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30.7. – 5.8.2016
Standpunkte Meinung
ESSAY I Von einer Übernahme durch ein Unternehmen aus China können deutsche Firmen durchaus profitieren, meint
Gastautor Karl Fesenmeyer. Er erklärt, worauf es die Investoren abgesehen haben und warum viele Ängste grundlos sind
China im Übernahmefieber
D
KARL
FESENMEYER
Vorstand bei IMAP
Diplom-Kaufmann
Fesenmeyer ist Vorstand und Gründungsgesellschafter bei IMAP
M & A Consultants, dem
deutschen Partner der
weltweit tätigen IMAPOrganisation. Mit über
400 Beratern und Niederlassungen in 35 Ländern sowie mehr als
200 Transaktionen jährlich zählt IMAP zu den
ältesten und größten
Organisationen für
Mergers & Acquisitions.
IMAP berät vorwiegend
Familienunternehmen
aus dem Mittelstand
und deren Gesellschafter.
ie Übernahme des Augsburger
Roboterspezialisten
Kuka
durch den chinesischen Hausgerätehersteller Midea ist nur
das jüngste Beispiel einer ganzen Reihe
ähnlicher Transaktionen. Bereits im Januar wurde mit dem Spritzgießmaschinen-Hersteller Krauss-Maffei ein weiteres Schwergewicht des deutschen Maschinenbaus an chinesische Investoren
verkauft — für fast eine Milliarde Euro.
Mit Kiekert (Autozulieferer), Putzmeister (Betonpumpen) und Kion (Gabelstapler) sind weitere namhafte Unternehmen aus Deutschland in chinesischer Hand. Investoren aus China haben
offenbar Appetit auf hiesige Unternehmen, die Markt- und/oder Technologieführer in ihrem Bereich sind.
Nicht selten rufen solche Übernahmen Ängste hervor, wie sich bei Kuka
beispielhaft zeigen lässt. Das Augsburger Unternehmen gilt als führender Hersteller von Industrierobotern und spielt
in der Industrie 4.0 eine Schlüsselrolle.
Gerade in die Technologie der vernetzten Fertigung setzte die Politik im Kampf
um die Wettbewerbsfähigkeit des Hochkostenstandorts Deutschland große
Hoffnungen. Bis in höchste Regierungskreise hinein wurden Befürchtungen
laut, der Investor aus China könne nur
an der Technologie interessiert sein und
dabei Investitionen in die deutschen
Fertigungs- und Entwicklungsstandorte
vernachlässigen. Der Ruf nach einem
Alternativangebot aus der deutschen Industrie blieb jedoch ungehört.
Partner aus China bietet mehr
Möglichkeiten zur Expansion
Zahlreiche Beispiele zeigen aber, dass
solche Ängste kaum zu begründen sind.
Im Gegenteil kann ein chinesischer Investor viele Vorteile haben. Wir selbst
haben Anfang des Jahres den Verkauf
eines deutlich kleineren, technologisch
aber hochinteressanten deutschen Unternehmens begleitet: Krauth Technology, ein mittelständischer Anbieter für
Fahrscheinautomaten, wurde von dem
Alteigentümer Nußbaum, einem Hersteller für Hebebühnen, an die chinesische Dutech Holdings verkauft. Auch im
Umfeld dieser Übernahme gab es Befürchtungen wegen eines Abzugs von
Mobilitätsstation: Der Mittelständler Krauth will mit der Technik expandieren
Produktion und Technologie nach
China. Wer heute mit dem Geschäftsführer Kai Horn spricht, stellt fest: Das
Gegenteil ist der Fall. Die Chinesen investieren in den Standort im badenwürttembergischen Eberbach. Und sie
stellen die notwendige Liquidität sicher,
damit das Unternehmen Neuentwicklungen und die Produktion größerer
Aufträge finanzieren kann. Die Geschäftsführung wurde mit Mitarbeitern
aus dem Unternehmen besetzt und um
zwei Vertreter aus China erweitert, von
denen einer sehr gut Deutsch spricht, in
Aachen studiert und einige Zeit in Berlin
gearbeitet hat, sodass es zu keinen „kulturellen Missverständnissen“ kommt.
Im vergangenen Jahr hat Krauth mit
125 Mitarbeitern einen Umsatz von
12,5 Millionen Euro gemacht. Für große
Aufträge, zum Beispiel der Deutschen
Bahn, konnte sich das Unternehmen
trotz seines hohen Technologieniveaus
nie bewerben, weil die Liquidität und
die Kapazität dafür nicht ausgereicht
hätte. Bisher wurden Serien von bis zu
200 Automaten gefertigt, künftig kann
Krauth auch Aufträge von 1000 und
mehr Geräten bewältigen. Kürzlich
konnte Krauth eine Bestellung von 1600
Automaten annehmen.
Unter dem Dach des chinesischen
Investors stehen nun auch neue Märkte
offen: Zunächst expandiert die Firma
ins europäische Ausland. Aber auch der
Schritt nach China ist vorgesehen, wo
der öffentliche Personennahverkehr ein
kaum zu unterschätzender Wachstumsmarkt ist. Hinzu kommt, dass Krauth
auch im Einkauf profitiert. Elektronikund Gehäusekomponenten können in
China zu einem Bruchteil des Preises erworben werden, der in Deutschland zu
zahlen ist. Das Beispiel Krauth zeigt,
dass ein Unternehmen nicht unbedingt
groß sein muss, um in den Fokus chinesischer Investoren zu kommen.
Nun sind chinesische Investoren
keine Philanthropen. Sie erwarten eine
vernünftige Rendite und eine Wachstumsperspektive. Sie verlangen ein Reporting, das die Lage des Unternehmens
realistisch zeigt. Die kulturellen Unterschiede zwischen Chinesen und Deutschen stellen im Großen und Ganzen
kein unüberwindliches Hindernis dar.
So haben chinesische Investoren die ihnen bisher völlig unbekannte Arbeitnehmervertretung in deutschen Unternehmen stets akzeptiert.
Auch für den Verkäufer kann ein chinesischer Investor Vorteile haben: Die
AUSGABE 31/16
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ESSAY II Die Kaufkraft der deutschen Haushalte steigt. Gastautor Benjardin Gärtner
erläutert, wohin das Geld fließt und welche Branchen von der Konsumfreude profitieren
Konsumenten in Kauflaune
A
dortigen Unternehmen sind bereit, für
attraktive Unternehmen hohe Preise zu
zahlen. Das liegt zum einen an dem großen Finanzpolster, das in China nach
Jahren des Handelsbilanzüberschusses
vorhanden ist. Zum anderen gelten die
Börsen in China als überbewertet und
entsprechend unattraktiv, was das Interesse von Investoren auf Ziele außerhalb
des Landes lenkt.
BENJARDIN
GÄRTNER
Leiter Aktienfondsmanagement bei
Union Investment
Deutschland im Fokus der
Investoren aus Fernost
Gärtner ist seit 2015
Leiter des Aktienfondsmanagements bei
Union Investment. Der
gelernte Bank- und
Diplomkaufmann war
zuvor bei der
Deutschen Bank CoHead des deutschen
Aktienteams. Union
Investment ist die
Fondsgesellschaft der
Volks- und Raiffeisenbanken und mit aktuell
mehr als 250 Milliarden
Euro verwaltetem
Vermögen einer der
größten deutschen
Vermögensverwalter
für private und
institutionelle Anleger.
Bild: Union Invest, IMAP M&A Consultants AG, Krauth Technology
Bei der Unternehmensbewertung ist
in China ein Kurs-Gewinn-Verhältnis
(KGV) von mehr als 20 üblich, selbst 60
bis 70 kommen vor. Im DAX notierte Unternehmen haben hingegen ein KGV von
aktuell 12. Eine höhere Bewertung des
deutschen Unternehmens durch einen
chinesischen Investor ist dabei durchaus zu rechtfertigen, weil allein schon
eine mögliche Expansion nach China
die Geschäftsaussichten verbessert.
Ist der Käufer ein chinesisches Privatunternehmen, kann der Verkaufsprozess sehr schnell gehen: Oft dauert er
nur zwei bis vier Monate. Bei staatlichen
Unternehmen kann es wegen der politischen Entscheidungsprozesse in China
etwas länger dauern. Die Bedeutung von
Staatsbetrieben im Geschäft mit Verschmelzungen und Übernahmen (M & A)
ist jedoch gering. Rund 60 Prozent der
Käufer sind reine Privatunternehmen.
2016 wird ein Rekordjahr, sowohl bei
der Zahl als auch beim Transaktionsvolumen der Übernahmen deutscher
Unternehmen durch Investoren aus
China. Im ersten Halbjahr hat die Unternehmensberatung EY bereits 37 solcher
Transaktionen gezählt. Im Gesamtjahr
2015 waren es 39. Damit liegt Deutschland in Europa weit vor Frankreich (23)
und Großbritannien (20). Investoren
aus China sind nach den USA (64) und
der Schweiz (45) die drittgrößte Gruppe
von Firmenkäufern in Deutschland.
Letztendlich gibt es auch einen
wirtschaftspolitischen Grund, solchen
Transaktionen positiv gegenüberzustehen. Deutschland hat wie kaum eine
Volkswirtschaft von der Globalisierung
und dem offenen Handel mit China profitiert. Offene Märkte müssen aber auch
offen sein für Investitionen.
ngesichts der Turbulenzen in
der Weltwirtschaft, der Brexit-Debatte, des Putschversuchs in der Türkei und der
Sorge vor einem Kollaps der italienischen Bankenbranche sind einige gute
Nachrichten in den Hintergrund gerückt — auch und gerade aus Deutschland. Allen Unkenrufen zum Trotz geht
es der hiesigen Wirtschaft nicht schlecht
und dem Verbraucher sogar ziemlich
gut. Das wiederum ist positiv für einige
Unternehmen etwa aus dem Konsumund Immobilienbereich. Was hat sich
gewandelt? Die Arbeitslosenquote zum
Beispiel: Sie lag im Juni bei 5,9 Prozent
und ist damit so niedrig wie seit gut 20
Jahren nicht mehr. Gleichzeitig meldet
die Bundesagentur für Arbeit eine steigende Nachfrage nach Arbeitskräften
und die Zahl der Beschäftigten notiert
auf dem höchsten Stand seit der Wiedervereinigung. Dies spricht dafür, dass es
künftig höhere Lohnsteigerungen geben könnte. Das legt auch ein dritter
Faktor nahe: Die Löhne hielten hierzulande in den vergangenen Jahren nicht
mit der Produktivität Schritt. Es besteht
Aufholpotenzial, was sich bei manchem
Tarifabschluss der vergangenen Monate
auch schon angedeutet hat. Unter dem
Strich dürfte den privaten Haushalten
in Deutschland künftig mehr Geld zur
Verfügung stehen — auch weil das Sparbuch mangels Zinsen als Alternative
wegfällt.
Erste Indikatoren zeigen, dass bei vielen Deutschen das Geld recht locker
sitzt. Das Barometer für das GfK-Konsumklima im Juli kletterte überraschend um 0,3 auf 10,1 Punkte. Dies ist
der dritte Anstieg in Folge und der beste
Wert seit knapp einem Jahr. Auch die
Einkommenserwartung der Deutschen
legte spürbar zu. Der Anteil der Inlandsnachfrage am gesamten BIP, der wegen
der Exporterfolge der deutschen Wirtschaft seit Jahren rückläufig war, stabilisierte sich nicht zuletzt durch den
steigenden privaten Konsum. 2015 gaben die Deutschen so viel Geld aus wie
seit dem Jahr 2000 nicht mehr.
Was für sich genommen schon eine
gute Nachricht ist, hat auch für Investoren Vorteile. Die steigende Kaufkraft
der Haushalte wird an der Unternehmenslandschaft nicht spurlos vorbei-
gehen. In einer Zeit, in der die exportorientierte deutsche Wirtschaft unter
einer Verlangsamung der Ausfuhrdynamik leidet, eröffnet das den Anlegern
neue Perspektiven. Das ist umso wichtiger, als dass für die kommenden Monate
zwar mit schwankenden Märkten, aber
nicht mit nachhaltigen Kursfortschritten auf breiter Front zu rechnen ist.
Wer sind die Gewinner der neuen
Trends? Die Antwort liegt auf der Hand:
In Deutschland profitieren Adressen, an
die das Geld der privaten Haushalte
fließt, wie im Bereich Einzelhandel. So
veröffentlichte der Onlinehändler Zalando vergangene Woche vorläufige
Zahlen, die den Markt überraschten:
Der Umsatz stieg um rund 25 Prozent,
woraufhin die Aktie zeitweise um 22
Prozent nach oben schoss.
Diverse Branchen profitieren —
aktive Titelselektion nötig
Auch in anderen Branchen dürfte es
Gewinner geben — überall dort, wo
das Geld der Verbraucher direkt oder
indirekt hinfließt. Steigende Kaufkraft
wirkt vorteilhaft auf die Werbeeinnahmen der Mediengruppen wie RTL oder
ProSiebenSat.1, spiegelt sich in erhöhter Reisefreude und der Bereitschaft
wider, mehr Geld für Urlaub auszugeben. Konsum- und Luxusgüter zählen
tendenziell zu den Profiteuren und auch
an Immobilienkonzernen sollte ein solcher Trend nicht spurlos vorbeigehen —
schließlich können sich die Menschen
mit mehr Geld auch größere Wohnungen leisten, zudem unterstützen die
niedrigen Zinsen für Immobilienkredite
den Trend. Die Nachfrage nach Wohnungen steigt also und damit der Wert
der Immobilienportfolios.
Wichtig zu betonen ist, dass es auch
in den Branchen, die zu den Gewinnern
zählen, einer aktiven Titelselektion bedarf: Um in schwierigen Zeiten den Aktionären einen echten Mehrwert zu bieten, reicht die reine Branchenzugehörigkeit längst nicht mehr aus. Zum Tragen kommen weitere Kriterien wie
beispielsweise Bilanzqualität, Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells und Kostendisziplin. Wenn all diese Komponenten stimmen, stehen die Chancen auf
stabile Kurszuwächse aber äußerst gut.

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