w e r d e n u n d b e d ü r fe n w e ite r e r , e ig e n e r
B e h a n d lu n g s - M a ß n a h m e n !
3
6. Wie kann man als Angehöriger Betroffene unterstützen?
Zunächst einmal: lernen sie sich selbst zu unterstützen! Der Umgang mit einem an
AD(H)S leidenden Angehörigen kann durchaus zu Recht bisweilen als sehr
schwierig erlebt werden. Vergessene Verabredungen, beständiges Zuspätkommen, das Verlegen und Verlieren von teuren Gegenständen oder auch
Geschenken sowie das Gefühl, dass der andere einem nie zuhört, werden von
Angehörigen neben der Impulsivität der Betroffenen häufig als die stärksten
Alltagsbelastungen beschrieben. Wichtig ist es hier zunächst, die eigenen
Reaktionen akzeptierend anzuerkennen, trotzdem der andere „ja nichts dafür“
kann.
Es gibt darüber hinaus viele Wege, die Betroffenen in einer gelingenden
Alltagsanpassung zu unterstützen.
Einige praktische Tipps sollen hier kurz
aufgeführt werden:
Ändern Sie Ihre Sichtweise: das Zusammenleben mit einer „Chaosprinzessin“
oder einem „Zappelfillip“ ist oftmals schwierig. Helfen Sie sich und Ihrer/m
Angehörigen, indem Sie Konzentrationsschwächen, Impulsivität und
Unzuverlässigkeit nicht als Ausdruck mangelnden Interesses an Ihnen oder
der Beziehung sehen. Interpretieren Sie diese Verhaltensweisen besser vor
dem Hintergrund einer „Aufmerksamkeitsbesonderheit“.
Entdecken Sie die liebenswerten Aspekte der „Hypies“: AD(H)S-Betroffene
sind häufig warmherzig, sensibel und gleichzeitig lebensfroh, engagiert und
gerechtigkeitsorientiert. Trotz Ihrer Besonderheit genießen Sie meist viel
Sympathie und sind beliebte Sozialpartner.
Helfen Sie dem/der Betroffenen den Alltag zu strukturieren: Regelmäßig
aktualisierte Übersichtskalender, Pinnwände, feste Plätze für täglich
benötigte
Gegenstände
(Schlüssel,
Ausweis,
Geldbörse)
sowie
wiederkehrende, feste Termine können es erheblich erleichtern, Strukturen
einzuhalten.
Unterstützen Sie die Auseinandersetzung mit AD(H)S: aus unseren
Beratungsgesprächen wissen wir, dass viele Betroffene die bisherige
Biografie (und auch die Erfahrung beruflichen und privaten Scheiterns) erst
einmal mit AD(H)S in Verbindung bringen und auch betrauern müssen.
Hören Sie zu und geben Sie Trost, helfen Sie bei der „Neuordnung“ gelebten
Lebens.
Unterstützen Sie Therapiemaßnahmen: helfen Sie dem Betroffenen bei der
Vereinbarung von Terminen für Therapie und Diagnostik. AD(H)S-Projekte
und Ansprechpartner für Erwachsene gibt es im Moment deutschlandweit
nicht ausreichend - unterstützen Sie also möglichst das für die Betroffenen
oft schwierige „Dranbleiben“. Bei längeren Wartezeiten und gegebenenfalls
größeren Wegstrecken sollten Sie Ihre Begleitung anbieten.
Unterstützen Sie Selbsthilfeaktivitäten, wie etwa die Auseinandersetzung mit
AD(H)S, das Aufsuchen von Selbsthilfegruppen, das Lesen von hilfreichen
Informationsmaterialien und Büchern.
Bilden Sie sich selbst weiter: Auch für Angehörige gibt es inzwischen
Initiativen und Informationsmöglichkeiten. Nutzen Sie vor allem das Internet
zur Gewinnung von Informationen. Einige Empfehlungen finden Sie am Ende
der Broschüre.
4
7. Was wir anbieten:
Bis zum Ende der Projektlaufzeit am 23. April 2008 können Sie einen Termin mit
dem Fachbereich Pädagogische und Rehabilitationspsychologie der Universität
Leipzig vereinbaren. Wir bieten für Betroffene ein etwa zweistündiges
Erstgespräch zur genauen Diagnostik, um entscheiden zu können, ob eine
Aufmerksamkeitsbeeinträchtigung vorliegt. Im Anschluss können Betroffene mit
uns bis zu drei Beratungsgespräche vereinbaren, in denen wir Ihnen bei der
Lösung individueller Probleme im Zusammenhang mit AD(H)S Unterstützung
geben. Hier können Sie als Angehöriger gern mitkommen! Darauf aufbauend
unterstützen wir Betroffene beim Aufbau von Selbsthilfegruppen (beachten Sie
hierzu
auch
unsere
Informationsmaterialien
zur
Gestaltung
von
Selbsthilfegruppen).
Verantwortlicher und Ansprechpartner:
Bitte vereinbaren Sie – am besten telefonisch – einen Termin mit unserem
verantwortlichen Projektleiter, Herrn David Riha (Diplom-Psychologe). Dieser wird
mit Ihnen die diagnostische Abklärung sowie die Einzel-Beratung durchführen und
Sie und andere Betroffene bei den ersten drei Gruppen-Terminen begleiten:
Dipl.-Psych. David Riha
Universität Leipzig
Fakultät für Pädagogische und
Rehabilitationspsychologie
Seeburgstraße 14-20
04103 Leipzig
Telefon: (0341) 97 - 35954
Fax: (0341) 97 - 35955
8. Literatur- und Internet- Empfehlungen:
Bücher:
Neuhaus, Cordula: Lass mich, doch verlass mich nicht: ADHS und Partnerschaft. –
München: Dtv, 2005. – ISBN: 3-4233-4106-8
Ryffel-Rawak, Doris: ADS bei Erwachsenen - Bern: Huber. - ISBN: 3456836317
Stollhoff, Kirsten: Hochrisiko ADHS - Plädoyer für eine frühe Therapie. – Lübeck:
Schmidt-Römhild - ISBN 3-7950-0778-X:
Weiss, Lynn: Eins nach dem anderen. Das ADD-Praxisbuch für Erwachsene. Brendow,Moers. - ISBN: 387067833-X.
5
Links:
http://www.razyboard.com/system/forum-peate-adhs-fuer-angehoerige241233.html
http://www.adhs-steiermark.at/website.php
http://www.gisu.de/ads-familie/index.htm
http://www.adhs.ch/
6

Documents pareils