© 2016 aok-business.de - PRO Online, 18.08.2016

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Zuschläge - Berücksichtigung bei der Entgeltfortzahlung
Inhaltsübersicht
1.
2.
Allgemeines
Entgeltausfallprinzip
2.1 Zeitfaktor und Geldfaktor
2.2 Rechtsgrundlage der Vergütung
2.3 Abweichende tarifvertragliche Regelungen
3.
4.
Berücksichtigung von Zuschlägen
Beispiele
4.1 Zuschläge, die einzubeziehen sind
4.2 Zuschläge, die nicht einzubeziehen sind
Information
1. Allgemeines
Für die Weiterzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit gilt das sogenannte Entgeltausfallprinzip.
Zweifelhaft ist häufig, ob dem Arbeitnehmer auch Zuschläge, die er neben seiner eigentlichen Vergütung
erhält, weiter zu zahlen sind. Der Beitrag informiert Sie über die Einzelheiten.
2. Entgeltausfallprinzip
2.1 Zeitfaktor und Geldfaktor
Bei Arbeitsunfähigkeit ist dem Arbeitnehmer das ihm unter Berücksichtigung der maßgebenden regelmäßigen
Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt weiterzuzahlen ( § 4 Abs. 1 EFZG ). Basis ist also der Verdienst, den
der Mitarbeiter erzielt hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig geworden wäre. Maßgebend für die Ermittlung des
zustehenden Betrages ist zum einen die ausgefallene Arbeitszeit ("Zeitfaktor"), zum anderen der Verdienst
pro Zeiteinheit ("Geldfaktor"). Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf den Geldfaktor.
2.2 Rechtsgrundlage der Vergütung
Für die Berechnung heranzuziehen ist der Bruttoverdienst, wie er sich aus den maßgebenden Regelungen
ergibt. Die zustehende Vergütung lässt sich ableiten aus
• dem Arbeitsvertrag,
• einem Tarifvertrag,
• einer Betriebsvereinbarung,
• aus dem gesetzlich (ggf. für die Branche) festgelegten Mindestlohn oder
• im öffentlichen Dienst auch aus Gesetz und Verordnung.
Der Anspruch kann sich aber auch aus einer betrieblichen Übung ergeben. Für die Zahlung von
Entgeltbestandteilen aufgrund betrieblicher Übung (meist als "Zuschläge" bezeichnet) gibt es keine
gesetzliche Grundlage. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG liegt eine solche betriebliche Übung
vor, wenn bestimmte Verhaltensweisen des Arbeitgebers regelmäßig wiederholt werden, sodass die
Arbeitnehmer daraus schließen können, ihnen solle auf Dauer eine bestimmte Leistung oder Vergünstigung
zukommen (vgl. z.B. BAG, 19.05.2005 - 3 AZR 660/03 ). Auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers
kommt es nicht an; es reicht aus, wenn der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers dessen
Verpflichtungswillen ableiten kann ( Gratifikation - Freiwilligkeitsvorbehalt und Betriebliche Übung Freiwilligkeitsvorbehalt ).
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Praxistipp:
Will der Arbeitgeber seinen Verpflichtungswillen für die Zukunft ausschließen, kann er das mit einem
Freiwilligkeitsvorbehalt tun. Dieser muss aber eindeutig formuliert sein und das Fehlen eines
Rechtsbindungswillens zweifelsfrei erkennen lassen.
Ein solcher Ausschluss kann jedoch den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen und daher
unwirksam sein, wenn er sich auf die laufenden Bezüge bezieht ( BAG, 25.04.2007 - 5 AZR 627/06 ).
2.3 Abweichende tarifvertragliche Regelungen
Nach § 4 Abs. 4 EFZG kann die Bemessungsgrundlage der Entgeltfortzahlung abweichend von der
gesetzlichen Regelung in einem Tarifvertrag festgelegt werden. Dabei können sowohl die
Berechnungsmethode als auch die einzubeziehenden Bestandteile der Vergütung verändert werden. Zulässig
sind auch Regelungen, die sich zu Ungunsten der Arbeitnehmer auswirken ( BAG, 13.03.2002 - 5 AZR
648/00 ). Gerade die Fortzahlung von Zuschlägen bei Arbeitsunfähigkeit ist häufig in Tarifverträgen geregelt.
3. Berücksichtigung von Zuschlägen
Zuschläge, die zusätzlich zu der laufenden Vergütung gezahlt werden, gehören entsprechend dem
Entgeltausfallprinzip grundsätzlich zu der bei Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlenden Vergütung ( BAG,
14.01.2009 - 5 AZR 89/08 ). Nach dieser Entscheidung des BAG sind Zuschläge für die Arbeit an Sonn- und
Feiertagen in die Krankheitsvergütung einzubeziehen, wenn der Arbeitnehmer laut Dienstplan oder
Vereinbarung an diesen Tagen gearbeitet hätte. Die Zuschläge sind als Gegenleistung für die besonders
belastende Arbeit an Sonn- und Feiertagen zu betrachten. Dabei spielt deren steuer- und
sozialversicherungsrechtliche Behandlung keine Rolle. Ebenfalls als unbeachtlich sahen die Richter, dass der
Arbeitnehmerin als Ausgleich für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen durch Zeitgutschriften Ersatzruhetage
gewährt wurden.
In seinem Urteil vom 14.01.2009 hat das BAG ausdrücklich offen gelassen, ob in Bezug auf Sonn- und
Feiertagszuschläge Freiwilligkeitsvorbehalte rechtswirksam vereinbart werden können. Darüber hinaus hat es
betont, dass Leistungen, die nicht an die Erbringung der Arbeitsleistung in einem bestimmten Zeitabschnitt
gekoppelt sind, sondern hiervon unabhängig aus besonderem Anlass gezahlt werden, bei der
Entgeltfortzahlung unberücksichtigt bleiben. Neben dieser Klarstellung gibt es eine Reihe von Urteilen bzw.
Verlautbarungen zu anderen Zuschlägen (siehe hierzu die folgenden Ausführungen).
4. Beispiele
4.1 Zuschläge, die einzubeziehen sind
In die Berechnung der Entgeltfortzahlung sind - vorbehaltlich eines wirksamen Ausschlusses durch
Tarifvertrag - folgende Zuschläge einzubeziehen:
• Antrittsgebühr im Druckereigewerbe, soweit die Einbeziehung in das Bemessungsentgelt nicht
tarifvertraglich ausgeschlossen ist ( BAG, 21.09.1971 - 1 AZR 336/70 ).
• Anwesenheitsprämien, wenn sie zum laufenden Entgelt gehören. Andernfalls siehe § 4a EFZG und
BAG, 25.07.2001 - 10 AZR 502/00 .
• Auslösungen an Montagearbeiter, soweit sie nicht als pauschaler Aufwendungsersatz gezahlt
werden.
• Erschwerniszulagen.
• Familienzuschläge.
• Feiertagszuschläge ( BAG, 14.01.2009 - 5 AZR 89/08 - siehe auch oben).
• Gefahrenzulagen.
• Inkassoprämien, die Mitarbeitern nach einer Betriebsvereinbarung für den Einzug fälliger
Rechnungsbeträge zustehen ( BAG, 11.01.1978 - 5 AZR 829/76 ).
• Kinderzuschläge
• Leistungszulagen.
• Nachtarbeitszuschläge ( § 6 Abs. 5 ArbZG ; BAG, 13.03.2002 - 5 AZR 648/00 ).
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• Naturalleistungen, siehe Sachbezüge
• Prämien bei Berufssportlern ( BAG, 06.12.1995 - 5 AZR 237/94 ; BAG, 22.08.1984 - 5 AZR 539/81 ).
• Provisionen ( BAG, 05.06.1985 - 5 AZR 459/83 ; siehe auch § 4 Abs. 1a S. 2 EFZG ).
• Sachbezüge sind in der Regel weiterhin in Natur zur Verfügung zu stellen (z.B. ein Dienstwagen, der
auch privat genutzt werden kann). Können sie während der Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch
genommen werden, sind sie - ggf. nach den im Steuer- und Sozialversicherungsrecht festgelegten
Werten - bar abzugelten.
• Sonntagszuschläge ( BAG, 14.01.2009 - 5 AZR 89/08 - siehe auch oben).
• Trinkgelder, auf die ein arbeitsvertraglicher Anspruch gegen den Arbeitgeber besteht. Keine
Berücksichtigung, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, von den Kunden des Arbeitgebers freiwillig
gegebene Trinkgelder zu erlangen.
• Vermögenswirksame Leistungen
4.2 Zuschläge, die nicht einzubeziehen sind
Folgende Zuschläge sind nicht einzubeziehen:
• Aufwandsentschädigungen, die einen tatsächlichen Aufwand des Arbeitnehmers abgelten, der bei
Arbeitsunfähigkeit nicht entsteht (z.B. Reisekostenerstattungen, Spesen, Werkzeuggeld - § 4 Abs. 1a
EFZG ).
• Freizeitgutschriften, die nach Tarifvertrag an die tatsächliche Arbeitsleistung geknüpft sind ( BAG,
20.10.1993 - 5 AZR 715/92 ).
• Mehrarbeitsverdienst ( § 4 Abs. 1a EFZG ). Ständig geleistete Überstunden können aber zu einer
höheren regelmäßigen Arbeitszeit und daher zu höherer Entgeltfortzahlung führen (vgl.
Entgeltfortzahlung - Überstunden ).
• Schmutzzulagen, mit denen lediglich ein erhöhter Reinigungsaufwand des Arbeitnehmers abgedeckt
werden soll. Handelt es sich aber um eine Vergütung für erschwerte Arbeitsbedingungen in
besonders verschmutzter Umgebung, ist die Zulage als Erschwerniszulage einzubeziehen.
• Sonderzahlungen (wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt), die nicht in
Zusammenhang mit der laufenden Arbeitsleistung stehen (vgl. dazu auch § 4a EFZG ).
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