Das Nachbarrecht im Überblick II Ungewöhnliche Strafverhandlung
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Das Nachbarrecht im Überblick II Ungewöhnliche Strafverhandlung
Das Nachbarrecht im Überblick II Ungewöhnliche Strafverhandlung mit TOA 6 09 Art.-Nr. 55874906 SchAZtg 80. Jahrgang S. 121-144 ISSN 0945-7097 SchiedsamtsZeitung Organ des Bundes Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. – BDS – Begründet 1926 von Reichsgerichtsrat i. R. Dr. jur. h. c. Fritz Hartung Inhalt 121 Das Nachbarrecht im Überblick II 131 Bericht aus dem Gerichtssaal über eine ungewöhnliche Verhandlung mit TäterOpfer-Ausgleich (TOA) 133 Anfragen an die Redaktion 136 BDS-Nachrichten 136 Terminkalender 137 Berlin 138 Schleswig-Holstein 139 Personalien 140 Das Schiedsamt im Spiegel der Presse 144 Zu guter Letzt Redaktion Redaktionsleitung DirAG a. D. Erhard Väth Redakteur DirAG a. D. Burkhard Treese, Mersch 7, 59174 Kamen, Telefon (D) (0 23 07) 28 03 18, Telefax (D) (0 23 07) 7 30 49, [email protected] Einsendung von Manuskripten und Entscheidungen Einsendungen, die sich auf den redaktionellen Inhalt der Zeitschrift beziehen, werden an die Redaktionsanschrift erbeten. 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Das Nachbarrecht im Überblick II von Richter am Amtsgericht Carl Foerst, Aachen* § 1004 BGB gibt dem Eigentümer einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, soweit sein Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird. Einwirkung die Benutzung des Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Letzteres ist in der Regel gegeben, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenzoder Richtwerte nicht überschritten werden (beispielhaft: Bundes- und Landesimmissionsschutzgesetz, TA-Lärm etc.) oder die Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstückes herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die wirtschaftlich zumutbar sind. In diesem Falle kann allerdings der betroffene Eigentümer, soweit er die Einwirkung zu dulden hat, von dem Benutzer einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstückes oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Unter Beeinträchtigung ist dabei jeder dem Inhalt des Eigentums widersprechende Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers zu verstehen. Nach dieser Vorschrift kann sich der Eigentümer der tatsächlichen Benutzung seines Grundstückes durch Unbefugte erwehren und Immissionen abwehren. Gemäß § 906 BGB besteht dieser Anspruch nur insoweit, als die Aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wird auch ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch (Privatrechtlicher Aufopferungsanspruch) hergeleitet für den Fall, dass ein Eigentümer einen Zustand willentlich veranlasst oder pflichtwidrig die Herbeiführung eines rechtmäßigen Zustandes unterlassen hat, so dass er als Störer gemäß § 1004 BGB gelten muss. Ist in einem derartigen Falle dem Nachbarn verwehrt, die Herstellung Jetzt kommen wir zu den Regeln des Bürgerliches Gesetzbuchs zum Nachbarrecht. Das BGB gibt in § 903 dem Eigentümer einer Sache das Recht, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Dabei ist auch Art. 14 des Grundgesetzes zu beachten. Dort ist nicht nur bestimmt, dass Inhalt und Schranken des Eigentums durch Gesetz bestimmt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 der genannten Vorschrift ist dem Eigentum auch verpflichtender Charakter immanent (»Eigentum verpflichtet«). * Fortsetzung von Heft 5-2009, der Vortragsstil wurde beibehalten. 121 Das Nachbarrecht im Überblick II eines rechtmäßigen Zustandes zu verlangen, weil etwa Verjährung eingetreten ist, so ist der Nachbar dafür zu entschädigen, dass er den rechtswidrigen Zustand weiter hinzunehmen hat (vgl. Bundesgerichtshof in NJW 2001, 1865). Relevant wird dies dann, wenn ein Nachbar beispielsweise 1995 einen großen Baum unter Missachtung der nachbarrechtlichen Vorschriften über die Einhaltung von Grenzabständen zu nahe an die Grenze gesetzt hat und der Laubfall beim Nachbarn zur regelmäßigen Verstopfung der Dachrinne führt. In diesem Falle kann der Nachbar wegen des Ablaufs der 6-jährigen Ausschlussfrist des § 47 Nachbarrechtsgesetz NRW eine Beseitigung des Baumes nicht mehr verlangen. Er ist jedoch wegen der Dachrinnenreinigungskosten zu entschädigen (so BGH in DWW 2004, 58 (59). Zu beachten ist, dass der Anspruch kein Verschulden voraussetzt. Insgesamt enthalten die §§ 906 bis 924 BGB die Regeln zum privaten Nachbarrecht, mit denen der Bundesgesetzgeber versucht, die aus dem Nebeneinander der Rechte mehrerer Grundeigentümer fast zwangsläufig entstehenden Konflikte zu lösen. Die Regelung im BGB ist jedoch nicht abschließend. Sie wird zum einen ergänzt durch die von der Rspr entwickelte Figur des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses, zum anderen wie gesagt durch die gemäß Art. 124 EGBGB zulässigen landesrechtlichen Vorschriften des Nachbarrechts, die wir bereits behandelt haben. Zentrale Norm des Nachbarrechts im BGB und des privaten Umweltrechts ist § 906. Hinter dieser Vorschrift steht die Erkenntnis, dass aus Nachbarschaftssituationen zahlreiche Konflikte entstehen können, da jeder Grundstückseigentümer Einwirkungen gemäß §§ 1004, 903 verbieten kann. 122 Daher bedarf es eines Systems von Duldungspflichten und eventuellen Ausgleichsansprüchen, das jedem der Eigentümer eine angemessene Nutzung seines Grundstücks ermöglicht. Durch das Anknüpfen an die Kriterien der wesentlichen bzw. unwesentlichen Beeinträchtigung und der ortsüblichen Grundstücksbenutzung hat der Gesetzgeber eine sehr flexible Norm geschaffen. Soweit eine Duldungspflicht für erhebliche Beeinträchtigungen besteht (Abs. 2 S. 1), gewährt das Gesetz in Abs. 2 S. 2 – wie gesagt – einen Ausgleichsanspruch; dieser stellt einen gesetzlich geregelten Fall der bürgerlich-rechtlichen Aufopferungshaftung dar und ist von der Rspr in zahlreichen vergleichbaren Fällen zur Grundlage einer Analogie gemacht worden. Die Rechte und Pflichten von Nachbarn, die sich aus den §§ 1004, 906 BGB ergeben, sind regelmäßig Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen, die sich im Wesentlichen auf die Abwehr von Immissionen beziehen. Bei den folgenden Beispielfällen ist zu beachten, dass es sich jeweils um Einzelfälle handelt, die nicht unbedingt verallgemeinerungsfähig sind. Was eine erhebliche Beeinträchtigung darstellt und was nicht, was zumutbar ist und was nicht, ist letztlich eine Wertungsfrage, wobei Richter eben auch nur Menschen sind und ihre eigenen Erfahrungen sicher bei ihren Entscheidungen nicht ganz außen vor lassen können. Beispielsweise wird eine Kollegin, die 4-fache Mutter und entsprechend abgehärtet ist, Kinderlärm wahrscheinlich offener gegenüberstehen als ein kinderloser älterer Kollege, der möglicherweise auch noch täglich in einem von Schülern benutzten Bus zum Dienst fahren muss. Früher diente zur Objektivierung als Maßstab für die Frage der Wesentlichkeit bzw. SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6 Unwesentlichkeit einer Beeinträchtigung das Empfinden des sogenannten »normalen« Durchschnittsmenschen, also des 08/15Grundstücksbesitzers, wobei dieser Wertungsmaßstab natürlich trotzdem subjektiv ist, denn was »normal« ist und was nicht, wird bekanntlich völlig unterschiedlich bewertet, z.B. bei der Sendung »Big Brother« halten es viele für völlig normal, mehrere Monate in einem Container unter ständiger Kamerabeobachtung zu leben, andere halten es für degeneriert und peinlich. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH soll nunmehr das Empfinden des »verständigen« Durchschnittsmenschen maßgebend sein, was insbesondere bedeutet, dass nicht mehr nur auf das Maß der objektiven Beeinträchtigung abzustellen ist, sondern auch wertende Momente wie beispielsweise Belange des Umweltschutzes oder das öffentliche Interesse an einer kinderfreundlichen Umgebung in die Beurteilung einzubeziehen sind (BGHZ 120, 239; 255, 121; 248, 255). Wer ist der »verständige« Durchschnittsmensch? Gibt es hier vielleicht sogar welche in unserer Mitte? Wir werden das testen anhand einiger Beispielsfälle nach dem Motto: Wie würden Sie entscheiden? Schon das Reichsgericht hatte sich 1939 mit der Frage zu beschäftigen, ob Fliegen zu den unwägbaren Immissionen des § 906 BGB zählen, den sogenannten »Imponderabilien.« Zum Hintergrund: Ein Bauer hielt eine Schafherde von 200 Mutterschafen nebst Lämmern, die auf dem nahegelegenen Exerzierplatz – das passt in die Zeit – weideten. Der in der Nachbarschaft wohnende Kläger beschwerte sich darüber, dass er unerträglich von Fliegen geplagt würde, die in Schwärmen aus den Schafställen kämen, den Hausbewohnern die Ruhe bei Tag und Nacht nähmen, Möbel und Speisen beschmutzen und Krankheiten verbreiten würden. Sind nun Fliegen überhaupt Einwirkungen i.S.d. § 906 BGB, also ähnliche Einwirkungen wie Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusche und Erschütterungen? Das Reichsgericht meinte ja mit der Begründung, dass Rauch und Ruß streng genommen auch keine unwägbaren Stoffe seien und es sich bei den Fliegen um verhältnismäßig »kleine Körper« handeln würde. Die Richter nahmen jedoch eine Duldungspflicht des Klägers an und schrieben ihm ins Stammbuch: »Der Kläger setzte sich bewusst in eine ländliche Gegend, die mit seiner Ansiedlung diese Art nicht verlor. Er muss daher auch die Schattenseiten und die sich aus den örtlichen Verhältnissen ergebenden Belästigungen hinnehmen und zum eigenen Nutzen auf möglichste Abwehr seinerseits bedacht sein« (RG, Urteil vom 22.06.1939, V 212/38). Also eine »Klatsche« für den Kläger mit dem abschließenden Hinweis: »Kauf dir gefälligst eine Fliegenklatsche!« Um in der Tierwelt zu bleiben: Wie steht es mit dem Quaken von Fröschen? Ein Nachbar hatte einen Gartenteich angelegt, in dem sich Frösche angesiedelt hatten. Diese störten durch lautes Quaken über Monate hinweg die Nachtruhe des Nachbarn. Dieser begehrte die Beseitigung des Froschteiches. Hierzu hat der Bundesgerichtshof (NJW 93, 925 ff.) festgestellt, dass der den Gartenteich anlegende Nachbar störe und im Prinzip verpflichtet ist, die verursachte Lärmeinwirkung zu beseitigen bzw. zu unterlassen, die nicht ortsüblich gewesen ist. Dem Beseitigungsanspruch des Nachbarn 123 Das Nachbarrecht im Überblick II stand allerdings das Bundesnaturschutzgesetz entgegen, das u. a. die Verfolgung, Vertreibung und Tötung von Fröschen verbietet. Der Bundesgerichtshof war daher der Auffassung, dass der Abwehranspruch solange keinen Erfolg haben kann, wie nicht für die Beseitigung der Frösche eine Ausnahmegenehmigung, die nach § 31 I Nr. 1a Bundesnaturschutzgesetz möglich ist, vorliegt. Erst wenn diese erteilt werden kann, ist eine Verurteilung des Nachbarn zur Lärmabwehr unter dem Vorbehalt einer behördlichen Ausnahmegenehmigung möglich. len, sondern den Nachbarn um Herausgabe bitten müssen (LG München II, 5 O 5454/03). Einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch hat der Bundesgerichtshof verneint, soweit keine Ausnahme nach dem Bundesnaturschutzgesetz möglich ist. In diesem Falle wäre nämlich die Einwirkung, die vom Froschlärm ausgeht, nicht rechtswidrig, weil die Verhinderung naturschutzrechtlich verboten ist. Überhaupt Ruhezeiten: Wie ist es bei Bällen, die vom benachbarten Fußballplatz, der Straße oder dem Nachbargarten angeflogen kommen? § 906 BGB gilt unbeschadet der Frage, ob es sich bei dem jeweiligen Nachbarn um einen Privatmann, einen Verein oder die Gemeinde handelt. So hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (NJW 1998, 2921) entschieden, dass der Nachbar eines Fußballplatzes jedenfalls einen Anspruch darauf hat, dass das Zufliegen von Bällen auf sein Grundstück durch geeignete Vorkehrungen (Ballfangzaun) verhindert wird, allerdings unter Verneinung eines Anspruches aus 1004 BGB i.V.m. den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes auf Unterlassung des Spielbetriebes selbst. Kindern kann man auch nicht verbieten, mit einem Ball zu spielen, selbst wenn dieser ab und zu auf dem Nachbargrundstück landet, wobei die Kinder ihn nicht selbst vom Nachbargrundstück holen dürfen sol- 124 Kann der Nachbar sich gegen Kinderlärm oder Baulärm zur Wehr setzen? Es gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. In den Ruhezeiten, insbesondere mittags zwischen 13 und 15 Uhr, sollten die Kinder angehalten werden, ruhiger zu spielen. Bei Handwerkern kann nicht verlangt werden, dass diese die 2-stündige Mittagspause einhalten, denn das wäre wirtschaftlich nicht vertretbar. Die »Nachtruhe« gilt grundsätzlich zwischen 22.00 Uhr abends und 6.00 Uhr morgens. Der genaue Zeitraum kann in der Gemeindesatzung bestimmt sein. Nachbarn dürfen in dieser Zeit grundsätzlich nicht mehr durch Geräusche belästigt werden, wobei Babygeschrei hinzunehmen ist (OLG Düsseldorf, 9 U 218/96). Ein häufiger Streitpunkt sind Lärm und Gestank. Was muss man hinnehmen und was nicht? Dabei ist immer der Einzelfall maßgebend, wobei sich jeweils die Fragen stellen, ob die Belästigung ortsüblich ist und wie erheblich die Beeinträchtigung ist. In Wohnhäusern sind Dusch- und Fernsehgeräusche ortsüblich, in ländlichen Gebieten das Krähen eines Hahnes oder Stallgerüche. Zu Lärmimmissionen eines Hahns hat das LG München (Urteil vom 03.03.1989, 30 O 1123/87) folgende schönen Formulierungen gefunden: »Eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne einer besonderen Lästigkeit ist anzunehmen, wenn ein Hahn mehrmals täglich plötzlich kräht und die besondere Modulation und Tonalität des Krähens so beschaffen sind, dass einzelne schrille Töne aus dem Spektrum herauszuhören sind und eine Lautstärke von weit über 70 dB (A) und damit eine Differenz von 20 bis 40 dB (A) zum Ruhepegel erreichen.« SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6 Zum Vergleich: Verkehrslärm hat eine Lautstärke von ca. 75 dB, ein Presslufthammer 120 dB und ein Düsenjäger 130 dB. auf Heizkörper und Heizungsrohre beantwortet werden (AG Hamburg, 47 C 1789/95). Radiogeräusche von der Nachbarterrasse in einer Reihenhausanlage sind bereits dann unzulässige Immissionen, wenn sie ihrer Art nach deutlich wahrzunehmen sind; auf bestimmte schalltechnische Messwerte kommt es nicht an. Dies wird damit begründet, dass Radioprogramme, seien es Sprachtexte, Musik oder beides in wechselnder Aufeinanderfolge, ihres Inhalts wegen die Aufmerksamkeit des Hörers beanspruchen, und zwar auch des unfreiwilligen Hörers im Nachbargarten. Nicht weniger belastend werde ebenfalls unverständliches »Radiogedudel« empfunden (OLG München, Urteil vom 03.09.1991, 25 U 1338/91). Wie steht es mit Gartenfesten? Günstiger sieht es aus im Bereich der Musik. Nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urteil vom 13.04.1988, 6 U 30/87) kann beispielsweise das Musizieren mit Saxophon und Klarinette nicht generell verboten werden, weil die Musikausübung auch mit solchen Instrumenten als Nutzung des Hauseigentums ortsüblich ist. Die Grenze der Zumutbarkeit wird jedoch überschritten, wenn das Musizieren den Rahmen von zwei Stunden werktags und einer Stunde sonntags überschreitet. Der Abwehranspruch aus § 1004 BGB lässt daher eine zeitliche Begrenzung der Hausmusik zu. Wichtig: Um gegen Lärmbelästigung vorgehen zu können, müssen die Vorfälle konkret dargelegt und notfalls auch durch Zeugen, Tonbandaufnahmen etc. bewiesen werden, wobei sich die Fertigung eines »Lärmprotokolls« empfiehlt. Auch wenn die Geräusche aus der Nachbarwohnung noch so lästig und störend sind, dürfen sie übrigens nicht mit »Gegenlärm« durch Minuten langes Klopfen Ein Kläger in Frankfurt fühlte sich durch seine Nachbarn und ihre ca. 24 Gäste gestört, die mal wieder bei einem Gartenfest einen »Höllenlärm«, überwiegend durch lautes Lachen, verursacht hätten, der durch sein geschlossenes Schlafzimmerfenster gedrungen sei, so dass an Schlaf nicht mehr zu denken gewesen sei. Das LG Frankfurt (Urteil vom 06.03.1989, 2/21 O 424/88) beschied ihn dahin, dass in einem Wohngebiet Gartenfeste im üblichen Umfang als Ausdruck von normaler Geselligkeit hinzunehmen seien, wobei es in der Natur eines solchen Festes liege, dass gelacht und lauter geredet werde. Hier waren die Feiernden auch gegen 22.00 Uhr in den Keller gegangen, um dort weiter zu feiern, und das Gericht hielt es im Sommer für unvermeidbar, dass wegen der Notwendigkeit der Belüftung noch Geräusche nach außen dringen durften. Zum Feiern gehört auch das Grillen. Hier soll nach dem OLG Oldenburg (Urteil vom 29.07.2002, 13 U 53/02) der Nachbar bei beengten räumlichen Verhältnissen nach 22.00 Uhr Gerüche und Geräusche, die vom nächtlichen Grillen im Garten herrühren, nicht mehr hinnehmen müssen. 4 mal im Jahr sei ausnahmsweise jedoch ein Grillen bis 24.00 Uhr sozialadäquat. Ein Wort zum Sport. Im hiesigen Sprengel hatte eine Kirchengemeinde vor dem Pfarrheim eine Tischtennisplatte aufgestellt. Die davon ausgehenden Lärmbelästigungen von 62 dB (A) beurteilte das OLG Köln (Urteil vom 15.05.1991, 13 U 296/90) als Berufungsinstanz als wesentlich und nicht ortsüblich, so dass der Nachbar verlangen konnte, 125 Das Nachbarrecht im Überblick II dass das Tischtennisspielen während der Ruhezeiten unterbleibt. Müll- und Sammelbehälter für Wertstoffe Müllbehälter einer Wohnanlage können eine Eigentumsstörung des Nachbargrundstücks in Form einer unzumutbaren Geruchs- und Geräuschbelästigung hervorrufen, die zwar keinen Beseitigungsanspruch auslöst, wohl aber einen Anspruch auf das Unterlassen künftiger Beeinträchtigungen durch eine entsprechende Umgestaltung der Anlage (OLG Koblenz, Urteil vom 28.11.1979, 1 U 62/79). Das Aufstellen von Sammelbehältern für Glas, Papier usw. und die mit ihrer ordnungsgemäßen Benutzung verbundenen und durch baulich-technische Maßnahmen nicht weiter vermeidbare Geräuschimmissionen sollen nach einer Entscheidung des VG Köln (Urteil vom 02.07.1992, 4 Klage 2071/89) als nicht erhebliche Belästigungen i.S.d. §§ 3 Abs. 1 BImSchG, 906 BGB anzusehen und damit auch von den Bewohnern eines reinen Wohngebietes grundsätzlich hinzunehmen sein. Die Gemeinde muss bei der Auswahl des Standplatzes jedoch u.a. auch den Schutz der Nachbarschaft vor Geräuschimmissionen berücksichtigen, die Einhaltung der Einwurfzeiten überwachen und Verstöße ggf. durch Einleitung von Bußgeldverfahren ahnden. Videoüberwachung Gemäß § 823 und 1004 BGB kann sich der Nachbar einer Videoüberwachung seines Grundstückes erwehren (so Landgericht Braunschweig, NJW 1998, 2457 (2458)). Mobilfunk Immer öfter berufen sich Personen auf aufgetretene gesundheitliche Beeinträchtigungen nach der Errichtung von Sende- 126 anlagen (Mobilfunk/Fernsehstation) auf Nachbargrundstücken. Hierzu hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (NJW 2003, 759 ff.) entschieden, dass mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Gefährlichkeit hochfrequenter elektromagnetischer Felder für die Gesundheit, die nach dem Stand der Forschung allerdings auch nicht ausgeschlossen werden können, im Rahmen des bürgerlich rechtlichen Nachbarschaftsverhältnisses kein präventiver Abwehranspruch besteht, zumal wenn die Strahlenbelastung unterhalb der von der Bundesimmissionsschutzverordnung festgesetzten Grenzwerte bleibt. Damit geht das Gericht davon aus, dass unterhalb dieser Grenzwerte den anspruchstellenden Nachbarn die volle Beweislast für die Schädlichkeit trifft. Toleranz gegenüber Behinderten Das Oberlandesgericht Köln hat in einer vieldiskutierten Entscheidung vom 08.01.1998 (NJW 98, Seite 763 f.) zu Lärmbeeinträchtigungen durch Behinderte vom Nachbargrundstück Stellung genommen. Ein Nachbar hatte gegen den Landschaftsverband Rheinland als Betreiber eines benachbarten heilpädagogischen Heimes für geistig Behinderte auf Unterlassung der von den Heimbewohnern ausgehenden Lärmbeeinträchtigung geklagt, die sich durch Schreien, Stöhnen, Kreischen und sonstige unartikulierte Laute ergaben, wenn sich die Bewohner im Garten aufhielten. Das Gericht hat entschieden, dass der Landschaftsverband sicherstellen muss, dass vom 1. April bis zum 31. Oktober dafür Sorge zu tragen ist, dass diese Lärmbeeinträchtigungen innerhalb bestimmter Zeiten unterbleiben, um dem Nachbarn an Feiertagen ab der Mittagszeit und an Werktagen ab dem frühen Abend den ungestörten Genuss seines Gartens zu ermöglichen. SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6 Dabei hat das Gericht unter Beachtung des Diskriminierungsverbotes des Art. 3 III, 2 Grundgesetz (»Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden«) und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zu § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz ausgeführt, dass Menschlichkeit, Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme keine Einbahnstraße sind. Das Toleranzgebot ende dort, wo die Unzumutbarkeit beginne, d.h. dem Nachbarn die Belästigung »billigerweise nicht mehr zuzumuten sei.« vom 19.12.2001 (NJW 2002, 615 ff.), die Abwehransprüche gegen eine Lichtzufuhr vom Nachbargrundstück betrifft. Das Landgericht hat es für den aus § 1004 BGB folgenden Unterlassungsanspruch genügen lassen, dass der bei Dunkelheit dauerhafte Betrieb einer Außenleuchte (Glühbirne mit 40 Watt) im Schlafzimmer des Nachbarn eine erhebliches Gefühl der Lästigkeit hervorruft. Das Gericht hat keine Verpflichtung des gestörten Nachbarn gesehen, die Lichteinwirkung selbst durch Rollladenbetrieb oder das Anbringen von Gardinen auf ein zumutbares Maß zurückzuführen. Rauchen auf dem Balkon Die Frage, ob das Rauchen einer Zigarette auf dem eigenen Balkon eines Mehrfamilienhauses im Rahmen des in Art. 2 Grundgesetz geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechtes liegt und keinen Unterlassungsanspruch des Nachbarn nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB begründet, ist ebenfalls bereits Gegenstand richterlicher Entscheidung gewesen (bejahend Amtsgericht Bonn in NZM 2000, 33). Läuten Zeichensetzende, ortsübliche mit dem Glockenläuten verbundene Religionsausübung hat das Landgericht Aschaffenburg (NVwZ 2000, 965) nicht in dem reinen Zeitläuten gesehen, auch wenn es von einem Kirchturm aus geschieht. Unter Verneinung eines gemeinwichtigen Betriebes und von Duldungsansprüchen aus § 14 Bundesimmissionsschutzgesetz hat es aufgezeigt, dass gemäß §§ 906, 1004 BGB das Läuten zu unterlassen ist, soweit nicht eine Reduzierung der Lärmeinwirkung durch Einbau von Schalldämpferkulissen zur Beseitigung der Störung führt. Lichtzufuhr von Nachbargrundstücken Viel beachtet worden ist auch die Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden Rockkonzert Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.09.2003 (NJW 2003, 3699 ff.) gelten Besonderheiten im Hinblick auf das Wesentlichkeitsgebot des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB. Handelt es sich um eine Veranstaltung von kommunaler Bedeutung, die nur an einem Tag des Jahres stattfindet und weitgehend in einziehender Umgebung bleibt, ist diese auch zu dulden, wenn die Lärmimmissionen die Richtwerte der sogenannten LAI-Hinweise überschreiten. Nachbarn hatten sich gegen Lärmbelästigungen gewandt, die von einem alljährlich stattfindenden Sommerfest eines Sportvereins ausgingen, der ein Rockkonzert veranstaltet hatte. Baumfall Immer wieder kommt es vor, dass anlässlich von Stürmen Bäume auf Nachbargrundstücke fallen. Fraglich ist dann, ob dem Nachbarn, auf dessen Grundstück der Baum gefallen ist und wo möglicherweise hierdurch weitere Schäden entstanden sind, ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zusteht. Dies hat der Bundesgerichtshof (NJW 1993, 1855) für den Fall verneint, dass der Baum gegenüber normalen Ein- 127 Das Nachbarrecht im Überblick II wirkungen der Naturkräfte hinreichend widerstandsfähig gewesen wäre und nur ein ungewöhnlich heftiger Sturm für das Umstürzen des Baumes auf das Nachbargrundstück ursächlich geworden ist. Ungeziefer Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 07.07. 1995 in NJW 1995, 2633 ff.) hat es als Begründung der Störereigenschaft nicht ausreichen lassen, dass der Nachbar, der einen ca. 19 m von der Grundstücksgrenze entfernt stehenden seit 14 Jahren befindlichen, ungezieferbefallenen (Wollläuse) Baum weiter unterhält und nichts gegen den Ungezieferbefall tut. Eine Pflicht zur Ungezieferbekämpfung hat das Gericht nicht herleiten können. Es hat allerdings offen gelassen, ob der Nachbar, wenn er durch den ungezieferbefallenden Baum unzumutbar beeinträchtigt wird, einen Anspruch auf Duldung des Betretens des Nachbargrundstücks hat, um selbst Ungezieferbekämpfungsmaßnahmen dort durchzuführen. Kompost Die Kompostierung von Abfällen ist in letzter Zeit immer beliebter geworden. Geschieht dies unmittelbar an der Nachbargrenze, so ist Streit vorprogrammiert. Komposthaufen unmittelbar an der Nachbargrenze stellen nach der Rechtsprechung eine unzumutbare Belästigung dar wegen der zu erwartenden Immissionen durch Geruch und Ungeziefer. Der betroffene Nachbar kann Beseitigung (Verlegung) der Anlage gemäß §§ 906 I, 907 I BGB verlangen (Landgericht München NJW-RR 88, 205). Laubfall In den letzten Jahren ist immer wieder die Frage aufgeworfen worden, ob Eigentümer eines Grundstückes es entschädigungslos hinnehmen müssen, dass das Laub von Nachbars Bäumen auf ihr Grundstück 128 weht, oder ob sie von der Nachbarin oder dem Nachbarn Schadensersatz für die Beseitigung des Laubes, insbesondere auch soweit es Dachrinnen verstopft, verlangen können. Dabei wird man davon ausgehen müssen, dass dies für Bäume, mit deren Anpflanzung der vorgeschriebene Grenzabstand eingehalten worden ist, nicht der Fall sein kann. In diesem Fall ist der Laubbefall des eigenen Grundstückes entschädigungslos hinzunehmen, weil bereits mit der Normierung des Grenzabstandes eine Abwägung der Interessen der beiden Nachbarn durch die Gesetzgeber erfolgt ist. Halten aber Bäume den erforderlichen Grenzabstand nicht ein, so steht dem Nachbarn nach Verjährung des Beseitigungsanspruches nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zu, der den Nachbarn verpflichtet, den erhöhten Reinigungsaufwand infolge des Abfallens von Nadeln oder Laub zu ersetzen (vgl. BGH in DWW 2004, 58 (61)). Zum Abschluss der Beispielsfälle zu den Immissionen noch ein recht prekärer Fall: Liegt eine wesentliche Beeinträchtigung i.S.d. § 906 BGB vor, wenn von einer Eisenbahnbrücke – man stelle sich das schöne nahegelegene Burtscheider Viadukt vor – regelmäßig Fäkalienteile aus der Zugtoilette auf ein darunter gelegenes Wohngrundstück gelangen? Der 1. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts urteilte dazu mit gerümpfter Nase (am 20.03.1995, 1 U 191/92), dies stelle wohl eine wesentliche Beeinträchtigung dar, billigte dem Eisenbahnunternehmen jedoch eine Übergangszeit von 5 Jahren zu, um die Immissionen abzustellen, wobei es dem Grundstückseigentümer für diesen Zeitraum einen Ausgleich in Geld nicht zusprach. Eine anrüchige Entscheidung, nicht wahr? SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6 Genug der Immissionen, denn jetzt kommen wir zu den letzten hier interessierenden Paragraphen im BGB des Nachbarrechts: Der sogenannte Überhang ist in § 910 BGB geregelt. Auch wenn z. B. wegen Zeitablaufs die Beseitigung eines Baumes oder eines Strauches nicht mehr verlangt werden kann, gelten die Vorschriften über den Überhang fort. Ein Grundstückseigentümer kann vom Nachbarn verlangen, dass dieser Wurzeln und Zweige, die über die Grundstücksgrenze wachsen, beseitigt, wenn die Wurzeln und Zweige die Benutzung des Grundstücks beeinträchtigen (§ 1004 BGB). In das Grundstück hineingewachsene Wurzeln darf der Eigentümer dieses Grundstückes sofort im Wege der Selbsthilfe beseitigen, Zweige erst dann, wenn er dem Nachbarn eine angemessene Frist zur Beseitigung gesetzt hat, die fruchtlos abgelaufen ist. Das Abschneiderecht besteht nicht, wenn der Überhang die Grundstücksbenutzung nicht oder nur ganz unerheblich beeinträchtigt. Auch wird zu prüfen sein, ob nicht durch landesrechtliche Bestimmungen zugunsten des Naturschutzes die angestrebte Maßnahme verboten ist. Das Land Nordrhein-Westfalen hat in § 45 des Landschaftsgesetzes den Schutz des Baumbestandes den Gemeinden überlassen. Viele Gemeinden haben Baumschutzsatzungen erlassen, nach denen bestimmte Bäume nicht gefällt, geschädigt oder in ihrem Aufbau wesentlich verändert werden dürfen. Bevor man daher von Nachbarn die Beseitigung von Ästen oder Wurzelwerk verlangt oder selbst Hand anlegt, sollte man sich bei der Gemeinde erkundigen, ob nicht eine Baumschutzsatzung den Eingriff verbietet. Früchte eines Baumes oder Strauches, die von selbst auf ein Nachbargrundstück fal- len, gehören nach der Regelung über den Überfall nach § 911 BGB diesem Nachbarn. Bis zum Abfallen gehören sie dem Eigentümer des Grundstückes, auf dem der Baum oder Strauch steht. Zu dieser eher kuriosen Vorschrift ist noch zu sagen, dass der Nachbar die Früchte allerdings nicht selbst pflücken und auch nicht am Baum schütteln darf, um dem natürlichen »Früchtefall« nachzuhelfen. Auch § 923 BGB ist ohne große praktische Bedeutung. Dort ist geregelt, dass die Früchte eines Grenzbaumes und beim Fällen auch das Holz den Nachbarn zu gleichen Teilen zustehen. Zum Abschluss noch einige Worte zum nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis, das neben den gesetzlichen Bestimmungen von BGB und Nachbarschaftsgesetzen der Länder von der Rechtsprechung entwickelt worden ist, um gesetzlich nicht geregelte Fälle sachgerecht lösen zu können. Über die genannten Bundes- und Länderregelungen hinaus sind danach weitere Beschränkungen und Erweiterungen der Ausschließungsbefugnisse des Grundstückseigentümers gegenüber seinen Nachbarn möglich. Die Rechtsfigur des »nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses« stellt dabei eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242) für das Zusammenleben von Grundstücksnachbarn dar. Sie kann im Einzelfall über das sonstige Nachbarrecht hinaus Duldungspflichten gegenüber Einwirkungen vom Nachbargrundstück bzw Beschränkungen in der Nutzung des eigenen Grundstücks begründen. Dies kommt jedoch nur ausnahmsweise in Betracht, da grundsätzlich die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der 129 Das Nachbarrecht im Überblick II §§ 906 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder im Einzelnen geregelt sind und die gesetzlichen Regelungen des Nachbarrechts nicht mit Hilfe dieser Rechtsfigur in ihr Gegenteil verkehrt werden dürfen. Das würde nämlich gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen: Die Gesetze schafft der Gesetzgeber und diese sind für die Gerichte bindend; sog. »Richterrecht« gibt es nur ausnahmsweise im Bereich gesetzlich nicht geregelter Sachverhalte. Also besteht in gesetzlich geregelten Fällen wie z. B. herüberwachsenden Zweigen (§ 910 BGB) kein Raum für die Anwendung der Regeln über das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis, weil der Gesetzgeber dazu schon eine Regelung getroffen hat. Anders ist es z.B. bei Katzen des Nachbarn, die das Grundstück aufsuchen. Hier gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, insbesondere nicht durch § 906 BGB, der nur für »unwägbare Stoffe« in Form der dort genannten Immissionen gilt. Wir hatten gehört, dass Fliegen noch zu den unwägbaren Stoffen zählen sollen, Katzen aber nicht, weil sie definitiv zu groß dafür sind. Überwiegend hält man eine Duldungspflicht gegenüber einer geringen Anzahl von Katzen auf Grund des Gemeinschaftsverhältnisses für möglich (OLG Celle VersR 1986, 973 f.; OLG Köln NJW 1985, 2338 f.; OLG München NJW-RR 1991, 17 f.). Weitergehende Beeinträchtigungen wie die regelmäßige Verschmutzung und Beschädigung von Wegen und Mauern oder Gartenmöbeln sind aber nicht mehr zu dulden, denn es ist dem Eigentümer nicht zuzumuten, in jedem Einzelfall nur Schadensersatz zu verlangen (LG Kassel AgrarR 1987, 58, 59). Umstritten ist, inwiefern aus dem Gemeinschaftsverhältnis neben Duldungspflichten und damit korrespondierenden Aus- 130 gleichsansprüchen noch weitere konkrete Ansprüche folgen können. Der BGH hält dies nur ausnahmsweise für möglich (BGHZ 88, 344, 351 mwN = NJW 1984, 729; BGH NJW 1995, 2633, 2634 f.), während die Instanzrechtsprechung teils großzügiger verfährt. Bejaht wurden aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis z.B. ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die zur Verhinderung von Feuchtigkeitsschäden notwendige Verfüllung eines Zwischenraums zwischen einem Überbau und der eigenen Grundstückswand (BGHZ 28, 110, 114 ff. = NJW 1959, 97). Aus dem Gemeinschaftsverhältnis können sich ausnahmsweise sogar Abwehransprüche gegen an sich zulässige Formen der konkreten Grundstücksnutzung ergeben, die erkennbar für den Nachbarn im Einzelfall schwerwiegende Nachteile nach sich ziehen würden, soweit sich die angestrebte Grundstücksnutzung auch anders realisieren lässt (BGH NJW 1991, 1671). Insoweit wurde z.B. ein Unterlassungsanspruch bejaht bei der Haltung von mehr als 100 flugfähigen Brieftauben auf einem Grundstück, wenn diese Grundstücksnutzung grundsätzlich ortsüblich und daher grundsätzlich nach § 906 Abs. 2 S. 1 zu dulden ist (LG Itzehoe NJW-RR 1995, 979, 980). 10 bzw. auch 20 flugfähige Tauben sollen hingegen hinzunehmen sein (LG Hamburg DWW 1991, 339). Hier besteht das oben genannte Abgrenzungsproblem zwischen gesetzlicher Regelung und der durch Richterrecht entwickelten Figur des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses besonders deutlich, denn Kleintiere wie Bienen, Fliegen, Wollläuse und eben auch Tauben sollen nach der Rechtsprechung – wir erinnern uns an das Reichsgericht – unter die Immissionen des § 906 BGB fallen, die durch diese Vorschrift eigentlich eine abschließende Regelung erfahren haben. SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6 Verneint wurden dagegen Ansprüche aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis auf Unterlassen der Haltung eines scharfen Hundes, der das Grundstück betretende Katzen des Nachbarn töten kann (AG Erlangen NJW-RR 1991, 83) oder auf Duldung des Betretens des Nachbargrundstücks zwecks Rückschnitts einer Hecke, wenn kein zwingendes Erfordernis dafür dargetan wird (LG München II WuM 1988, 163 f.) Kontrollfrage zum letzten Punkt: Fällt das Betreten des Nachbargrundstücks zum Heckeschneiden nicht unter das Hammerschlagsrecht und ist damit gesetzlich geregelt? Nein, nur Bau- und Instandsetzungsarbeiten sind davon gemäß § 24 Abs. 1 NachbG NRW erfasst. Nachtrag zum Rasenmähen: Geräte- und Maschinenlärm/ Rasenmäherverordnung Seit September 2002 ersetzt die Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung die alte Rasenmäherverordnung. Die Verordnung gilt für 57 unterschiedliche Geräte- und Maschinenarten, von Baumaschinen, wie etwa Betonmischer und Hydraulikhammer, über Bau- und Reinigungsfahzeuge, darunter Transportbetonmischer und Kehrmaschinen bis hin zu Landschafts- und Gartengeräten wie Kettensägen, Laubbläser, Laubsammler und Rasenmäher. Zudem enthält die Verordnung zahlreiche weitere Regelungen zum Schutz der Bevölkerung vor erheblichen Belästigungen durch Lärm. Vor allem an Sonn- und Feiertagen sowie während der Abend- und Nachtzeiten wird der Geräte- und Maschineneinsatz in schutzbedürftigen Wohnbereichen beschränkt. Für Rasenmäher gelten folgende zeitliche Einschränkungen: An Sonn- und Feiertagen sowie an Werktagen in der Zeit von 20.00 Uhr bis 7.00 Uhr dürfen nicht betrieben werden: Motorkettensägen, Betonmischer, Fahrzeugkühlaggregate, Grastrimmer, Heckenscheren, Rasenmäher, Laubsammler und Laubbläser. An Werktagen besteht in den Zeiten von 7.00 bis 9.00 Uhr, von 13.00 bis 15.00 Uhr und von 17.00 bis 20.00 Uhr ein absolutes Betriebsverbot für Freischneider, Graskantenschneider, Laubbläser und Laubsammler. Zu beachten ist in jedem Fall, dass die in der Verordnung festgelegten Betriebszeiten für die im Einzelnen aufgeführten Maschinen und Gartengeräte durch Landes- und Ortsrecht ergänzt und modifiziert werden können. Handbetriebene Rasenmäher fallen nicht unter die Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung. Künftig ist vorgeschrieben, dass alle neuen Rasenmäher oder Kehrmaschinen mit einem Hinweis auf die zulässigen Betriebszeiten gekennzeichnet werden. Das hilft sicherlich, Missverständnisse zwischen Nachbarn zu vermeiden. Bericht aus dem Gerichtssaal über eine ungewöhnliche Verhandlung mit Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) von Oberamtsanwalt Fritz Fengler, Agathenburg Vor einigen Tagen wurde vor dem Strafrichter des Amtsgerichts Cuxhaven die Anklage gegen einen Mann verhandelt, der jetzt in Dänemark lebt und dort als Handwerker arbeitet. Es herrschte Schneetreiben, der Straßenverkehr war stark beeinträchtigt. Weder Richter noch Staatsanwalt rechneten mit dem Erscheinen des Angeklagten. Zur großen Überraschung trat der Angeklagte nach Aufruf ein. Er kam ohne Verteidiger. Die Anklage umfasste mehrere DIN A 4 Seiten und beschrieb 26 Taten. Der Vorwurf war immer der gleiche: Bedrohung in Tateinheit mit Nachstellung. 131 Bericht aus dem Gerichtssaal über eine ungewöhnliche Verhandlung Dem Angeklagten wurde zur Last gelegt, per SMS seine getrennt lebende Ehefrau und deren Freund mit detailliert beschriebenen, äußerst widerlichen Tötungshandlungen bedroht zu haben. Beide Opfer hätten etwa 4 Monate lang in dauernder Todesangst gelebt und seien für mehrere Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen. Nach Verlesung der Anklage ließ der Angeklagte sich wie folgt ein: »Ich kann gar nicht glauben, dass ich das gemacht habe. Aber es stimmt. Ich habe diese SMS verfasst. Ich bin erschrocken über mich. Es tut mir wahnsinnig Leid.« Nach der Einlassung erklärte der Staatsanwalt: »Ihr Geständnis und die zum Ausdruck gekommene Reue sind strafrechtlich von Bedeutung, wichtiger wäre es aber, sich bei den Opfern zu entschuldigen. Dazu wäre hier gleich Gelegenheit. Wollen Sie die Chance nutzen?« Das wollte er. Die zwischenzeitlich geschiedene Ehefrau wurde hereingerufen und vernommen. Sie sah den Angeklagten nicht ein einziges Mal an und war offensichtlich noch sehr belastet. Der Staatsanwalt fragte sie nach der Vernehmung, ob sie bereit sei, sich eine Erklärung des Angeklagten anzuhören. Nachdem sie das bejaht hatte, brachte der Angeklagte in ruhigen und angemessenen Worten seine Entschuldigung vor. Auf die Frage des Richters, ob sie die Entschuldigung akzeptiere, antwortete die Zeugin mit Ja. Ihre Stimme war jetzt viel fester als bei ihrer vorherigen Aussage. »Haben Sie jetzt noch Angst?«, fragte der Staatsanwalt. Sie verneinte. Intensität der Taten sowie wegen der Vorstrafen eigentlich eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr verwirkt sei. Durch die vorgebrachten und angenommenen Entschuldigungen sei der Rechtsfrieden zwischen den Beteiligten wiederhergestellt. Die Zeugen haben mit aufgehellten Gesichtern den Saal verlassen. Diese Befriedung ist juristisch als erfolgreicher TäterOpfer-Ausgleich zu werten. Das Gesetz sieht in § 46 a StGB für diesen Fall eine Strafmilderung vor, auf die der Angeklagte jetzt auch Anspruch hat. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Angeklagte offensichtlich nicht aus prozesstaktischen Gesichtspunkten beim TOA mitgemacht habe, sondern weil er das Unrecht seiner Taten zwischenzeitlich eingesehen habe. In Anwendung dieses Strafmilderungsgrundes erscheine es angemessen, auf eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten mit Bewährung zu erkennen. Um eventuellen Wiederholungen vorzubeugen, sei es erforderlich, dem Angeklagten zwei Bewährungsauflagen zu machen: Nicht ohne berechtigtes Interesse Kontakt mit den Zeugen aufzunehmen und 30 Monate lang monatlich 50 € an die Opferhilfe zu zahlen. Diese Institution sei als Empfängerin der Geldauflage zu wählen, da die Damen und Herren der Opferhilfe Opfern von derartigen Straftaten helfend zur Seite stünden und Täter dazu heranzuziehen seien, für die Erstattung der Auslagen aufzukommen. Das Gericht hat antragsgemäß verurteilt, Angeklagter und Staatsanwalt verzichteten gleich auf Rechtsmittel. Jetzt wurde ihr Freund hereingerufen. Richter und Staatsanwalt vermittelten erneut. Der Angeklagte entschuldigte sich, der Zeuge nahm die Entschuldigung an. Als die Zeugen den Saal verließen, bedankten sie sich beim Gericht und lächelten dabei. Ein Reporter der lokalen Presse war im Saal anwesend, der nach der Verhandlung erklärte, er habe nicht gewusst, dass ein Strafgericht auch schlichten könne. Die Verhandlung sei zum Teil ergreifend gewesen. In seinem Plädoyer führte der Staatsanwalt aus, dass wegen der Vielzahl und der Seine Leser wolle er über den TäterOpfer-Ausgleich informieren. 132 SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6 Anfragen an die Redaktion Anfragen sind an die Redaktion zu richten. Anschrift: Burkhard Treese, Mersch 7, 59174 Kamen. Sie werden von fachkundigen Mitarbeitern des BDS beantwortet und falls sie von allgemeinem Interesse sind, an dieser Stelle veröffentlicht. Schiedsfrau N. aus D. fragt nach der Geschäftsfähigkeit Demenzkranker. Ich bin Schiedsfrau im Bezirk X in D. Zudem betreue ich eine Demenzkranke, Pflegestufe 1, die noch allein in ihrem Haushalt lebt und reihum von verschiedenen Personen stundenweise betreut wird. Bei unserem monatlichen Reflektionstreffen in der Verwaltung der Stadt D. wurde darauf hingewiesen, dass gerade in der Vorweihnachtszeit ständig Hausierer unterwegs sind, die bei alten Leuten klingeln. Ganz gefährlich wird es dann, wenn schriftliche Verträge mit dem Kranken abgeschlossen werden, die nicht innerhalb von 14 Tagen von den Angehörigen entdeckt werden. In diesem Zusammenhang tauchte die Frage auf: Wie lange ist ein Demenzkranker geschäftsfähig? Kann man sich im Fall eines rechtskräftig abgeschlossenen Vertrages auf die Pflegestufe berufen? Herzlichen Dank für Ihre Mühen. Aus der Antwort: Zunächst möchte ich Ihnen meine Hochachtung dafür aussprechen, dass Sie neben dem Ehrenamt einer Schiedsfrau noch die Arbeit und Mühen auf sich genommen haben, sich um eine Demenzkranke zu kümmern, mit der Sie nicht verwandt sind. Ich unterstelle, dass Sie den Begriff »betreuen« nicht im juristischen Sinn, sondern als tatsächliche Hilfe zusammen mit anderen verstehen. Deswegen finde ich es auch gut, dass die Stadt D. solchen Menschen, die sich ehrenamtlich um andere kümmern, eine Hilfe in Form solcher Reflektionstreffen anbie- tet. Bieten sie doch die Möglichkeit, sich im Kreis Betroffener auszutauschen und Fragen, Sorgen und Nöte zu artikulieren. Bestimmt sind diese Treffen auch für pflegende Angehörige offen. Sind doch gerade oft pflegende Angehörige, besonders diejenigen, die mit Demenzkranken zu tun haben, in der schweren Lage, den fortschreitenden Abbau ihrer Angehörigen erleben zu müssen. Seit dem 1. Januar 1992 gibt es nun das Betreuungsrecht. Es geht vom Grundsatz davon aus, dass alle Erwachsenen auch voll geschäftsfähig sind. Daran ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn nach §§ 1896 ff. BGB eine Betreuung = rechtliche Vertretung eingerichtet wird. Die Voraussetzungen einer Betreuung sind nach § 1896 Abs. 1 BGB: »Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer«. Der Umfang der Betreuung umfasst nach § 1901 Abs. 1 BGB alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten… rechtlich zu besorgen. In seinem Aufgabenbereich vertritt der Betreuer den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB). Diese Ausführungen sollen belegen, dass die Frage, wie lange ein Demenzkranker geschäftsfähig ist, so einfach nicht beantwortet werden kann. Man könnte sagen, ein Demenzkranker ist geschäftsfähig, solange seine Geschäfts- 133 Anfragen an die Redaktion unfähigkeit nicht festgestellt ist. Damit ist das Problem auf medizinische Sachverständige verlagert worden. Allein, dass ein Demenzkranker eine Pflegestufe hat, reicht nicht aus, seine Geschäftsunfähigkeit anzunehmen. Deswegen haben es Angehörige im Einzelfall schwer, bei Vertragsabschluss eines kranken Angehörigen Verträge wieder aufzulösen, wenn die Widerrufsfrist abgelaufen sein sollte. Notfalls muss mit Hilfe eines ärztlichen Gutachtens festgestellt werden, dass eine Geschäftsunfähigkeit vorgelegen hat und dann im Klagewege festgestellt werden, dass der Vertrag nicht wirksam zu Stande gekommen ist. Bei einem Kranken, für den ein Betreuer bestellt ist, ist die Situation meist ein wenig einfacher. Dies gilt umso mehr, wenn die Betreuung den Bereich der Vermögenssorge umfasst. Nach meinen Kenntnissen als Betreuungsrichter haben Vertragspartner in den meisten Fällen einen Vertrag aufgelöst, wenn der Betreuer unter Vorlage einer Kopie seiner Bestellung dem Vertrag widersprach – auch nach Ablauf der zweiwöchigen Widerrufsfrist bei Haustürgeschäften. Grundsätzlich ist jedoch auch hier zu sagen, dass der Vertragsschluss des Kranken rechtsgültig ist, wie oben festgestellt wurde. Eine Hilfe bietet da nur im Fall einer Betreuung die Einrichtung des »Einwilligungsvorbehalts« im Bereich der Aufgabe des Betreuungsumfangs. Ein solcher Einwilligungsvorbehalt wird vom Vormundschaftsgericht gem. § 1903 BGB eingerichtet, soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. 134 Das Gericht muss vor der Erweiterung des Betreuungsumfangs den Betroffenen persönlich anhören, ebenso wie die Betreuungsbehörde und ein erneutes ärztliches Gutachten einholen. Schon hieran ist zu erkennen, dass ein Einwilligungsvorbehalt etwas Besonderes ist und eine Ausnahme darstellt von der Regel, dass jeder Erwachsene als voll geschäftsfähig gilt. Dann ordnet das Gericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenbereich des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf. Das bedeutet: ein Vertrag, den der Betreute z.B. an der Haustür abschließt, ist nur wirksam, wenn der Betreuer einwilligt. Ausnahmen hiervon sind in § 1903 Abs. 3 BGB geregelt einmal, wenn die Willenserklärung dem Betreuten lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt – Standardbeispiel ist die Annahme einer Schenkung –, und wenn die Willenserklärung eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft. Das sind die alltäglichen Bargeschäfte über geringwertige Gegenstände, so der Kauf von Lebensmitteln zum alsbaldigen Verzehr, wenn diese nach Menge und Wert das übliche Maß nicht übersteigen. Sie sehen daraus, dass über das Betreuungsrecht ein Weg gefunden werden kann, einen Demenzkranken davor zu schützen, im täglichen Geschäftsleben oder bei Haustürgeschäften wie z. B. auch von Zeitschriftenwerbern »über den Tisch gezogen zu werden«. Um es noch einmal zusammenzufassen: Ein Demenzkranker bleibt geschäftsfähig, bis seine Geschäftsunfähigkeit festgestellt ist. Man kann sicherlich sich auf eine Pflegestufe berufen. Ob sich der Vertragspartner aber etwas davon annimmt, ist fraglich. SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6 Schiedsmann M. aus S. fragt, ob bei einer Terminsverschiebung die Ladungsfrist erneut einzuhalten ist? Nach § 20 Abs. 2 der saarländischen Schiedsordnung (SSchO) muss eine Frist von zwei Wochen zwischen der Zustellung der Ladung und dem Termin der Schlichtungsverhandlung liegen. Die Ladungsfrist soll den Parteien eine angemessene Vorbereitung auf die Schlichtungsverhandlung ermöglichen. Werden Entschuldigungsgründe von Parteien geltend gemacht, kann der ursprüngliche, mit den amtlichen Vordrucken angesetzte Termin der Schlichtungsverhandlung (V 7) auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden. Im vorliegenden Fall wurde von einem Antragsteller am 11.1. ein Antrag auf Schlichtungsverhandlung wegen Beleidigung gestellt. Die Ladung zum 30.1. wurde dem Antragsgegner (AG) mit Vordruck V 5 und Zustellungsurkunde zugeleitet. Der AG ist zum Termin nicht erschienen. Mit Schreiben vom 31.1. hat der AG für den Zeitraum der Verhandlung eine Behandlungsbestätigung vorgelegt. Die Verlegung des Termins auf den 22.2. wurde mit Vordruck V7 dem AG mit ZU zugestellt. Der AG ist auch zu diesem Termin nicht erschienen. Mit Schreiben vom 23.2. hat der AG für den Zeitraum der Verhandlung eine Bestätigung über einen Sprechstundenbesuch seines Zahnarztes vorgelegt. Die erneute Verlegung wurde wieder mit V7 und Zustellungsurkunde auf den 13.3. durchgeführt. Die Ladung erfolgte am 3.3. Der AG erschien nicht, schickte aber einen Brief, in dem er mitteilte, den Termin nicht wahrgenommen zu haben, da die Ladungsfrist nicht eingehalten sei. Meine Fragen nun zur Ladungsfrist. Ich meine, mit der ersten Ladung zum Termin ist dem AG doch eine angemessene Vorbereitung auf den Termin ermöglicht worden. Mit den Vordrucken V7 wurden die Termine doch lediglich verlegt. Ist nun bei einer Verlegung eines Schlichtungstermins immer die Ladungsfrist des § 20 SSchO einzuhalten? Aus der Antwort: Der Antragsgegner scheint ein Mensch zu sein, der die Saarländische Schiedsordnung zu kennen scheint oder die Rechtsprechung der Zivilgerichte bei Terminsverlegungen. Ein Standardkommentar zur ZPO, Zöller 25. Auflage Rdn. 1 zu § 217 ZPO schreibt: »Die Ladungsfrist dient der zeitlichen Vorbereitung des Termins, also auch der Freihaltung von sonstigen Terminen. Daher gilt § 217 (Ladungsfrist) auch für die Verlegung eines Termins.« § 21 Abs.4 Schiedsamtsgesetz NRW regelt die Entschuldigung für ein Ausbleiben im Termin. Satz 4 lautet: »Absatz 3 gilt entsprechend«. In Absatz 3 ist geregelt, wie zu laden ist (EB, ZU oder Einschreiben mit Rückschein). Auf den Absatz 2, der die Ladungsfrist regelt, wird nicht ausdrücklich verwiesen. Aus der zuvor zitierten Meinung der Rechtsprechung zu Terminsverlegungen dürfte aber auch im Verfahren vor den Schiedspersonen nichts anderes gelten als in Zivilprozessen. Im »Kommentar für Schiedsämter und Schiedsstellen« von Fischbach ist die Frage nicht ausdrücklich angesprochen. Fazit: Aus der Sicht des Anfragenden muss (bedauerlich) zu jedem Termin unter Einhaltung der Ladungsfrist geladen werden. Sonst kann ja auch kein Ordnungsgeld verhängt werden. 135 BDS-Nachrichten BDS-Nachrichten – verantwortlich Pressereferentin Monika Ganteföhr – Einsendungen für diesen Teil bitte nur an den Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V., Postfach 10 04 52, 44704 Bochum, Telefon: 02 34/ 588 97 0, Telefax 02 34/ 588 97 19 BDS im Internet: http://www.schiedsamt.de E-mail: [email protected] Terminkalender (Änderungen vorbehalten; FL = Fortbildungslehrgang, 1 = Strafrecht, 2 = Zivilrecht) Einführungslehrgänge Ort Land/LGBz. Leitung 10./11.07. 2009 21./22.08. 2009 28./29.08. 2009 Rendsburg Kleve Erfurt Schleswig-Holstein Nordrhein-Westfalen Thüringen Väth Treese Väth Fortbildungslehrgänge Ort Land/LGBz. Leitung 03./04.07. 2009 11./12.09. 2009 FL 1 FL 2 Eppelborn Bad Salzdetfurth Dr. Rammert Fischbach 18./19.09. 2009 25./26.09. 2009 FL 2 FL 2 Magdeburg Kassel Saarland Braunschweig, Göttingen, Hannover/Bückeb., Harz, Hildesheim Sachsen-Anhalt Fulda, Gießen, Kassel, Limburg u. Marburg Lehrgänge FL 2 mit Schwerpunkt Nachbarrecht Ort 10./11.07. 2009 FL 2 Stralsund 21./22.08. 2009 FL 2 Dresden 04./05.09. 2009 FL 2 Königs Wusterhausen 04./05.09. 2009 FL 2 Wetzlar Lehrgänge Mediation I im Schiedsamt Ort 04./05.09. 2009 I Monheim 04./05.09. 2009 I Bochum-WAT 25./26.09. 2009 I Münster 136 Böhlendorf Kenklies Land/LGBz. Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Brandenburg Darmstadt, Frankfurt, Gießen, Hanau, Limburg u. Wiesbaden Leitung Niehaus Fischbach Böhlendorf Kenklies Land/LGBz. Aachen, Arnsberg, Bonn, Düsseldorf, Hagen, Köln, Siegen u. Wuppertal Bochum, Duisburg, Essen, Dortmund, Kleve, Krefeld u. Mönchengladbach Bielefeld, Detmold, Münster u. Paderborn Leitung Treese N.N. Merzbach SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6 Lehrgänge Mediation II im Schiedsamt Ort Land/LGBz. Leitung Voraussetzung für die Anmeldung zum Mediationsseminar II ist die Teilnahme am Mediationslehrgang I. 17./18.07. 2009 II Frankfurt/Main Darmstadt, Frankfurt, Gießen, Merzbach Hanau, Limburg u. Wiesbaden Der BDS schreibt die o.g. Lehrgangsveranstaltungen gegenüber den sachkostentragenden Gemeinden (gilt nicht für Rheinland-Pfalz) rechtzeitig aus, im Falle von Einführungslehrgängen ggfs. nach vorheriger Ermittlung neu ernannter Schiedspersonen. Schiedspersonen, die an einem für ihr Land oder ihren Landgerichtsbezirk hier angekündigten Lehrgang teilnehmen wollen und bis ca. vier Wochen vor dem Lehrgangstermin kein entsprechendes Lehrgangsangebot von Seiten der Gemeinde erhalten haben, sind gebeten, ihr Teilnahmebegehren bei der Kommune unverzüglich unmittelbar anzumelden, damit die Gemeinde die Sachkostenübernahme gegenüber dem BDS erklärt und dadurch die Schiedspersonen beim BDS anmeldet. Der BDS lädt nur aufgrund der Anmeldung der Gemeinden die Teilnehmer zu dem Lehrgang ein. Die Einladung erfolgt direkt an die gemeldeten Schiedspersonen. Fachtagungen mit aufsichtführenden Richtern sowie mit verantwortlichen Bediensteten der Justizund Kommunalverwaltungen Ort Land/LGBz. Leitung 09.07. 2009 Rendsburg Schleswig-Holstein Väth 20.08. 2009 Kleve Bochum, Duisburg, Essen, Treese Dortmund, Kleve, Krefeld u. Mönchengladbach 27.08. 2009 Erfurt Thüringen Väth Berichte und Meinungen Berlin Landesvereinigung Am 10.02.2009 fand die Jahreshauptversammlung der LVgg Berlin statt. Vorsitzender Koll. Heinz Winkler konnte neben den Delegierten auch den Berliner Justiz-Staatssekretär Hasso Lieber und das Ehrenmitglied Frau Reißbach begrüßen. Hasso Lieber überbrachte zunächst die Grüße der Berliner Justizsenatorin und begrüßte die Schiedsfrauen und Schiedsmänner auch in seiner Eigenschaft als Bundesvorsitzender der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter. Er unterstrich die hohe Bedeutung der außergerichtlichen Streitbeilegung, die einen Wert an sich bilde und nicht unter Spargesichtspunkten diskutiert werden sollte. Rechtspolitik und Recht- »Berliner Staatssekretär der Justiz Hasso Lieber« sprechung seien zu wertvoll, um sie nur den Juristen zu überlassen. Das Schiedsamt kennzeichne ein unbürokratisches Verfahren. Es sei deutlich kostengünstiger als gerichtliche Verfahren. Vorteilhaft sei außerdem, dass das Schiedsamt »hinter den Streit« sehe und damit zum Rechtsfrieden beitragen könne. Sorge bereite allerdings die geringe Fallzahl. So kämen 2007 auf 83 Schiedspersonen in Berlin 147 zivilrechtliche Streitigkeiten, mithin 1,8 Fälle pro Schiedsperson und Jahr. 137 BDS-Nachrichten Um die Attraktivität des Schiedsamtes zu erhöhen, werde immer wieder auf § 15 a EG ZPO hingewiesen. Auch das Mahnverfahren diene als Tor zur Flucht aus der Schlichtung. Berlin werde sich nicht entziehen, wenn es darum gehe, verstärkt Nachbarrechtsstreitigkeiten, Ehrverletzungen oder Streitigkeiten aus dem AGG der Obligatorik zu unterziehen. Nachdenklich stimme allerdings das Zwischenergebnis einer 2005 gebildeten Bund-Länder-Kommission, wonach sich die Obligatorik bei vermögensrechtlichen Bagatellfällen nicht bewährt habe. Gleichwohl werde das Schiedsamt künftig innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung immer wichtiger. Die Schiedsperson sei der geborene Mediator. In einem Exkurs auf die vom Europäischen Parlament verabschiedete Mediationsrichtlinie erläuterte Staatssekretär Lieber das Ziel der EU, eine Mindestharmonisierung in Zivil- und Handelssachen sicherzustellen. Vorgesehen seien ein Zeugnisverweigerungsrecht und die Schweigepflicht des Mediators. Während einer Mediation sei die Verjährungsfrist gehemmt. Die Mitgliedsstaaten seien zur Öffentlichkeitsarbeit für Mediatoren verpflichtet. Auf nationaler Ebene werde erwogen, kostenrechtliche Nachteile für diejenigen einzuführen, die außergerichtliche Verfahren nicht nutzen. Im Wettbewerb mit Rechtsanwälten, Psychologen und Pädagogen werde das Schiedsamt seinen Platz behaupten. Die Laienbeteiligung sei unverzichtbar, sie werde keinesfalls obsolet. Berlin werde vielmehr das Ehrenamt in der Justiz stärken und alle Tendenzen bekämpfen, es abzuschaffen. Er sehe es als gesellschaftliche Aufgabe an, ein Bündnis der Ehrenamtlichen in der Justiz zu schmieden und gehe zuversichtlich in das Mitte Februar mit dem BDS-Bundesvorsitzenden anberaumte Gespräch. Dem BDS Berlin unterbreite er das Angebot eines permanenten Dialogs. Nach diesem mit viel Beifall aufgenommenen Referat wurde rege diskutiert, z.B. über organisatorische Mängel (die Senatsverwaltung für Justiz weise auf ihrer homepage nicht wirksam genug auf das Schiedsamt hin, die Amtsgerichte würden von den Bezirksämtern nicht immer über Änderungen der Schiedsamtsbezirke informiert, einige Bezirksämter würden sich sperren, Fortbildungskosten sollten als sächliche Ausgaben anerkannt werden, die ehrenamtliche Tätigkeit der Schiedspersonen würde nicht ge- 138 würdigt). Staatssekretär Lieber sagte zu, sich für eine Überwindung dieser Hemmnisse einzusetzen. Der Landesvorsitzende Heinz Winkler dankte ihm für seine wegweisenden Ausführungen. Im Anschluss an die Genehmigung der Tagesordnung wurden verschiedene Ehrungen vorgenommen (siehe »Ehrungen«). Nach dem Rechenschaftsbericht des Vorstandes und dem Kassenbericht der Schatzmeisterin Koll’in Pieper folgte der Bericht der Kassenprüfer Frau Küntscher und Herr Scharnow sowie die Entlastung des Vorstandes. Bei der erforderlichen Wahl eines neuen Geschäftsführers wurde Koll. Franz Bertsch einstimmig gewählt. Ebenfalls einstimmig wurde als Beisitzer Koll. Beyer neu gewählt. Als Kassenprüfer wurden die beiden bisherigen Revisoren wiedergewählt. Abschließend wies LVors Heinz Winkler darauf hin, dass der »Tag des Ehrenamtes« für eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit durch die Schiedspersonen genutzt werden soll. Zur Information legte Herr Stefanescu noch die Broschüre »Sicherheit im Ehrenamt« aus. Schleswig-Holstein Bezirksvereinigung Itzehoe Am 07.03.2009 fand die diesjährige Jahreshauptversammlung der BzVgg statt. Die Vors. Koll’in Ilona Fitschen konnte 58 Teilnehmer sowie als Gast RiAG Itzehoe Christian Dutzmann begrüßen. Außerdem nahmen der 1. Vors. der BzVgg Kiel Dietmar Sporleder, der 2. Vors. der BzVgg Kiel Ulrich Steingräber, der 2. Vors. der BzVgg Flensburg Wolfgang Behrendt, der Schriftführer der BzVgg Flensburg Christian Carstensen und der IT-Beauftragte der BzVgg Lübeck Konrad Meyer teil. Als Referent konnte Herr D. Feist vom Justizministerium SchleswigHolstein gewonnen werden. Zunächst stellte RiAG Dutzmann fest, dass die Herausnahme der vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis € 750,– aus dem LSchG SchleswigHolstein als eine Folge der Flucht ins Mahnverfahren anzusehen ist. Er ermunterte die Schiedspersonen, nach vorne zu sehen und, wie SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6 bisher, ordentlich weiterzuarbeiten. Referent Feist dankte zunächst für die Einladung und sprach den Schiedspersonen auch im Namen des Justizministers den Dank für die erfolgreiche Arbeit aus. In seinem Vortrag zum 3. Abschnitt des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ging er zunächst darauf ein, dass die Evaluation – auch in anderen Schiedsamtsländern – ergeben habe, dass die vermögensrechtlichen Streitigkeiten keinen Platz mehr im LSchG hätten. Das neue Aufgabengebiet AGG erfordere Gesetzeskenntnisse und ein hohes Maß an Kreativität. Für die Schiedspersonen solle aber immer »Schlichten statt Richten« im Vordergrund stehen, zumal bisher noch keine Kommentierung und Urteile vorliegen, die die Tätigkeit erleichtern könnten. Er stellte zudem fest, dass das AGG überwiegend im Arbeitsrecht Anwendung finde, wofür die Schiedspersonen jedoch nicht zuständig sind. Ferner erläuterte er eingehend die Grundlagen, Gesetzestechnik und besonders den Allgemeinen Teil, Abschnitt 3. Im Anschluss gab die Vors. Koll’in Fitschen einen Rückblick auf das Jahr 2008 und bedankte sich bei allen Mitgliedern und dem Vorstand für die Unterstützung, vor allem hob sie lobend den Einsatz der Koll’en Doll, Juister sowie Lill hervor, die diverse IT-Lehrgänge bzw. Einführungslehrgänge durchgeführt haben. Letztgenannter war auch für die übersichtlichen Tischvorlagen verantwortlich, die statistische Informationen, Terminübersichten, Hinweise zum LSchG und zur neuen Satzung beinhalteten. Nach dem Bericht der Kassenprüfer wurde der Vorstand entlastet. Anschließend wurde darüber informiert, dass die in Suhl beschlossene Satzung am 19.02.2009 beim Registergericht des AG Bochum eingetragen wurde. Die Mitglieder der BzVgg nahmen einstimmig (bei 5 Enthaltungen) die Satzung an. Personalien Glückwünsche Der Vorsitzende der Bezirksvereinigung Recklinghausen, Koll. Karl-Heinz Duda, kann am 08.06.2009 seinen 75. Geburtstag feiern. Von 1971 bis 1986 war er zunächst SchiedsmannStellvertreter, von 1987 bis heute ist er als Schiedsmann für den Bezirk Marl I aktiv. Schon 1977 wurde er zum Landesschriftführer gewählt. Dieses Amt hatte er bis 2002 inne. Seine umfassenden und penibel geführten Protokolle und vor allem seine zahlreichen Statistiken sind in NRW bereits legendär. Von 1991–2002 war er als Geschäftsführer der BzVgg Recklinghausen aktiv und ist von 2002 bis heute dort Vorsitzender. Besonders stolz ist er darauf, dass er die ca. 1.200 Schlichtungsverhandlungen, die er von 1971 bis heute durchgeführt hat, mit einer Erfolgsquote von 78 % schlichten konnte. Auch aufgrund seiner zahlreichen weiteren ehrenamtlichen Aktivitäten – so z.B. von 1972 bis 1984 Mitglied des Bundesverbandes evgl. Handwerker e.V. (davon 4 Jahre als Schatzmeister), von 1973 bis 1980 Schöffe am LG Essen und von 1989 bis 2004 Schöffe am AG Marl – erhielt er im Jahr 2004 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Am 12.06.2009 wird Koll. Udo H. Villwock, 60 Jahre alt. Koll. Villwock ist seit 2005 Schiedsmann in Dortmund. Seit 2008 bekleidet er das Amt des Geschäfts- und Schriftführers in der Bezirksvereinigung Dortmund. Am 22.06.2009 wird Koll. Manfred van Halteren 65 Jahre alt. Bereits seit 1991 ist er als Schiedsmann in der Gemeinde Bedburg-Hau (Kreis Kleve) aktiv. Seit Oktober 2000 ist er 1. Vorsitzender der BzVgg Kleve. In der Gemeinde BedburgHau war er von 1994 bis 1999 sachkundiger Bürger, gehörte dem Rat von 1999 bis 2004 an und ist seit 2008 Kreistagsmitglied. Im Verband der Lehrer an Berufskollegs VLbS war Koll. van Halteren 26 Jahre Vorsitzender des Ortsverbandes Kleve. Aufgrund seines großen ehrenamtlichen Engagements zur Förderung der Handwerksjugend im Maler- und Lackiererhandwerk wurde ihm im April 2008 durch die Handwerkskammer Düsseldorf die Silberne Medaille verliehen. Seit 1995 gehört er dem Vorstand der Gewerkschaft für internationale Begegnungen e.V. Kleve an, organisiert und betreut aktiv deutsch-israelische Jugendbegegnungen und Studienreisen. Darüber hinaus ist Koll. van Halteren seit 1988 in der kath. Pfarrgemeinde St. Antonius Hau als Lektor und Kommunionshelfer tätig, war von 1990 bis 2000 Vorsitzender der Tennisabteilung in der SV Bedburg-Hau und 139 BDS-Nachrichten tritt seit vielen Jahren als brillanter Büttenredner im Karneval auf. (Mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Bezirksvereinigung gratuliert die Redaktion der SchAZtg ebenfalls recht herzlich.) Für 10-jährige Schiedsamtstätigkeit Koll’in Bienat und Koll. Erbe. Für 15-jährige Tätigkeit: Koll’in Küntscher und Koll. Wilke, Lützenberg, Stein und Stenzel sowie für 30 Jahre Koll. Bonkowski. Ehrungen (Die Redaktion der Schiedsamtszeitung gratuliert allen Jubilaren und wünscht weiterhin Gesundheit und Kraft für eine erfolgreiche Tätigkeit im Dienste der Bürgerinnen und Bürger.) Anlässlich der JHV der LVgg Berlin wurden folgende Ehrungen vorgenommen: Das Schiedsamt im Spiegel der Presse verantwortlich Pressereferentin Monika Ganteföhr Über »Schlichter am grünen Tisch«, berichtet die Ruhrnachrichten/Ausgabe für Aplerbeck, Hörde und Hombruch und weist darauf hin, dass der Schiedsmann Hans-Volker Kruse seit fünf Jahren zwischen Nachbarn im Streitfall vermittle. Dabei mache er es den Streithähnen »nett«, denn in seinem Amtsraum würden mitunter auch Kaffee oder Plätzchen auf dem Tisch stehen. Und dann würde gestritten: Über zu hohe Hecken, rieselnde Kiefernnadeln, überhängende Äste, Tierlärm oder auch Beleidigungen im Hausflur. Für seine Altersteilzeit habe der 65-jährige DiplomBetriebswirt eine neue Aufgabe gesucht und sei nun einer von 50 Schiedspersonen in Dortmund. Er habe feststellen müssen, dass es »im grünen Teil Dortmunds am häufigsten Nachbarschaftsstreit« gäbe. Aufgabe der Schiedsperson sei es dann, »mit Kenntnis der Gesetzeslage zu vermitteln, die Parteien zu beruhigen und einen Kompromiss herbeizuführen«. Das könne dann auch schon mal bis zu vier Stunden dauern, denn das Problem läge oft im Detail. Vor Gericht werde »die Vergangenheit betrachtet, im Schiedsamt stehen Gegenwart und Zukunft im Mittelpunkt«, berichtet Hans-Volker Kruse. Nach einer kurzen Schilderung des Verfahrensablaufs wird noch angemerkt, dass der regelmäßige Besuch von Schulungsveranstaltungen für den 140 Dortmunder Schiedsmann eine Selbstverständlichkeit sei. Im Anschluss wird mitgeteilt, dass sein Schiedsamt »mobil« sei, da er sowohl in seiner Wohnung wie auch im Klassenraum einer Grundschule verhandeln dürfe. Da »die Arbeit als Schiedsmann so spannend ist wie das Leben«, referiere Hans-Volker Kruse auch über sein Ehrenamt, so z.B. Anfang d.J. bei der AWO. Abschließend wird in dem ausführlichen Bericht noch auf das Schiedsamt allgemein sowie auf die sachliche Zuständigkeit hingewiesen. Das Pinneberger Tageblatt berichtet über die Auszeichnung des Tangstedter Schiedsmanns Fieten Wulf durch den Bürgermeister der Gemeinde Detlev Goos. Schiedsmann Wulf übe dieses Amt seit nunmehr 35 Jahren aus und habe in dieser Zeit »den ein oder anderen Streit« geschlichtet. »Es gibt auch eine andere Lösung, als das Gericht«, informiert das Wedel Schulauer Tageblatt. Der Schiedsmann der Gemeinde Uetersen Manfred Hollendung und sein Stellvertreter Horst SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6 Kleinwort wollten nun gemeinsam aufhören. Eine Nachfolgerin habe man mit Christiane Frese auch bereits gefunden, allerdings sei nun noch die Stellvertreter-Position zu besetzen. Zu den rund 20 Fällen pro Jahr kämen noch ca. 30 Tür- und Angelfälle hinzu. »Ehrenamt ist wichtig und die Aufgabe vielseitig und interessant«, so die seit November als Schiedsfrau tätige Christiane Frese. Neben einer kurzen Auflistung der sachlichen Zuständigkeiten wird unter Angabe der Kontaktmöglichkeiten auch auf die regelmäßige Sprechstunde hingewiesen. Ein historischer Rückblick auf die Entwicklung des Schiedsamtes sowie eine Rubrik »Stellvertreter gesucht« runden den Beitrag ab. Ebenfalls eine stellvertretende Schiedsperson sucht die Gemeinde Hetlingen in der Holmer Zeitung. Der bisherige Stellvertreter Rafael Behrnd sei nach einer Amtsperiode »eine Stufe höher gestiegen – und erster Schiedsmann geworden«. Trotz Ausschreibung und der Aufrufe der Bürgermeisterin Barbara Ostmeier habe sich bisher niemand für die Stellvertreter-Position gefunden. Dabei müsse man nur ein »normaler, offener, menschenfreundlicher Mensch sein«, so Rafael Behrnd. Außerdem gehe es in Hetlingen recht friedlich zu, da »hier nur nette Leute leben«. In der Regel gehe es bei den nachbarschaftlichen Auseinandersetzungen um HeckenSchnitthöhen oder Bäume, die über die Grundstücksgrenze ragten. Beleidigungen, und selten auch Handgreiflichkeiten, kämen gelegentlich ebenfalls vor. Aufgabe der Schiedspersonen sei es dann, eine Schlichtung herbeizuführen. Dann wird der Ablauf eines Schlichtungsverfahrens geschildert. Abschließend folgt dann nochmals ein Aufruf, den Schiedsmann als Stellvertreter für fünf Jahre zu unterstützen. Rafael Behrnd sei im Übrigen vor fünf Jahren durch seine Frau zu diesem Ehrenamt ermutigt worden. Mit »Dackelstreit und Stasiverdacht« hätten sich Apoldas Schiedsfrauen Annelotte Heilek, Anneliese Dornheim und Mandy Wolf zu beschäftigen, so die Apoldaer Allgemeine. Apoldas Schiedsfrauen lägen bei der Zahl der Verhandlungen in Thüringen an der Spitze, bestätigte die Thüringer BDS-Landesvorsitzende Sylvia Biereigel. Dabei gehöre der Nachbarschaftsstreit zu den beliebtesten Ärgernissen. Mal sei eine Hecke zu hoch, mal falsch geschnitten und mal solle sie ganz verschwinden. Wenn dann der eine Nachbar auf seiner Seite zur Schere greife, der andere es aber bleiben lasse, könne es auch bei der Hecke zum »Stufenschnitt« kommen. Nicht immer sei natürlich eine Einigung möglich, aber in acht von neun Fällen hätten die drei Schiedsfrauen Erfolg. Zunächst käme das sog. »Tür- und Angelgeschäft«. Dabei werde zunächst im Vorfeld eine gütliche Einigung versucht. Erst wenn dies nicht gelänge, würde ein offizielles Schlichtungsverfahren durchgeführt. Auch in Apolda sei so mancher Fall »generationenübergreifend« und dann nur noch schwierig zu vergleichen. Apoldas dienstälteste Schiedsfrau Anneliese Dornheim sei seit 1990 dabei und könne so manche Geschichte erzählen. So auch z.B. die von einem genervten Grundstückseigentümer, der sich von permanent auf seinen Boden fallenden Nadeln und Blättern gestört fühlte. Durch eine Ortsbesichtigung habe Anneliese Dornheim dann herausgefunden, dass der Antragsteller selbst jede Menge Bäume auf seinem Grundstück stehen hatte und sich nicht feststellen ließ, »was von wem war«. In einer anschließenden Glosse rätselt der Redakteur darüber, ob (wegen der hohen Fallzahl) die Apoldaer besonders streitlustig seien und manches einfach nur sehr genau nähmen. Er kommt jedenfalls zu dem Fazit, dass sie wohl eher darauf aus seien, größeren Streit zu vermeiden und deshalb mit Hilfe einer Schiedsperson eine gütliche Einigung versuchten, die zudem noch preiswerter sei, als ein Gang vor Gericht. Und das spräche doch für die Cleverness der Apoldaer. Über die Änderung des schleswig-holsteinischen Schlichtungsgesetzes informiert auch die Hausbesitzer-Zeitung und weist ausführlich auf die eingetretenen Veränderungen hin, wie z.B. den Wegfall der vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus dem obligatorischen Zuständigkeitskatalog der Schiedspersonen. 141 BDS-Nachrichten In Königslutter seien kürzlich zwei neue Schiedspersonen in ihr Amt eingeführt worden, so berichtet der Helmstedter Blitz und stellt heraus, dass »Schlichten statt Richten« eine Kompromissfähigkeit bei den Parteien voraussetze. Irene Maatsch und Reinhard Tost würden ab sofort in Königslutter als Schiedspersonen versuchen, Streitigkeiten zwischen zwei Parteien auf gütlichem Wege zu erledigen. »Die Schiedspersonen sind ein Organ, das eine segensreiche Tätigkeit ausübt, aber eigentlich viel zu wenig Beachtung findet«, so Bürgermeister Ottomar Lippelt, der den beiden neu Gewählten bereits im Voraus für ihren Einsatz danke. Der Geschäftsführer der Bezirksvereinigung Braunschweig Willi Bauck weist darauf hin, dass die Parteien selbst eine Einigung finden müssten. Die Schiedsperson sei ausschließlich Vermittler. Auch die genaue Höhe der anfallenden Kosten eines Schlichtungsverfahrens wird zur besseren Vergleichbarkeit mit evtl. Gerichtskosten noch mitgeteilt. Die Pinneberger Zeitung stellt einen pensionierten Polizisten und einen Ex-Soldaten vor, die bereits seit zwei Jahren als Schiedspersonen arbeiteten. Wenn der Nachbar einen »blinkenden und hampelnden Weihnachtsmann« aufstelle, der »dank unermüdlicher Batterien auch noch in kurzen Abständen ›Merry christmas‹ brüllt«, dann sei deren guter Rat gefragt. Die beiden Pinneberger Schiedsmänner Walter Nowak und Karl-Heinz Jennerich könnten dann mit ihrem Einsatz ein Gerichtsverfahren überflüssig machen. Die klärenden Gespräche zwischen den Kontrahenten könnten bis zu vier Stunden dauern und endeten häufig mit der Feststellung: »Eigentlich hätten wir Sie nicht gebraucht, aber wir waren uns so in die Haare geraten.« Im Unterschied zu einem Gerichtsverfahren seien es bei der Schiedsperson die Streitparteien, die ihre Einigung beschließen würden. Die Art der Vergleiche sei mitunter etwas »kurios«: So wurde versprochen, einer ängstlichen Nachbarin ein jährliches Gutachten über 142 die Standfestigkeit eines Baumes vorzulegen und ein krähender Hahn erhielt auch schon einmal »Schuppenarrest« bis zum Vormittag. In einem gesonderten Info-Kasten wird der Leser dann noch über die sachliche Zuständigkeit, das Schlichtungsverfahren und die Kosten hierfür informiert. Es fehlt auch nicht der Hinweis auf die Sprechstunden der beiden Pinneberger Schiedsmänner, so dass zu den bisher geschlichteten 50 Fällen sicher noch weitere hinzukommen. Das Quickborner Tageblatt widmet der Arbeit der beiden vorgenannten Schiedspersonen sogar eine ganze Seite. Aufhänger war auch hier der mannshohe Weihnachtsmann im Nachbargarten, der in regelmäßigen Abständen laut »Merry Christmas« rufe. Dies habe zwar die Kinder erfreut, den Älteren aber die Festtage verdorben. Da eine Einigung über den Gartenzaun nicht möglich gewesen sei, habe man den Schiedsmann Walter Nowak eingeschaltet, der per Vergleich für eine erhebliche Reduzierung der Lärmbelästigung sorgen konnte. »Schlichtung ist immer besser als ein Gerichtsprozess«, so Schiedsfrau Ilona Fitschen aus Wedel, zugleich Landesvorsitzende des BDS in Schleswig-Holstein. Die Erfolgsquote der Arbeit der Streitschlichter läge bei etwa 73 Prozent. Im Anschluss werden anhand von mehreren »Fällen aus der Praxis« die sachlichen Zuständigkeiten sowie die zahlreichen Vorteile einer vorgerichtlichen Streitschlichtung durch Schiedsmänner und Schiedsfrauen aufgezählt. Der Schiedsmann-Stellvertreter Detlef Mertelsmann könne sogar über einen Nachbarschaftsstreit berichten, der »im Jahr 2004 beigelegt werden konnte und bereits seit 1939 lief.« Lysann Mardorf, Richterin am Landgericht Itzehoe, sei der Auffassung, dass »die Entlastung des Gerichts für uns nicht das Wichtigste ist. Interessanter ist, dass die sehr erfolgreichen Schiedspersonen einen wichtigen Beitrag zur Rechtskultur leisten.« Denn anders als ein Gerichtsverfahren, das sich über viele Monate hinziehen könne, sei ein Schlichtungsverfahren oft innerhalb von Tagen oder Wochen beendet. Und dies bedeute für die Streitparteien: »Weniger Stress, mehr Geld im Portemonnaie und kostbare Lebenszeit gespart.« SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6 »Der Besuch beim Schiedsamt spart oft bares Geld«, so der Otzberg Bote. In einer Pressemitteilung der Gemeinde Otzberg wurde darauf hingewiesen, dass die Schiedspersonen schon im Vorfeld zwischen den Streithähnen vermitteln könnten. So könne der Gang zum Gericht verhindert werden. Oft entstehe der Streit dadurch, dass die Menschen mehr übereinander als miteinander sprächen. Die anschließende Aufzählung der sachlichen Zuständigkeiten wird mit interessanten Fallbeispielen anschaulich und verständlich gemacht. Für Fragen stehe der für Otzberg zuständige Schiedsmann Werner Müller gerne zur Verfügung. Anlass für den langen Artikel war die Verabschiedung des seit sieben Jahren als stellvertretender Schiedsmann tätigen Ewald Pons im Rathaus Lengenfeld. Bürgermeister Karl Ohlemüller habe ihm in Anwesenheit der beiden Schiedsmänner Werner Müller und Jürgen Parg offiziell und unter Überreichung eines kleinen Abschiedsgeschenkes gedankt und aus dem Ehrenamt verabschiedet. Ewald Pons habe bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, dass es erfreulicherweise in Otzberg nicht viele Streitfälle gegeben habe. Und die wenigen habe man alle positiv erledigen können. Auf »friedliches Landleben und offene Ohren«, weist die Dithmarscher Landeszeitung hin. Anlass zu dem Bericht war ein Beschluss der Mitglieder des Amtsausschusses BüsumWesselburen, wonach es künftig einen gemeinsamen Schiedsamtsbezirk für das neue Amt gebe. Schiedsmänner seien zukünftig der Büsumer Günther Elbeshausen sowie der ehemalige Gemeindevertreter Ingo Jonas aus Wesselburen. Deren Amtsvorgänger Peter Natius mache allerdings keine Hoffnung auf viel Arbeit, da er in den vergangenen fünf Jahren nur einen einzigen Fall zu bearbeiten hatte. Im ländlichen Raum gelte »noch das offene Wort« und man habe keine Maschendrahtzäune. »Wenn der Apfel gegessen und der Goldfisch gefressen« ist, komme der Schiedsmann Harald Lill aus Klein Offenseth-Sparrieshoop zum Einsatz, so das Bauernblatt/Land und Leute. Harald Lill und weitere ca. 500 Schiedspersonen in Schleswig-Holstein seien »eine Art letzte Bastion für die ohnehin schon überlasteten Amtsgerichte und zudem für viele Streithähne die letzte Chance, friedlich und vor allem kostengünstig einen Ausweg zu finden.« Und der Erfolg könne sich sehen lassen. Wichtig sei es dabei, so Schiedsmann Lill, dass keine Partei als Verlierer dastehe. Ärger und Probleme solle man nicht vor sich herschieben, da sich sonst zu viel aufstaue. Dann sei eine Lösung des Problems oft schwierig. Es folgt dann eine ausführliche Information über den Ablauf des Schlichtungsverfahrens, die Kostenhöhe und der Hinweis, dass Schiedspersonen keine Rechtsauskünfte geben dürften. Über einen zweitätigen »Einführungskurs für angehende Schiedsleute« in Wetzlar berichtet ausführlich die Wetzlarer Neue Zeitung. Zu Wort kommt dabei auch der hessische Landesvorsitzende Manfred Schneider, der als Organisator des Lehrgangs viel von seiner 40jährigen Erfahrung als Schiedsmann an die neuen Kollegen weitergeben könne. Oberbürgermeister Wolfram Dette habe in seiner Begrüßung festgestellt, dass die Stadt Wetzlar eine traditionsreiche Geschichte in Sachen Gerichtsbarkeit nachweisen könne, denn hier habe das Reichskammergericht von 1689 bis 1806 seinen Sitz gehabt. Sogar Johann Wolfgang von Goethe habe hier 1772 als Praktikant seine juristischen Kenntnisse erweitert. Für die ehrenamtliche Tätigkeit brauche man neben »gewissen Rechtskenntnissen auch psychologisches Einfühlungsvermögen«, so Wolfram Dette weiter. Für die juristischen Grundkenntnisse sorge bei diesem Seminar der stellv. DirAG Wetzlar Dr. Achim Lauber-Nöll. Es folgen detaillierte Aufzählungen der sachlichen Zuständigkeiten im Straf- und Zivilrecht, die von ca. 700 Schieds- 143 BDS-Nachrichten personen in Hessen bearbeitet würden. Dank der guten Schulung durch den BDS könne man eine Erfolgsquote von 57 Prozent erreichen. »Schlichten mit Fingerspitzengefühl« sei erforderlich, wenn in Wendeburg Streit entbrenne, titelt die Peiner Allgemeine Zeitung. Die Amtszeit des seit 20 Jahren in der Gemeinde als Schiedsmann tätigen Gerhard Klingenberg laufe jetzt ab. Er wolle aber, ebenso wie sein Meerdorfer Stellvertreter Jürgen Pollmann, weitermachen, da er »gern ehrenamtlich tätig ist«, und das Schiedsamt eine »interessante Aufgabe und jedes Mal eine kleine Herausforderung« sei. Bei seinem Amtsantritt sei er »ins kalte Wasser gestoßen« worden. Er habe von Anfang an Verhandlungen und Schlichtungen durchführen müssen. Heute sei er abgeklärter, denn »die Routine spielt eine wichtige Rolle«. In Anspruch genommen wird er meist wegen Nachbarschaftsstreitigkeiten, wie z.B. Überwuchs, Lärm und Rauch. Aber auch Beleidigungen und Schulden könnten bei ihm verhandelt werden sowie Delikte wie Körperverletzung und Sachbeschädigung. Im Vorfeld frage er immer erst die Parteien, ob sie schon miteinander gesprochen hätten. Wenn die Sache vor den Schiedsmann komme, sei es mitunter schwieriger, eine Einigung zu erreichen. Gerhard Klingenberg betont, dass es nicht seine Aufgabe sei, über den Konflikt zu urteilen, sondern er wolle gemeinsam mit den Parteien eine Einigung finden. »Sie muss so sein, dass beide damit leben können. Aber hier kennt jeder jeden, und es gibt nur wenig Streitigkeiten«. So habe er jährlich etwa drei bis fünf Fälle zu bearbeiten. Zu guter Letzt soll hier auch einmal der französische Philosoph Voltaire (1694–1778) zu Wort kommen, der der Meinung war: »Ein langer Streit beweist, dass beide Seiten Unrecht haben.« 144