Das Arbeitszeugnis – Muster ohne Wert?

Transcription

Das Arbeitszeugnis – Muster ohne Wert?
praxistipps
ert, denn er würde das Verfahren in unendliche Länge ziehen.
Was macht er also: Er liest gezielt und
wählt aus, und zwar nach Wichtigkeit,
nach Aussagefähigkeit und nach persönlicher Routine. Und Routine verbunden
mit dem Mut zur Lücke ist die einzige
Chance, sich schnell einen Überblick
über die Qualität von Bewerbungen zu
machen.
© Rainer Sturm/pixelio.de
© Sven Meissner
¢ BEWERBUNG
Das Arbeitszeugnis –
Muster ohne Wert?
Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein ehrliches
und wohlwollendes Arbeitszeugnis. Ein Zielkonflikt, der
den Wert dieser Bewerbungsunterlage zunehmend in
Frage stellt. | Andreas Pallenberg
E
ine Stellenbesetzung über ein übliches Bewerbungsverfahren ist ein
recht aufwändiges Unterfangen.
Neben der wohl überlegten Formulierung
der Ausschreibung nimmt der Gesamtprozess eines Einstellungsverfahrens
oft mehrere Monate in Anspruch. Und
das liegt nicht zuletzt an der Vielzahl der
Bewerbungen, die bei attraktiven Stellen
den Posteingang strapazieren. Dreistellige Bewerberzahlen sind bei Stellen für
Geisteswissenschaftler die Regel. Das
wirft nicht nur ein ernüchterndes Bild auf
die Konkurrenzsituation arbeitsuchender
Akademiker, sondern lässt auch erahnen,
welche Arbeit und welcher Aufwand bei
der Auswahl der Kandidaten entsteht.
IV
Für die Personalverantwortlichen gilt
es, sich pro Bewerbung möglichst schnell,
aber auch fundiert ein Bild von den interessierten Bewerbern/innen zu machen.
Pro Bewerbung heißt dies: die Begutachtung der Gesamtgestaltung der Bewerbungsunterlagen, des Bewerbungsfotos,
des Anschreibens, des Lebenslaufes, der
Examenszeugnisse, der Arbeitszeugnisse,
der Arbeitsproben, der weiteren Anlagen
und Unterlagen („dritte Seite“, Referenzen, Zertifikate und Weiterbildungsbestätigungen etc.). Da kommt schnell ein
Pfund an Unterlagen zusammen. Würde
ein Personalreferent alle eingehenden
Bewerbungen von A bis Z durchlesen,
würde er vermutlich als Nächster gefeu-
Arbeitsbeleg
In diesem Zusammenhang ist das Arbeitszeugnis bei der Wichtigkeit der Unterlagen deutlich in den Hintergrund getreten. Es wird meistens erst dann gebührend betrachtet, wenn über die anderen
Unterlagen Interesse geweckt wurde. Erst
nach Begutachtung des überaus wichtigen Anschreibens und des nicht minder
wichtigen Lebenslaufes wird ein Blick auf
die vorhandenen Arbeitszeugnisse geworfen. Und zwar mehr als Abgleich, ob
die dort erwähnten Arbeitsinhalte und
das Arbeitsverhalten mit dem bisher gewonnenen Eindruck korrespondieren.
Ein Beleg aus fremder Feder als Beweis für die in den selbstverfassten Beteuerungen formulierten Qualitäten hat
natürlich grundsätzlich einen besonderen
Wert. Schließlich beurteilt da ein ehemaliger Arbeitgeber einen Mitarbeiter. So
weit, so gut, aber wie ehrlich kann ein
solches Urteil sein? Welche Botschaft
wird dabei vermittelt und welche wird
empfangen?
Wie ehrlich darf‘s denn sein?
Ein ausgeschiedener Mitarbeiter – egal
ob dieser auf eigenen Wunsch geht oder
eher herausgeworfen wurde – hat einen
Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Bei einvernehmlichen Trennungen sollte dies
kein allzu großer Akt sein. Personalabteilungen halten für diesen Zweck Muster
bereit und füllen diese bei Bedarf mit variablen Textstellen aus. Der Wert eines
solchen Zeugnisses geht über eine Arbeitsbestätigung allerdings nicht hinaus.
arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011
praxistipps
Bei anspruchsvollen Tätigkeiten dürfte
der Bewertete aber ein deutliches Interesse daran haben, dass sein Arbeitszeugnis mehr darstellt als eine bloße Bestätigung von Arbeitsinhalten und -umfängen. Und er hat ein Recht darauf, ein
qualifiziertes Zeugnis zu bekommen,
wenn er es verlangt.
Hegt der Arbeitgeber aber noch ziemlichen Groll gegenüber seinem Ehemaligen, so könnte er die anstehende Beurteilung natürlich zum Anlass nehmen,
diesem – ob berechtigt oder nicht – mit
dem Zeugnis „eins reinzuwürgen“ und
damit abschließend Rache zu üben. Das
darf er nicht, so die gängige Rechtspre-
DAS GESETZ
§ 109 Gewerbeordnung
(1) Der Arbeitnehmer hat bei
Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein
schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben
zu Art und Dauer der Tätigkeit
(einfaches Zeugnis) enthalten.
Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben
darüber hinaus auf Leistung
und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis)
erstrecken.
(2) Das Zeugnis muss klar und
verständlich formuliert sein. Es
darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den
Zweck haben, eine andere als
aus der äußeren Form oder aus
dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu
treffen.
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in
elektronischer Form ist ausgeschlossen.
Hinweis: Der Streitwert einer Klage
auf Zeugniserteilung oder -korrektur beträgt etwa ein Bruttogehalt
des Arbeitnehmers.
chung z.B. des Bundesarbeitsgerichts,
wonach ein Arbeitszeugnis die weitere
berufliche Entwicklung nicht behindern
darf bzw. wohlwollend formuliert sein
soll. Dieses Gebot der wohlwollenden
Formulierung ist übrigens nicht Inhalt des
in diesem Zusammenhang häufig zitierten § 109 der Gewerbeordnung, sondern
allein Grundtenor der zuständigen Gerichte. Ein ehemaliger Arbeitgeber kann
auch nicht gezwungen werden, in einem
Arbeitszeugnis den Kandidaten mehr zu
loben als es der Wahrheit entspricht.
leistung die einschlägig bekannte Formulierung „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ gibt, dann ist das vielleicht ein
Hinweis auf ein „sehr gut“, vielleicht aber
auch ein Hinweis dafür, dass der Arbeitgeber allen Diskussionen aus dem Weg
gehen will. Wenn nur das „stets“ fehlt,
oder aus der „vollsten“ eine „volle“ Zufriedenheit geworden ist, so ist dies eine
Einschränkung. Da diese Codes bekannt
Voller als voll
Dieses Dilemma führt dazu, dass Arbeitszeugnisse mitunter – keineswegs immer
– so verklausuliert werden, dass die direkte Aussage quasi wertlos ist, der sich
dahinter verbergende Code aber umso
geheimnisvoller Botschaften vermittelt,
die zwar freundlich formuliert sind, aber
eigentlich einem Verriss gleichkommen.
Bekannt und berüchtigt sind in dieser
Hinsicht alle Formulierungen, die mit
Worten wie „... er bemühte sich stets ...“
zusammengefügt werden. Da weiß inzwischen jeder, dass dies so ziemlich die
schlechteste Beurteilung bedeutet, die
man bekommen kann. Ganz nach dem
Motto: Positiv formuliert, aber negativ in
der Bedeutung. Daraus hat sich ein inzwischen berüchtigter Zeugniscode entwickelt, der bereits eigene Stilblüten hervorgebracht hat. Was soll schon eine
„vollste Zufriedenheit“ sein.
Und tatsächlich werden viele Zeugnisse von den Personalfachleuten schnellstens durchgescannt auf der Suche nach
genau diesen Benotungsfloskeln. Für die
Bewerber ist das kein Problem, solange
dort gute bis sehr gute Noten versteckt
werden. Gibt es aber verklausulierte Hinweise auf schlechtere Arbeitsleistung, so
sind diese sofort anfechtbar, und zwar
nicht wegen des Inhaltes der Aussage,
sondern grundsätzlich. Codierungen sind
laut § 109 Abs. 2 Gewerbeordnung nicht
zulässig. Wer hätte das gedacht! Wenn es
trotzdem unter dem Stichwort Arbeits-
arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011
Alle sind gut – von eins plus bis eins minus
© Gerd Altmann/pixelio.de
sind, kann sich ein ehemaliger Mitarbeiter auch darauf berufen und Besserung
einfordern bzw. dafür sorgen, dass diese
code-verdächtige Formulierung durch
eine gänzlich andere Formulierung ersetzt wird. Einen Anspruch auf ein „sehr
gut“ hat er nicht. Aber eine Codierung ist
rechtswidrig. Wer also ein „sehr gut“ bekommen hat, wird nicht mucken. Wer
aber suboptimale Codes findet, kann
diese umgehend herauskicken lassen
und sollte dies auch veranlassen. Somit
dienen die zahlreichen Glossare mit den
gängigen Zeugniscodes nicht nur als
Übersetzungshilfe, sondern auch zur
Identifizierung von Codes überhaupt.
Code oder Nicht-Code?
Ein Code, den keiner kennt, ist genauso
wenig ein Code, wie einer, den alle kennen. Insofern sollte man auch dem Zeugniscode nicht allzu viel Bedeutung zu-
V
praxistipps
kommen lassen. Wer geradezu panisch
nach Formulierungen sucht, die codeverdächtig sein könnten, sich dazu mit
entsprechender Literatur bewaffnet und
sich im Netz unter Leidensgenossen umtut, wird seines Lebens nicht mehr froh
und viel unnötige Energie verpulvern. Es
gibt natürlich zahlreiche Bücher, die diese
Sensibilität auffangen und mit dem Verdacht auf Verschwörung Geschäfte machen. Wer die wichtigsten bekannten
Codes erkennen will, findet entsprechende Glossare im Internet. Wird man darüber fündig und hat den Verdacht, dass
damit geheime Botschaften vermittelt
werden sollen, verhandelt man entsprechend mit dem Urheber der Beurteilung.
Worte wie „... Kollege Müller hat sich immer mächtig ins Zeug gelegt ...“ würden
im Arbeitszeugnis eine vernichtende Beurteilung bedeuten. Und darauf muss
man manche Chefs eben hinweisen.
Zeugnis ablegen über sich
selbst
„Ach Gott, ja, das Arbeitszeugnis. Meier,
schreiben Sie das doch selbst, Sie wissen doch am besten, was sie gemacht
haben.“ So oder ähnlich sind die Reaktionen, wenn man den ehemaligen Chef
auf das noch anstehende Arbeitszeugnis anspricht. Das macht ihm Arbeit und
kann sogar zu nervigen Diskussionen
in den meisten Fällen unterschätzt
wird.
Als guter Kompromiss gilt bei diesem
Angebot die Zusage, man werde gerne
eine Vorlage mit den Daten und Inhalten
vorbereiten, aber großen Wert legen auf
eine Beurteilung aus fremder Hand. Das
erspart dem Personalchef umfassende
Recherche und führt dennoch zur erwünschten Fremdbeurteilung, die sich
auch stilistisch und vom Aufbau von den
anderen Zeugnissen unterscheidet. Je
nach beruflicher Perspektive sollte man
vor der endgültigen Formulierung des
Zeugnisses auf Inhalte hinweisen, auf die
man besonderen Wert legen würde. Wer
dann schon Schlüsselwörter für die eine
oder andere Formulierung einfließen
lässt, wird sich über ein aussagefähiges
Zeugnis freuen können.
Ein gutes Zeugnis
Referenzen – besser als ein Zeugnis aus Worthülsen
Dieser wird sich in den meisten Fällen auf
Nachbesserung einlassen – schon aus
arbeitsökonomischen Gründen.
Die meisten Personalchefs kennen
sich mit den Formulierungen und Gepflogenheiten bei der Gestaltung von Arbeitszeugnissen aus. Aber gerade Chefs
und Geschäftsführer kleiner Unternehmen wirken dabei manchmal etwas unbeholfen. Sie formulieren mit besten Absichten so, wie es mündlich vielleicht
ganz wohlwollend klingen würde. Aber
VI
© Rainer Sturm/pixelio.de
führen. Wer sich darauf einlässt, wiegt
sich in Sicherheit, vergibt aber eventuell
eine Chance. Außerdem macht es wirklich Arbeit, diesmal aber dem Beurteilten. Und dann kommen einige Probleme zusammen. Kann man sich wirklich
selbst authentisch beurteilen oder ist es
eher ein Pokerspiel mit der Toleranz des
Unterzeichners? Ist man zu ehrlich oder
trägt man schon etwas zu dick auf? Das
Selbstschreiben von Arbeitszeugnissen
ist eine ziemlich komplexe Aufgabe, die
Was ein gutes Zeugnis sonst noch ausmacht: Der Umfang zum Beispiel.
Schwingt sich ein ehemaliger Chef zu
mehreren Seiten der Beurteilung auf und
beschreibt detailliert und individuell die
besonderen Qualitäten des ausgeschiedenen Mitarbeiters, so hat das schon einen Wert an sich. Wirkt das ganze Zeugnis vom Inhalt und Aufbau auch in sich
stimmig und nicht widersprüchlich oder
unplausibel, so ist dies ebenfalls ein Qualitätskriterium. Ist die Beurteilung schon
eher als schriftliche Referenz aufzufassen, die im Stil und in der Gesamtaussage auch ein Bedauern des Ausscheidens
und gleichzeitig viel Erfolg beim weiteren
Werdegang wünscht, hat man ein Zeugnis mit Substanz an der Hand, das auch
gewürdigt werden kann – ja, wenn es
denn auch gelesen wird.
Negative Merkmale können sein,
wenn das Zeugnisses nicht auf sauberem
und dauerhaftem Briefkopfpapier gedruckt ist (worauf man einen Anspruch
hat!), wenn es voller orthographischer
Fehler ist oder wenn bestimmte übliche
Passagen fehlen. Eine Verhaltensbeurteilung, die zum Beispiel ein gutes Verhält-
arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011
praxistipps
nis mit den Mitarbeitern bescheinigt,
dieses aber zu den Vorgesetzten nicht
erwähnt, kann als negatives Zeichen für
die Zusammenarbeit mit dem Chef gewertet werden. Auch eine flapsige Grußfloskel, die mit dem ansonsten seriösen
Stil des Zeugnisses bricht, kann ein Hinweis sein.
Weitere Hinweise zur Interpretation
von Arbeitszeugnissen mit umfangreichen Checklisten und Übersetzungshilfen
finden
sich
z.B.
unter
www.arbeitszeugnis-info.de
Zwischenzeugnis
Das Einfordern eines Zwischenzeugnisses ist immer heikel, aber durchaus üblich. Der Grund dafür kann vielfältig sein.
Vielleicht möchte man einfach mal einen
Zwischenstand über den Status quo der
persönlichen Leistung bekommen, oder
es steht ein Aufgaben-, Team- oder Ar-
beitsplatzwechsel innerhalb des Unternehmens an. Oder der Vorgesetzte scheidet aus Altersgründen aus und man
möchte aus guten Gründen gerade von
ihm noch eine abschließende Beurteilung bekommen.
Aber es gibt eben auch die Abtrünnigen, die sich woanders, womöglich bei
der Konkurrenz, bewerben wollen, und
deshalb um einen Arbeitsnachweis ersuchen. Bei allen vorgeschobenen Gründen
– ein solches Begehren ist dann schon
ein Wink mit dem Zaunpfahl. Man kann ja
viel erzählen. Sollte man sich tatsächlich
wegbewerben, ist wohl eher Diskretion
angesagt. Die Wahrheit wird ja auch erst
im Erfolgsfall öffentlich. Wer möchte hinterher dem Chef schon eingestehen, dass
es mit der Bewerbung nicht geklappt hat.
Also wird auch in diesen Fällen meistens
eine andere Begründung geliefert. Um
diese unangenehme Situation erst gar
nicht heraufzubeschwören, sollte man
schon frühzeitig bei einem unverdächtigen Anlass (s.o.) ein Zwischenzeugnis
erbitten, um es im entscheidenden Moment vorrätig zu haben. Der zusätzliche
Nutzen liegt darin, dass einmal formulierte gute Beurteilungen in einem Zwischenzeugnis später in einem Abschlusszeugnis nicht wesentlich schlechter ausfallen dürfen, selbst wenn es zwischenzeitlich Krach gegeben hat. Dann hätte
der Arbeitgeber nämlich die aufwändige
Pflicht, die nun mindere Qualität nachzuweisen. Am besten also nach der Einarbeitungszeit und nach ersten Erfolgen
das Thema offen ansprechen und einen
Anlass liefern. Zum Beispiel: Man habe
keine Absichten sich wegzubewerben,
wünsche sich aber nach z.B. zwei Jahren
Betriebszugehörigkeit eine aktuelle Beurteilung in Form eines Zwischenzeugnisses. (Zum Thema Zwischenzeugnis siehe
auch unsere aktuelle Frage an unseren
Bewerbungsexperten auf Seite XIII.)
WAS BESSER NICHT IM ZEUGNIS STEHEN SOLLTE:
Originaltext
... und was dahinter steckt
... erledigte alle Arbeiten mit großem Fleiß
... mit Fleiß schon, aber ohne Erfolg
... hat sich im Rahmen seiner/ihrer Fähigkeiten eingesetzt
... und die waren dürftig
... zeigte für die Arbeit Verständnis
... mehr aber auch nicht – ein Faulpelz
... hat sich bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden
... was nicht gelang – ein Versager
... war tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen
... was vielen auf den Wecker ging – ein unangenehmer
Mitarbeiter
... verfügt über Fachwissen und zeigte gesundes Selbstvertrauen
... eher ein Großmaul ohne Substanz
... trug durch seine Geselligkeit zum guten Betriebsklima bei
... trinkt gerne und neigt zu Grenzüberschreitungen
... die Zusammenarbeit verlief ohne Beanstandungen
... aber keineswegs gut
... seine/ihre Pünktlichkeit war Vorbild für alle
... alles andere aber war eine Katastrophe
... erzielte ein nicht unerhebliches Ergebnis
... aber auch kein Gutes
... für seine/ihre Mitarbeit bedanken wir uns
... in dieser Kürze ist die Dankesfloskel eher ein Rauswurf
erster Klasse
... wünschen wir ihm/ihr alles Gute, vor allem Gesundheit!
... die hat er wohl nötig – ein solcher flapsiger Schlenker zum
Schluss kann ein gutes Zeugnis stark entwerten
... haben wir uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt
... wir haben gekündigt
(geänderter Auszug aus www.arbeitszeugnis-info.de ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit)
arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011
VII
praxistipps
Wer jeden Argwohn vermeiden möchte und sein berufliches Fremdgehen absolut diskret handhaben möchte, kann
z.B. ein so genanntes „Zeugnisersatzblatt“ über seine aktuelle Tätigkeit in seine Unterlagen einfügen. Unter diesem
Begriff als Überschrift gibt es dann einen
kurzen Hinweis, warum ein entsprechendes Zeugnis (noch) nicht beschafft werden könne (Stichwort: „Diskretion“).
Dann beschreibt man dort ausführlich
die Inhalte der derzeit geleisteten Arbeit
und die übernommene Verantwortung.
Natürlich ohne Beurteilung.
Wegen des zunehmenden Bedeutungsschwundes setzt sich immer mehr
die Referenz als Ergänzung oder Ersatz
für das Arbeitszeugnis durch. Dazu werden in der Regel vorher instruierte ehemalige Vorgesetzte, Chefs oder Geschäftspartner genannt, die bereit und in
der Lage sind, bei Kontaktaufnahme Auskunft über die Qualitäten des Bewerbungskandidaten zu geben. Je hochrangiger desto besser. Auch Empfehlungsschreiben (schriftliche Referenzen) von
ehemaligen Chefs finden mehr Beachtung als die standardisierten Arbeitszeugnisse mit ihren oft inflationären Bewer-
tungen zwischen Eins minus und Eins
plus. Solche schriftlichen Empfehlungen
tragen mit ihren ehrlichen und unverdächtigen Formulierungen viel mehr zur
Aussagekraft einer Bewerbung bei als ein
glattes aus Textbausteinen bestehendes
Arbeitszeugnis. Das heißt allerdings nicht,
die Arbeitszeugnisse als Bewerbungsunterlage zu vernachlässigen. Bei gleichen
Qualifikationen können gute und aussagefähige Zeugnisse immer noch den
Ausschlag geben, ob man als Kandidat
oder Kandidatin zu einem Gespräch eingeladen wird. Kurz: Lästig bis überflüssig,
aber (immer noch) notwendig.
Vom Zeugnis zur Referenz
Schaut man sich aktuelle Arbeitszeugnisse an, so scheint es in der Arbeitswelt nur
gute bis sehr gute Arbeitnehmer zu geben. Denn fast nur solche Noten finden
sich mehr oder weniger verklausuliert in
den Passagen der Gesamtbeurteilung.
Da weder die Statistik noch die eigene
Wahrnehmung eine solche High-EndLeistungsfähigkeit der durchschnittlichen
Arbeitnehmerschaft feststellen dürfte,
sind solche Bewertungen nahezu überflüssig. Aber wehe, wenn sie fehlen, oder
wenn gar die ganze durchschnittliche
Wahrheit gesagt würde. Das wäre eher
eine Verurteilung als einer Beurteilung.
Also wird gelogen, gebogen und beschönigt was das Zeug hält. Und genau
so will es der Gesetzgeber. Der verlangt
nämlich nicht nur ein ehrliches, sondern
auch ein wohlwollendes Arbeitszeugnis,
das das weitere berufliche Fortkommen
des Kandidaten nicht gefährdet. Das Ergebnis überrascht kaum noch: Arbeitszeugnisse sind zu glatt polierten Pflichtbestandteilen der schriftlichen Bewerbung geworden. Sie machen viel Arbeit
bei gleichzeitig geringem Aussagewert.
Überhaupt sollte man sich – auch
wenn Ärger im Spiel war – rechtzeitig um
das Arbeitszeugnis kümmern. Nach zwei
Jahren wird es langsam schwer, kurzfristig
ein Zeugnis nachzufordern, nach fünf
Jahren gibt es vielleicht niemanden mehr,
der die Arbeit beurteilen kann.
VIII
WAS GEHÖRT REIN IN EIN QUALIFIZIERTES ZEUGNIS?
1. Überschrift
Je nach Hintergrund: Zeugnis oder Arbeitszeugnis, Dienstzeugnis, Praktikumszeugnis, Zwischenzeugnis
2. Tätigkeitsbeschreibung:
Berufs-, Positions- oder Aufgabenbezeichnung mit Verantwortungsumfang;
meistens in Verbindung mit dem zeitlichen Umfang der Tätigkeit (Vollzeit/
Teilzeit) und den Daten des Stellenantritts und des Ausscheidens.
3. Beurteilung der Leistung:
Hier wird ein Gesamtbild von der Bereitschaft und der Befähigung zur Bewältigung der übertragenen Aufgaben formuliert. Dabei werden Fachwissen,
Arbeitserfahrungen, Leitungskompetenz und die Bereitschaft zur Entwicklung (Weiterbildung) gewürdigt. In der Regel (Code hin oder her) gibt es
abschließend eine zusammenfassende Beurteilung der Leistung (...hat die
ihr/ihm übertragenen Aufgaben .... ).
4. Beurteilung des Verhaltens:
Hier geht es um das Sozialverhalten und den Umgang mit Vorgesetzten und
Kollegen, ggfs. auch mit Geschäftspartnern/Kunden etc. Auch hier gibt es oft
eine zusammenfassende Verhaltensbeurteilung.
5. Grund für das Ausscheiden:
Hier wird ein Hinweis gegeben, ob der Kandidat auf eigenen Wunsch gegangen ist oder ob man sich (tatsächlich) einvernehmlich getrennt hat.
6. Dankesformulierung
Hier wird in der Regel das Bedauern des Ausscheidens zum Ausdruck gebracht, es werden Wünsche für das weitere berufliche und private Wohlergehen sowie u.U. Verständnis für den Schritt des Ausscheidens geäußert.
7. Ort, Datum, Unterschrift(en)
Zur Unterschrift gehört der lesbar wiederholte Name des Verfassers mit Angabe seiner Funktion bzw. Rechtsposition im Unternehmen. Möglich sind
auch die Unterschriften des direkten Vorgesetzen und des Chefs bzw. Geschäftsführers.
arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011