Teuerungsanpassung der Betriebsrenten im Jahr 2015
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Teuerungsanpassung der Betriebsrenten im Jahr 2015
Arbeitsrecht Aufsätze www.der-betrieb.de Betriebliche Altersversorgung »DB0690783 Dr. Markus Bechtoldt, München / Michael Kelwing, Mülheim/Ruhr Teuerungsanpassung der Betriebsrenten im Jahr 2015 – Anstieg von Lebenshaltungskosten und Nettoeinkommen im Zeitraum 2012/2015 bzw. ab Rentenbeginn – Dr. Markus Bechtoldt ist in München und Michael Kelwing in Mülheim/ Ruhr bei der Aon Hewitt GmbH als Sachverständige für Altersvorsorge und Vergütung tätig. kontakt: [email protected] Ein Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer betriebliche Altersversorgungsleistungen zugesagt hat, ist gem. § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung dieser Leistungen aufgrund der Teuerungsrate zu prüfen. Folgender Beitrag erörtert und erläutert die aktuell dafür relevanten Parameter. I. Einleitung Insb. aufgrund der sehr niedrigen Inf lationsrate in der zweiten Jahreshälfte schwächte sich die für die Anpassung der Betriebsrenten maßgebliche dreijährige Teuerungsrate in den vergangenen Monaten kontinuierlich weiter ab und beträgt nach Werten zum Jahresbeginn 2014 von über 5% zum 01.01.2015 lediglich 3,7%. Die sehr moderate Steigerung der Verbraucherpreise in 2014 liegt insb. in der weiterhin rückläufigen Entwicklung für leichtes Heizöl (-7,8%), Kraftstoffe (-4,4%), Unterhaltungselektronik (-5,6%) und Telefonen (-7,3%) begründet. Auch stiegen die Nahrungsmittelpreise im vergangenen Jahr lediglich um 1% an. Für 2015 gehen die von der EZB regelmäßig befragten Ökonomen von einer anhaltend niedrigen Entwicklung der Inflation deutlich unterhalb der von der EZB langfristig kommunizierten Zielrate von knapp 2% aus. II. Anpassungsverpflichtung Für die Frage der Betriebsrentenanpassung ist die Entwicklung der Teuerungsrate von ganz wesentlicher Bedeutung: Hat ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern1 laufende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Alters-, Invaliditäts-, oder Hinterbliebenenversorgung) zugesagt, so ist er nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Versorgungsleistungen zu prüfen und nach billigem Ermessen über eine Rentenerhöhung zu entscheiden. Die Anpassungsprüfung verpflichtet den Versorgungsschuldner grds., den realen Wert der Betriebsrente zu erhalten. Insoweit ist gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland abzustellen. Der Anpassungsbedarf wird zum einen durch die Nettolohn-Steigerung der aktiven Belegschaft, zum anderen durch die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers begrenzt. Die Anpassungsverpflichtung gilt nach § 16 Abs. 2 BetrAVG als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ausfällt als der im Prüfungszeitraum zu verzeichnende Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens (reallohnbezogene Obergrenze).2 Nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG entfällt die Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 BetrAVG, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, die laufenden Leistungen unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage jährlich um mindestens 1% anzupassen.3 Diese Möglichkeit besteht gem. § 30c Abs. 1 BetrAVG allerdings nur für laufende Leistungen, die auf Zusagen beruhen, die nach dem 31.12.1998 erteilt wurden.4 III. Prüfungszeitpunkt und Prüfungszeitraum 1. Individuelle Ermittlung der Prüfungszeitpunkte Nach dem Wortlaut des Gesetzes müsste der Arbeitgeber für jeden einzelnen Versorgungsberechtigten in zeitlichen Abständen von jew. drei Jahren nach dessen individuellem Rentenbeginn eine Anpassungsprüfung vornehmen. 2. Bündelung des Prüfungstermins Anstelle einer individuellen Ermittlung der jeweiligen Prüfungszeitpunkte darf der Arbeitgeber aber auch die in einem Jahr anfallenden Anpassungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin bündeln. Durch diese Vereinfachung wird unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand vermieden. Der durch eine verzögerte Anpassung ggf. entstehende Nachteil für den Rentner wird regelmäßig durch einen entsprechend höheren Teuerungsausgleich abgemildert. Eine Verzögerung des Prüfungstermins ist allerdings nur für die Erstanpassung zulässig, danach ist der 3-Jahres-Turnus einzuhalten.5 Über die jährliche Bündelung der Anpassungstermine hinaus ist auch eine Zusammenfassung der Anpassungsprüfung für sämtliche laufende Versorgungsverpflichtungen zu einem einheitlichen 3-Jahres-Turnus möglich. Dadurch kann sich der Prüfungszeitraum für die erste Anpassungsprüfung teilweise erheblich verringern oder aber auch in vertretbarem Umfang verlängern. Dieses Vorgehen ist dennoch zulässig, da es dem Rentner – über die gesamte Laufzeit der Betriebsrente gesehen – mehr Vor- als Nachteile bringt und dem Arbeitgeber eine deutliche Verwaltungsvereinfachung entsteht.6 Die zulässige Verzögerung der Erstanpassung durch die Bündelung wurde in den letzten zu dieser Thematik ergangenen BAG-Urteilen allerdings auf maximal sechs Monate 2 3 4 5 1 Für Organmitglieder ist § 16 BetrAVG nach Aufassung des BAG abdingbar: BAG vom 21.04.2009 – 3 AZR 285/07, DB 2010 S. 2004. DER BETRIEB Nr. 08 20.02.2015 6 Entspricht den in der Zeit vor dem 01.01.1999 vom BAG entwickelten Anpassungsmaßstäben, vgl. BAG vom 16.12.1976 – 3 AZR 795/75, DB 1977 S. 115 i.V.m. BAG vom 11.08.1981 – 3 AZR 395/80, DB 1981 S. 2331. Gem. § 16 Abs. 3 und 5 BetrAVG i.V.m. § 30c BetrAVG entfällt diese Verplichtung bei Beitragszusagen mit Mindestleistung und bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen auch bei Direktversicherungs-, Pensionskassen- sowie Entgeltumwandlungszusagen. BAG vom 28.06.2011 – 3 AZR 282/09, DB 2011 S. 2923, und 3 AZR 859/09, DB 2011 S. 2926. St. Rspr. seit BAG vom 28.04.1992 – 3 AZR 142/91, DB 1992 S. 2401; zuletzt vom 21.10.2014 – 3 AZR 1027/12, DB 2015 S. 255. Zuletzt BAG vom 11.10.2011 – 3 AZR 732/09, DB 2012 S. 1278, m.w.N. 435 Arbeitsrecht Aufsätze beschränkt.7 Das BAG führt als Grund für die Limitierung auf sechs Monate den Gedanken an, dass dem Versorgungsempfänger durch die um höchstens sechs Monate verzögerte erstmalige Anpassungsprüfung keine wesentlichen Nachteile entstünden.8 Da sich die BAG-Rspr. zur maximal zulässigen Verzögerung von sechs Monaten mittlerweile so verfestigt hat, ist ein bündelungsbedingtes Hinausschieben der Erstanpassung um mehr als sechs Monate mit einem rechtlichen Risiko verbunden. 3. Maßgeblicher Prüfungszeitraum In § 16 Abs. 1 BetrAVG ist nur der 3-Jahres-Turnus der Anpassungsprüfung und damit lediglich der jeweilige Prüfungstermin geregelt. Der in § 16 Abs. 2 BetrAVG genannte Begriff des „Prüfungszeitraums“, innerhalb dessen die jeweiligen Anpassungsmaßstäbe auszuwerten sind, ist gesetzlich nicht definiert. Nach Auffassung des BAG umfasst der Prüfungszeitraum die Zeit vom Rentenbeginn9 bis zum jeweiligen Anpassungsstichtag und ist nicht disponibel.10 Dies ergibt sich aus dem Wertsicherungsgedanken der Betriebsrentenanpassung, der eine Auszehrung der Renten durch Beibehaltung bzw. Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung zum Ziel hat. Dieser Prüfungszeitraum gilt sowohl für den Teuerungsanstieg als auch die reallohnbezogene Obergrenze (Gleichlauf der Prüfungszeiträume).11 Das BAG hat nun in aktuellen Entscheidungen klargestellt, dass dieser Prüfungszeitraum auch dann gilt, wenn ein Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, eine bei einem früheren Prüfungsstichtag aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage zu Recht unterlassene Anpassung am aktuellen Prüfungsstichtag nachzuholen.12 Bei der Ermittlung des Anpassungsbedarfs ist jew. auf die Indexwerte der Monate abzustellen, die dem erstmaligen Rentenbezug und dem jeweiligen Prüfungstermin unmittelbar vorausgehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist jew. der Verbraucherpreisindex zugrunde zu legen, der am maßgeblichen Anpassungsstichtag vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht worden ist.13 Die Zahlung der erhöhten Rente muss sich dann unmittelbar an den Prüfungszeitraum anschließen. Die Anpassungsprüfung und -entscheidung ist dann nicht zu beanstanden, wenn der Teuerungsanstieg sowie die Nettolohnentwicklung vom Rentenbeginn bis zum aktuellen Prüfungsstichtag bestimmt wird, beide Werte miteinander verglichen werden und der Rentenbetrag – gemessen an der Ausgangsrente – mindestens auf den niedrigeren der beiden Beträge angehoben wird.14 Hierbei ist grds. auf den (Brutto-) Zahlbetrag der Betriebsrente abzustellen, der sich aus der Versorgungszusage zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls ergab und nicht etwa auf ein der Zusage zugrunde gelegtes Gesamtversor7 8 9 10 11 12 13 14 436 BAG vom 11.12.2012 – 3 AZR 615/10, DB 2013 S. 1559; vom 19.06.2012 – 3 AZR 464/11, DB0490912 = BetrAV 2012 S. 529; vom 14.02.2012 – 3 AZR 685/09, DB 2012 S. 1935; vom 11.10.2011, a.a.O. (Fn. 6); vom 11.11.2014 – 3 AZR 117/13, DB0690359. BAG vom 11.11.2014, a.a.O. (Fn. 7); vgl. zur Historie der„Bündelungsentscheidungen“ Bormann, BetrAV 2012 S. 559. Teilweise anders im Konditionenkartell des Bochumer Verbands: BAG vom 25.04.2006 – 3 AZR 159/05, DB 2006 S. 2639; vom 12.06.2007 – 3 AZR 83/06, DB 2008 S. 480 (Ls.); vom 21.08.2007 – 3 AZR 330/06, DB 2007 S. 2720. BAG vom 19.06.2012, a.a.O. (Fn. 7), vom 18.03.2014 – 3 AZR 249/12, DB0662599. St. Rspr. zuletzt BAG vom 18.03.2014, a.a.O. (Fn. 10). BAG vom 20.08.2013 – 3 AZR 750/11, DB 2014 S. 372 = BetrAV 2013 S. 721, m.w.N.; vom 28.05.2013 – 3 AZR 125/11, DB 2013 S. 2280 (Ls.) = BB 2013 S. 2489; zur Berücksichtigung der zu Recht unterbliebenen Anpassung s. unten Beispiel 2. BAG vom 19.06.2012, a.a.O. (Fn. 7), m.w.N.; dies gilt auch dann, wenn nach dem Prüfungs- und Anpassungsstichtag, aber vor der Anpassungsentscheidung ein neuer Index veröfentlicht wird. Siehe unten Beispiel 1. www.der-betrieb.de gungsniveau.15 Eine Betrachtung allein des zurückliegenden 3-Jahres-Zeitraums ist nur dann ausreichend, wenn bisher immer derselbe Anpassungsmaßstab (dreijährige Teuerungsrate oder reallohnbezogene Obergrenze) verwendet wurde und zum gegenwärtigen Anpassungsstichtag auch beibehalten wird, – bei Anpassung entsprechend der Teuerungsrate – keine Umbasierung des Verbraucherpreisindexes vorliegt und bei früheren Anpassungsentscheidungen eine ausreichende Rentenanpassung gem. § 16 Abs. 2 BetrAVG vorgenommen wurde. Diese aus verwaltungstechnischer Sicht interessante Beschränkung auf einen Anpassungsmaßstab kann allerdings im Ergebnis dazu führen, dass eine über die gesetzlich geregelte Mindestverpflichtung hinausgehende Rentenanpassung gewährt wird. Hat man abweichend vom oben dargestellten Prüfungszeitraum immer nur einen 3-Jahres-Vergleich angestellt und unter Wechsel des Beurteilungsmaßstabs eine Anhebung auf den im jeweiligen Zeitraum niedrigeren Maßstab vorgenommen, ist eine zu geringe Anpassung erfolgt. Hier besteht das Risiko einer nachträglichen Anpassungsverpflichtung. IV. Bestimmung des Anpassungsbedarfs Grds. muss der Arbeitgeber nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG den Anpassungsbedarf der Betriebsrenten auf Grundlage des seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlusts bestimmen. Hierbei bemisst sich der Kaufkraftverlust für Prüfungszeiträume ab dem 01.01.2003 anhand der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland, für Anpassungsstichtage seit dem 20.02.2013 auf Basis des aktuell gültigen Warenkorbs 2010. Soweit der Prüfungszeitraum seit Rentenbeginn Zeiten vor dem 01.01.2003 umfasst, tritt gem. § 30c Abs. 4 BetrAVG der für diese Zeiträume auch heute noch maßgebliche Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen an die Stelle des Verbraucherpreisindexes für Deutschland, auch wenn dieser auf dem heute überholten Warenkorb von 1995 beruht. Sofern der ebenfalls seit Rentenbeginn zu bemessende Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens hinter der Teuerungsrate zurückbleibt, kann dieser auf Grundlage des § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG als Anpassungsmaßstab dienen. Der komplette Beitrag kann unter http://www.der-betrieb.de/content/ dft,0,690783,bechtoldt abgerufen werden (als "DER BETRIEB"-Abonnent kostenfrei, als Nicht-Abonnent kostenpflichtig). 15 BAG vom 14.02.2012, a.a.O. (Fn. 7). DER BETRIEB Nr. 08 20.02.2015