Zum Urteil
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Az. RO 4 K 12.283 Verkündet am 27.03.2012 ***** stv. Urkundsbeamtin Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache ***** - Klägerin bevollmächtigt: ***** gegen Stadt C***** vertreten durch die 1. Bürgermeisterin - Beklagte beigeladen: ***** beteiligt: Regierung der Oberpfalz als Vertreter des öffentlichen Interesses Postfach, 93039 Regensburg wegen verkehrsrechtlicher Anordnung erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg, 4. Kammer, unter Mitwirkung von Vorsitzender Richterin am Verwaltungsgericht Mühlbauer Richter am Verwaltungsgericht Chaborski Richterin am Verwaltungsgericht Schmid-Kaiser ehrenamtlicher Richterin ***** ehrenamtlicher Richterin ***** aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. März 2012 am 27. März 2012 folgendes -2- RO 4 K 12.283 Urteil: I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung gleiche Sicherheit leistet. Tatbestand: Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr.1***** der Gemarkung C*****. Das Grundstück liegt an einem im Privateigentum stehenden Weg an, der westlich des Grundstücks Fl.Nr.2***** von der Ortsstraße „A *****“ abzweigt, über die Grundstücke Fl.Nrn.3*****, 4*****, 5*****, 6*****, 7*****, 8*****, 9***** und 10***** läuft und dort wieder in die Ortsstraße „A *****“ einmündet. An der westlichen Zufahrt zu der Privatstraße war ur- sprünglich ein Zeichen 250 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO mit Zusatzschild „Zufahrt zu den Anwesen a***** bis b***** frei“ aufgestellt, nach Angaben der Klägerin seit ca. 40 Jahren, das die Beklagte mittlerweile entfernt hat. Zuvor hatte das Gericht den Antrag der Klägerin, der Beklagten die Entfernung des Verkehrszeichens durch einstweilige Anordnung zu untersagen, mit rechtskräftigem Beschluss vom 9.2.2012 abgewiesen. Zu einem von den Beteiligten nicht genannten Zeitpunkt hat ein von den Beteiligten zunächst nicht genannter Anlieger an der östlichen Zufahrt zu dem Privatweg auf dem Grundstück Fl.Nr. 10***** eine Schranke und auf der Grenze zwischen den Grundstücken Fl.Nrn. 1***** und 8***** mittig auf der Fahrbahn ein Schild mit der Aufschrift „Privatweg Durchfahrt verboten!“ angebracht. In der mündlichen Verhandlung hat sich herausgestellt, dass die Maßnahme von Herrn K***** durchgeführt wurden. Er wurde deshalb zum Verfahren beigeladen. Die Klägerin hat am 14.2.2012 „Hauptsacheklage nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 926, 929 ZPO“ erhoben. Sie trägt vor: - Wie sich aus dem Beschluss des Gerichts vom 9.2.2012 ergebe, handle es sich bei der Privatstraße um eine öffentliche Verkehrsfläche. Dies sei durch den Beschluss rechtskräftig festgestellt. Die Beklagte sei gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. § 32 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO verpflichtet, eine Beseitigungsanordnung zu erlassen. -3- RO 4 K 12.283 - Eine Abwägung mit den Interessen des Eigentümers sei nach der Rechtssprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht angezeigt, da eine andere Entscheidung nicht in Betracht komme. - Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs begehe die Straßenverkehrsbehörde eine Amtspflichtverletzung, wenn sie die Augen vor einer in ihre Zuständigkeit fallenden Gefahrenquelle verschließe. - In dem vorgelegten Kaufvertrag vom 12.1.1874 sei von einer Straße bis hinauf zum V***** Felde (jetzt: Fl.Nr. 11*****) die Rede. Weiter heiße es in dem Kaufvertrag: „Bemerkt wird, dass zwischen dem Garten der Verkäufer und dem Kaufobjekt den Verkäufern ein 12 Schuh breiter Raum zu einer Fahrt verbleibt...“. Ein Schuh entspreche ca. 30 cm. Es bestehe somit eine private altrechtliche Grunddienstbarkeit, die der Nachbar K***** gemäß Art. 184 EGBGB zu dulden habe. - Der Weg bestehe schon seit 140 Jahren und stelle die Zuwegung zu ca. zehn Häusern dar. Der Bestandsschutz erstrecke sich auf die Zuwegung nach Art. 4 BayBO. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sie die Sache nichts angehe, da sie ihr Einvernehmen zu den Baugenehmigungen erteilt habe. - Die in Streit stehenden Sperren verursachten große Unfallgefahren, zumal sie nachts nicht beleuchtet seien. Durch die Sperren würden Rettungswagen erheblich behindert. Sie könnten nicht zu den Wohnhäusern fahren. Die im Haus Nr. c***** wohnhafte Gynäkologin müsse stets erreichbar sein. Das Gericht hat, soweit zunächst beantragt wurde, den Privatweg als Eigentümerweg in das Bestandsverzeichnis einzutragen, vom Verfahren abgetrennt und an die 2. Kammer des Gerichts abgegeben. Die Klägerin hat die verwiesene Klage mittlerweile zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom 16.3.2012 hat sie ihre Verpflichtungsklage auf die Beseitigung der auf der Verkehrsfläche abgestellten Fahrzeuge erweitert. Die Klägerin beantragt im verbleibenden Verfahren, die Beklagte zu verpflichten, die von einem Privatmann geschaffenen Hindernisse einschließlich der Absperrschranke und der auf der Verkehrsfläche abgestellten Fahrzeuge zu beseitigen bzw. beseitigen zu lassen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. -4- RO 4 K 12.283 Sie trägt vor, sie sehe keine Veranlassung, in der von der Klägerin beantragten Weise tätig zu werden, da es hier ausschließlich um Flächen von privaten Grundstückseigentümern gehe. Der Beigeladene hat keinen förmlichen Antrag gestellt. Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.3.2012, wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Klage ist unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagte hat, das vom Beigeladenen auf seinem Grundstück aufgestellte Schild sowie die errichtete Schranke und die dort parkenden Fahrzeuge zu beseitigen oder beseitigen zu lassen. 1. Das Gericht bleibt bei seiner Beurteilung, wonach es sich bei der im Privateigentum stehenden Straße um eine öffentliche Verkehrsfläche im Sinne des § 1 StVG und § 1 StVO handelt. Dadurch, dass die Eigentümer den Weg der Öffentlichkeit tatsächlich zu Verkehrszwecken zur Verfügung gestellt haben, ist er eine öffentliche Verkehrsfläche geworden. Diese Eigenschaft erhält eine Verkehrsfläche dann, wenn eine ausdrückliche oder stillschweigende Freigabe durch den Berechtigten zur allgemeinen Verkehrsnutzung vorliegt, wobei es nicht auf den inneren Willen des Berechtigten, sondern auf die für die Verkehrsteilnehmer erkennbaren äußeren Umstände ankommt (BayVGH, Beschl. v. 16.5.2002 Az: 24 CS 02.43; vom 17.2.2003 Az: 11 B 99.3439 und vom 14.7.2010 Az: 8 ZB 10.475). Für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer, der über die Eigentumsverhältnisse an der Verkehrsfläche nicht unterrichtet ist, stellt sich der Privatweg als reguläre Ortsstraße dar. Gegenteilige Hinweise fehlen. 2. Bei dem Weg handelt es sich nicht um einen Eigentümerweg. Denn er wurde nicht unter Verzicht auf das Widerrufsrecht für den allgemeinen Verkehr freigegeben, was Voraussetzung für diese Einstufung wäre (BayObLG, Beschl. v. 29.10.1993, FSt 1994, 503). Es handelt sich vielmehr um einen lediglich tatsächlich-öffentlichen Weg, bei dem die Freigabe für den öffentlichen Verkehr grundsätzlich zurückgenommen werden kann. Die Rücknahme der Verkehrsfreigabe muss in einer allen Verkehrsteilnehmern deutlich erkennbaren, unmissverständlichen Weise erfolgen (BayObLGSt 1960, 258). -5- RO 4 K 12.283 Die Befugnis zum Widerruf berechtigt den Eigentümer nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs jedoch nicht, den Verkehr in einem Akt der Selbsthilfe zu unterbinden. Vielmehr kann die Eigenschaft als tatsächlich-öffentlicher Weg nur „in dem von der Rechtsordnung bereitgestellten behördlichen und gerichtlichen Verfahren“ beseitigt werden (BayVGH, Beschl. v. 11.1.2005 Az: 8 CS 04.3275). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt in der genannten Entscheidung jedoch nicht aus, an welche Verfahren er dabei denkt. In seinem Beschluss vom 14.7.2010 (Az: 8 ZB 10.475) zieht er die Erhebung einer Feststellungsklage in Betracht. 3. Die vom Beigeladenen durchgeführten Maßnahmen stellen Verkehrshindernisse nach § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO dar, deren Bereiten eine Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO beinhaltet. Zur Unterbindung dieser Ordnungswidrigkeit wäre die Beklagte berechtigt, nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG eine Beseitigungsanordnung gegen den Beigeladenen als deren Verursacher zu erlassen. Dabei wäre die Beklagte nicht verpflichtet, „aufwendige Abwägungen mit den Interessen Privater“, also mit denen des Verursachers der Sperre anzustellen (BayVGH, Beschl. vom 17.8.2006 Az: 8 ZB 06.1282). Denn bei der Sperrung einer tatsächlich–öffentlichen Straßenfläche durch den Grundeigentümer dürfte eine andere Entscheidung als die Beseitigung der Sperre wohl kaum in Betracht kommen (BayVGH, Beschl.v . 14.7.2010 Az: 8 ZB 10.475 m.w.N.). 4. Im vorliegenden Streitfall geht es jedoch ausschließlich um den Schutz der privaten Rechte der Klägerin, die sich durch die Sperrung der Verkehrsfläche in ihren Anliegerrechten beeinträchtigt fühlt. Abgesehen davon, dass die Sicherheitsbehörden in entsprechender Anwendung des Art. 2 Abs. 2 PAG nur dann zum Schutz privater Rechte tätig werden dürfen, wenn gerichtlicher Rechtsschutz für den Betroffenen nicht rechtzeitig zu erlangen ist, was im vorliegenden Fall angesichts des beim Amtsgericht Cham bereits anhängigen Zivilverfahrens fraglich erscheint, ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Einzelne bei Vorschriften, die grundsätzlich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im allgemeinen Interesse dienen, nur einen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung begrenzten Anspruch haben kann, wenn die Verletzung von geschützten Individualinteressen in Betracht kommt (Bengl/Berner/Emmerig, Rd.Nr. 67 zu Art. 7 LStVG; Hentschel/König/Bauer, Straßenverkehrsrecht, Anmerkung 28 a zu § 45 StVO). Angesichts des Umstands, dass die Klägerin weiterhin ihr Grundstück von Westen her anfahren kann, die Schranke jederzeit mit geringem Aufwand geöffnet werden kann und das Verbotsschild leicht mittels eines Dreieckschlüssels entfernt werden kann, wie der Beigela- -6- RO 4 K 12.283 dene in der mündlichen Verhandlung bekundet hat, sind schwerwiegende Gefahren für die Straßenanlieger im Falle eines notwendig werdenden Feuerwehr- oder Notarzteinsatzes nicht zu besorgen. Hinzu kommt, dass es sich hier um ein sehr kurzes Straßenstück handelt, auf dem wegen der fehlenden Garagen seit jeher häufig Fahrzeuge parken, die ihrerseits Rettungseinsätze erschweren. Zielrichtung der Maßnahmen des Beigeladenen war es auch nicht, den Anliegerverkehr zu erschweren, sondern Fremdparker auszuschließen. Angesichts der geringfügigen Bedeutung der kurzen Straße für den allgemeinen Straßenverkehr geht es hier auch weniger um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern mehr um eine private Nachbarstreitigkeit. Bei dieser Sachlage ist die Beklagte nicht verpflichtet, gegen den Beigeladenen eine sicherheitsrechtliche Anordnung zu erlassen. Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor. Damit konnte die Klage keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Rechtsmittelbelehrung Rechtsmittel: Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg schriftlich zu stellen (Haidplatz 1, 93047 Regensburg oder Postfach 110165, 93014 Regensburg). Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Ludwigstraße 23, 80539 München oder Postfach 340148, 80098 München) einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Der Antragsschrift sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden. -7- RO 4 K 12.283 Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO. Mühlbauer Vors. Richterin am VG Chaborski Richter am VG Schmid-Kaiser Richterin am VG Beschluss: Der Streitwert wird auf 5.000,-- € festgesetzt. Rechtsmittelbelehrung Rechtsmittel: Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- EUR übersteigt, oder wenn die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg (Haidplatz 1, 93047 Regensburg oder Postfach 110165, 93014 Regensburg) einzulegen. Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden. Mühlbauer Vors. Richterin am VG Chaborski Richter am VG Schmid-Kaiser Richterin am VG