Das Nachbarrecht im Überblick II Ungewöhnliche Strafverhandlung

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Das Nachbarrecht im Überblick II Ungewöhnliche Strafverhandlung
Das Nachbarrecht im Überblick II
Ungewöhnliche Strafverhandlung
mit TOA
6 09
Art.-Nr. 55874906
SchAZtg 80. Jahrgang
S. 121-144 ISSN 0945-7097
SchiedsamtsZeitung
Organ des Bundes Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V. – BDS –
Begründet 1926 von Reichsgerichtsrat i. R. Dr. jur. h. c. Fritz Hartung Inhalt
121 Das Nachbarrecht im
Überblick II
131 Bericht aus dem Gerichtssaal
über eine ungewöhnliche
Verhandlung mit TäterOpfer-Ausgleich (TOA)
133 Anfragen an die Redaktion
136 BDS-Nachrichten
136 Terminkalender
137 Berlin
138 Schleswig-Holstein
139 Personalien
140 Das Schiedsamt im Spiegel
der Presse
144 Zu guter Letzt
Redaktion
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ISSN 0945-7097
SchiedsamtsZeitung
Organ des Bundes
Deutscher Schiedsmänner
und Schiedsfrauen e.V.
Das Nachbarrecht im Überblick II
von Richter am Amtsgericht Carl Foerst, Aachen*
§ 1004 BGB gibt dem Eigentümer einen
Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch,
soweit sein Eigentum in anderer Weise als
durch Entziehung oder Vorenthaltung des
Besitzes beeinträchtigt wird.
Einwirkung die Benutzung des Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Letzteres ist in der Regel
gegeben, wenn die in Gesetzen oder
Rechtsverordnungen festgelegten Grenzoder Richtwerte nicht überschritten werden (beispielhaft: Bundes- und Landesimmissionsschutzgesetz, TA-Lärm etc.) oder
die Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstückes
herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die wirtschaftlich zumutbar sind. In diesem Falle
kann allerdings der betroffene Eigentümer,
soweit er die Einwirkung zu dulden hat,
von dem Benutzer einen angemessenen
Ausgleich in Geld verlangen, wenn die
Einwirkung eine ortsübliche Benutzung
seines Grundstückes oder dessen Ertrag
über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.
Unter Beeinträchtigung ist dabei jeder
dem Inhalt des Eigentums widersprechende Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers zu
verstehen. Nach dieser Vorschrift kann sich
der Eigentümer der tatsächlichen Benutzung seines Grundstückes durch Unbefugte erwehren und Immissionen abwehren.
Gemäß § 906 BGB besteht dieser Anspruch
nur insoweit, als die
Aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wird auch ein
nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch
(Privatrechtlicher Aufopferungsanspruch)
hergeleitet für den Fall, dass ein Eigentümer einen Zustand willentlich veranlasst
oder pflichtwidrig die Herbeiführung eines
rechtmäßigen Zustandes unterlassen hat,
so dass er als Störer gemäß § 1004 BGB
gelten muss. Ist in einem derartigen Falle
dem Nachbarn verwehrt, die Herstellung
Jetzt kommen wir zu den Regeln des Bürgerliches Gesetzbuchs zum Nachbarrecht.
Das BGB gibt in § 903 dem Eigentümer
einer Sache das Recht, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen,
soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Dabei ist auch Art. 14
des Grundgesetzes zu beachten.
Dort ist nicht nur bestimmt, dass Inhalt
und Schranken des Eigentums durch Gesetz bestimmt werden. Nach Abs. 2 Satz 1
der genannten Vorschrift ist dem Eigentum auch verpflichtender Charakter immanent (»Eigentum verpflichtet«).
* Fortsetzung von Heft 5-2009, der Vortragsstil wurde beibehalten.
121
Das Nachbarrecht im Überblick II
eines rechtmäßigen Zustandes zu verlangen, weil etwa Verjährung eingetreten ist,
so ist der Nachbar dafür zu entschädigen,
dass er den rechtswidrigen Zustand weiter
hinzunehmen hat (vgl. Bundesgerichtshof
in NJW 2001, 1865).
Relevant wird dies dann, wenn ein Nachbar beispielsweise 1995 einen großen Baum
unter Missachtung der nachbarrechtlichen
Vorschriften über die Einhaltung von
Grenzabständen zu nahe an die Grenze
gesetzt hat und der Laubfall beim Nachbarn zur regelmäßigen Verstopfung der
Dachrinne führt. In diesem Falle kann der
Nachbar wegen des Ablaufs der 6-jährigen
Ausschlussfrist des § 47 Nachbarrechtsgesetz NRW eine Beseitigung des Baumes
nicht mehr verlangen. Er ist jedoch wegen
der Dachrinnenreinigungskosten zu entschädigen (so BGH in DWW 2004, 58 (59).
Zu beachten ist, dass der Anspruch kein
Verschulden voraussetzt.
Insgesamt enthalten die §§ 906 bis 924
BGB die Regeln zum privaten Nachbarrecht, mit denen der Bundesgesetzgeber
versucht, die aus dem Nebeneinander der
Rechte mehrerer Grundeigentümer fast
zwangsläufig entstehenden Konflikte zu
lösen. Die Regelung im BGB ist jedoch
nicht abschließend.
Sie wird zum einen ergänzt durch die von
der Rspr entwickelte Figur des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses,
zum anderen wie gesagt durch die gemäß
Art. 124 EGBGB zulässigen landesrechtlichen Vorschriften des Nachbarrechts, die
wir bereits behandelt haben.
Zentrale Norm des Nachbarrechts im BGB
und des privaten Umweltrechts ist § 906.
Hinter dieser Vorschrift steht die Erkenntnis, dass aus Nachbarschaftssituationen
zahlreiche Konflikte entstehen können, da
jeder Grundstückseigentümer Einwirkungen gemäß §§ 1004, 903 verbieten kann.
122
Daher bedarf es eines Systems von Duldungspflichten und eventuellen Ausgleichsansprüchen, das jedem der Eigentümer
eine angemessene Nutzung seines Grundstücks ermöglicht.
Durch das Anknüpfen an die Kriterien der
wesentlichen bzw. unwesentlichen Beeinträchtigung und der ortsüblichen Grundstücksbenutzung hat der Gesetzgeber eine
sehr flexible Norm geschaffen.
Soweit eine Duldungspflicht für erhebliche
Beeinträchtigungen besteht (Abs. 2 S. 1),
gewährt das Gesetz in Abs. 2 S. 2 – wie
gesagt – einen Ausgleichsanspruch; dieser
stellt einen gesetzlich geregelten Fall der
bürgerlich-rechtlichen Aufopferungshaftung dar und ist von der Rspr in zahlreichen vergleichbaren Fällen zur Grundlage
einer Analogie gemacht worden.
Die Rechte und Pflichten von Nachbarn,
die sich aus den §§ 1004, 906 BGB ergeben, sind regelmäßig Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen, die sich im
Wesentlichen auf die Abwehr von Immissionen beziehen.
Bei den folgenden Beispielfällen ist zu beachten, dass es sich jeweils um Einzelfälle
handelt, die nicht unbedingt verallgemeinerungsfähig sind. Was eine erhebliche
Beeinträchtigung darstellt und was nicht,
was zumutbar ist und was nicht, ist letztlich eine Wertungsfrage, wobei Richter
eben auch nur Menschen sind und ihre
eigenen Erfahrungen sicher bei ihren Entscheidungen nicht ganz außen vor lassen
können. Beispielsweise wird eine Kollegin,
die 4-fache Mutter und entsprechend abgehärtet ist, Kinderlärm wahrscheinlich
offener gegenüberstehen als ein kinderloser älterer Kollege, der möglicherweise
auch noch täglich in einem von Schülern
benutzten Bus zum Dienst fahren muss.
Früher diente zur Objektivierung als Maßstab für die Frage der Wesentlichkeit bzw.
SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6
Unwesentlichkeit einer Beeinträchtigung
das Empfinden des sogenannten »normalen«
Durchschnittsmenschen, also des 08/15Grundstücksbesitzers, wobei dieser Wertungsmaßstab natürlich trotzdem subjektiv ist, denn was »normal« ist und was
nicht, wird bekanntlich völlig unterschiedlich bewertet, z.B. bei der Sendung »Big
Brother« halten es viele für völlig normal,
mehrere Monate in einem Container unter
ständiger Kamerabeobachtung zu leben,
andere halten es für degeneriert und peinlich.
Nach der neueren Rechtsprechung des
BGH soll nunmehr das Empfinden des »verständigen« Durchschnittsmenschen maßgebend sein, was insbesondere bedeutet,
dass nicht mehr nur auf das Maß der objektiven Beeinträchtigung abzustellen ist,
sondern auch wertende Momente wie beispielsweise Belange des Umweltschutzes
oder das öffentliche Interesse an einer
kinderfreundlichen Umgebung in die Beurteilung einzubeziehen sind (BGHZ 120,
239; 255, 121; 248, 255).
Wer ist der »verständige« Durchschnittsmensch? Gibt es hier vielleicht sogar welche in unserer Mitte? Wir werden das testen anhand einiger Beispielsfälle nach dem
Motto: Wie würden Sie entscheiden?
Schon das Reichsgericht hatte sich 1939
mit der Frage zu beschäftigen, ob Fliegen
zu den unwägbaren Immissionen des § 906
BGB zählen, den sogenannten »Imponderabilien.«
Zum Hintergrund: Ein Bauer hielt eine
Schafherde von 200 Mutterschafen nebst
Lämmern, die auf dem nahegelegenen
Exerzierplatz – das passt in die Zeit – weideten. Der in der Nachbarschaft wohnende
Kläger beschwerte sich darüber, dass er
unerträglich von Fliegen geplagt würde,
die in Schwärmen aus den Schafställen
kämen, den Hausbewohnern die Ruhe bei
Tag und Nacht nähmen, Möbel und Speisen beschmutzen und Krankheiten verbreiten würden.
Sind nun Fliegen überhaupt Einwirkungen
i.S.d. § 906 BGB, also ähnliche Einwirkungen wie Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch,
Ruß, Wärme, Geräusche und Erschütterungen?
Das Reichsgericht meinte ja mit der Begründung, dass Rauch und Ruß streng genommen auch keine unwägbaren Stoffe
seien und es sich bei den Fliegen um verhältnismäßig »kleine Körper« handeln würde. Die Richter nahmen jedoch eine Duldungspflicht des Klägers an und schrieben
ihm ins Stammbuch:
»Der Kläger setzte sich bewusst in eine
ländliche Gegend, die mit seiner Ansiedlung diese Art nicht verlor. Er muss daher
auch die Schattenseiten und die sich aus
den örtlichen Verhältnissen ergebenden
Belästigungen hinnehmen und zum eigenen Nutzen auf möglichste Abwehr seinerseits bedacht sein« (RG, Urteil vom
22.06.1939, V 212/38).
Also eine »Klatsche« für den Kläger mit
dem abschließenden Hinweis: »Kauf dir
gefälligst eine Fliegenklatsche!«
Um in der Tierwelt zu bleiben: Wie steht es
mit dem Quaken von Fröschen?
Ein Nachbar hatte einen Gartenteich angelegt, in dem sich Frösche angesiedelt
hatten. Diese störten durch lautes Quaken
über Monate hinweg die Nachtruhe des
Nachbarn. Dieser begehrte die Beseitigung
des Froschteiches.
Hierzu hat der Bundesgerichtshof (NJW
93, 925 ff.) festgestellt, dass der den Gartenteich anlegende Nachbar störe und im
Prinzip verpflichtet ist, die verursachte
Lärmeinwirkung zu beseitigen bzw. zu unterlassen, die nicht ortsüblich gewesen ist.
Dem Beseitigungsanspruch des Nachbarn
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Das Nachbarrecht im Überblick II
stand allerdings das Bundesnaturschutzgesetz entgegen, das u. a. die Verfolgung,
Vertreibung und Tötung von Fröschen verbietet. Der Bundesgerichtshof war daher
der Auffassung, dass der Abwehranspruch
solange keinen Erfolg haben kann, wie
nicht für die Beseitigung der Frösche eine
Ausnahmegenehmigung, die nach § 31 I
Nr. 1a Bundesnaturschutzgesetz möglich
ist, vorliegt. Erst wenn diese erteilt werden
kann, ist eine Verurteilung des Nachbarn
zur Lärmabwehr unter dem Vorbehalt einer behördlichen Ausnahmegenehmigung
möglich.
len, sondern den Nachbarn um Herausgabe bitten müssen (LG München II, 5 O
5454/03).
Einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch hat der Bundesgerichtshof verneint, soweit keine Ausnahme nach dem
Bundesnaturschutzgesetz möglich ist. In
diesem Falle wäre nämlich die Einwirkung,
die vom Froschlärm ausgeht, nicht rechtswidrig, weil die Verhinderung naturschutzrechtlich verboten ist.
Überhaupt Ruhezeiten:
Wie ist es bei Bällen, die vom benachbarten Fußballplatz, der Straße oder dem
Nachbargarten angeflogen kommen?
§ 906 BGB gilt unbeschadet der Frage, ob
es sich bei dem jeweiligen Nachbarn um
einen Privatmann, einen Verein oder die
Gemeinde handelt. So hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (NJW 1998, 2921)
entschieden, dass der Nachbar eines Fußballplatzes jedenfalls einen Anspruch
darauf hat, dass das Zufliegen von Bällen
auf sein Grundstück durch geeignete Vorkehrungen (Ballfangzaun) verhindert wird,
allerdings unter Verneinung eines Anspruches aus 1004 BGB i.V.m. den Vorschriften
des Bundesimmissionsschutzgesetzes auf
Unterlassung des Spielbetriebes selbst.
Kindern kann man auch nicht verbieten,
mit einem Ball zu spielen, selbst wenn dieser ab und zu auf dem Nachbargrundstück
landet, wobei die Kinder ihn nicht selbst
vom Nachbargrundstück holen dürfen sol-
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Kann der Nachbar sich gegen Kinderlärm
oder Baulärm zur Wehr setzen?
Es gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. In den Ruhezeiten, insbesondere mittags zwischen 13 und 15 Uhr, sollten die Kinder angehalten werden, ruhiger
zu spielen. Bei Handwerkern kann nicht
verlangt werden, dass diese die 2-stündige
Mittagspause einhalten, denn das wäre
wirtschaftlich nicht vertretbar.
Die »Nachtruhe« gilt grundsätzlich zwischen 22.00 Uhr abends und 6.00 Uhr
morgens. Der genaue Zeitraum kann in der
Gemeindesatzung bestimmt sein. Nachbarn dürfen in dieser Zeit grundsätzlich
nicht mehr durch Geräusche belästigt
werden, wobei Babygeschrei hinzunehmen
ist (OLG Düsseldorf, 9 U 218/96).
Ein häufiger Streitpunkt sind Lärm und Gestank. Was muss man hinnehmen und was
nicht? Dabei ist immer der Einzelfall maßgebend, wobei sich jeweils die Fragen stellen, ob die Belästigung ortsüblich ist und
wie erheblich die Beeinträchtigung ist. In
Wohnhäusern sind Dusch- und Fernsehgeräusche ortsüblich, in ländlichen Gebieten
das Krähen eines Hahnes oder Stallgerüche.
Zu Lärmimmissionen eines Hahns hat das
LG München (Urteil vom 03.03.1989, 30 O
1123/87) folgende schönen Formulierungen gefunden:
»Eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne
einer besonderen Lästigkeit ist anzunehmen,
wenn ein Hahn mehrmals täglich plötzlich
kräht und die besondere Modulation und Tonalität des Krähens so beschaffen sind, dass einzelne schrille Töne aus dem Spektrum herauszuhören sind und eine Lautstärke von weit über
70 dB (A) und damit eine Differenz von 20 bis
40 dB (A) zum Ruhepegel erreichen.«
SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6
Zum Vergleich: Verkehrslärm hat eine Lautstärke von ca. 75 dB, ein Presslufthammer
120 dB und ein Düsenjäger 130 dB.
auf Heizkörper und Heizungsrohre beantwortet werden (AG Hamburg, 47 C
1789/95).
Radiogeräusche von der Nachbarterrasse
in einer Reihenhausanlage sind bereits
dann unzulässige Immissionen, wenn sie
ihrer Art nach deutlich wahrzunehmen
sind; auf bestimmte schalltechnische Messwerte kommt es nicht an. Dies wird damit
begründet, dass Radioprogramme, seien es
Sprachtexte, Musik oder beides in wechselnder Aufeinanderfolge, ihres Inhalts
wegen die Aufmerksamkeit des Hörers beanspruchen, und zwar auch des unfreiwilligen Hörers im Nachbargarten. Nicht
weniger belastend werde ebenfalls unverständliches »Radiogedudel« empfunden
(OLG München, Urteil vom 03.09.1991, 25
U 1338/91).
Wie steht es mit Gartenfesten?
Günstiger sieht es aus im Bereich der Musik. Nach einer Entscheidung des OLG
Karlsruhe (Urteil vom 13.04.1988, 6 U
30/87) kann beispielsweise das Musizieren
mit Saxophon und Klarinette nicht generell verboten werden, weil die Musikausübung auch mit solchen Instrumenten als
Nutzung des Hauseigentums ortsüblich ist.
Die Grenze der Zumutbarkeit wird jedoch
überschritten, wenn das Musizieren den
Rahmen von zwei Stunden werktags und
einer Stunde sonntags überschreitet. Der
Abwehranspruch aus § 1004 BGB lässt daher eine zeitliche Begrenzung der Hausmusik zu.
Wichtig: Um gegen Lärmbelästigung vorgehen zu können, müssen die Vorfälle
konkret dargelegt und notfalls auch durch
Zeugen, Tonbandaufnahmen etc. bewiesen
werden, wobei sich die Fertigung eines
»Lärmprotokolls« empfiehlt.
Auch wenn die Geräusche aus der Nachbarwohnung noch so lästig und störend
sind, dürfen sie übrigens nicht mit »Gegenlärm« durch Minuten langes Klopfen
Ein Kläger in Frankfurt fühlte sich durch
seine Nachbarn und ihre ca. 24 Gäste gestört, die mal wieder bei einem Gartenfest
einen »Höllenlärm«, überwiegend durch
lautes Lachen, verursacht hätten, der
durch sein geschlossenes Schlafzimmerfenster gedrungen sei, so dass an Schlaf
nicht mehr zu denken gewesen sei. Das LG
Frankfurt (Urteil vom 06.03.1989, 2/21 O
424/88) beschied ihn dahin, dass in einem
Wohngebiet Gartenfeste im üblichen Umfang als Ausdruck von normaler Geselligkeit hinzunehmen seien, wobei es in der
Natur eines solchen Festes liege, dass gelacht und lauter geredet werde. Hier waren
die Feiernden auch gegen 22.00 Uhr in den
Keller gegangen, um dort weiter zu feiern,
und das Gericht hielt es im Sommer für
unvermeidbar, dass wegen der Notwendigkeit der Belüftung noch Geräusche nach
außen dringen durften.
Zum Feiern gehört auch das Grillen.
Hier soll nach dem OLG Oldenburg (Urteil
vom 29.07.2002, 13 U 53/02) der Nachbar
bei beengten räumlichen Verhältnissen
nach 22.00 Uhr Gerüche und Geräusche,
die vom nächtlichen Grillen im Garten
herrühren, nicht mehr hinnehmen müssen.
4 mal im Jahr sei ausnahmsweise jedoch
ein Grillen bis 24.00 Uhr sozialadäquat.
Ein Wort zum Sport.
Im hiesigen Sprengel hatte eine Kirchengemeinde vor dem Pfarrheim eine Tischtennisplatte aufgestellt. Die davon ausgehenden Lärmbelästigungen von 62 dB
(A) beurteilte das OLG Köln (Urteil vom
15.05.1991, 13 U 296/90) als Berufungsinstanz als wesentlich und nicht ortsüblich,
so dass der Nachbar verlangen konnte,
125
Das Nachbarrecht im Überblick II
dass das Tischtennisspielen während der
Ruhezeiten unterbleibt.
Müll- und Sammelbehälter für Wertstoffe
Müllbehälter einer Wohnanlage können eine Eigentumsstörung des Nachbargrundstücks in Form einer unzumutbaren Geruchs- und Geräuschbelästigung hervorrufen, die zwar keinen Beseitigungsanspruch
auslöst, wohl aber einen Anspruch auf das
Unterlassen künftiger Beeinträchtigungen
durch eine entsprechende Umgestaltung
der Anlage (OLG Koblenz, Urteil vom
28.11.1979, 1 U 62/79).
Das Aufstellen von Sammelbehältern für
Glas, Papier usw. und die mit ihrer ordnungsgemäßen Benutzung verbundenen
und durch baulich-technische Maßnahmen nicht weiter vermeidbare Geräuschimmissionen sollen nach einer Entscheidung des VG Köln (Urteil vom 02.07.1992,
4 Klage 2071/89) als nicht erhebliche Belästigungen i.S.d. §§ 3 Abs. 1 BImSchG,
906 BGB anzusehen und damit auch von
den Bewohnern eines reinen Wohngebietes
grundsätzlich hinzunehmen sein. Die Gemeinde muss bei der Auswahl des Standplatzes jedoch u.a. auch den Schutz der
Nachbarschaft vor Geräuschimmissionen
berücksichtigen, die Einhaltung der Einwurfzeiten überwachen und Verstöße ggf.
durch Einleitung von Bußgeldverfahren
ahnden.
Videoüberwachung
Gemäß § 823 und 1004 BGB kann sich der
Nachbar einer Videoüberwachung seines
Grundstückes erwehren (so Landgericht
Braunschweig, NJW 1998, 2457 (2458)).
Mobilfunk
Immer öfter berufen sich Personen auf
aufgetretene gesundheitliche Beeinträchtigungen nach der Errichtung von Sende-
126
anlagen (Mobilfunk/Fernsehstation) auf
Nachbargrundstücken. Hierzu hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (NJW 2003, 759 ff.)
entschieden, dass mangels verlässlicher
wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Gefährlichkeit hochfrequenter elektromagnetischer Felder für die Gesundheit, die nach
dem Stand der Forschung allerdings auch
nicht ausgeschlossen werden können, im
Rahmen des bürgerlich rechtlichen Nachbarschaftsverhältnisses kein präventiver
Abwehranspruch besteht, zumal wenn die
Strahlenbelastung unterhalb der von der
Bundesimmissionsschutzverordnung festgesetzten Grenzwerte bleibt. Damit geht
das Gericht davon aus, dass unterhalb dieser Grenzwerte den anspruchstellenden
Nachbarn die volle Beweislast für die
Schädlichkeit trifft.
Toleranz gegenüber Behinderten
Das Oberlandesgericht Köln hat in einer vieldiskutierten Entscheidung vom 08.01.1998
(NJW 98, Seite 763 f.) zu Lärmbeeinträchtigungen durch Behinderte vom Nachbargrundstück Stellung genommen. Ein
Nachbar hatte gegen den Landschaftsverband Rheinland als Betreiber eines benachbarten heilpädagogischen Heimes für
geistig Behinderte auf Unterlassung der von
den Heimbewohnern ausgehenden Lärmbeeinträchtigung geklagt, die sich durch
Schreien, Stöhnen, Kreischen und sonstige
unartikulierte Laute ergaben, wenn sich
die Bewohner im Garten aufhielten.
Das Gericht hat entschieden, dass der Landschaftsverband sicherstellen muss, dass
vom 1. April bis zum 31. Oktober dafür
Sorge zu tragen ist, dass diese Lärmbeeinträchtigungen innerhalb bestimmter Zeiten unterbleiben, um dem Nachbarn an
Feiertagen ab der Mittagszeit und an
Werktagen ab dem frühen Abend den ungestörten Genuss seines Gartens zu ermöglichen.
SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6
Dabei hat das Gericht unter Beachtung des
Diskriminierungsverbotes des Art. 3 III, 2
Grundgesetz (»Niemand darf wegen seiner
Behinderung benachteiligt werden«) und
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zu § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz ausgeführt, dass Menschlichkeit, Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme keine Einbahnstraße sind. Das
Toleranzgebot ende dort, wo die Unzumutbarkeit beginne, d.h. dem Nachbarn
die Belästigung »billigerweise nicht mehr
zuzumuten sei.«
vom 19.12.2001 (NJW 2002, 615 ff.), die
Abwehransprüche gegen eine Lichtzufuhr
vom Nachbargrundstück betrifft. Das Landgericht hat es für den aus § 1004 BGB folgenden Unterlassungsanspruch genügen
lassen, dass der bei Dunkelheit dauerhafte
Betrieb einer Außenleuchte (Glühbirne mit
40 Watt) im Schlafzimmer des Nachbarn
eine erhebliches Gefühl der Lästigkeit hervorruft. Das Gericht hat keine Verpflichtung des gestörten Nachbarn gesehen, die
Lichteinwirkung selbst durch Rollladenbetrieb oder das Anbringen von Gardinen auf
ein zumutbares Maß zurückzuführen.
Rauchen auf dem Balkon
Die Frage, ob das Rauchen einer Zigarette
auf dem eigenen Balkon eines Mehrfamilienhauses im Rahmen des in Art. 2 Grundgesetz geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechtes liegt und keinen Unterlassungsanspruch des Nachbarn nach §§ 823
Abs. 1, 1004 BGB begründet, ist ebenfalls
bereits Gegenstand richterlicher Entscheidung gewesen (bejahend Amtsgericht Bonn
in NZM 2000, 33).
Läuten
Zeichensetzende, ortsübliche mit dem Glockenläuten verbundene Religionsausübung
hat das Landgericht Aschaffenburg (NVwZ
2000, 965) nicht in dem reinen Zeitläuten
gesehen, auch wenn es von einem Kirchturm aus geschieht. Unter Verneinung eines gemeinwichtigen Betriebes und von
Duldungsansprüchen aus § 14 Bundesimmissionsschutzgesetz hat es aufgezeigt,
dass gemäß §§ 906, 1004 BGB das Läuten
zu unterlassen ist, soweit nicht eine Reduzierung der Lärmeinwirkung durch Einbau
von Schalldämpferkulissen zur Beseitigung
der Störung führt.
Lichtzufuhr von Nachbargrundstücken
Viel beachtet worden ist auch die Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden
Rockkonzert
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 26.09.2003 (NJW 2003, 3699 ff.) gelten Besonderheiten im Hinblick auf das Wesentlichkeitsgebot des § 906 Abs. 1 Satz 1
BGB. Handelt es sich um eine Veranstaltung von kommunaler Bedeutung, die nur
an einem Tag des Jahres stattfindet und
weitgehend in einziehender Umgebung
bleibt, ist diese auch zu dulden, wenn die
Lärmimmissionen die Richtwerte der sogenannten LAI-Hinweise überschreiten. Nachbarn hatten sich gegen Lärmbelästigungen
gewandt, die von einem alljährlich stattfindenden Sommerfest eines Sportvereins
ausgingen, der ein Rockkonzert veranstaltet hatte.
Baumfall
Immer wieder kommt es vor, dass anlässlich von Stürmen Bäume auf Nachbargrundstücke fallen. Fraglich ist dann, ob
dem Nachbarn, auf dessen Grundstück der
Baum gefallen ist und wo möglicherweise
hierdurch weitere Schäden entstanden
sind, ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
zusteht. Dies hat der Bundesgerichtshof
(NJW 1993, 1855) für den Fall verneint,
dass der Baum gegenüber normalen Ein-
127
Das Nachbarrecht im Überblick II
wirkungen der Naturkräfte hinreichend
widerstandsfähig gewesen wäre und nur
ein ungewöhnlich heftiger Sturm für das
Umstürzen des Baumes auf das Nachbargrundstück ursächlich geworden ist.
Ungeziefer
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 07.07.
1995 in NJW 1995, 2633 ff.) hat es als Begründung der Störereigenschaft nicht ausreichen lassen, dass der Nachbar, der einen
ca. 19 m von der Grundstücksgrenze entfernt stehenden seit 14 Jahren befindlichen,
ungezieferbefallenen (Wollläuse) Baum weiter unterhält und nichts gegen den Ungezieferbefall tut. Eine Pflicht zur Ungezieferbekämpfung hat das Gericht nicht herleiten
können. Es hat allerdings offen gelassen, ob
der Nachbar, wenn er durch den ungezieferbefallenden Baum unzumutbar beeinträchtigt wird, einen Anspruch auf Duldung
des Betretens des Nachbargrundstücks hat,
um selbst Ungezieferbekämpfungsmaßnahmen dort durchzuführen.
Kompost
Die Kompostierung von Abfällen ist in letzter Zeit immer beliebter geworden. Geschieht dies unmittelbar an der Nachbargrenze, so ist Streit vorprogrammiert.
Komposthaufen unmittelbar an der Nachbargrenze stellen nach der Rechtsprechung
eine unzumutbare Belästigung dar wegen
der zu erwartenden Immissionen durch Geruch und Ungeziefer. Der betroffene Nachbar kann Beseitigung (Verlegung) der Anlage gemäß §§ 906 I, 907 I BGB verlangen
(Landgericht München NJW-RR 88, 205).
Laubfall
In den letzten Jahren ist immer wieder die
Frage aufgeworfen worden, ob Eigentümer
eines Grundstückes es entschädigungslos
hinnehmen müssen, dass das Laub von
Nachbars Bäumen auf ihr Grundstück
128
weht, oder ob sie von der Nachbarin oder
dem Nachbarn Schadensersatz für die Beseitigung des Laubes, insbesondere auch
soweit es Dachrinnen verstopft, verlangen
können.
Dabei wird man davon ausgehen müssen,
dass dies für Bäume, mit deren Anpflanzung der vorgeschriebene Grenzabstand
eingehalten worden ist, nicht der Fall sein
kann. In diesem Fall ist der Laubbefall des
eigenen Grundstückes entschädigungslos
hinzunehmen, weil bereits mit der Normierung des Grenzabstandes eine Abwägung
der Interessen der beiden Nachbarn durch
die Gesetzgeber erfolgt ist. Halten aber
Bäume den erforderlichen Grenzabstand
nicht ein, so steht dem Nachbarn nach
Verjährung des Beseitigungsanspruches
nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog ein
nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zu,
der den Nachbarn verpflichtet, den erhöhten Reinigungsaufwand infolge des Abfallens von Nadeln oder Laub zu ersetzen
(vgl. BGH in DWW 2004, 58 (61)).
Zum Abschluss der Beispielsfälle zu den
Immissionen noch ein recht prekärer Fall:
Liegt eine wesentliche Beeinträchtigung
i.S.d. § 906 BGB vor, wenn von einer Eisenbahnbrücke – man stelle sich das schöne
nahegelegene Burtscheider Viadukt vor –
regelmäßig Fäkalienteile aus der Zugtoilette auf ein darunter gelegenes Wohngrundstück gelangen?
Der 1. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts urteilte dazu mit
gerümpfter Nase (am 20.03.1995, 1 U
191/92), dies stelle wohl eine wesentliche
Beeinträchtigung dar, billigte dem Eisenbahnunternehmen jedoch eine Übergangszeit von 5 Jahren zu, um die Immissionen
abzustellen, wobei es dem Grundstückseigentümer für diesen Zeitraum einen Ausgleich in Geld nicht zusprach. Eine anrüchige Entscheidung, nicht wahr?
SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6
Genug der Immissionen, denn jetzt kommen
wir zu den letzten hier interessierenden Paragraphen im BGB des Nachbarrechts:
Der sogenannte Überhang ist in § 910
BGB geregelt.
Auch wenn z. B. wegen Zeitablaufs die Beseitigung eines Baumes oder eines Strauches nicht mehr verlangt werden kann,
gelten die Vorschriften über den Überhang
fort. Ein Grundstückseigentümer kann vom
Nachbarn verlangen, dass dieser Wurzeln
und Zweige, die über die Grundstücksgrenze wachsen, beseitigt, wenn die Wurzeln
und Zweige die Benutzung des Grundstücks beeinträchtigen (§ 1004 BGB).
In das Grundstück hineingewachsene Wurzeln darf der Eigentümer dieses Grundstückes sofort im Wege der Selbsthilfe beseitigen, Zweige erst dann, wenn er dem
Nachbarn eine angemessene Frist zur Beseitigung gesetzt hat, die fruchtlos abgelaufen ist. Das Abschneiderecht besteht
nicht, wenn der Überhang die Grundstücksbenutzung nicht oder nur ganz unerheblich beeinträchtigt. Auch wird zu prüfen
sein, ob nicht durch landesrechtliche Bestimmungen zugunsten des Naturschutzes
die angestrebte Maßnahme verboten ist.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat in § 45
des Landschaftsgesetzes den Schutz des
Baumbestandes den Gemeinden überlassen. Viele Gemeinden haben Baumschutzsatzungen erlassen, nach denen bestimmte
Bäume nicht gefällt, geschädigt oder in
ihrem Aufbau wesentlich verändert werden dürfen. Bevor man daher von Nachbarn die Beseitigung von Ästen oder Wurzelwerk verlangt oder selbst Hand anlegt,
sollte man sich bei der Gemeinde erkundigen, ob nicht eine Baumschutzsatzung den
Eingriff verbietet.
Früchte eines Baumes oder Strauches, die
von selbst auf ein Nachbargrundstück fal-
len, gehören nach der Regelung über den
Überfall nach § 911 BGB diesem Nachbarn. Bis zum Abfallen gehören sie dem
Eigentümer des Grundstückes, auf dem der
Baum oder Strauch steht.
Zu dieser eher kuriosen Vorschrift ist noch
zu sagen, dass der Nachbar die Früchte
allerdings nicht selbst pflücken und auch
nicht am Baum schütteln darf, um dem
natürlichen »Früchtefall« nachzuhelfen.
Auch § 923 BGB ist ohne große praktische
Bedeutung. Dort ist geregelt, dass die
Früchte eines Grenzbaumes und beim Fällen auch das Holz den Nachbarn zu gleichen Teilen zustehen.
Zum Abschluss noch einige Worte zum
nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis, das neben den gesetzlichen Bestimmungen von BGB und Nachbarschaftsgesetzen der Länder von der Rechtsprechung
entwickelt worden ist, um gesetzlich nicht
geregelte Fälle sachgerecht lösen zu können.
Über die genannten Bundes- und Länderregelungen hinaus sind danach weitere
Beschränkungen und Erweiterungen der
Ausschließungsbefugnisse des Grundstückseigentümers gegenüber seinen Nachbarn
möglich. Die Rechtsfigur des »nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses«
stellt dabei eine besondere Ausprägung des
Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242)
für das Zusammenleben von Grundstücksnachbarn dar. Sie kann im Einzelfall über
das sonstige Nachbarrecht hinaus Duldungspflichten gegenüber Einwirkungen
vom Nachbargrundstück bzw Beschränkungen in der Nutzung des eigenen
Grundstücks begründen.
Dies kommt jedoch nur ausnahmsweise in
Betracht, da grundsätzlich die Rechte und
Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der
129
Das Nachbarrecht im Überblick II
§§ 906 ff. BGB und die Bestimmungen der
Nachbarrechtsgesetze der Länder im Einzelnen geregelt sind und die gesetzlichen
Regelungen des Nachbarrechts nicht mit
Hilfe dieser Rechtsfigur in ihr Gegenteil
verkehrt werden dürfen. Das würde nämlich gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen: Die Gesetze schafft der
Gesetzgeber und diese sind für die Gerichte bindend; sog. »Richterrecht« gibt es nur
ausnahmsweise im Bereich gesetzlich nicht
geregelter Sachverhalte.
Also besteht in gesetzlich geregelten Fällen
wie z. B. herüberwachsenden Zweigen (§ 910
BGB) kein Raum für die Anwendung der
Regeln über das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis, weil der Gesetzgeber
dazu schon eine Regelung getroffen hat.
Anders ist es z.B. bei Katzen des Nachbarn,
die das Grundstück aufsuchen. Hier gibt es
keine ausdrückliche gesetzliche Regelung,
insbesondere nicht durch § 906 BGB, der
nur für »unwägbare Stoffe« in Form der
dort genannten Immissionen gilt. Wir hatten gehört, dass Fliegen noch zu den unwägbaren Stoffen zählen sollen, Katzen aber
nicht, weil sie definitiv zu groß dafür sind.
Überwiegend hält man eine Duldungspflicht gegenüber einer geringen Anzahl
von Katzen auf Grund des Gemeinschaftsverhältnisses für möglich (OLG Celle VersR
1986, 973 f.; OLG Köln NJW 1985, 2338 f.;
OLG München NJW-RR 1991, 17 f.). Weitergehende Beeinträchtigungen wie die
regelmäßige Verschmutzung und Beschädigung von Wegen und Mauern oder Gartenmöbeln sind aber nicht mehr zu dulden, denn es ist dem Eigentümer nicht
zuzumuten, in jedem Einzelfall nur Schadensersatz zu verlangen (LG Kassel AgrarR
1987, 58, 59).
Umstritten ist, inwiefern aus dem Gemeinschaftsverhältnis neben Duldungspflichten und damit korrespondierenden Aus-
130
gleichsansprüchen noch weitere konkrete
Ansprüche folgen können. Der BGH hält
dies nur ausnahmsweise für möglich (BGHZ
88, 344, 351 mwN = NJW 1984, 729; BGH
NJW 1995, 2633, 2634 f.), während die
Instanzrechtsprechung teils großzügiger
verfährt. Bejaht wurden aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis z.B. ein
Anspruch auf Erstattung der Kosten für die
zur Verhinderung von Feuchtigkeitsschäden notwendige Verfüllung eines Zwischenraums zwischen einem Überbau und
der eigenen Grundstückswand (BGHZ 28,
110, 114 ff. = NJW 1959, 97).
Aus dem Gemeinschaftsverhältnis können
sich ausnahmsweise sogar Abwehransprüche gegen an sich zulässige Formen der
konkreten Grundstücksnutzung ergeben,
die erkennbar für den Nachbarn im Einzelfall schwerwiegende Nachteile nach sich
ziehen würden, soweit sich die angestrebte
Grundstücksnutzung auch anders realisieren lässt (BGH NJW 1991, 1671).
Insoweit wurde z.B. ein Unterlassungsanspruch bejaht bei der Haltung von mehr
als 100 flugfähigen Brieftauben auf einem
Grundstück, wenn diese Grundstücksnutzung grundsätzlich ortsüblich und daher
grundsätzlich nach § 906 Abs. 2 S. 1 zu
dulden ist (LG Itzehoe NJW-RR 1995, 979,
980). 10 bzw. auch 20 flugfähige Tauben
sollen hingegen hinzunehmen sein (LG
Hamburg DWW 1991, 339). Hier besteht
das oben genannte Abgrenzungsproblem
zwischen gesetzlicher Regelung und der
durch Richterrecht entwickelten Figur des
nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses besonders deutlich, denn Kleintiere
wie Bienen, Fliegen, Wollläuse und eben
auch Tauben sollen nach der Rechtsprechung – wir erinnern uns an das Reichsgericht – unter die Immissionen des § 906
BGB fallen, die durch diese Vorschrift eigentlich eine abschließende Regelung erfahren haben.
SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6
Verneint wurden dagegen Ansprüche aus
dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis auf Unterlassen der Haltung eines
scharfen Hundes, der das Grundstück betretende Katzen des Nachbarn töten kann
(AG Erlangen NJW-RR 1991, 83) oder auf
Duldung des Betretens des Nachbargrundstücks zwecks Rückschnitts einer Hecke,
wenn kein zwingendes Erfordernis dafür
dargetan wird (LG München II WuM 1988,
163 f.)
Kontrollfrage zum letzten Punkt: Fällt das
Betreten des Nachbargrundstücks zum
Heckeschneiden nicht unter das Hammerschlagsrecht und ist damit gesetzlich geregelt? Nein, nur Bau- und Instandsetzungsarbeiten sind davon gemäß § 24 Abs. 1
NachbG NRW erfasst.
Nachtrag zum Rasenmähen:
Geräte- und Maschinenlärm/
Rasenmäherverordnung
Seit September 2002 ersetzt die Geräte- und
Maschinenlärmschutzverordnung die alte Rasenmäherverordnung. Die Verordnung gilt für
57 unterschiedliche Geräte- und Maschinenarten, von Baumaschinen, wie etwa Betonmischer
und Hydraulikhammer, über Bau- und Reinigungsfahzeuge, darunter Transportbetonmischer
und Kehrmaschinen bis hin zu Landschafts- und
Gartengeräten wie Kettensägen, Laubbläser,
Laubsammler und Rasenmäher. Zudem enthält
die Verordnung zahlreiche weitere Regelungen
zum Schutz der Bevölkerung vor erheblichen
Belästigungen durch Lärm.
Vor allem an Sonn- und Feiertagen sowie während der Abend- und Nachtzeiten wird der Geräte- und Maschineneinsatz in schutzbedürftigen Wohnbereichen beschränkt.
Für Rasenmäher gelten folgende zeitliche
Einschränkungen:
An Sonn- und Feiertagen sowie an Werktagen
in der Zeit von 20.00 Uhr bis 7.00 Uhr dürfen
nicht betrieben werden: Motorkettensägen,
Betonmischer, Fahrzeugkühlaggregate, Grastrimmer, Heckenscheren, Rasenmäher, Laubsammler
und Laubbläser.
An Werktagen besteht in den Zeiten von 7.00
bis 9.00 Uhr, von 13.00 bis 15.00 Uhr und von
17.00 bis 20.00 Uhr ein absolutes Betriebsverbot für Freischneider, Graskantenschneider,
Laubbläser und Laubsammler. Zu beachten ist in
jedem Fall, dass die in der Verordnung festgelegten Betriebszeiten für die im Einzelnen aufgeführten Maschinen und Gartengeräte durch
Landes- und Ortsrecht ergänzt und modifiziert
werden können.
Handbetriebene Rasenmäher fallen nicht unter
die Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung.
Künftig ist vorgeschrieben, dass alle neuen
Rasenmäher oder Kehrmaschinen mit einem
Hinweis auf die zulässigen Betriebszeiten gekennzeichnet werden. Das hilft sicherlich, Missverständnisse zwischen Nachbarn zu vermeiden.
Bericht aus dem Gerichtssaal über eine ungewöhnliche
Verhandlung mit Täter-Opfer-Ausgleich (TOA)
von Oberamtsanwalt Fritz Fengler, Agathenburg
Vor einigen Tagen wurde vor dem Strafrichter des Amtsgerichts Cuxhaven die Anklage gegen einen Mann verhandelt, der
jetzt in Dänemark lebt und dort als Handwerker arbeitet. Es herrschte Schneetreiben,
der Straßenverkehr war stark beeinträchtigt.
Weder Richter noch Staatsanwalt rechneten
mit dem Erscheinen des Angeklagten. Zur
großen Überraschung trat der Angeklagte
nach Aufruf ein. Er kam ohne Verteidiger.
Die Anklage umfasste mehrere DIN A 4 Seiten und beschrieb 26 Taten. Der Vorwurf
war immer der gleiche: Bedrohung in Tateinheit mit Nachstellung.
131
Bericht aus dem Gerichtssaal über eine ungewöhnliche Verhandlung
Dem Angeklagten wurde zur Last gelegt, per
SMS seine getrennt lebende Ehefrau und
deren Freund mit detailliert beschriebenen,
äußerst widerlichen Tötungshandlungen
bedroht zu haben. Beide Opfer hätten etwa
4 Monate lang in dauernder Todesangst gelebt und seien für mehrere Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen.
Nach Verlesung der Anklage ließ der Angeklagte sich wie folgt ein: »Ich kann gar
nicht glauben, dass ich das gemacht habe.
Aber es stimmt. Ich habe diese SMS verfasst.
Ich bin erschrocken über mich. Es tut mir
wahnsinnig Leid.« Nach der Einlassung erklärte der Staatsanwalt: »Ihr Geständnis und
die zum Ausdruck gekommene Reue sind
strafrechtlich von Bedeutung, wichtiger wäre
es aber, sich bei den Opfern zu entschuldigen. Dazu wäre hier gleich Gelegenheit. Wollen Sie die Chance nutzen?« Das wollte er.
Die zwischenzeitlich geschiedene Ehefrau
wurde hereingerufen und vernommen. Sie
sah den Angeklagten nicht ein einziges
Mal an und war offensichtlich noch sehr
belastet. Der Staatsanwalt fragte sie nach
der Vernehmung, ob sie bereit sei, sich eine
Erklärung des Angeklagten anzuhören.
Nachdem sie das bejaht hatte, brachte der
Angeklagte in ruhigen und angemessenen
Worten seine Entschuldigung vor. Auf die
Frage des Richters, ob sie die Entschuldigung akzeptiere, antwortete die Zeugin
mit Ja. Ihre Stimme war jetzt viel fester als
bei ihrer vorherigen Aussage. »Haben Sie
jetzt noch Angst?«, fragte der Staatsanwalt. Sie verneinte.
Intensität der Taten sowie wegen der Vorstrafen eigentlich eine Freiheitsstrafe von
1 Jahr verwirkt sei. Durch die vorgebrachten und angenommenen Entschuldigungen sei der Rechtsfrieden zwischen den
Beteiligten wiederhergestellt.
Die Zeugen haben mit aufgehellten Gesichtern den Saal verlassen. Diese Befriedung ist juristisch als erfolgreicher TäterOpfer-Ausgleich zu werten. Das Gesetz
sieht in § 46 a StGB für diesen Fall eine
Strafmilderung vor, auf die der Angeklagte
jetzt auch Anspruch hat. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Angeklagte offensichtlich nicht aus prozesstaktischen Gesichtspunkten beim TOA mitgemacht habe,
sondern weil er das Unrecht seiner Taten
zwischenzeitlich eingesehen habe. In Anwendung dieses Strafmilderungsgrundes
erscheine es angemessen, auf eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten mit Bewährung
zu erkennen. Um eventuellen Wiederholungen vorzubeugen, sei es erforderlich,
dem Angeklagten zwei Bewährungsauflagen zu machen: Nicht ohne berechtigtes
Interesse Kontakt mit den Zeugen aufzunehmen und 30 Monate lang monatlich
50 € an die Opferhilfe zu zahlen. Diese Institution sei als Empfängerin der Geldauflage zu wählen, da die Damen und Herren
der Opferhilfe Opfern von derartigen Straftaten helfend zur Seite stünden und Täter
dazu heranzuziehen seien, für die Erstattung der Auslagen aufzukommen.
Das Gericht hat antragsgemäß verurteilt,
Angeklagter und Staatsanwalt verzichteten gleich auf Rechtsmittel.
Jetzt wurde ihr Freund hereingerufen.
Richter und Staatsanwalt vermittelten erneut. Der Angeklagte entschuldigte sich, der
Zeuge nahm die Entschuldigung an. Als die
Zeugen den Saal verließen, bedankten sie
sich beim Gericht und lächelten dabei.
Ein Reporter der lokalen Presse war im
Saal anwesend, der nach der Verhandlung
erklärte, er habe nicht gewusst, dass ein
Strafgericht auch schlichten könne. Die Verhandlung sei zum Teil ergreifend gewesen.
In seinem Plädoyer führte der Staatsanwalt aus, dass wegen der Vielzahl und der
Seine Leser wolle er über den TäterOpfer-Ausgleich informieren.
132
SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6
Anfragen an die Redaktion
Anfragen sind an die Redaktion zu richten. Anschrift: Burkhard Treese,
Mersch 7, 59174 Kamen. Sie werden von fachkundigen Mitarbeitern des BDS
beantwortet und falls sie von allgemeinem Interesse sind, an dieser Stelle
veröffentlicht.
Schiedsfrau N. aus D. fragt nach der Geschäftsfähigkeit Demenzkranker.
Ich bin Schiedsfrau im Bezirk X in D. Zudem betreue ich eine Demenzkranke, Pflegestufe 1, die noch allein in ihrem Haushalt lebt und reihum von verschiedenen
Personen stundenweise betreut wird.
Bei unserem monatlichen Reflektionstreffen in der Verwaltung der Stadt D.
wurde darauf hingewiesen, dass gerade
in der Vorweihnachtszeit ständig Hausierer unterwegs sind, die bei alten Leuten
klingeln. Ganz gefährlich wird es dann,
wenn schriftliche Verträge mit dem
Kranken abgeschlossen werden, die nicht
innerhalb von 14 Tagen von den Angehörigen entdeckt werden.
In diesem Zusammenhang tauchte die
Frage auf: Wie lange ist ein Demenzkranker geschäftsfähig? Kann man sich im
Fall eines rechtskräftig abgeschlossenen
Vertrages auf die Pflegestufe berufen?
Herzlichen Dank für Ihre Mühen.
Aus der Antwort:
Zunächst möchte ich Ihnen meine Hochachtung dafür aussprechen, dass Sie neben
dem Ehrenamt einer Schiedsfrau noch die
Arbeit und Mühen auf sich genommen haben, sich um eine Demenzkranke zu kümmern, mit der Sie nicht verwandt sind.
Ich unterstelle, dass Sie den Begriff »betreuen« nicht im juristischen Sinn, sondern
als tatsächliche Hilfe zusammen mit anderen verstehen.
Deswegen finde ich es auch gut, dass die
Stadt D. solchen Menschen, die sich ehrenamtlich um andere kümmern, eine Hilfe
in Form solcher Reflektionstreffen anbie-
tet. Bieten sie doch die Möglichkeit, sich
im Kreis Betroffener auszutauschen und
Fragen, Sorgen und Nöte zu artikulieren.
Bestimmt sind diese Treffen auch für pflegende Angehörige offen. Sind doch gerade
oft pflegende Angehörige, besonders diejenigen, die mit Demenzkranken zu tun
haben, in der schweren Lage, den fortschreitenden Abbau ihrer Angehörigen erleben zu müssen.
Seit dem 1. Januar 1992 gibt es nun das
Betreuungsrecht. Es geht vom Grundsatz
davon aus, dass alle Erwachsenen auch voll
geschäftsfähig sind. Daran ändert sich
grundsätzlich auch dann nichts, wenn
nach §§ 1896 ff. BGB eine Betreuung =
rechtliche Vertretung eingerichtet wird.
Die Voraussetzungen einer Betreuung sind
nach § 1896 Abs. 1 BGB: »Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen
Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine
Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht
besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts
wegen für ihn einen Betreuer«.
Der Umfang der Betreuung umfasst nach
§ 1901 Abs. 1 BGB alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten
des Betreuten… rechtlich zu besorgen.
In seinem Aufgabenbereich vertritt der
Betreuer den Betreuten gerichtlich und
außergerichtlich (§ 1902 BGB).
Diese Ausführungen sollen belegen, dass
die Frage, wie lange ein Demenzkranker
geschäftsfähig ist, so einfach nicht beantwortet werden kann.
Man könnte sagen, ein Demenzkranker ist
geschäftsfähig, solange seine Geschäfts-
133
Anfragen an die Redaktion
unfähigkeit nicht festgestellt ist. Damit ist
das Problem auf medizinische Sachverständige verlagert worden.
Allein, dass ein Demenzkranker eine Pflegestufe hat, reicht nicht aus, seine Geschäftsunfähigkeit anzunehmen.
Deswegen haben es Angehörige im Einzelfall schwer, bei Vertragsabschluss eines
kranken Angehörigen Verträge wieder aufzulösen, wenn die Widerrufsfrist abgelaufen sein sollte.
Notfalls muss mit Hilfe eines ärztlichen
Gutachtens festgestellt werden, dass eine
Geschäftsunfähigkeit vorgelegen hat und
dann im Klagewege festgestellt werden,
dass der Vertrag nicht wirksam zu Stande
gekommen ist.
Bei einem Kranken, für den ein Betreuer
bestellt ist, ist die Situation meist ein wenig einfacher. Dies gilt umso mehr, wenn
die Betreuung den Bereich der Vermögenssorge umfasst.
Nach meinen Kenntnissen als Betreuungsrichter haben Vertragspartner in den meisten Fällen einen Vertrag aufgelöst, wenn
der Betreuer unter Vorlage einer Kopie seiner Bestellung dem Vertrag widersprach
– auch nach Ablauf der zweiwöchigen Widerrufsfrist bei Haustürgeschäften.
Grundsätzlich ist jedoch auch hier zu sagen,
dass der Vertragsschluss des Kranken
rechtsgültig ist, wie oben festgestellt wurde.
Eine Hilfe bietet da nur im Fall einer
Betreuung die Einrichtung des »Einwilligungsvorbehalts« im Bereich der Aufgabe
des Betreuungsumfangs.
Ein solcher Einwilligungsvorbehalt wird vom
Vormundschaftsgericht gem. § 1903 BGB
eingerichtet, soweit dies zur Abwendung
einer erheblichen Gefahr für die Person
oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist.
134
Das Gericht muss vor der Erweiterung des
Betreuungsumfangs den Betroffenen persönlich anhören, ebenso wie die Betreuungsbehörde und ein erneutes ärztliches
Gutachten einholen.
Schon hieran ist zu erkennen, dass ein
Einwilligungsvorbehalt etwas Besonderes
ist und eine Ausnahme darstellt von der
Regel, dass jeder Erwachsene als voll geschäftsfähig gilt.
Dann ordnet das Gericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den
Aufgabenbereich des Betreuers betrifft,
dessen Einwilligung bedarf.
Das bedeutet: ein Vertrag, den der Betreute z.B. an der Haustür abschließt, ist nur
wirksam, wenn der Betreuer einwilligt.
Ausnahmen hiervon sind in § 1903 Abs. 3
BGB geregelt einmal, wenn die Willenserklärung dem Betreuten lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt – Standardbeispiel ist
die Annahme einer Schenkung –, und wenn
die Willenserklärung eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft.
Das sind die alltäglichen Bargeschäfte über
geringwertige Gegenstände, so der Kauf
von Lebensmitteln zum alsbaldigen Verzehr, wenn diese nach Menge und Wert
das übliche Maß nicht übersteigen.
Sie sehen daraus, dass über das Betreuungsrecht ein Weg gefunden werden kann, einen
Demenzkranken davor zu schützen, im täglichen Geschäftsleben oder bei Haustürgeschäften wie z. B. auch von Zeitschriftenwerbern »über den Tisch gezogen zu werden«.
Um es noch einmal zusammenzufassen:
Ein Demenzkranker bleibt geschäftsfähig,
bis seine Geschäftsunfähigkeit festgestellt
ist.
Man kann sicherlich sich auf eine Pflegestufe berufen. Ob sich der Vertragspartner
aber etwas davon annimmt, ist fraglich.
SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6
Schiedsmann M. aus S. fragt, ob bei einer
Terminsverschiebung die Ladungsfrist
erneut einzuhalten ist?
Nach § 20 Abs. 2 der saarländischen
Schiedsordnung (SSchO) muss eine Frist
von zwei Wochen zwischen der Zustellung der Ladung und dem Termin der
Schlichtungsverhandlung liegen. Die Ladungsfrist soll den Parteien eine angemessene Vorbereitung auf die Schlichtungsverhandlung ermöglichen.
Werden Entschuldigungsgründe von Parteien geltend gemacht, kann der ursprüngliche, mit den amtlichen Vordrucken angesetzte Termin der Schlichtungsverhandlung (V 7) auf einen späteren
Zeitpunkt verlegt werden.
Im vorliegenden Fall wurde von einem
Antragsteller am 11.1. ein Antrag auf
Schlichtungsverhandlung wegen Beleidigung gestellt. Die Ladung zum 30.1.
wurde dem Antragsgegner (AG) mit Vordruck V 5 und Zustellungsurkunde zugeleitet. Der AG ist zum Termin nicht erschienen. Mit Schreiben vom 31.1. hat
der AG für den Zeitraum der Verhandlung eine Behandlungsbestätigung vorgelegt. Die Verlegung des Termins auf
den 22.2. wurde mit Vordruck V7 dem AG
mit ZU zugestellt. Der AG ist auch zu diesem Termin nicht erschienen. Mit Schreiben vom 23.2. hat der AG für den Zeitraum der Verhandlung eine Bestätigung
über einen Sprechstundenbesuch seines
Zahnarztes vorgelegt.
Die erneute Verlegung wurde wieder mit
V7 und Zustellungsurkunde auf den 13.3.
durchgeführt. Die Ladung erfolgte am
3.3.
Der AG erschien nicht, schickte aber einen Brief, in dem er mitteilte, den Termin
nicht wahrgenommen zu haben, da die
Ladungsfrist nicht eingehalten sei.
Meine Fragen nun zur Ladungsfrist. Ich
meine, mit der ersten Ladung zum Termin ist dem AG doch eine angemessene
Vorbereitung auf den Termin ermöglicht
worden. Mit den Vordrucken V7 wurden
die Termine doch lediglich verlegt.
Ist nun bei einer Verlegung eines
Schlichtungstermins immer die Ladungsfrist des § 20 SSchO einzuhalten?
Aus der Antwort:
Der Antragsgegner scheint ein Mensch zu
sein, der die Saarländische Schiedsordnung
zu kennen scheint oder die Rechtsprechung der Zivilgerichte bei Terminsverlegungen.
Ein Standardkommentar zur ZPO, Zöller 25.
Auflage Rdn. 1 zu § 217 ZPO schreibt: »Die
Ladungsfrist dient der zeitlichen Vorbereitung des Termins, also auch der Freihaltung von sonstigen Terminen. Daher gilt
§ 217 (Ladungsfrist) auch für die Verlegung eines Termins.«
§ 21 Abs.4 Schiedsamtsgesetz NRW regelt
die Entschuldigung für ein Ausbleiben im
Termin. Satz 4 lautet: »Absatz 3 gilt entsprechend«. In Absatz 3 ist geregelt, wie zu
laden ist (EB, ZU oder Einschreiben mit
Rückschein). Auf den Absatz 2, der die Ladungsfrist regelt, wird nicht ausdrücklich
verwiesen. Aus der zuvor zitierten Meinung der Rechtsprechung zu Terminsverlegungen dürfte aber auch im Verfahren
vor den Schiedspersonen nichts anderes
gelten als in Zivilprozessen. Im »Kommentar für Schiedsämter und Schiedsstellen«
von Fischbach ist die Frage nicht ausdrücklich angesprochen.
Fazit:
Aus der Sicht des Anfragenden muss (bedauerlich) zu jedem Termin unter Einhaltung der Ladungsfrist geladen werden.
Sonst kann ja auch kein Ordnungsgeld
verhängt werden.
135
BDS-Nachrichten
BDS-Nachrichten
– verantwortlich Pressereferentin Monika Ganteföhr –
Einsendungen für diesen Teil bitte nur an den Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V.,
Postfach 10 04 52, 44704 Bochum, Telefon: 02 34/ 588 97 0, Telefax 02 34/ 588 97 19
BDS im Internet: http://www.schiedsamt.de
E-mail: [email protected]
Terminkalender
(Änderungen vorbehalten; FL = Fortbildungslehrgang, 1 = Strafrecht, 2 = Zivilrecht)
Einführungslehrgänge
Ort
Land/LGBz.
Leitung
10./11.07. 2009
21./22.08. 2009
28./29.08. 2009
Rendsburg
Kleve
Erfurt
Schleswig-Holstein
Nordrhein-Westfalen
Thüringen
Väth
Treese
Väth
Fortbildungslehrgänge
Ort
Land/LGBz.
Leitung
03./04.07. 2009
11./12.09. 2009
FL 1
FL 2
Eppelborn
Bad Salzdetfurth
Dr. Rammert
Fischbach
18./19.09. 2009
25./26.09. 2009
FL 2
FL 2
Magdeburg
Kassel
Saarland
Braunschweig, Göttingen,
Hannover/Bückeb., Harz, Hildesheim
Sachsen-Anhalt
Fulda, Gießen, Kassel, Limburg
u. Marburg
Lehrgänge FL 2 mit Schwerpunkt Nachbarrecht
Ort
10./11.07. 2009
FL 2 Stralsund
21./22.08. 2009
FL 2 Dresden
04./05.09. 2009
FL 2 Königs Wusterhausen
04./05.09. 2009
FL 2 Wetzlar
Lehrgänge Mediation I im Schiedsamt
Ort
04./05.09. 2009
I
Monheim
04./05.09. 2009
I
Bochum-WAT
25./26.09. 2009
I
Münster
136
Böhlendorf
Kenklies
Land/LGBz.
Mecklenburg-Vorpommern
Sachsen
Brandenburg
Darmstadt, Frankfurt, Gießen,
Hanau, Limburg u. Wiesbaden
Leitung
Niehaus
Fischbach
Böhlendorf
Kenklies
Land/LGBz.
Aachen, Arnsberg, Bonn, Düsseldorf, Hagen, Köln, Siegen u.
Wuppertal
Bochum, Duisburg, Essen,
Dortmund, Kleve, Krefeld u.
Mönchengladbach
Bielefeld, Detmold, Münster u.
Paderborn
Leitung
Treese
N.N.
Merzbach
SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6
Lehrgänge Mediation II im Schiedsamt
Ort
Land/LGBz.
Leitung
Voraussetzung für die Anmeldung zum Mediationsseminar II ist die Teilnahme am Mediationslehrgang I.
17./18.07. 2009
II
Frankfurt/Main
Darmstadt, Frankfurt, Gießen, Merzbach
Hanau, Limburg u. Wiesbaden
Der BDS schreibt die o.g. Lehrgangsveranstaltungen gegenüber den sachkostentragenden Gemeinden (gilt nicht für
Rheinland-Pfalz) rechtzeitig aus, im Falle von Einführungslehrgängen ggfs. nach vorheriger Ermittlung neu ernannter
Schiedspersonen.
Schiedspersonen, die an einem für ihr Land oder ihren Landgerichtsbezirk hier angekündigten Lehrgang teilnehmen wollen und bis ca. vier Wochen vor dem Lehrgangstermin kein entsprechendes Lehrgangsangebot von Seiten der Gemeinde
erhalten haben, sind gebeten, ihr Teilnahmebegehren bei der Kommune unverzüglich unmittelbar anzumelden, damit die
Gemeinde die Sachkostenübernahme gegenüber dem BDS erklärt und dadurch die Schiedspersonen beim BDS anmeldet.
Der BDS lädt nur aufgrund der Anmeldung der Gemeinden die Teilnehmer zu dem Lehrgang ein. Die Einladung erfolgt
direkt an die gemeldeten Schiedspersonen.
Fachtagungen mit aufsichtführenden Richtern sowie mit verantwortlichen Bediensteten der Justizund Kommunalverwaltungen Ort
Land/LGBz.
Leitung
09.07. 2009
Rendsburg
Schleswig-Holstein
Väth
20.08. 2009
Kleve
Bochum, Duisburg, Essen,
Treese
Dortmund, Kleve, Krefeld u.
Mönchengladbach
27.08. 2009
Erfurt
Thüringen
Väth
Berichte und Meinungen
Berlin
Landesvereinigung
Am 10.02.2009 fand die Jahreshauptversammlung der LVgg Berlin statt. Vorsitzender Koll.
Heinz Winkler konnte neben den Delegierten
auch den Berliner Justiz-Staatssekretär Hasso
Lieber und das Ehrenmitglied Frau Reißbach
begrüßen.
Hasso Lieber überbrachte zunächst die Grüße
der Berliner Justizsenatorin und begrüßte die
Schiedsfrauen und Schiedsmänner auch in seiner
Eigenschaft als Bundesvorsitzender der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter. Er unterstrich die hohe Bedeutung der außergerichtlichen Streitbeilegung, die einen Wert an sich
bilde und nicht unter Spargesichtspunkten diskutiert werden sollte. Rechtspolitik und Recht-
»Berliner Staatssekretär der Justiz Hasso Lieber«
sprechung seien zu wertvoll, um sie nur den
Juristen zu überlassen. Das Schiedsamt kennzeichne ein unbürokratisches Verfahren. Es sei
deutlich kostengünstiger als gerichtliche Verfahren. Vorteilhaft sei außerdem, dass das
Schiedsamt »hinter den Streit« sehe und damit
zum Rechtsfrieden beitragen könne. Sorge bereite allerdings die geringe Fallzahl. So kämen
2007 auf 83 Schiedspersonen in Berlin 147 zivilrechtliche Streitigkeiten, mithin 1,8 Fälle pro
Schiedsperson und Jahr.
137
BDS-Nachrichten
Um die Attraktivität des Schiedsamtes zu erhöhen, werde immer wieder auf § 15 a EG ZPO
hingewiesen. Auch das Mahnverfahren diene als
Tor zur Flucht aus der Schlichtung. Berlin werde
sich nicht entziehen, wenn es darum gehe, verstärkt Nachbarrechtsstreitigkeiten, Ehrverletzungen oder Streitigkeiten aus dem AGG der
Obligatorik zu unterziehen. Nachdenklich stimme
allerdings das Zwischenergebnis einer 2005 gebildeten Bund-Länder-Kommission, wonach sich
die Obligatorik bei vermögensrechtlichen Bagatellfällen nicht bewährt habe. Gleichwohl werde
das Schiedsamt künftig innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung immer wichtiger. Die
Schiedsperson sei der geborene Mediator.
In einem Exkurs auf die vom Europäischen Parlament verabschiedete Mediationsrichtlinie erläuterte Staatssekretär Lieber das Ziel der EU,
eine Mindestharmonisierung in Zivil- und Handelssachen sicherzustellen. Vorgesehen seien ein
Zeugnisverweigerungsrecht und die Schweigepflicht des Mediators. Während einer Mediation
sei die Verjährungsfrist gehemmt. Die Mitgliedsstaaten seien zur Öffentlichkeitsarbeit für
Mediatoren verpflichtet. Auf nationaler Ebene
werde erwogen, kostenrechtliche Nachteile für
diejenigen einzuführen, die außergerichtliche
Verfahren nicht nutzen. Im Wettbewerb mit
Rechtsanwälten, Psychologen und Pädagogen
werde das Schiedsamt seinen Platz behaupten.
Die Laienbeteiligung sei unverzichtbar, sie werde keinesfalls obsolet. Berlin werde vielmehr
das Ehrenamt in der Justiz stärken und alle
Tendenzen bekämpfen, es abzuschaffen. Er sehe
es als gesellschaftliche Aufgabe an, ein Bündnis
der Ehrenamtlichen in der Justiz zu schmieden
und gehe zuversichtlich in das Mitte Februar
mit dem BDS-Bundesvorsitzenden anberaumte
Gespräch. Dem BDS Berlin unterbreite er das
Angebot eines permanenten Dialogs.
Nach diesem mit viel Beifall aufgenommenen
Referat wurde rege diskutiert, z.B. über organisatorische Mängel (die Senatsverwaltung für
Justiz weise auf ihrer homepage nicht wirksam
genug auf das Schiedsamt hin, die Amtsgerichte würden von den Bezirksämtern nicht immer
über Änderungen der Schiedsamtsbezirke informiert, einige Bezirksämter würden sich sperren, Fortbildungskosten sollten als sächliche
Ausgaben anerkannt werden, die ehrenamtliche
Tätigkeit der Schiedspersonen würde nicht ge-
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würdigt). Staatssekretär Lieber sagte zu, sich für
eine Überwindung dieser Hemmnisse einzusetzen. Der Landesvorsitzende Heinz Winkler dankte ihm für seine wegweisenden Ausführungen.
Im Anschluss an die Genehmigung der Tagesordnung wurden verschiedene Ehrungen vorgenommen (siehe »Ehrungen«).
Nach dem Rechenschaftsbericht des Vorstandes
und dem Kassenbericht der Schatzmeisterin
Koll’in Pieper folgte der Bericht der Kassenprüfer Frau Küntscher und Herr Scharnow sowie
die Entlastung des Vorstandes.
Bei der erforderlichen Wahl eines neuen Geschäftsführers wurde Koll. Franz Bertsch einstimmig gewählt. Ebenfalls einstimmig wurde
als Beisitzer Koll. Beyer neu gewählt. Als Kassenprüfer wurden die beiden bisherigen Revisoren wiedergewählt.
Abschließend wies LVors Heinz Winkler darauf
hin, dass der »Tag des Ehrenamtes« für eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit durch die Schiedspersonen genutzt werden soll.
Zur Information legte Herr Stefanescu noch die
Broschüre »Sicherheit im Ehrenamt« aus.
Schleswig-Holstein
Bezirksvereinigung Itzehoe
Am 07.03.2009 fand die diesjährige Jahreshauptversammlung der BzVgg statt. Die Vors.
Koll’in Ilona Fitschen konnte 58 Teilnehmer
sowie als Gast RiAG Itzehoe Christian Dutzmann begrüßen. Außerdem nahmen der 1. Vors.
der BzVgg Kiel Dietmar Sporleder, der 2. Vors.
der BzVgg Kiel Ulrich Steingräber, der 2. Vors.
der BzVgg Flensburg Wolfgang Behrendt, der
Schriftführer der BzVgg Flensburg Christian
Carstensen und der IT-Beauftragte der BzVgg
Lübeck Konrad Meyer teil. Als Referent konnte
Herr D. Feist vom Justizministerium SchleswigHolstein gewonnen werden.
Zunächst stellte RiAG Dutzmann fest, dass die
Herausnahme der vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis € 750,– aus dem LSchG SchleswigHolstein als eine Folge der Flucht ins Mahnverfahren anzusehen ist. Er ermunterte die
Schiedspersonen, nach vorne zu sehen und, wie
SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6
bisher, ordentlich weiterzuarbeiten. Referent
Feist dankte zunächst für die Einladung und
sprach den Schiedspersonen auch im Namen
des Justizministers den Dank für die erfolgreiche Arbeit aus. In seinem Vortrag zum 3. Abschnitt des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ging er zunächst darauf ein, dass die
Evaluation – auch in anderen Schiedsamtsländern – ergeben habe, dass die vermögensrechtlichen Streitigkeiten keinen Platz mehr im
LSchG hätten. Das neue Aufgabengebiet AGG
erfordere Gesetzeskenntnisse und ein hohes
Maß an Kreativität. Für die Schiedspersonen
solle aber immer »Schlichten statt Richten« im
Vordergrund stehen, zumal bisher noch keine
Kommentierung und Urteile vorliegen, die die
Tätigkeit erleichtern könnten. Er stellte zudem
fest, dass das AGG überwiegend im Arbeitsrecht
Anwendung finde, wofür die Schiedspersonen
jedoch nicht zuständig sind. Ferner erläuterte er
eingehend die Grundlagen, Gesetzestechnik und
besonders den Allgemeinen Teil, Abschnitt 3.
Im Anschluss gab die Vors. Koll’in Fitschen einen
Rückblick auf das Jahr 2008 und bedankte sich
bei allen Mitgliedern und dem Vorstand für die
Unterstützung, vor allem hob sie lobend den
Einsatz der Koll’en Doll, Juister sowie Lill hervor,
die diverse IT-Lehrgänge bzw. Einführungslehrgänge durchgeführt haben. Letztgenannter
war auch für die übersichtlichen Tischvorlagen verantwortlich, die statistische Informationen, Terminübersichten, Hinweise zum LSchG
und zur neuen Satzung beinhalteten. Nach
dem Bericht der Kassenprüfer wurde der Vorstand entlastet.
Anschließend wurde darüber informiert, dass die
in Suhl beschlossene Satzung am 19.02.2009
beim Registergericht des AG Bochum eingetragen wurde. Die Mitglieder der BzVgg nahmen
einstimmig (bei 5 Enthaltungen) die Satzung an.
Personalien
Glückwünsche
Der Vorsitzende der Bezirksvereinigung Recklinghausen, Koll. Karl-Heinz Duda, kann am
08.06.2009 seinen 75. Geburtstag feiern. Von
1971 bis 1986 war er zunächst SchiedsmannStellvertreter, von 1987 bis heute ist er als
Schiedsmann für den Bezirk Marl I aktiv. Schon
1977 wurde er zum Landesschriftführer gewählt. Dieses Amt hatte er bis 2002 inne. Seine
umfassenden und penibel geführten Protokolle
und vor allem seine zahlreichen Statistiken sind
in NRW bereits legendär. Von 1991–2002 war er
als Geschäftsführer der BzVgg Recklinghausen
aktiv und ist von 2002 bis heute dort Vorsitzender. Besonders stolz ist er darauf, dass er die ca.
1.200 Schlichtungsverhandlungen, die er von
1971 bis heute durchgeführt hat, mit einer Erfolgsquote von 78 % schlichten konnte. Auch
aufgrund seiner zahlreichen weiteren ehrenamtlichen Aktivitäten – so z.B. von 1972 bis
1984 Mitglied des Bundesverbandes evgl. Handwerker e.V. (davon 4 Jahre als Schatzmeister),
von 1973 bis 1980 Schöffe am LG Essen und
von 1989 bis 2004 Schöffe am AG Marl – erhielt er im Jahr 2004 das Bundesverdienstkreuz
am Bande verliehen.
Am 12.06.2009 wird Koll. Udo H. Villwock, 60
Jahre alt. Koll. Villwock ist seit 2005 Schiedsmann in Dortmund. Seit 2008 bekleidet er das
Amt des Geschäfts- und Schriftführers in der
Bezirksvereinigung Dortmund.
Am 22.06.2009 wird Koll. Manfred van Halteren
65 Jahre alt. Bereits seit 1991 ist er als Schiedsmann in der Gemeinde Bedburg-Hau (Kreis Kleve) aktiv. Seit Oktober 2000 ist er 1. Vorsitzender der BzVgg Kleve. In der Gemeinde BedburgHau war er von 1994 bis 1999 sachkundiger
Bürger, gehörte dem Rat von 1999 bis 2004 an
und ist seit 2008 Kreistagsmitglied. Im Verband
der Lehrer an Berufskollegs VLbS war Koll. van
Halteren 26 Jahre Vorsitzender des Ortsverbandes Kleve. Aufgrund seines großen ehrenamtlichen Engagements zur Förderung der Handwerksjugend im Maler- und Lackiererhandwerk
wurde ihm im April 2008 durch die Handwerkskammer Düsseldorf die Silberne Medaille verliehen. Seit 1995 gehört er dem Vorstand der
Gewerkschaft für internationale Begegnungen
e.V. Kleve an, organisiert und betreut aktiv
deutsch-israelische Jugendbegegnungen und
Studienreisen. Darüber hinaus ist Koll. van Halteren seit 1988 in der kath. Pfarrgemeinde St.
Antonius Hau als Lektor und Kommunionshelfer
tätig, war von 1990 bis 2000 Vorsitzender der
Tennisabteilung in der SV Bedburg-Hau und
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BDS-Nachrichten
tritt seit vielen Jahren als brillanter Büttenredner im Karneval auf.
(Mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Bezirksvereinigung gratuliert die Redaktion der
SchAZtg ebenfalls recht herzlich.)
Für 10-jährige Schiedsamtstätigkeit Koll’in Bienat und Koll. Erbe.
Für 15-jährige Tätigkeit: Koll’in Küntscher und
Koll. Wilke, Lützenberg, Stein und Stenzel sowie
für 30 Jahre Koll. Bonkowski.
Ehrungen
(Die Redaktion der Schiedsamtszeitung gratuliert allen Jubilaren und wünscht weiterhin
Gesundheit und Kraft für eine erfolgreiche Tätigkeit im Dienste der Bürgerinnen und Bürger.)
Anlässlich der JHV der LVgg Berlin wurden folgende Ehrungen vorgenommen:
Das Schiedsamt im Spiegel der Presse
verantwortlich Pressereferentin Monika Ganteföhr
Über »Schlichter am grünen Tisch«, berichtet die
Ruhrnachrichten/Ausgabe für
Aplerbeck, Hörde und Hombruch
und weist darauf hin, dass der Schiedsmann
Hans-Volker Kruse seit fünf Jahren zwischen
Nachbarn im Streitfall vermittle. Dabei mache
er es den Streithähnen »nett«, denn in seinem
Amtsraum würden mitunter auch Kaffee oder
Plätzchen auf dem Tisch stehen. Und dann
würde gestritten: Über zu hohe Hecken, rieselnde Kiefernnadeln, überhängende Äste, Tierlärm oder auch Beleidigungen im Hausflur. Für
seine Altersteilzeit habe der 65-jährige DiplomBetriebswirt eine neue Aufgabe gesucht und sei
nun einer von 50 Schiedspersonen in Dortmund. Er habe feststellen müssen, dass es »im
grünen Teil Dortmunds am häufigsten Nachbarschaftsstreit« gäbe. Aufgabe der Schiedsperson
sei es dann, »mit Kenntnis der Gesetzeslage zu
vermitteln, die Parteien zu beruhigen und einen
Kompromiss herbeizuführen«. Das könne dann
auch schon mal bis zu vier Stunden dauern,
denn das Problem läge oft im Detail. Vor Gericht werde »die Vergangenheit betrachtet, im
Schiedsamt stehen Gegenwart und Zukunft im
Mittelpunkt«, berichtet Hans-Volker Kruse. Nach
einer kurzen Schilderung des Verfahrensablaufs
wird noch angemerkt, dass der regelmäßige
Besuch von Schulungsveranstaltungen für den
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Dortmunder Schiedsmann eine Selbstverständlichkeit sei. Im Anschluss wird mitgeteilt, dass
sein Schiedsamt »mobil« sei, da er sowohl in
seiner Wohnung wie auch im Klassenraum einer
Grundschule verhandeln dürfe. Da »die Arbeit
als Schiedsmann so spannend ist wie das Leben«, referiere Hans-Volker Kruse auch über
sein Ehrenamt, so z.B. Anfang d.J. bei der AWO.
Abschließend wird in dem ausführlichen Bericht
noch auf das Schiedsamt allgemein sowie auf
die sachliche Zuständigkeit hingewiesen.
Das
Pinneberger Tageblatt
berichtet über die Auszeichnung des Tangstedter Schiedsmanns Fieten Wulf durch den
Bürgermeister der Gemeinde Detlev Goos.
Schiedsmann Wulf übe dieses Amt seit nunmehr 35 Jahren aus und habe in dieser Zeit
»den ein oder anderen Streit« geschlichtet.
»Es gibt auch eine andere Lösung, als das Gericht«, informiert das
Wedel Schulauer Tageblatt.
Der Schiedsmann der Gemeinde Uetersen Manfred Hollendung und sein Stellvertreter Horst
SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6
Kleinwort wollten nun gemeinsam aufhören.
Eine Nachfolgerin habe man mit Christiane Frese auch bereits gefunden, allerdings sei nun
noch die Stellvertreter-Position zu besetzen. Zu
den rund 20 Fällen pro Jahr kämen noch ca. 30
Tür- und Angelfälle hinzu. »Ehrenamt ist wichtig und die Aufgabe vielseitig und interessant«,
so die seit November als Schiedsfrau tätige
Christiane Frese. Neben einer kurzen Auflistung
der sachlichen Zuständigkeiten wird unter Angabe der Kontaktmöglichkeiten auch auf die
regelmäßige Sprechstunde hingewiesen.
Ein historischer Rückblick auf die Entwicklung
des Schiedsamtes sowie eine Rubrik »Stellvertreter gesucht« runden den Beitrag ab.
Ebenfalls eine stellvertretende Schiedsperson
sucht die Gemeinde Hetlingen in der
Holmer Zeitung.
Der bisherige Stellvertreter Rafael Behrnd sei
nach einer Amtsperiode »eine Stufe höher gestiegen – und erster Schiedsmann geworden«.
Trotz Ausschreibung und der Aufrufe der Bürgermeisterin Barbara Ostmeier habe sich bisher
niemand für die Stellvertreter-Position gefunden. Dabei müsse man nur ein »normaler, offener, menschenfreundlicher Mensch sein«, so
Rafael Behrnd. Außerdem gehe es in Hetlingen
recht friedlich zu, da »hier nur nette Leute leben«. In der Regel gehe es bei den nachbarschaftlichen Auseinandersetzungen um HeckenSchnitthöhen oder Bäume, die über die Grundstücksgrenze ragten. Beleidigungen, und selten
auch Handgreiflichkeiten, kämen gelegentlich
ebenfalls vor. Aufgabe der Schiedspersonen sei
es dann, eine Schlichtung herbeizuführen. Dann
wird der Ablauf eines Schlichtungsverfahrens
geschildert. Abschließend folgt dann nochmals
ein Aufruf, den Schiedsmann als Stellvertreter
für fünf Jahre zu unterstützen. Rafael Behrnd
sei im Übrigen vor fünf Jahren durch seine Frau
zu diesem Ehrenamt ermutigt worden.
Mit »Dackelstreit und Stasiverdacht« hätten sich
Apoldas Schiedsfrauen Annelotte Heilek, Anneliese Dornheim und Mandy Wolf zu beschäftigen, so die
Apoldaer Allgemeine.
Apoldas Schiedsfrauen lägen bei der Zahl der
Verhandlungen in Thüringen an der Spitze, bestätigte die Thüringer BDS-Landesvorsitzende
Sylvia Biereigel. Dabei gehöre der Nachbarschaftsstreit zu den beliebtesten Ärgernissen.
Mal sei eine Hecke zu hoch, mal falsch geschnitten und mal solle sie ganz verschwinden.
Wenn dann der eine Nachbar auf seiner Seite
zur Schere greife, der andere es aber bleiben
lasse, könne es auch bei der Hecke zum »Stufenschnitt« kommen. Nicht immer sei natürlich
eine Einigung möglich, aber in acht von neun
Fällen hätten die drei Schiedsfrauen Erfolg. Zunächst käme das sog. »Tür- und Angelgeschäft«.
Dabei werde zunächst im Vorfeld eine gütliche
Einigung versucht. Erst wenn dies nicht gelänge, würde ein offizielles Schlichtungsverfahren
durchgeführt. Auch in Apolda sei so mancher
Fall »generationenübergreifend« und dann nur
noch schwierig zu vergleichen. Apoldas dienstälteste Schiedsfrau Anneliese Dornheim sei seit
1990 dabei und könne so manche Geschichte
erzählen. So auch z.B. die von einem genervten
Grundstückseigentümer, der sich von permanent auf seinen Boden fallenden Nadeln und
Blättern gestört fühlte. Durch eine Ortsbesichtigung habe Anneliese Dornheim dann herausgefunden, dass der Antragsteller selbst jede Menge
Bäume auf seinem Grundstück stehen hatte und
sich nicht feststellen ließ, »was von wem war«.
In einer anschließenden Glosse rätselt der Redakteur darüber, ob (wegen der hohen Fallzahl)
die Apoldaer besonders streitlustig seien und
manches einfach nur sehr genau nähmen. Er
kommt jedenfalls zu dem Fazit, dass sie wohl
eher darauf aus seien, größeren Streit zu vermeiden und deshalb mit Hilfe einer Schiedsperson eine gütliche Einigung versuchten, die zudem noch preiswerter sei, als ein Gang vor
Gericht. Und das spräche doch für die Cleverness der Apoldaer.
Über die Änderung des schleswig-holsteinischen
Schlichtungsgesetzes informiert auch die
Hausbesitzer-Zeitung
und weist ausführlich auf die eingetretenen Veränderungen hin, wie z.B. den Wegfall der vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus dem obligatorischen Zuständigkeitskatalog der Schiedspersonen.
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BDS-Nachrichten
In Königslutter seien kürzlich zwei neue Schiedspersonen in ihr Amt eingeführt worden, so berichtet der
Helmstedter Blitz
und stellt heraus, dass »Schlichten statt Richten« eine Kompromissfähigkeit bei den Parteien
voraussetze. Irene Maatsch und Reinhard Tost
würden ab sofort in Königslutter als Schiedspersonen versuchen, Streitigkeiten zwischen
zwei Parteien auf gütlichem Wege zu erledigen.
»Die Schiedspersonen sind ein Organ, das eine
segensreiche Tätigkeit ausübt, aber eigentlich
viel zu wenig Beachtung findet«, so Bürgermeister Ottomar Lippelt, der den beiden neu
Gewählten bereits im Voraus für ihren Einsatz
danke. Der Geschäftsführer der Bezirksvereinigung Braunschweig Willi Bauck weist darauf
hin, dass die Parteien selbst eine Einigung finden müssten. Die Schiedsperson sei ausschließlich Vermittler. Auch die genaue Höhe der anfallenden Kosten eines Schlichtungsverfahrens
wird zur besseren Vergleichbarkeit mit evtl. Gerichtskosten noch mitgeteilt.
Die
Pinneberger Zeitung
stellt einen pensionierten Polizisten und einen
Ex-Soldaten vor, die bereits seit zwei Jahren als
Schiedspersonen arbeiteten. Wenn der Nachbar
einen »blinkenden und hampelnden Weihnachtsmann« aufstelle, der »dank unermüdlicher Batterien auch noch in kurzen Abständen
›Merry christmas‹ brüllt«, dann sei deren guter
Rat gefragt. Die beiden Pinneberger Schiedsmänner Walter Nowak und Karl-Heinz Jennerich
könnten dann mit ihrem Einsatz ein Gerichtsverfahren überflüssig machen. Die klärenden
Gespräche zwischen den Kontrahenten könnten
bis zu vier Stunden dauern und endeten häufig
mit der Feststellung: »Eigentlich hätten wir Sie
nicht gebraucht, aber wir waren uns so in die
Haare geraten.« Im Unterschied zu einem Gerichtsverfahren seien es bei der Schiedsperson
die Streitparteien, die ihre Einigung beschließen
würden. Die Art der Vergleiche sei mitunter etwas »kurios«: So wurde versprochen, einer ängstlichen Nachbarin ein jährliches Gutachten über
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die Standfestigkeit eines Baumes vorzulegen
und ein krähender Hahn erhielt auch schon
einmal »Schuppenarrest« bis zum Vormittag. In einem gesonderten Info-Kasten wird der Leser dann
noch über die sachliche Zuständigkeit, das Schlichtungsverfahren und die Kosten hierfür informiert. Es fehlt auch nicht der Hinweis auf die
Sprechstunden der beiden Pinneberger Schiedsmänner, so dass zu den bisher geschlichteten
50 Fällen sicher noch weitere hinzukommen.
Das
Quickborner Tageblatt
widmet der Arbeit der beiden vorgenannten
Schiedspersonen sogar eine ganze Seite. Aufhänger war auch hier der mannshohe Weihnachtsmann im Nachbargarten, der in regelmäßigen Abständen laut »Merry Christmas« rufe.
Dies habe zwar die Kinder erfreut, den Älteren
aber die Festtage verdorben. Da eine Einigung
über den Gartenzaun nicht möglich gewesen
sei, habe man den Schiedsmann Walter Nowak
eingeschaltet, der per Vergleich für eine erhebliche Reduzierung der Lärmbelästigung sorgen
konnte. »Schlichtung ist immer besser als ein
Gerichtsprozess«, so Schiedsfrau Ilona Fitschen
aus Wedel, zugleich Landesvorsitzende des BDS
in Schleswig-Holstein. Die Erfolgsquote der Arbeit der Streitschlichter läge bei etwa 73 Prozent. Im Anschluss werden anhand von mehreren »Fällen aus der Praxis« die sachlichen
Zuständigkeiten sowie die zahlreichen Vorteile
einer vorgerichtlichen Streitschlichtung durch
Schiedsmänner und Schiedsfrauen aufgezählt.
Der Schiedsmann-Stellvertreter Detlef Mertelsmann könne sogar über einen Nachbarschaftsstreit berichten, der »im Jahr 2004 beigelegt
werden konnte und bereits seit 1939 lief.«
Lysann Mardorf, Richterin am Landgericht Itzehoe, sei der Auffassung, dass »die Entlastung
des Gerichts für uns nicht das Wichtigste ist.
Interessanter ist, dass die sehr erfolgreichen
Schiedspersonen einen wichtigen Beitrag zur
Rechtskultur leisten.« Denn anders als ein Gerichtsverfahren, das sich über viele Monate hinziehen könne, sei ein Schlichtungsverfahren oft
innerhalb von Tagen oder Wochen beendet.
Und dies bedeute für die Streitparteien: »Weniger Stress, mehr Geld im Portemonnaie und
kostbare Lebenszeit gespart.«
SchAZtg · 80. Jg. 2009 · H6
»Der Besuch beim Schiedsamt spart oft bares
Geld«, so der
Otzberg Bote.
In einer Pressemitteilung der Gemeinde Otzberg wurde darauf hingewiesen, dass die
Schiedspersonen schon im Vorfeld zwischen
den Streithähnen vermitteln könnten. So könne der Gang zum Gericht verhindert werden.
Oft entstehe der Streit dadurch, dass die Menschen mehr übereinander als miteinander
sprächen. Die anschließende Aufzählung der
sachlichen Zuständigkeiten wird mit interessanten Fallbeispielen anschaulich und verständlich gemacht. Für Fragen stehe der für
Otzberg zuständige Schiedsmann Werner Müller gerne zur Verfügung.
Anlass für den langen Artikel war die Verabschiedung des seit sieben Jahren als stellvertretender Schiedsmann tätigen Ewald Pons im
Rathaus Lengenfeld. Bürgermeister Karl Ohlemüller habe ihm in Anwesenheit der beiden
Schiedsmänner Werner Müller und Jürgen Parg
offiziell und unter Überreichung eines kleinen
Abschiedsgeschenkes gedankt und aus dem
Ehrenamt verabschiedet. Ewald Pons habe bei
dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, dass es
erfreulicherweise in Otzberg nicht viele Streitfälle gegeben habe. Und die wenigen habe man
alle positiv erledigen können.
Auf »friedliches Landleben und offene Ohren«,
weist die
Dithmarscher Landeszeitung
hin. Anlass zu dem Bericht war ein Beschluss
der Mitglieder des Amtsausschusses BüsumWesselburen, wonach es künftig einen gemeinsamen Schiedsamtsbezirk für das neue Amt
gebe. Schiedsmänner seien zukünftig der Büsumer Günther Elbeshausen sowie der ehemalige Gemeindevertreter Ingo Jonas aus Wesselburen. Deren Amtsvorgänger Peter Natius mache
allerdings keine Hoffnung auf viel Arbeit, da er
in den vergangenen fünf Jahren nur einen einzigen Fall zu bearbeiten hatte. Im ländlichen
Raum gelte »noch das offene Wort« und man
habe keine Maschendrahtzäune.
»Wenn der Apfel gegessen und der Goldfisch
gefressen« ist, komme der Schiedsmann Harald
Lill aus Klein Offenseth-Sparrieshoop zum Einsatz, so das
Bauernblatt/Land und Leute.
Harald Lill und weitere ca. 500 Schiedspersonen
in Schleswig-Holstein seien »eine Art letzte Bastion für die ohnehin schon überlasteten Amtsgerichte und zudem für viele Streithähne die
letzte Chance, friedlich und vor allem kostengünstig einen Ausweg zu finden.« Und der Erfolg könne sich sehen lassen. Wichtig sei es dabei, so Schiedsmann Lill, dass keine Partei als
Verlierer dastehe. Ärger und Probleme solle man
nicht vor sich herschieben, da sich sonst zu viel
aufstaue. Dann sei eine Lösung des Problems
oft schwierig. Es folgt dann eine ausführliche
Information über den Ablauf des Schlichtungsverfahrens, die Kostenhöhe und der Hinweis,
dass Schiedspersonen keine Rechtsauskünfte
geben dürften.
Über einen zweitätigen »Einführungskurs für
angehende Schiedsleute« in Wetzlar berichtet
ausführlich die
Wetzlarer Neue Zeitung.
Zu Wort kommt dabei auch der hessische Landesvorsitzende Manfred Schneider, der als Organisator des Lehrgangs viel von seiner 40jährigen Erfahrung als Schiedsmann an die
neuen Kollegen weitergeben könne. Oberbürgermeister Wolfram Dette habe in seiner Begrüßung festgestellt, dass die Stadt Wetzlar
eine traditionsreiche Geschichte in Sachen Gerichtsbarkeit nachweisen könne, denn hier habe
das Reichskammergericht von 1689 bis 1806
seinen Sitz gehabt. Sogar Johann Wolfgang von
Goethe habe hier 1772 als Praktikant seine juristischen Kenntnisse erweitert. Für die ehrenamtliche Tätigkeit brauche man neben »gewissen Rechtskenntnissen auch psychologisches
Einfühlungsvermögen«, so Wolfram Dette weiter. Für die juristischen Grundkenntnisse sorge
bei diesem Seminar der stellv. DirAG Wetzlar Dr.
Achim Lauber-Nöll. Es folgen detaillierte Aufzählungen der sachlichen Zuständigkeiten im
Straf- und Zivilrecht, die von ca. 700 Schieds-
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BDS-Nachrichten
personen in Hessen bearbeitet würden. Dank
der guten Schulung durch den BDS könne man
eine Erfolgsquote von 57 Prozent erreichen.
»Schlichten mit Fingerspitzengefühl« sei erforderlich, wenn in Wendeburg Streit entbrenne,
titelt die
Peiner Allgemeine Zeitung.
Die Amtszeit des seit 20 Jahren in der Gemeinde als Schiedsmann tätigen Gerhard Klingenberg laufe jetzt ab. Er wolle aber, ebenso wie
sein Meerdorfer Stellvertreter Jürgen Pollmann,
weitermachen, da er »gern ehrenamtlich tätig
ist«, und das Schiedsamt eine »interessante
Aufgabe und jedes Mal eine kleine Herausforderung« sei. Bei seinem Amtsantritt sei er »ins
kalte Wasser gestoßen« worden. Er habe von
Anfang an Verhandlungen und Schlichtungen
durchführen müssen. Heute sei er abgeklärter,
denn »die Routine spielt eine wichtige Rolle«. In
Anspruch genommen wird er meist wegen
Nachbarschaftsstreitigkeiten, wie z.B. Überwuchs,
Lärm und Rauch. Aber auch Beleidigungen und
Schulden könnten bei ihm verhandelt werden
sowie Delikte wie Körperverletzung und Sachbeschädigung. Im Vorfeld frage er immer erst
die Parteien, ob sie schon miteinander gesprochen hätten. Wenn die Sache vor den Schiedsmann komme, sei es mitunter schwieriger, eine
Einigung zu erreichen. Gerhard Klingenberg
betont, dass es nicht seine Aufgabe sei, über
den Konflikt zu urteilen, sondern er wolle gemeinsam mit den Parteien eine Einigung finden.
»Sie muss so sein, dass beide damit leben können. Aber hier kennt jeder jeden, und es gibt
nur wenig Streitigkeiten«. So habe er jährlich
etwa drei bis fünf Fälle zu bearbeiten.
Zu guter Letzt
soll hier auch einmal der französische Philosoph Voltaire (1694–1778) zu Wort kommen, der der
Meinung war: »Ein langer Streit beweist, dass beide Seiten Unrecht haben.«
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