Das Arbeitszeugnis – Muster ohne Wert?
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Das Arbeitszeugnis – Muster ohne Wert?
praxistipps ert, denn er würde das Verfahren in unendliche Länge ziehen. Was macht er also: Er liest gezielt und wählt aus, und zwar nach Wichtigkeit, nach Aussagefähigkeit und nach persönlicher Routine. Und Routine verbunden mit dem Mut zur Lücke ist die einzige Chance, sich schnell einen Überblick über die Qualität von Bewerbungen zu machen. © Rainer Sturm/pixelio.de © Sven Meissner ¢ BEWERBUNG Das Arbeitszeugnis – Muster ohne Wert? Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein ehrliches und wohlwollendes Arbeitszeugnis. Ein Zielkonflikt, der den Wert dieser Bewerbungsunterlage zunehmend in Frage stellt. | Andreas Pallenberg E ine Stellenbesetzung über ein übliches Bewerbungsverfahren ist ein recht aufwändiges Unterfangen. Neben der wohl überlegten Formulierung der Ausschreibung nimmt der Gesamtprozess eines Einstellungsverfahrens oft mehrere Monate in Anspruch. Und das liegt nicht zuletzt an der Vielzahl der Bewerbungen, die bei attraktiven Stellen den Posteingang strapazieren. Dreistellige Bewerberzahlen sind bei Stellen für Geisteswissenschaftler die Regel. Das wirft nicht nur ein ernüchterndes Bild auf die Konkurrenzsituation arbeitsuchender Akademiker, sondern lässt auch erahnen, welche Arbeit und welcher Aufwand bei der Auswahl der Kandidaten entsteht. IV Für die Personalverantwortlichen gilt es, sich pro Bewerbung möglichst schnell, aber auch fundiert ein Bild von den interessierten Bewerbern/innen zu machen. Pro Bewerbung heißt dies: die Begutachtung der Gesamtgestaltung der Bewerbungsunterlagen, des Bewerbungsfotos, des Anschreibens, des Lebenslaufes, der Examenszeugnisse, der Arbeitszeugnisse, der Arbeitsproben, der weiteren Anlagen und Unterlagen („dritte Seite“, Referenzen, Zertifikate und Weiterbildungsbestätigungen etc.). Da kommt schnell ein Pfund an Unterlagen zusammen. Würde ein Personalreferent alle eingehenden Bewerbungen von A bis Z durchlesen, würde er vermutlich als Nächster gefeu- Arbeitsbeleg In diesem Zusammenhang ist das Arbeitszeugnis bei der Wichtigkeit der Unterlagen deutlich in den Hintergrund getreten. Es wird meistens erst dann gebührend betrachtet, wenn über die anderen Unterlagen Interesse geweckt wurde. Erst nach Begutachtung des überaus wichtigen Anschreibens und des nicht minder wichtigen Lebenslaufes wird ein Blick auf die vorhandenen Arbeitszeugnisse geworfen. Und zwar mehr als Abgleich, ob die dort erwähnten Arbeitsinhalte und das Arbeitsverhalten mit dem bisher gewonnenen Eindruck korrespondieren. Ein Beleg aus fremder Feder als Beweis für die in den selbstverfassten Beteuerungen formulierten Qualitäten hat natürlich grundsätzlich einen besonderen Wert. Schließlich beurteilt da ein ehemaliger Arbeitgeber einen Mitarbeiter. So weit, so gut, aber wie ehrlich kann ein solches Urteil sein? Welche Botschaft wird dabei vermittelt und welche wird empfangen? Wie ehrlich darf‘s denn sein? Ein ausgeschiedener Mitarbeiter – egal ob dieser auf eigenen Wunsch geht oder eher herausgeworfen wurde – hat einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Bei einvernehmlichen Trennungen sollte dies kein allzu großer Akt sein. Personalabteilungen halten für diesen Zweck Muster bereit und füllen diese bei Bedarf mit variablen Textstellen aus. Der Wert eines solchen Zeugnisses geht über eine Arbeitsbestätigung allerdings nicht hinaus. arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011 praxistipps Bei anspruchsvollen Tätigkeiten dürfte der Bewertete aber ein deutliches Interesse daran haben, dass sein Arbeitszeugnis mehr darstellt als eine bloße Bestätigung von Arbeitsinhalten und -umfängen. Und er hat ein Recht darauf, ein qualifiziertes Zeugnis zu bekommen, wenn er es verlangt. Hegt der Arbeitgeber aber noch ziemlichen Groll gegenüber seinem Ehemaligen, so könnte er die anstehende Beurteilung natürlich zum Anlass nehmen, diesem – ob berechtigt oder nicht – mit dem Zeugnis „eins reinzuwürgen“ und damit abschließend Rache zu üben. Das darf er nicht, so die gängige Rechtspre- DAS GESETZ § 109 Gewerbeordnung (1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. (2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. (3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Hinweis: Der Streitwert einer Klage auf Zeugniserteilung oder -korrektur beträgt etwa ein Bruttogehalt des Arbeitnehmers. chung z.B. des Bundesarbeitsgerichts, wonach ein Arbeitszeugnis die weitere berufliche Entwicklung nicht behindern darf bzw. wohlwollend formuliert sein soll. Dieses Gebot der wohlwollenden Formulierung ist übrigens nicht Inhalt des in diesem Zusammenhang häufig zitierten § 109 der Gewerbeordnung, sondern allein Grundtenor der zuständigen Gerichte. Ein ehemaliger Arbeitgeber kann auch nicht gezwungen werden, in einem Arbeitszeugnis den Kandidaten mehr zu loben als es der Wahrheit entspricht. leistung die einschlägig bekannte Formulierung „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ gibt, dann ist das vielleicht ein Hinweis auf ein „sehr gut“, vielleicht aber auch ein Hinweis dafür, dass der Arbeitgeber allen Diskussionen aus dem Weg gehen will. Wenn nur das „stets“ fehlt, oder aus der „vollsten“ eine „volle“ Zufriedenheit geworden ist, so ist dies eine Einschränkung. Da diese Codes bekannt Voller als voll Dieses Dilemma führt dazu, dass Arbeitszeugnisse mitunter – keineswegs immer – so verklausuliert werden, dass die direkte Aussage quasi wertlos ist, der sich dahinter verbergende Code aber umso geheimnisvoller Botschaften vermittelt, die zwar freundlich formuliert sind, aber eigentlich einem Verriss gleichkommen. Bekannt und berüchtigt sind in dieser Hinsicht alle Formulierungen, die mit Worten wie „... er bemühte sich stets ...“ zusammengefügt werden. Da weiß inzwischen jeder, dass dies so ziemlich die schlechteste Beurteilung bedeutet, die man bekommen kann. Ganz nach dem Motto: Positiv formuliert, aber negativ in der Bedeutung. Daraus hat sich ein inzwischen berüchtigter Zeugniscode entwickelt, der bereits eigene Stilblüten hervorgebracht hat. Was soll schon eine „vollste Zufriedenheit“ sein. Und tatsächlich werden viele Zeugnisse von den Personalfachleuten schnellstens durchgescannt auf der Suche nach genau diesen Benotungsfloskeln. Für die Bewerber ist das kein Problem, solange dort gute bis sehr gute Noten versteckt werden. Gibt es aber verklausulierte Hinweise auf schlechtere Arbeitsleistung, so sind diese sofort anfechtbar, und zwar nicht wegen des Inhaltes der Aussage, sondern grundsätzlich. Codierungen sind laut § 109 Abs. 2 Gewerbeordnung nicht zulässig. Wer hätte das gedacht! Wenn es trotzdem unter dem Stichwort Arbeits- arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011 Alle sind gut – von eins plus bis eins minus © Gerd Altmann/pixelio.de sind, kann sich ein ehemaliger Mitarbeiter auch darauf berufen und Besserung einfordern bzw. dafür sorgen, dass diese code-verdächtige Formulierung durch eine gänzlich andere Formulierung ersetzt wird. Einen Anspruch auf ein „sehr gut“ hat er nicht. Aber eine Codierung ist rechtswidrig. Wer also ein „sehr gut“ bekommen hat, wird nicht mucken. Wer aber suboptimale Codes findet, kann diese umgehend herauskicken lassen und sollte dies auch veranlassen. Somit dienen die zahlreichen Glossare mit den gängigen Zeugniscodes nicht nur als Übersetzungshilfe, sondern auch zur Identifizierung von Codes überhaupt. Code oder Nicht-Code? Ein Code, den keiner kennt, ist genauso wenig ein Code, wie einer, den alle kennen. Insofern sollte man auch dem Zeugniscode nicht allzu viel Bedeutung zu- V praxistipps kommen lassen. Wer geradezu panisch nach Formulierungen sucht, die codeverdächtig sein könnten, sich dazu mit entsprechender Literatur bewaffnet und sich im Netz unter Leidensgenossen umtut, wird seines Lebens nicht mehr froh und viel unnötige Energie verpulvern. Es gibt natürlich zahlreiche Bücher, die diese Sensibilität auffangen und mit dem Verdacht auf Verschwörung Geschäfte machen. Wer die wichtigsten bekannten Codes erkennen will, findet entsprechende Glossare im Internet. Wird man darüber fündig und hat den Verdacht, dass damit geheime Botschaften vermittelt werden sollen, verhandelt man entsprechend mit dem Urheber der Beurteilung. Worte wie „... Kollege Müller hat sich immer mächtig ins Zeug gelegt ...“ würden im Arbeitszeugnis eine vernichtende Beurteilung bedeuten. Und darauf muss man manche Chefs eben hinweisen. Zeugnis ablegen über sich selbst „Ach Gott, ja, das Arbeitszeugnis. Meier, schreiben Sie das doch selbst, Sie wissen doch am besten, was sie gemacht haben.“ So oder ähnlich sind die Reaktionen, wenn man den ehemaligen Chef auf das noch anstehende Arbeitszeugnis anspricht. Das macht ihm Arbeit und kann sogar zu nervigen Diskussionen in den meisten Fällen unterschätzt wird. Als guter Kompromiss gilt bei diesem Angebot die Zusage, man werde gerne eine Vorlage mit den Daten und Inhalten vorbereiten, aber großen Wert legen auf eine Beurteilung aus fremder Hand. Das erspart dem Personalchef umfassende Recherche und führt dennoch zur erwünschten Fremdbeurteilung, die sich auch stilistisch und vom Aufbau von den anderen Zeugnissen unterscheidet. Je nach beruflicher Perspektive sollte man vor der endgültigen Formulierung des Zeugnisses auf Inhalte hinweisen, auf die man besonderen Wert legen würde. Wer dann schon Schlüsselwörter für die eine oder andere Formulierung einfließen lässt, wird sich über ein aussagefähiges Zeugnis freuen können. Ein gutes Zeugnis Referenzen – besser als ein Zeugnis aus Worthülsen Dieser wird sich in den meisten Fällen auf Nachbesserung einlassen – schon aus arbeitsökonomischen Gründen. Die meisten Personalchefs kennen sich mit den Formulierungen und Gepflogenheiten bei der Gestaltung von Arbeitszeugnissen aus. Aber gerade Chefs und Geschäftsführer kleiner Unternehmen wirken dabei manchmal etwas unbeholfen. Sie formulieren mit besten Absichten so, wie es mündlich vielleicht ganz wohlwollend klingen würde. Aber VI © Rainer Sturm/pixelio.de führen. Wer sich darauf einlässt, wiegt sich in Sicherheit, vergibt aber eventuell eine Chance. Außerdem macht es wirklich Arbeit, diesmal aber dem Beurteilten. Und dann kommen einige Probleme zusammen. Kann man sich wirklich selbst authentisch beurteilen oder ist es eher ein Pokerspiel mit der Toleranz des Unterzeichners? Ist man zu ehrlich oder trägt man schon etwas zu dick auf? Das Selbstschreiben von Arbeitszeugnissen ist eine ziemlich komplexe Aufgabe, die Was ein gutes Zeugnis sonst noch ausmacht: Der Umfang zum Beispiel. Schwingt sich ein ehemaliger Chef zu mehreren Seiten der Beurteilung auf und beschreibt detailliert und individuell die besonderen Qualitäten des ausgeschiedenen Mitarbeiters, so hat das schon einen Wert an sich. Wirkt das ganze Zeugnis vom Inhalt und Aufbau auch in sich stimmig und nicht widersprüchlich oder unplausibel, so ist dies ebenfalls ein Qualitätskriterium. Ist die Beurteilung schon eher als schriftliche Referenz aufzufassen, die im Stil und in der Gesamtaussage auch ein Bedauern des Ausscheidens und gleichzeitig viel Erfolg beim weiteren Werdegang wünscht, hat man ein Zeugnis mit Substanz an der Hand, das auch gewürdigt werden kann – ja, wenn es denn auch gelesen wird. Negative Merkmale können sein, wenn das Zeugnisses nicht auf sauberem und dauerhaftem Briefkopfpapier gedruckt ist (worauf man einen Anspruch hat!), wenn es voller orthographischer Fehler ist oder wenn bestimmte übliche Passagen fehlen. Eine Verhaltensbeurteilung, die zum Beispiel ein gutes Verhält- arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011 praxistipps nis mit den Mitarbeitern bescheinigt, dieses aber zu den Vorgesetzten nicht erwähnt, kann als negatives Zeichen für die Zusammenarbeit mit dem Chef gewertet werden. Auch eine flapsige Grußfloskel, die mit dem ansonsten seriösen Stil des Zeugnisses bricht, kann ein Hinweis sein. Weitere Hinweise zur Interpretation von Arbeitszeugnissen mit umfangreichen Checklisten und Übersetzungshilfen finden sich z.B. unter www.arbeitszeugnis-info.de Zwischenzeugnis Das Einfordern eines Zwischenzeugnisses ist immer heikel, aber durchaus üblich. Der Grund dafür kann vielfältig sein. Vielleicht möchte man einfach mal einen Zwischenstand über den Status quo der persönlichen Leistung bekommen, oder es steht ein Aufgaben-, Team- oder Ar- beitsplatzwechsel innerhalb des Unternehmens an. Oder der Vorgesetzte scheidet aus Altersgründen aus und man möchte aus guten Gründen gerade von ihm noch eine abschließende Beurteilung bekommen. Aber es gibt eben auch die Abtrünnigen, die sich woanders, womöglich bei der Konkurrenz, bewerben wollen, und deshalb um einen Arbeitsnachweis ersuchen. Bei allen vorgeschobenen Gründen – ein solches Begehren ist dann schon ein Wink mit dem Zaunpfahl. Man kann ja viel erzählen. Sollte man sich tatsächlich wegbewerben, ist wohl eher Diskretion angesagt. Die Wahrheit wird ja auch erst im Erfolgsfall öffentlich. Wer möchte hinterher dem Chef schon eingestehen, dass es mit der Bewerbung nicht geklappt hat. Also wird auch in diesen Fällen meistens eine andere Begründung geliefert. Um diese unangenehme Situation erst gar nicht heraufzubeschwören, sollte man schon frühzeitig bei einem unverdächtigen Anlass (s.o.) ein Zwischenzeugnis erbitten, um es im entscheidenden Moment vorrätig zu haben. Der zusätzliche Nutzen liegt darin, dass einmal formulierte gute Beurteilungen in einem Zwischenzeugnis später in einem Abschlusszeugnis nicht wesentlich schlechter ausfallen dürfen, selbst wenn es zwischenzeitlich Krach gegeben hat. Dann hätte der Arbeitgeber nämlich die aufwändige Pflicht, die nun mindere Qualität nachzuweisen. Am besten also nach der Einarbeitungszeit und nach ersten Erfolgen das Thema offen ansprechen und einen Anlass liefern. Zum Beispiel: Man habe keine Absichten sich wegzubewerben, wünsche sich aber nach z.B. zwei Jahren Betriebszugehörigkeit eine aktuelle Beurteilung in Form eines Zwischenzeugnisses. (Zum Thema Zwischenzeugnis siehe auch unsere aktuelle Frage an unseren Bewerbungsexperten auf Seite XIII.) WAS BESSER NICHT IM ZEUGNIS STEHEN SOLLTE: Originaltext ... und was dahinter steckt ... erledigte alle Arbeiten mit großem Fleiß ... mit Fleiß schon, aber ohne Erfolg ... hat sich im Rahmen seiner/ihrer Fähigkeiten eingesetzt ... und die waren dürftig ... zeigte für die Arbeit Verständnis ... mehr aber auch nicht – ein Faulpelz ... hat sich bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden ... was nicht gelang – ein Versager ... war tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen ... was vielen auf den Wecker ging – ein unangenehmer Mitarbeiter ... verfügt über Fachwissen und zeigte gesundes Selbstvertrauen ... eher ein Großmaul ohne Substanz ... trug durch seine Geselligkeit zum guten Betriebsklima bei ... trinkt gerne und neigt zu Grenzüberschreitungen ... die Zusammenarbeit verlief ohne Beanstandungen ... aber keineswegs gut ... seine/ihre Pünktlichkeit war Vorbild für alle ... alles andere aber war eine Katastrophe ... erzielte ein nicht unerhebliches Ergebnis ... aber auch kein Gutes ... für seine/ihre Mitarbeit bedanken wir uns ... in dieser Kürze ist die Dankesfloskel eher ein Rauswurf erster Klasse ... wünschen wir ihm/ihr alles Gute, vor allem Gesundheit! ... die hat er wohl nötig – ein solcher flapsiger Schlenker zum Schluss kann ein gutes Zeugnis stark entwerten ... haben wir uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt ... wir haben gekündigt (geänderter Auszug aus www.arbeitszeugnis-info.de ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit) arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011 VII praxistipps Wer jeden Argwohn vermeiden möchte und sein berufliches Fremdgehen absolut diskret handhaben möchte, kann z.B. ein so genanntes „Zeugnisersatzblatt“ über seine aktuelle Tätigkeit in seine Unterlagen einfügen. Unter diesem Begriff als Überschrift gibt es dann einen kurzen Hinweis, warum ein entsprechendes Zeugnis (noch) nicht beschafft werden könne (Stichwort: „Diskretion“). Dann beschreibt man dort ausführlich die Inhalte der derzeit geleisteten Arbeit und die übernommene Verantwortung. Natürlich ohne Beurteilung. Wegen des zunehmenden Bedeutungsschwundes setzt sich immer mehr die Referenz als Ergänzung oder Ersatz für das Arbeitszeugnis durch. Dazu werden in der Regel vorher instruierte ehemalige Vorgesetzte, Chefs oder Geschäftspartner genannt, die bereit und in der Lage sind, bei Kontaktaufnahme Auskunft über die Qualitäten des Bewerbungskandidaten zu geben. Je hochrangiger desto besser. Auch Empfehlungsschreiben (schriftliche Referenzen) von ehemaligen Chefs finden mehr Beachtung als die standardisierten Arbeitszeugnisse mit ihren oft inflationären Bewer- tungen zwischen Eins minus und Eins plus. Solche schriftlichen Empfehlungen tragen mit ihren ehrlichen und unverdächtigen Formulierungen viel mehr zur Aussagekraft einer Bewerbung bei als ein glattes aus Textbausteinen bestehendes Arbeitszeugnis. Das heißt allerdings nicht, die Arbeitszeugnisse als Bewerbungsunterlage zu vernachlässigen. Bei gleichen Qualifikationen können gute und aussagefähige Zeugnisse immer noch den Ausschlag geben, ob man als Kandidat oder Kandidatin zu einem Gespräch eingeladen wird. Kurz: Lästig bis überflüssig, aber (immer noch) notwendig. Vom Zeugnis zur Referenz Schaut man sich aktuelle Arbeitszeugnisse an, so scheint es in der Arbeitswelt nur gute bis sehr gute Arbeitnehmer zu geben. Denn fast nur solche Noten finden sich mehr oder weniger verklausuliert in den Passagen der Gesamtbeurteilung. Da weder die Statistik noch die eigene Wahrnehmung eine solche High-EndLeistungsfähigkeit der durchschnittlichen Arbeitnehmerschaft feststellen dürfte, sind solche Bewertungen nahezu überflüssig. Aber wehe, wenn sie fehlen, oder wenn gar die ganze durchschnittliche Wahrheit gesagt würde. Das wäre eher eine Verurteilung als einer Beurteilung. Also wird gelogen, gebogen und beschönigt was das Zeug hält. Und genau so will es der Gesetzgeber. Der verlangt nämlich nicht nur ein ehrliches, sondern auch ein wohlwollendes Arbeitszeugnis, das das weitere berufliche Fortkommen des Kandidaten nicht gefährdet. Das Ergebnis überrascht kaum noch: Arbeitszeugnisse sind zu glatt polierten Pflichtbestandteilen der schriftlichen Bewerbung geworden. Sie machen viel Arbeit bei gleichzeitig geringem Aussagewert. Überhaupt sollte man sich – auch wenn Ärger im Spiel war – rechtzeitig um das Arbeitszeugnis kümmern. Nach zwei Jahren wird es langsam schwer, kurzfristig ein Zeugnis nachzufordern, nach fünf Jahren gibt es vielleicht niemanden mehr, der die Arbeit beurteilen kann. VIII WAS GEHÖRT REIN IN EIN QUALIFIZIERTES ZEUGNIS? 1. Überschrift Je nach Hintergrund: Zeugnis oder Arbeitszeugnis, Dienstzeugnis, Praktikumszeugnis, Zwischenzeugnis 2. Tätigkeitsbeschreibung: Berufs-, Positions- oder Aufgabenbezeichnung mit Verantwortungsumfang; meistens in Verbindung mit dem zeitlichen Umfang der Tätigkeit (Vollzeit/ Teilzeit) und den Daten des Stellenantritts und des Ausscheidens. 3. Beurteilung der Leistung: Hier wird ein Gesamtbild von der Bereitschaft und der Befähigung zur Bewältigung der übertragenen Aufgaben formuliert. Dabei werden Fachwissen, Arbeitserfahrungen, Leitungskompetenz und die Bereitschaft zur Entwicklung (Weiterbildung) gewürdigt. In der Regel (Code hin oder her) gibt es abschließend eine zusammenfassende Beurteilung der Leistung (...hat die ihr/ihm übertragenen Aufgaben .... ). 4. Beurteilung des Verhaltens: Hier geht es um das Sozialverhalten und den Umgang mit Vorgesetzten und Kollegen, ggfs. auch mit Geschäftspartnern/Kunden etc. Auch hier gibt es oft eine zusammenfassende Verhaltensbeurteilung. 5. Grund für das Ausscheiden: Hier wird ein Hinweis gegeben, ob der Kandidat auf eigenen Wunsch gegangen ist oder ob man sich (tatsächlich) einvernehmlich getrennt hat. 6. Dankesformulierung Hier wird in der Regel das Bedauern des Ausscheidens zum Ausdruck gebracht, es werden Wünsche für das weitere berufliche und private Wohlergehen sowie u.U. Verständnis für den Schritt des Ausscheidens geäußert. 7. Ort, Datum, Unterschrift(en) Zur Unterschrift gehört der lesbar wiederholte Name des Verfassers mit Angabe seiner Funktion bzw. Rechtsposition im Unternehmen. Möglich sind auch die Unterschriften des direkten Vorgesetzen und des Chefs bzw. Geschäftsführers. arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011