Stereo-3D in der Medienproduktion - Liebe Surferin, lieber Surfer

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Stereo-3D in der Medienproduktion - Liebe Surferin, lieber Surfer
Inhalt
Editorial
1
Stereo-3D in der Medienproduktion - Einordnung in das CTO-Modell
von Mara Seupel und Yvonne Thomas
2
Die Öffnung des Bildraums: Zur ästhetischen Erweiterung des 3D-Kinos von Lisa Gotto
8
Perspektiven zur Anwendung der Binauralsynthese in der Medienproduktion
von Florian Klein und Stephan Werner
12
Untersuchung zur Montage in S3D-Filmen
von Benjamin Hauser
15
Stereo-3D in der Lehre
Ein Interview mit Detlev Mohr und Frank Hofmeyer
von Mara Seupel und Jennifer Raab
21
Holger Tauer (2010): „Stereo-3D“
Eine Buchbesprechung
von Paul Klimsa
23
Max Hemo (2012): „s3D Now! A Stereoscopic Experiment for Film and TV“
Eine Buchbesprechung
von Paul Klimsa
24
Impressum
25
I
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
seit 1838 beschäftigen sich Forscher und Forscherinnen mit dem stereoskopischen Sehen im Bereich Foto und Film. Erst mit der Digitalisierung wurde der Grundstein für die Produktion stereoskopischer Filme gelegt. Neue Technologien und Arbeitsweisen erlauben einen immer besseren Workflow, der sich von konventionellen Filmproduktionen unterscheidet. Sowohl technisch
als auch gestalterisch sind neue Herangehensweisen gefordert. Die Erkenntnisse von Stereo3D (S3D) in der Medienproduktion soll als Schwerpunkt in dieser Ausgabe behandelt werden.
Der erste Beitrag beschäftigt sich inhaltlich mit dem Modell Content – Technik – Organisation, das an
der Technischen Universität Ilmenau entwickelt wurde. Mara Seupel und Yvonne Thomas erörtern die
Produktionsschritte von S3D anhand des Modells.
Einen künstlerischen Zugang gewährt Lisa Gotto, die auf die Gestaltung von stereoskopischen Filmen
eingeht.
Florian Klein und Stephan Werner beschreiben in ihrem Beitrag die Perspektiven zur Anwendung der
Binauralsynthese in der Medienproduktion und gehen damit auf die Entwicklung im Audiobereich ein.
Dass Stereo-3D schon längst die Universitäten und deren Forscher erreicht hat, zeigt sich in der
Kurzfassung der Abschlussarbeit von Benjamin Hauser. Mittels empirischer Studie untersucht er die
Montage in S3D-Realfilmen.
Darüber hinaus führten wir ein Interview mit Detlev Mohr und Frank Hofmeyer zu ihrer Praxiswerkstatt
Stereo-3D-Produktion an der TU Ilmenau. Die Ausgabe wird mit zwei Buchrezensionen abgerundet.
Wir wünschen Ihnen viel Freude mit der aktuellen Ausgabe unserer Zeitschrift Medienproduktion.
Mara Seupel
1 Medienproduktion - Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Stereo-3D in der Medienproduktion Einordnung in das CTO-Modell
von Mara Seupel und Yvonne Thomas
1. Einleitung
Fast 60 Jahre hat es gedauert, bis sich Stereo-3D-Filme
in den Kinos und auch am heimischen Fernseher etablieren konnten [1, 2, 3]. Die Anfänge der Stereoskopie
gab es allerdings bereits 1838, als Charles Wheatstone
das erste Stereoskop baute [4]. In den 50er und 80er
Jahren des 20. Jahrhunderts gab es regelrechte 3DBooms, die allerdings schnell wieder abflachten. Der
Grund dafür lag in der schlechten Umsetzung der Filme.
Erst mit der Digitalisierung und somit auch der technischen Weiterentwicklung gewann Stereo-3D (S3D) an
neuem Interesse. Heute ist S3D ein ernst zu nehmender Konkurrent zum herkömmlichen Film. Aus der Sensation des 3D-Filmes ist Normalität geworden, die Spaß
machen soll. Allerdings gibt es nach wie vor Zuschauer,
die Probleme beim Betrachten von S3D-Filmen haben.
Augenschmerzen, Müdigkeit, Kopfschmerzen oder sogar Übelkeit sind in den meisten Fällen durch schlecht
produziertes Material bedingt [3], [5]. Daneben gibt es
außerdem auch etwa 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung,
die kein Stereo-3D sehen können [3], [5].
Um einen möglichst fehlerfreien S3D-Film zu erzeugen,
sind viele Schritte während des Produktionsprozesses
zu beachten. Diese unterscheiden sich zum Teil stark
von konventionellen Produktionsprozessen, lassen sich
aber dennoch in das CTO-Modell (Content, Technik, Organisation) nach Klimsa und Krömer eingeordnet.
2. Grundlagen der Stereoskopie
Die räumliche Wahrnehmung ist für den Menschen
selbstverständlich. Diese unbewusste Fähigkeit, wird
umso interessanter, wenn man berücksichtigt, dass das
Netzhautbild eine zweidimensionale Projektion der Realität ist. Es stellt sich also die Frage, welche Faktoren
zu einer räumlichen Wahrnehmung beitragen. Bei der
Verarbeitung der vielen Informationen zum räumlichen
Sehen werden sogenannte Tiefenhinweise genutzt. Zu
unterscheiden sind dabei monokulare (einäugige) und
binokulare (zweiäugige) Tiefeninformationen sowie die
okulomotorischen Tiefenhinweise (die Stellung der Augen und die Spannung der Augenmuskeln). Das dreidimensional Bild wird dann anhand dieser Tiefeninformationen im Gehirn zusammengesetzt.
Während beim Fokussieren naher Objekte die sogenannte Akkommodation die Form der Linse verändert,
bewirkt die Konvergenz eine Bewegung der Augen zu
einander. Eine Spannung der Linse wird vom Gehirn als
Nähe und eine Entspannung als Tiefe interpretiert und
bilden somit die okulomotorischen Tiefeninformationen.
Räumliches Sehen ist für den Menschen eine wichtige Fähigkeit, um sich im Raum orientieren zu können.
Unser räumliches Sehen ist auf ca. 50 m Entfernung
begrenzt, da dies unseren Handlungsraum bildet. Die
wichtigsten monokularen Faktoren, die uns ein räumliches Verständnis der Umgebung bieten sind beispielsweise die gewohnte Größe, Verdeckungen oder auch
Licht und Schatten.
Daneben gibt es binokulare Tiefeninformationen, die
nur im exakten Zusammenspiel beider Augen zustande
kommen [6]:
• Querdisparation
Die Querdisparation, auch als horizontale Disparität bezeichnet, ist der Unterschied der beiden Netzhautbilder.
Da unsere Augen durchschnittlich etwa 65 mm auseinander liegen und somit unterschiedliche Perspektiven
einnehmen, entsteht in jedem Auge ein anderes Netzhautbild. Aus dem Abstand der Bilder kann das Gehirn
relative Entfernungen berechnen. Ist die Querdisparation gleich Null, so liegt der dort abgebildete Gegenstand
auf der Ebene, die das Auge fixiert hat.
• Parallaxe
Die Parallaxe (aus dem Griechischen für Veränderung)
beschreibt die relative Position eines Objektes innerhalb der beiden Stereo-Teilbilder, relativ zum Betrachter, also den ganzheitlichen horizontalen Versatz der
beiden Bilder. Bildlich ließe sich die Parallaxe durch
eine Art Bewegungsvektor darstellen, dessen Größe
und Richtung einen Wert der Änderung beschreibt.
Die Parallaxe wächst mit zunehmender Wiedergabegröße und so sollte schon bei der Aufnahme und Nachbearbeitung bedacht werden, wie die Aufnahmen später wiedergegeben werden sollen.
Abbildung 1: positive Parallaxe (links), negative
Parallaxe (Mitte), Null-Parallaxe (rechts) [6]
2
• Stereobasis
Unter der Stereobasis versteht man den Abstand der
beiden Kameras bzw. den internen Abstand der Objektive der Stereokamera. In der Biologie ist die Stereobasis
das Pendant zu dem Augenabstand. Durch die Stereobasis wird unter anderem festgelegt wo Nah- und Fernpunkt sind (siehe dazu Querdisparation) und welchen
Tiefeneindruck man erhält.
3. Anwendung auf das CTO-Modell
Content, Technik und Organisation sind die zentralen
Begriffe des CTO-Modells nach Klimsa und Krömker,
welches die Zusammenhänge der Medienproduktionsprozesse beschreibt. Der Content beschreibt dabei den
Inhalt des Medienproduktes, die Technik, die „Werkzeuge“, welche für die Produktion notwendig sind und Organisation die „Ausgestaltung der Produktionsprozesse“ [7]. Zudem gibt es von Außen einwirkenden Faktoren - Rechtssystem, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft
- welche in diesem Artikel nicht weiter berücksichtigt
werden.
Die Produktionsschritte gliedern sich in Preproduktion,
Produktion, Postproduktion und Distribution. Innerhalb
der einzelnen Schritte werden Content und Technik organisatorisch miteinander verknüpft [8].
Im Folgenden sollen die drei Elemente Content, Technik und Organisation in Bezug auf die stereoskopische
Realfilmproduktion erläutert werden. Dabei wird auch
auf die Produktionsschritte eingegangen.
3.1 Content
Der Content kann als „qualifizierter Inhalt der Medien,
mit anderen Worten (...) als inhaltliche Zusammensetzung medialer Produkte“ [8] verstanden werden. Er
stellt die Grundlage von Medienprodukten dar und kann
jegliche Art von Ton- oder Bildinformation sein.
Ein S3D-Film setzt die Inszenierung von Tiefe voraus,
so dass der Zuschauer die Möglichkeit hat, den kreierten Raum mit den Augen zu erkunden. Der erste Schritt
in der Preproduktion ist das Erstellen eines Drehbuchs
und die Visualisierung der Szenen in einem Storyboard.
Neu hinzu kommt das sogenannte Tiefenskript.
Dieses erweitert das Storyboard um eine Dimension
und dient zur Darstellung der Tiefe innerhalb des Filmes.
Wichtig ist ein solches Tiefenskript, um Sprünge unterschiedlicher Tiefen zu vermeiden. Beispielsweise der
Sprung von einem Objekt hinter der Leinwand zu einem
Objekt vor der Leinwand. Dabei würde der Zuschauer
für einige Sekunden die 3D Wahrnehmung verlieren
und müsste den neuen Punkt auf der Wiedergabeebene (Konvergenzpunkt) erst wieder finden. Mit Hilfe
eines Tiefenskripts wird der Verlauf der Tiefe in Abhängigkeit der Zeit beschrieben. Die Darstellung kann als
Diagramm oder Text erfolgen.
Für die Planung der Tiefe müssen bereits in der Preproduktion folgende Parameter bestimmt werden: Stereobasis, Brennweite und Entfernung für Nah- und Fernpunkt. In der Regel werden Fix-Brennweiten verwendet,
da eine identische Anpassung variabler Brennweiten
kaum zu realisieren ist.
Die Stereobasis ist der Abstand der optischen Achsen
der Objektive und definiert je nach Breite die abzubildende Tiefe. Bei Aufnahmen mit Landschaften und einer sehr weiten Tiefe muss eine große Basis gewählt
werden, die Kameraobjektive sind entsprechend weiter auseinander. Nahaufnahmen mit einer geringeren
Tiefe verlangen dagegen eine sehr kleine Basis. Die
Stereobasis kann während der Aufnahme dynamisch
verändert werden. Beispielsweise muss sich während
der Bewegung der Kamera von einer Totalen in eine
Nahaufnahme die Basis dynamisch verkleinern. Eine
solche Änderung kann nur mit entsprechenden Kamera-Rigs mit Feinmechanismus vorgenommen werden. In der Nachbearbeitung kann die Stereobasis nur
noch mit sehr viel Aufwand korrigiert werden [10], [11].
Ist die Stereobasis zu groß gewählt worden, kann der
3D-Effekt zu stark werden. Objekte im Nahbereich sind
dann zu nah und während Objekte im Fernbereich zu
weit entfernt sind [8]. Hier ist eine Zusammenführung
der zwei Bilder für den Betrachter sehr schwierig. Ist die
Stereobasis sowie die Distanz von Nahpunkt und Fernpunkt zu klein gewählt worden, kann der Stereoeffekt
Abbildung 2: Komplexes Tiefenskript [9]
3 Medienproduktion - Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
zu schwach und die Szene dadurch flach wirken.
Ein weiterer Punkt, der bereits in der Preproduktion beachtet werden muss, sind Objekte die von den Bildrändern beschnitten werden. Ein Objekt, das vor der Leinwand liegt darf die Bildränder nicht berühren. Ist dies
doch der Fall, liegt eine Rahmenverletzung vor.
Etwa 30 Prozent der Zuschauer werden dadurch in der
Wahrnehmung des 3D-Eindrucks gestört [1]. Dieser
Konflikt wird meist von den Zuschauern gelöst, indem
sie das angeschnittene Objekt auf die Bildschirmebene
setzen und die komplette Szene nach hinten verschoben wird. Rahmenverletzungen lassen sich durch die
sogenannte Floating Window Technik (Schwebefenster) korrigieren. Durch Maskieren der Bildkanten lässt
sich das Scheinfenster1 bewegen und wird dadurch zu
einem Schwebefenster. Der Einsatz von Schwebefenstern sollte nicht im ganzen Video erfolgen. Dann würden sie für den Betrachter sichtbar werden.
Bei der Produktion wird der Inhalt des Medienproduktes
aufgezeichnet. Die Aufnahme erfolgt bei S3D mit zwei
Kameras, die entweder parallel oder konvergent angeordnet sind. Dieser Artikel bezieht sich im Weiteren auf
die parallele Stellung der Kameras (siehe 3.2 Technik).
In der Postproduktion erfolgt die Materialbearbeitung.
Der produzierte Content wird geschnitten, digital bearbeitet, vertont, etc. Auch bei der Nachbearbeitung von
stereoskopischem Material gelten neue Herangehensweisen. Für eine problemlose Betrachtung, müssen die
Teilbilder neben der zeitlichen Synchronität hinsichtlich
ihrer Aufnahmeparameter, wie Fokus, Helligkeit, Farbe,
Kontrast und Geometrie gleich sein. Die Anpassung
wird in der Teilbildausrichtung vorgenommen, wo zudem der Konvergenzpunkt einer Szene festgelegt wird.
Der Konvergenzpunkt ist der Punkt, wo die Objekte auf
der Bildschirmebene liegen und somit die zwei Teilbilder
keinen Versatz aufweisen. Die Teilbildausrichtung lässt
sich also in zwei Schritte unterteilen: Stereo Sweetening und Depth Grading [2].
Das Stereo Sweetening umfasst das Angleichen der
Teilbilder. Diese Korrektur dient dazu, dass die Teilbilder möglichst identisch sind, abgesehen von der horizontalen Verschiebung.
Mit dem Depth Grading wird der Konvergenzpunkt angepasst, d.h. die Lage der Wiedergabeebene festgelegt [4]. Dies geschieht durch eine Verschiebung der
Teilbilder in horizontaler Richtung, auch HIT (horizontal
image translation) genannt. Die Festlegung des Konvergenzpunktes erfolgt bereits in der Preproduktion respektive Produktion. Durch die Aufnahme mit parallelen
Kameras befindet sich der Fernpunkt zunächst im Unendlichen und muss durch Verschiebung der Teilbilder
angepasst werden.
Abbildung 3a: Bild vor der Verschiebung
Abbildung 3b: Bild nach der Verschiebung
An der Stelle, wo die Referenzpunkte der Teilbilder
übereinstimmen, befindet sich die Wiedergabeebene.
Üblicherweise wird der gesamte Bildbereich verschoben. Es können aber auch Stellen maskiert und verschoben werden. Dann spricht man von einer nichtlinearen Verschiebung.
Im letzten Schritt erfolgt die Distribution des Content
über entsprechende Kanäle (Kino, Fernsehen, Blu-ray
3D). Näheres dazu siehe 3.2 Technik.
3.2 Technik
Wie in 3.1 beschrieben, müssen für die Aufnahme die
Stereoparameter bestimmt und die Kameras ausgerichtet werden. Das Monitoring zur Überprüfung sollte über
ein möglichst großes 3D-Display am Set erfolgen, um
sowohl die Schärfe und Tiefe der Bilder als auch die
möglichen geometrischen und fotometrischen Unterschiede ausreichend kontrollieren zu können.
Für die Korrektur von geometrischen Unterschieden,
wird als erstes das Stativ in angemessener Entfernung
vor einer Testtafel aufgestellt, dabei sollte es absolut
1 Ein Scheinfenster ist das imaginäre Fenster, durch das der Zuschauer bei S3D-Filmen scheinbar hindurch sieht. In der Regel liegt
dieses auf der Wiedergabeebene, der sogenannten Nullebene.
4
parallel zum Boden stehen. Die Wasserwaage ist ein
einfaches Hilfsmittel zur Ausrichtung von Stativ und
Rig. Legt man die beiden Signale der Kameras auf einen Monitor mit halbtransparenter Darstellung, können
geometrische Unterschiede über die Testtafel erkannt
werden. Auch in Bezug auf Helligkeit, Kontrast und
Farbwerte müssen die Stereobilder möglichst identisch
sein. Der Abgleich der Kameras muss vor der Aufnahme erfolgen, da eine Korrektur in der Postproduktion
sehr aufwändig ist.
Bei professionellen Filmproduktionen werden KameraRigs, speziell für den 3D-Bereich, eingesetzt. Sie ermöglichen eine optimale Ausrichtung der beiden Kameras, z.B. die identische Einstellung der Brennweite
und der Blende [12]. Spezielle Analysesysteme werden
entwickelt und bieten dem Nutzer die Möglichkeit, die
wichtigsten Stereoparameter zu kontrollieren und zu optimieren. Ein Beispiel für mittlerweile zahlreiche Produktionstools ist der Stereoscopic Analyzer (STAN). Er ist
eine Entwicklung des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts (HHI) in Zusammenarbeit mit der KUK Filmproduktion GmbH und dient als Assistenzsystem für Stereoproduktionen [13]. Durch den Einsatz des STAN ergibt
sich ein zeit- und arbeitssparender Produktionsprozess.
Müssen im Normalfall Nah- und Fernpunkt aufwändig
berechnet werden, nutzt der STAN eine automatische
Szenenanalyse. Regelverletzungen wie ungenügender
Farbabgleich oder geometrische Differenzen werden
automatisch erkannt. Zudem werden Metadaten aufgezeichnet, die Aufschluss über Geometrieverzerrungen,
Kamerageometrie oder Farbunterschiede geben.
Abbildung 4: Stereoscopic Analyzer [16]
Diese Metadaten sind für die Postproduktion von Nutzen und beschleunigen auch hier den Arbeitsprozess.
Um die in 3.1 beschriebenen Schritte der S3D-Postproduktion vornehmen zu können, bieten professionelle
Schnittprogramme, wie beispielsweise AVID, bereits
spezielle S3D-Workflows an. Aufgrund der doppelten
Datenmenge wird in der Postproduktion ein leistungsstarkes System zum Bearbeiten und zum Abspielen in
Echtzeit benötigt. Ein Vorschaumonitor mit 3D Funktion
ist unabdingbar für die Kontrolle des Materials.
Bei der Wiedergabe im Kino oder auf dem Fernseher
müssen die Teilbilder dem entsprechenden Auge zugeführt werden. Dabei wird in der Regel eines der zwei
Systeme genutzt: Shutter- oder Polarisations-System.
Beide Systeme setzen die Verwendung einer entsprechenden Brille voraus.
Die Shutter-Brille sorgt dafür, dass durch Abdunklung
des rechten bzw. linken Glases jedes Auge nur das für
sich bestimmte Teilbild sehen kann. Die Abdunklung erfolgt im Rhythmus der Bildwiederholfrequenz. Die Synchronisation der Shutter-Brille mit dem Wiedergabegerät erfolgt in der Regel über Infrarot bzw. Funk.
Beim Polarisationsverfahren werden die Projektoren
und Brillen mit Polarisationsfiltern ausgestattet. Die Teilbilder werden jeweils mit entgegensetzt polarisiertem
Licht dem linken und rechten Auge zugeführt.
Eine noch nicht ausgereifte Alternative zu diesen zwei
Techniken sind Autostereoskopische Displays, die keine Brille bei der Betrachtung benötigen. Dabei ist zurzeit allerdings nur eine geringe Anzahl an Betrachtern
aus einem bestimmten Betrachtungswinkel möglich.
Die Blu-ray 3D hat sich als Format für Heimkinos als
Standard durchgesetzt. Als Codec wird der Multiview
Video Codec (MVC) verwendet, der von allen Blu-ray
Playern unterstützt wird. Dieser ist eine Weiterentwicklung des Advanced Video Codec (AVC) und bietet dem
Zuschauer die Möglichkeit einer 2D-Version und einer
3D-Version des Filmes. Um Full HD Auflösung zu erreichen, erfolgt die Ausstrahlung der Teilbilder mit jeweils
1920x1080 Pixeln. Der MVC hat zusätzlich die Funktion, Untertitel und Pop-up Menüs darzustellen, die
sich auf der vordersten Ebene befinden müssen. Für
das Abspielen einer Blu-ray 3D wird ein entsprechender Player benötigt, z.B. 3D fähige Blu-ray Player oder
Spielekonsolen.
3DTV-Kanäle im Broadcastbereich sind bislang noch
die Ausnahme. Nachdem Sky Deutschland 2010 den
ersten 3D-Kanal in Deutschland und Österreich zur Verfügung stellte, folgte auch ASTRA mit seinem 3D Kanal.
Für den Empfang zu Hause sind ein 3D-fähiger Fernseher sowie ein HD-Receiver nötig. Die Teilbilder werden
in der Regel im side-by-side Verfahren, also nebeneinander und horizontal gestaucht, übertragen [14]. Bei
dieser sogenannten Frame-kompatiblen Übertragung
(Phase 1) wird das Signal über den Receiver an das
3D-Display geleitet. Dort wird dann die dreidimensionale Darstellung erzeugt.
5 Medienproduktion - Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
3.3 Organisation
Wie in 3.1 beschrieben, wird in der Vorbereitung (Preproduktion) ein Tiefenskript angefertigt. Dazu ist es
sinnvoll einen Stereoscopic Supervisor oder Stereographen zu engagieren, der zusammen mit dem Regisseur
bestimmt, wie die stereoskopischen Effekte dramaturgisch eingesetzt werden. Dieser begleitet das Projekt
meist bis hin zur Postproduktion und übt eine beratende
Rolle aus. Der Stereograph ist auch für die Einstellung
der Stereoparameter am Set verantwortlich.
Zur zeitlichen Organisation werden wie bei konventionellen Filmproduktionen Ablaufpläne verwendet.
sich die Elemente Content, Technik und Organisation
gegenseitig und bilden eine Einheit.
Noch mehr muss bereits in der Produktion die Zielapplikation bekannt sein, da z.B. für Kino und TV mit verschiedenen Parallaxen produziert werden muss. Grundsätzlich ist eine Stereo-3D Produktion aufweniger als
eine 2D Produktion. Inzwischen sind S3D-Technik und
die Erfahrungen mit der digitalen Technik allerdings so
ausgereift, dass es kaum noch einen Zeitverlust in einer
3D Produktion gibt. Lediglich die Post-Produktion wird
verkompliziert, da beide Teilbilder in Farbe, Helligkeit
etc. genau identisch sein und die Parallaxen angepasst
werden müssen.
Inzwischen ist die 3D-Welle im Heimkino stark gefallen
und S3D lebt vorwiegend in Kinosäälen weiter. Dies ist
auf mangelnden Content und teilweise ungenügende
Qualität für den Konsumenten zurückzuführen. Mit UHDTV (Ultra High Definition Television) besteht jedoch
Hoffnung, dass höher-auflösende Displays als Multiview Displays genutzt werden können und damit die
Qualität auch ohne 3D-Brille zufriedenstellend ist.
Abbildung 5: Verbindung der einzelnen Posten in der
Preproduktion [15]
Durch S3D-Animationen kann es durch die doppelte
Bildberechnung zu einer längeren Postproduktionsphase kommen. Auch die Bildüberprüfung mittels 3DBrillen spielt hier eine Rolle. Die zeitliche Verlängerung
ist mit Zusatzkosten verbunden. Ebenso fallen bei der
Organisation des entsprechenden Personals sowie bei
der Aufwertung von technischen Systemen bei der Produktion und in der Postproduktion Zusatzkosten an. Es
werden Systeme mit hoher Rechenkapazität benötigt,
um die Verarbeitung von zwei Videospuren zu ermöglichen.
Die ständige Überprüfung des Materials fordert sowohl Zeit als auch technische Erweiterungen wie 3DVorschaumonitore. Es ist zudem nicht unüblich, den
fertigen Film in Bezug auf die richtige Einstellung der
Konvergenz im Kino zu testen.
4. Fazit
Die Verknüpfung von Content, Technik und Organisation im Medienproduktionsprozess wird auch bei der
Produktion von stereoskopischen Realfilmen deutlich.
Auch die vier Produktionsschritte bleiben erhalten. Die
einzelnen Schritte unterscheiden sich teilweise stark
von S3D Produktionen, was in diesem Artikel deutlich
hervorgehoben wurde.
Wie in jedem Medienproduktionsprozess beeinflussen
Yvonne Thomas (l.) ist technische
Projekt-Ingenieurin bei der European
Broadcasting Union. Mara Seupel (r.)
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Fachgebiet Kommunkationswissenschaft
der TU Ilmenau.
Literaturverzeichnis
[1] Bolliger, M. (2011): Stereo-3D. Film & TV Kameramann, vol. Ausgabe 1/2011, S. 50–89.
[2] Bolliger, M. (2011): Stereo-3D - Teil 2. Film & TV Kameramann, vol. Ausgabe 2/2011, S. 48–71.
[3] Mendiburu, B. (2009): 3D Movie Making: Stereoscopic Digital Cinema from Script to Screen. Burlington:
Focal Press.
[4] Lipton, L. (1982): The Foundations of Stereoscopic Cinema. A study in depth. New York: Van Nostrand
Reinhold Company Inc.
[5] Mather, G. (2006): Foundations of perception. Hove
6
[u.a.]: Psychology Press.
[6] Thomas, Y. (2010): Untersuchung der stereoskopischen Wahrnehmung in Abhängigkeit verschiedener
Displaygrößen und Erstellung einer Studie zur Akzeptanz von 3D. Diplomarbeit.
[7] Klimsa, P.; Vogt, S. (2007): Technik. Organisation,
Content - Elemente der Medienproduktion. In Europäische Tagung zur Medienproduktion, Ilmenau. S. 7–14.
[8] Krömker, H.; Klimsa, P. (2005): Handbuch Medienproduktion. Produktion von Film, Fernsehen, Hörfunk,
Print, Internet, Mobilfunk und Musik. Wiesbaden: VS
Verlag für Sozialwissenschaften.
[9] Gardner, B. (2010): Perception and the art of 3D storytelling. Online: http://library.creativecow.net/gardner_
brian/magazine_3d_storytelling/1. [letzter Zugriff: April
2014].
[10] Mendiburu, B. (2011): 3DTV and 3D Cinema: Tools
and Processes for Creative Stereoscopy. Waltham: Focal Press.
[11] Smolic, M.; Kauff, A.; Knorr, P.; Hornung, S.; Kunter,
A.; Müller, M.; Lang, M. (2011): Three-Dimensional Video Postproduction and Processing. Proceedings of the
IEEE, vol. Vol. 99, No. 4, April 2011, S. 607–625.
[12] Urbicht, S.; Wagner, R. E. (2010): Betrieb und Technik stereoskopischer Filmproduktion. Fachverlag Schiele
& Schön GmbH, FKT, vol. Ausgabe 3/2010, S. 106–112.
[13] Zilly, R.; Kauff, F.; Schäfer, P. (2010): Stereoscopic
Analyzer (STAN). Ein Kameraassistenzsystem für Stereoproduktionen. Fachverlag Schiele & Schön GmbH,
FKT, vol. Ausgabe 4/2010, S. 178–184.
[14] D. T.-P. Arbeitsgruppe Geräte und Vernetzung
(2014): Whitebook Beyond HD. Online: http://www.dvb.
org/resources/public/whitepaper/beyond_hd_white_
book_dttv_de.pdf. [letzter Zugriff: März 2014].
[15] Hemmo, Max (Hrsg.) (2012): S3D Now! A stereoscopic experiment for Film and TV. Berlin: Fachverlag
Schiele & Schön.
[16] Zilly, F. (k.A.): STAN - The Stereoscopic Analyzer.
Manual: version 2.10-0-1-Z. Fraunhofer Heinrich Hertz
Institut
7 Medienproduktion - Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Die Öffnung des Bildraumes: Zur ästhetischen Erweiterung des 3D-Kinos
von Lisa Gotto
Schon lange verbindet sich das Interesse für das stereoskopische Kino mit der Hoffnung auf eine neue Ästhetik. Im Jahr 1947 schreibt Sergej Eisenstein über 3D:
„Man braucht den Vormarsch dieser neuen Kunst nicht
zu befürchten. Man sollte im Bewusstsein Platz schaffen für neue, nie dagewesene Themen, die, multipliziert
mit der neuen Technik, eine nie dagewesene Ästhetik verlangen, um in faszinierenden Schöpfungen der
Zukunft vollendet realisiert zu werden.“ [4] Doch auch
über sechs Jahrzehnte nach Eisensteins euphorischen
Bemerkungen zum Potential der dreidimensionalen Ästhetik gibt es noch reichlich Raum für Befürchtungen.
Trotz der enormen Aufmerksamkeit und des großen Erfolgs, den aktuelle 3D-Produktionen derzeit erleben, ist
vielfach auch Skepsis geäußert worden. Roger Ebert
etwa entrüstete sich ebenso vehement wie lautstark
über das 3D-Kino. In Beiträgen mit klingenden Titeln
wie „Why I hate 3D (And You Should Too)“ [1] oder
„Why 3D doesn‘t work and never will, Case closed“ [2]
bemängelte er, unterstützt von dem Oscar-gekrönten
Editor und Sound-Designer Walter Murch, zu dunkle
Bilder, zu hohe Eintrittspreise und zu lang anhaltende
Kopfschmerzen.
Der mehrfach artikulierten Sorge um den Zustand des
Kinos und das Wohl seiner Zuschauer [2] möchte ich
eine Perspektive entgegenhalten, die nicht von den
Problemen, sondern den Möglichkeiten der stereoskopischen Bildgestaltung ausgeht. Sie soll zeigen, dass
3D nicht als ein Spezialeffekt zu verstehen ist, also ein
Zusatz, der dem filmischen Bild punktuell hinzugefügt
wird, sondern vielmehr als ein generatives Prinzip betrachtet werden sollte, das neue Gestaltungsräume
eröffnet. Für das Kinobild bedeutet das, dass es sich
einerseits auf seine ästhetischen Grundlagen besinnt,
sie andererseits aber auch durch die Reflexion der neuen Dimension zu erweitern vermag. Das Potential der
durch 3D ermöglichten und vorangetriebenen neuen
räumlichen Ästhetik entwickelt sich dabei entlang einer
Aushandlung von zwei bildlichen Konzepten der perspektivischen Illusion: dem Prinzip der Begrenzung und
dem Prinzip der Entgrenzung. Während das erste von
einer Geschlossenheit der Bildorganisation ausgeht,
also die Bestimmung von Darstellungs- und Handlungsraum als visuell begrenzbare Größe und Einheit
vorsieht, stellt das zweite eben diese Demarkation in
Frage und impliziert die Öffnung von Grenzlinien sowie
die Auflösung von stabilen Orientierungsmöglichkeiten.
Diese Konzepte sollen im Folgenden zunächst einzeln
und anschließend in ihrer Zusammenführung betrachtet
werden.
Begrenzung
Bei dem Prinzip der Begrenzung handelt es sich um
eine Gestaltungsform, die die geometrische Komposition der Elemente im Raum betont. Dieser Raum
schließt auf sich selbst und weist nirgendwo über sich
hinaus. Deutlich wird das beispielsweise in Wim Wenders Film Pina (Wim Wenders, D 2011) dessen visuelle
Rhetorik sehr klar auf einen geschlossenen Raum,
zumeist auf die Begrenzung der Theaterbühne, bezogen ist.
Abb. 1: Pina (Wim Wenders, D 2011)
Wenders‘ Film arbeitet mit langen, statischen Einstellungen – eine Entscheidung, die sowohl das Verweilen
im Raum als auch das aufmerksame Nachvollziehen
der in ihm stattfindenden Bewegungen, etwa vom Hinter- in den Mittel- und Vordergrund, ermöglicht. Die Tiefenillusion wird hier nicht durch den Standortwechsel
der Kamera organisiert, sondern allein durch die Tiefenstaffelung des Raums erreicht. Das wird selbst dort
deutlich, wo die Tanzenden sich nicht auf einer Theaterbühne befinden, sondern in anderen Räumen, deren
Ausrichtung jedoch deutlich an die Architektur eines
abgeschlossenen Bewegungsraums erinnert. Entscheidend ist dafür, dass das Bild sehr klar durch horizontale und vertikale Ordnungslinien strukturiert wird, die
dessen wesentliche Komponenten und ihre Relationen
zueinander als Ganzes erkennbar werden lassen.
Ein weiteres Beispiel für die Berücksichtigung von Vor-
8
der-, Mittel- und Hintergrund als Elemente einer plastischen Raumgestaltung ist der 3D-Horrorfilm My Bloody
Valentine (Patrick Lussier, USA 2009). Auch dieser Film
arbeitet vornehmlich mit geschlossenen Räumen, die
sich im Verlauf der Handlung jedoch zunehmend verengen. Besonders deutlich wird das in jenen Einstellungen, die die klaustrophobische Atmosphäre der verfolgten Opfer inszenieren, etwa in der gefängnisgleichen
Situation des Supermarkts.
Abb. 3: Alice in Wonderland (Tim Burton, USA 2010)
Abb. 2: My Bloody Valentine (Patrick Lussier, USA 2009)
Auffällig sind hier die im Hintergrund zusammenlaufenden Fluchtlinien, die die Tiefe des Raums verlängern,
ihn aber dennoch als abgeschlossenes Ganzes präsentieren. Auch hier haben wir es mit einer Art Rasterung
von vertikalen und horizontalen Linien zu tun, die jedoch leicht schräg gezogen sind und durch diese Verschiebung ein beunruhigendes Gefühl der Verunsicherung hervorrufen.
Gemeinsam ist diesen Beispielen, dass sie sich sehr
klar auf räumlich organisierte Begrenzungen, beispielsweise auf die Rückwand als Grenzfläche beziehen;
dass sie also den Bildhintergrund nicht verwischen,
sondern im Gegenteil als Bezugspunkt der Raumgestaltung deutlich betonen.
Entgrenzung
Eine andere Ausrichtung der filmästhetischen Rauminszenierung lässt sich beim Prinzip der Entgrenzung
beobachten. Hier geht es um eine Blickanordnung, die
nicht die Orientierung im Raum durch die Erkennbarkeit
seiner Grenzen ermöglicht, sondern sie im Gegenteil
durch ihr Durchlässigwerden erschwert.
Ein Beispiel dafür ist Alice in Wonderland (Tim Burton,
USA 2010). Deutlich wird hier, wie durch den Einsatz
von Rauch und Nebel die klare Unterscheidung der Bildebenen diffus wird. Alice‘ Reise ins Wunderland folgt
selbst keiner klar erkennbaren Wegstrecke, sondern ist
durch das Gleiten und Schweben in unterschiedliche
Bereiche gekennzeichnet.
Den ganzen Film hindurch geht es nicht um Trennschärfe, sondern um Übergangsunschärfe. Wo der eine
Raum beginnt und der andere aufhört, welchen Organisationformen die Dimensionen der einzelnen Bereiche
angehören – das alles verschwimmt, bleibt unklar und
undurchsichtig.
Ähnliches gilt für die räumliche Gestaltung von Pandora, der fernen Welt in Avatar (James Cameron, USA
2009). Auch hier wird der Bildhintergrund häufig durch
verwischte Grenzen unkenntlich gemacht.
Abb. 4: Avatar (James Cameron, USA 2009)
Das Bildgeschehen scheint somit nicht allein nach vorne zu reichen, wie das bei vielen Pop-out Effekten im
3D-Bereich der Fall ist, sondern sich ebenso nach hinten zu verlängern. Besonders gut lässt sich das bei Bewegungen von schwebenden Objekten erkennen. Die
Gebilde fliegen zunächst um den Protagonisten herum,
um dann auf ihm zu landen, nicht jedoch, ohne vorher
durch das Auditorium und wieder von ihm weg in die
Ferne zu schweben. Sie geben dem Zuschauer damit
das Gefühl, sie selbst berühren zu können, beziehen
sich also weniger auf Distanzrelationen, sondern auf
Nahverhältnisse. So entsteht für den Betrachter der
Eindruck, nicht länger abgetrennt vom Geschehen zu
sein, sondern den Raum mit den dargestellten Figuren
und Objekten zu teilen – einen Raum, der seine eigenen Grenzen nicht mehr deutlich markiert, sondern ins
Ungefähre verschiebt.
9 Medienproduktion - Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Verschränkung
Die beiden Prinzipien der Begrenzung und Entgrenzung sind jedoch nicht als abgesonderte Bereiche zu
verstehen, sondern können vielmehr verschränkt und
in Beziehung zueinander gesetzt werden. Auch dafür
gibt es Beispiele, die die Gestaltungsmöglichkeiten
des Dreidimensionalen in eine komplexe Reflexion des
Raums und seiner Implikationen überführen.
Der Film Hugo (Martin Scorsese, USA 2011) arbeitet
mit zwei unterschiedlichen Raumvorstellungen, die einerseits die Geschlossenheit des Begrenzten betreffen
(die Bahnhofshalle, das Uhrwerk – mitunter in einer
komplexen Verschachtelung vom geschlossenen Raum
im geschlossenen Raum) und andererseits die Weite
des Entgrenzten adressieren (etwa beim Anfangsflug
über Paris).
und sich damit als zwei ästhetischen Seiten der gleichen filmischen Medaille betrachten lassen.
Auch der Film Life of Pi (Ang Lee, USA 2012) entwirft
ein vielschichtiges Gefüge von bildlichen Raumvorstellungen.
Ang Lees Film zeigt in der Rahmenhandlung den begrenzten Innenraum einer Wohnung, in der der Protagonist einem Journalisten von seinen Erlebnissen berichtet.
Abb. 6: Life of Pi (Ang Lee, USA 2012)
Eine andere Ebene, die des Schiffsabenteuers, löst
die zuvor gesetzten Begrenzungen und Orientierungen auf – und zwar nicht nur in Bezug auf vorne und
hinten, sondern auch im Hinblick von oben und unten.
Dies wird vor allem durch die Reflexion des Himmels
im Wasser erreicht, das hier weniger als transparente
Fläche, sondern vielmehr eine eigene Dimension der
räumlichen Diffusion erscheint.
Abb. 5: Hugo (Martin Scorsese, USA 2011)
Während die durch Wände, Säulen und Rohre begrenzten Innenräume eine geometrisch ausgerichtete
Bildkomposition aufweisen, wird die klare Linienführung in den Außenszenerien häufig durch schwebende Schneeflocken oder Rauchschwaden aufgehoben.
Bemerkenswert ist dabei, wie deutlich Scorsese diese unterschiedlichen und einander doch ergänzenden
Bildverständnisse mit den zwei großen Anfangsausrichtungen der frühen Kinematographie in Verbindung
bringt: mit dem illusionistischen Filmschaffen von George Méliès und dem realistischen Ansatz der Gebrüder
Lumière. Sie erscheinen hier nicht nur als historische
Figuren, sondern als Vertreter von bildgestalterischen
Möglichkeiten, die die Grenzen des Mediums ausloten
Abb. 7: Life of Pi (Ang Lee, USA 2012)
Die Gestaltungsmöglichkeiten des digitalen 3D-Films
führen uns zu einem neuen filmischen Raumverständnis – nicht zuletzt deshalb, weil sie eigentlich widerstrebende Inszenierungsformen und Positionsbestimmungen nicht als Ausschlussmechanismus konzipieren,
sondern dialogisch zusammenführen. Das ist weit mehr
als ein Spezialeffekt: „Man muss 3D nicht als einen Aspekt des Spektakelkinos verstehen, nicht als das, was
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uns erschreckt und aus der Tiefe des Raums mit Dingen bewirft.
Man kann 3D vielmehr als eine Vorhut eines neuen Kinos der erzählerischen Integration begreifen, das die
Geschmeidigkeit, Skalierbarkeit, Fluidität oder ‚Krümmung‘ digitaler Bilder in den audiovisuellen Raum einführt“ [3]. Die dritte Dimension verringert die Distanz
und führt uns näher an die Dinge heran. Sie vermittelt
zwischen Bildfläche und Raumkörper, sie bildet nicht
etwas ab, sondern sie bildet etwas aus: die Flexibilisierung des Sehens und die Erweiterung des Blicks.
Prof. Dr. Lisa Gotto
Professorin für Filmgeschichte und Filmanalyse an der Internationalen Filmschule
Köln (ifs)
Literatur
[1] Ebert, Roger (2010): Why I hate 3D (And You Should
Too). Newsweek vom 10. Mai 2010, http://www.thedailybeast.com/newsweek/2010/04/30/why-i-hate-3-dand-you-should-too.html
[2] Ebert, Roger (2011): Why 3D doesn’t work and never will. Chicago Sun-Times vol. 23. Januar 2011, http://
www.rogerebert.com/rogers-journal/why-3d-doesntwork-and-never-will-case-closed
[3] Elsaesser, Thomas (2013): Die ‘Rückkehr’ der 3DBilder. Zur Logik und Genealogie des Bildes im 21.
Jahrhundert. In: Gundolf S. Freyermuth, Lisa Gotto
(Hg.): Bildwerte. Visualität in der digitalen Medienkultur,
Bielefeld. S. 25-67, hier: S. 50.
[4] Eisenstein, Sergeij (1988): Über den Raumfilm
(1947), in: Sergej Eisenstein: Das dynamische Quadrat. Schriften zum Film, hg. Oksana Bulgakowa und
Dietmar Hochmuth, Leipzig: Reclam, S. 196-260, hier:
S. 259.
[5] Wegener, Claudia; Jockenhövel, Jesko; Mariann
Gibbon (2012): 3D-Kino. Studien zur Rezeption und Akzeptanz, Wiesbaden: Springer VS.
11 Medienproduktion - Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Perspektiven zur Anwendung der Binauralsynthese in der Medienproduktion
von Florian Klein und Stephan Werner
1. Einführung
Akustische Wiedergabesysteme haben das Ziel dem
Hörer die Möglichkeit zu geben, die Aufnahmeszenerie
möglichst authentisch miterleben zu können. Sowohl
auf der Seite der Mikrofonierung als auch der Wiedergabe gibt es eine Vielzahl bekannter Möglichkeiten zur
Positionierung von Mikrofonen und Lautsprechern [7].
Die Art der Aufnahme und der Wiedergabe geben den
Tonschaffenden Möglichkeiten zur künstlerischen Gestaltung einer Orchester- oder Live-Band-Darbietung.
Je nach Intention der Tonschaffenden kann das Ziel
eine eher analytische oder künstlerische Darstellung
der jeweiligen Szene sein.
Von diesem Ansatz unterscheiden sich Aufnahme- und
Wiedergabetechnologien, welche das Ziel verfolgen
eine akustische Szene physikalisch korrekt darzustellen. Eine dieser Methoden stellt die Binauraltechnologie
da. Hierbei sollen beim Hörer auf der Wiedergabeseite
die gleichen Ohrsignale erzeugt werden wie sie bei einem Hörer in der Aufnahmesituation vorgelegen haben.
2. Prinzipien der Binauralsynthese
Das Hören mit zwei Ohren ermöglicht es dem Menschen, zusätzliche Richtungsinformationen auszuwerten, welche beim Hören mit einem Ohr nicht verfügbar
sind. Der beim Trommelfell eintreffende Schall einer
Schallquelle wird als Ohrsignal bezeichnet. Beim binauralen Hören stehen zwei Ohrsignale zur Verfügung. Aus
den Differenzen dieser Signale lassen sich binaurale
Merkmale ableiten, aus denen Informationen über die
Schalleinfallsrichtung entnommen werden können. Die
Differenzen betreffen die Schallpegel und die Laufzeit
des Schalls, daher ist die Rede von interauraler („zwischen den Ohren“‘) Pegel- und Laufzeitdifferenz [1]. Bei
der binauralen Aufnahme werden in der Regel Kunstkopfmikrofone oder In-Ohr Mikrofone an realen Personen genutzt. Eine akustische Szene kann entweder direkt aufgenommen werden oder es werden lediglich die
Übertragungspfade von Signalquelle zu den Ohren des
Kunstkopfes oder des Menschen gemessen. Hierbei
wird dann von binauralen Übertagungsfunktionen gesprochen. Bei der binauralen Wiedergabe werden die
gemessenen Signale schließlich auf das jeweilige Wiedergabesystem angepasst (siehe Kapitel 2.1 und 2.2).
Die binauralen Übertragungsfunktionen sind von
Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Die Unter
schiede können dabei, vor allem im hochfrequenten
Bereich, 30 dB erreichen [2]. Eine individuelle Anpassung des binauralen Systems erhöht die Plausibilität
der Wiedergabe und gewährleistet eine gehörrichtige
Wiedergabe.
Findet eine keine individuelle Anpassung an den Hörer
statt, so treten verstärkt Probleme bei der Wahrnehmung auf. Die Schallquelle wird ungenauer lokalisiert,
es treten Vorne- Hinten Vertauschungen auf [8] und die
wiedergegebene Szene wird tendenziell stärker im Kopf
wahrgenommen, wie es bei der klassischen Kopfhörerwiedergabe der Fall ist [9].
Untersuchungen zeigen jedoch, dass der Hörer in der
Lage ist sich an nicht personalisierte Systeme zu gewöhnen [5]. Die zuvor genannten Einschränkungen
können somit zum Teil gemindert werden. Auch die
zusätzliche Darbietung visueller Inhalte kann beispielsweise Vorne-Hinten Lokalisationsfehler vermindern [9].
Ob eine Personalisierung notwendig ist, hängt daher
von den konkreten Anforderungen des Systems ab.
Die Binauralsynthese, also die Generierung von korrekten Ohrsignalen, kann sowohl über Kopfhörer als auch
über Lautsprecher realisiert werden. Die speziellen
Herausforderungen der jeweiligen Wiedergabewege
werden im Folgenden diskutiert.
2.1 Wiedergabe über Kopfhörer
Die Verwendung von Kopfhörern bei der Binauralsynthese, hat den Vorteil, dass jedem Ohr ein separates
Signal zugefügt werden kann.
Um eine gehörrichte Wiedergabe zu gewährleisten wird
in der Regel eine Kopfhöreranpassung angewendet.
Dabei wird die Übertragungscharakteristik der Kopfhörerkapseln sowie der Übertragungspfad von Kapsel
zum Ohrkanaleingang kompensiert. Auch hier muss
entschieden werden, ob eine individualisierte Anpassung statt findet oder auf generische Daten zurückgegriffen wird [3].
Als ein weiteres Problem kann sich die Problematik
der Kopfhörerposition herausstellen. Die Kopfhöreranpassung ist in der Theorie nur für eine Kopfhörerposition gültig und wird daher bei Verschiebungen negativ
beeinflusst. Je nach Kopfhörertyp fällt dieses Problem
mehr oder weniger schwerwiegend aus.
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2.2 Wiedergabe über Lautsprecher
Bei der Verwendung von Lautsprechern zur Erzeugung
von korrekten Ohrsignalen, muss das Übersprechen
der Lautsprecher beachtet werden. Vom linken bzw.
rechten Lautsprecher sollen die Schallsignale auch lediglich das linke bzw. rechte Ohr erreichen. Bei einem
2-Kanal Stereo Setup trifft das Signal des linken Lautsprechers sowohl beim linken als auch beim rechten
Ohr ein. In vergleichbarer Weise trifft dies für den rechten Lautsprecher zu. Mit Hilfe von Verfahren zur Kompensation des ungewollten Übersprechens vom linken
Lautsprecher auf das rechte Ohr bzw. des rechten Lautsprechers auf das linke Ohr ist es möglich eine binaurale Wiedergabe zu erzeugen [4].
Um eine korrekte Übersprechkompensation zu gewährleisten müssen die Positionen der Lautsprecher und
des Hörers bekannt sein. Im praktischen Fall muss daher eine Anpassung der Kompensation auf Basis der
aktuellen Hörerposition stattfinden. Mit Hilfe von optischen Trackingsystemen wird die Kopfposition des Hörers verfolgt und die Kompensation dementsprechend
angepasst.
In der Regel ist eine Binauralsynthese über Lautsprecher auf einen Hörer beschränkt im Gegensatz zur klassischen Lautsprecherwiedergabe. Weitere zu berücksichtigende Faktoren sind der Wiedergaberaum, die
Lautsprecherpositionen sowie die Lautsprecheranzahl.
Dipl.-Ing. Florian Klein (l.) und
Dipl.-Ing. Stephan Werner (r.)
sind wissenschaftliche Mitarbeiter
am Fachgebiet Elektronische
Medien der TU Ilmenau
3. Anwendungsfälle in der Medienproduktion
Wie bereits erwähnt, beschreibt die Messung binauraler Übertragungsfunktionen eine Kombination aus
Lautsprecherposition, Hörposition und die individuellen
Eigenschaften des Hörers. Des Weiteren ist die Raumakustik des Raumes enthalten in dem die Messungen
stattgefunden haben. Wurden die Übertragungsfunktionen einmal gemessen, lässt sich beliebiges Audiomaterial so synthetisieren, als würde es im Messraum
wiedergegeben.
3.1 Virtuelle Produktionsräume
Für Tonschaffende ergibt sich somit die Möglichkeit Audiomaterial in virtuellen Produktionsräumen probe zu
hören. An dieser Stelle ergeben sich zahlreiche neue
Möglichkeiten. Tonschaffende können mobiler Arbeiten
oder Abmischungen können schneller in verschiedensten Wiedergaberäumen getestet werden.
Technische Systeme mit der entsprechenden Zielstellung sind bereits erhältlich [6].
3.2 Virtualisierung von Lautsprechern
Bei der Produktion von Audiomaterial, beispielsweise
bei der Filmvertonung oder bei der Arbeit in beengten
Verhältnissen, kann die Aufstellung eines Center-Lautsprechers problematisch sein. Die Möglichkeit binaurale Signale über Lautsprecher zu erzeugen wurde im
Kapitel 2.2 besprochen. Für die genannte Problemstellung ergibt sich somit die Möglichkeit einen virtuellen
Center-Lautsprecher zu positionieren. Auch andere
Lautsprecher, welche aufgrund bestimmter Verhältnisse ungünstig platziert sind können virtuell richtig aufgestellt werden.
3.3 Tiefenwahrnehmung
Neben der korrekten akustischen Darstellung von Richtung und der Vermittlung eines plausiblen Raumeindrucks ist auch die Wahrnehmung von Schallquellen
in verschiedenen Entfernungen möglich. In einer binauralen Aufnahme einer akustischen Szene sind diese
Informationen fest codiert. Mit der Kenntnis über binaurale und monauralen Merkmale und ihren Einfluss auf
die Tiefen- bzw. Entfernungswahrnehmung lassen sich
Schallquellen auch künstlich positionieren.
Im Zusammenhang mit Stereo-3D Produktionen ergeben sich somit vielfältige neue Möglichkeiten. Bei der
Produktion von Stereo-3D Filmen liegen die Tiefen- und
Positionsinformationen für die computergenerierten
Objekte bereits vor und können problemlos für eine entsprechende Positionierung von Schallquellen genutzt
werden.
Eine weitere Herausforderung ist die konsistente Positionierung von Audio- und Videoobjekten. Der Betrachtungsabstand und die Größe eines TV-Bildschirms
verändern die relative Richtung von Videoobjekten. Um
auch die Audioobjekte entsprechend richtig zu positionieren muss ein „Audio Retargeting“ stattfinden. Liegen
die entsprechenden Positionsdaten der Audio- und Videoobjekte vor, können theoretisch die Richtungen der
Audioquellen mit Hilfe von entsprechenden Trackingsystemen angepasst werden.
13 Medienproduktion - Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
4. Zusammenfassung
Die Binauraltechnologie bietet zahlreiche Möglichkeiten zur Anwendung in der Medienproduktion, wie die
beschriebenen Beispiele zeigen. Im Gegensatz zum
Consumer-Bereich besteht im professionellen Bereich
die Möglichkeit zur Anpassung eines Systems an die
gegebene Situation. Dazu gehört beispielsweise eine
Berücksichtigung des Wiedergaberaums und eine individuelle Anpassung an den Tonschaffenden.
Im Zusammenhang mit der Darbietung von Stereo3D Inhalten kann die Immersion für den Konsumenten
durch eine dem Video entsprechende plausible Darstellung akustischer Szenen weiter verstärkt werden.
5. Literatur
[1] Blauert, J. (1974): Räumliches Hören. Hauptband.
S. Hirzel Verlag Stuttgart.
[2] Lentz, T. (2007): Binaural Technology for Virtual
Reality. Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen.
[3] Lindau, A.; Brinkmann, F. (2012): Perceptual Evaluation of Headphone Compensation in Binaural Synthesis
Based on Non-Individual Recordings. In: J. Audio Eng.
Soc. 60 S. 54–62.
[4] Kirkeby, O.; Nelson, P.A.; Rubak, P.; Farina, A.
(1999): Design of Cross-talk Cancellation Networks by
using Fast Deconvolution - 106th AES Convention, Munich.
[5] Klein, F.; Werner, S. (2013): HRTF Adaptation and
pattern learning. To be published in: Proc. of 4th International Symposium on Auditory and Audiological
Research (ISAAR), Denmark.
[6] Smyth, S.; Smyth, M.; Cheung, S. (2008): Smyth
SVS Headphone Surround Monitoring For Studios. Music Everywhere – AES 23rd UK Conference.
[7] Weinzierl, S. (2008): Handbuch der Audiotechnik.
Springer-Verlag Berlin Heidelberg.
[8] Wenzel, E. M.; Arruda, M.; Kister, D.J.; Wightmann, F.L. (1993): Localization using nonindividualized
head-related transfer functions. J. Acoust. Soc. Am.,
94(1):111-123.
[9] Werner, S.; Klein, F.; Harczos, T. (2013): Context-dependent quality parameters and perception of auditory
illusions. To be published in: Proc. of 4th International
Symposium on Auditory and Audiological Research
(ISAAR), Denmark.
14
Untersuchungen zur Montage in
S3D-Realfilmen
von Benjamin Hauser
Im Laufe der Filmgeschichte haben sich einige
Montagetechniken für die monoskopische Filmproduktion
entwickelt. Seitdem der S3D-Kinofilm Avatar einen
finanziellen Megaerfolg verbuchen konnte, werden
zunehmend mehr stereoskopische Filme produziert [1].
Die Stereoskopie wurde jedoch schon früher durch die
Fotografie geprägt [2]. Die Kombination aus Stereoskopie
und bewegtem Bild ist dabei nicht neu, jedoch sind
die technischen Möglichkeiten deutlich verbessert [3].
Dadurch kann sich aktuell erst die Gestaltung vom
2D-Film zur Gestaltung im stereoskopischen Film
entwickeln.
Die Montage hat sich in der monoskopischen
Filmgeschichte unabhängig zur Stereoskopie entwickelt.
Hier gilt eine unauffällige Montage als Qualitätsmerkmal
[4]. Durch die Optimierungen der stereoskopischen
Filmproduktion und Filmbetrachtung der letzten Jahre,
verändern sich langsam die Sehgewohnheiten der
Zuschauer. Bei der anfänglichen S3D-Filmbetrachtung
galt dem 3D-Effekt eine große Aufmerksamkeit. Seit
einigen Jahren entwickeln sich S3D-Produktionen wieder
dahingehend, die Handlung in den Vordergrund zu
stellen, weshalb der 3D-Effekt in neuen Produktionen oft
dezenter als dramaturgische Unterstützung eingesetzt
wird [3].
Für Kinematograf, Stereograf und Cutter stellt sich
die Herausforderung, Montagetechniken aus der
2D-Produktion auf die S3D-Produktion zu übertragen.
Aufgrund fehlender Erfahrungen wird die Montage
häufig nach den bekannten Montagetechniken
umgesetzt. Dabei liegen der stereoskopischen Montage
jedoch andere Rahmenbedingungen zugrunde. Somit
kann es passieren, dass die Schnitte im S3D-Film für
den Zuschauer nicht mehr unsichtbar werden, sondern
diesen irritieren und aus dem Geschehen reißen [5].
Das Ziel dieser Arbeit ist die Sensibilisierung für etwaige
Differenzen zwischen der monoskopischen Filmmontage
und einer möglichen optimierten stereoskopischen
Filmmontage, sowie die Analyse möglicher Einflüsse und
deren Auswirkungen. Zudem wird der in der Fachliteratur
erwähnte Begriff „Tiefensprung“ analysiert und definiert.
Darauf basierend werden erste Untersuchungen
durchgeführt.
Montage in der S3D-Produktion
Die Stereoskopie entstand bereits vor 1860 durch
Forschung. Nachdem das Bewegtbild ermöglicht
wurde, gab es einige experimentelle S3D-Versuche,
ehe um 1950 vorübergehend S3D-Produktionen in
den Kinos gezeigt wurden. Dabei war die Technik noch
sehr problematisch [2]. Die Montage hatte sich bis ca.
1920 in der 2D-Filmproduktion etabliert und wurde nun
übertragen, ohne etwaige Auswirkungen zu hinterfragen.
Erst mit dem S3D-Hype, der seit der Jahrtausendwende
entstanden ist, sind stereoskopische Produktionen
in derartiger Präzision möglich. Durch die digitale
Produktion ist sowohl eine Bildkontrolle am Set, wie
auch eine umfassende Korrektur in der Postproduktion
möglich.
Probleme
durch
Asynchronität
oder
Missalignment können zunehmend verhindert werden
[6]. Die Feinheiten, in denen sich die Gestaltung von
S3D-Produktionen von monoskopischen Produktionen
unterscheidet, sollen zunehmend berücksichtigt werden.
Bei der Gestaltung stereoskopischer Standbilder
haben sich in der Geschichte bereits wichtige
Gestaltungsmerkmale entwickelt [7]. Der Zeitpunkt des
Schnittes war für die Fotografie und deren Gestaltung
nicht von Bedeutung, weshalb hier keinerlei Forschung
betrieben wurde.
Blickanschluss
In der Filmgeschichte hat sich die Montage derart
ausgeprägt, dass der Handlung und dem Schauspiel mit
der Kamera gefolgt wird. Dadurch erhält der Blickanschluss
einen hohen Stellenwert in der Montage [8]. Bei einer
monoskopischen Filmproduktion waren Blickanschlüsse
unkritischer als in einer S3D-Produktion, in welcher auch
die Positionierung in der Tiefe eine logische Folgerung
erhalten muss. Die Tiefen-Platzierung erfolgt sowohl am
Set als auch in der Postproduktion. Jedoch werden die
Möglichkeiten in der Postproduktion durch die gewählten
stereoskopischen Eigenschaften bei der Aufnahme stark
eingeschränkt. Daher ist eine Planung von elementarer
Bedeutung.
Größenverhältnisse
Werden zwei Einstellungen, welche gleiche Elemente
zeigen, hintereinander montiert, so kann es dazu
kommen, dass die Größenverhältnisse nicht zueinander
passen. Durch die Möglichkeit, die Tiefenausdehnung zu
15 Medienproduktion - Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
gestalten, entsteht ein Einfluss auf die Größenwirkung
durch die Tiefe. Wird eine Figur weit entfernt platziert
und dabei zugleich mit einem hohen Tiefeneindruck
versehen, wirkt sie vergrößert. Hierbei kann es
darüber hinaus auch zu Verzerrungen von Geometrien
kommen [9]. Bei Einstellungen, welche gleiche
Elemente enthalten, sollten deren Tiefenausdehnungen
zueinander passen. Auch bei der Montage von
Einstellungen,
die
vollständig
unterschiedliche
Elemente aufweisen, ist auf die Größeneindrücke
durch die Tiefenwirkungen zu achten. Insbesondere
bei dem Zuschauer bekannten Elementen, wie Autos
oder Menschen, kann der Größeneindruck durch
unterschiedliche Tiefen von der Handlung ablenken.
Schnittrhythmus
Der
Schnittrhythmus
vieler
monoskopischer
Produktionen ist sehr hoch. Oft haben Einstellungen
eine Länge von einer Sekunde oder weniger. In aktuellen
stereoskopischen Produktionen wird oft mit ähnlichem
Schnittrhythmus geschnitten. Allerdings wird häufig von
einem deutlich langsameren Schnittrhythmus berichtet,
welcher bei einer S3D-Produktion notwendig werden soll
[10]. Dabei soll hauptsächlich die notwendige Zeit zur
erneuten Konvergierung der Augen nach dem Schnitt
einen langsamen Schnittrhythmus notwendig machen.
Ein neues Konvergieren auf eine andere Einstellung ist
bei Vermeidung von Tiefensprüngen jedoch überflüssig,
da keine Änderung des Konvergenzwinkels notwendig
ist, solange der Zuschauer in beiden Einstellungen die
gleiche Entfernung fixiert.
Zwischenschnitte und Einstellungsgrößen
Zwischenschnitte verfolgen das Ziel, Details oder
Emotionen zu verdeutlichen [8]. In stereoskopische
Produktionen, welche auf eine Kinoleinwand
projiziert werden, sollten Detailaufnahmen jedoch
vermieden werden. Beim natürlichen Sehen werden
stereoskopische Tiefenreize, welche durch derart weit
entfernte Objekte, wie sie bei der Leinwandbetrachtung
erzeugt werden, viel dezenter angesprochen. Wenn
nun also nahe Einstellungen gezeigt werden sollen,
können diese nicht mit einer für deren Größe und der
damit implizierten Nähe wiedergegeben werden, ohne
die Szenen mit großen Parallaxen im Raum schweben
zu lassen. Bei einer Platzierung auf der Leinwand kann
der S3D-Effekt kaum Verwendung finden, ohne dass
der Gigantismus-Effekt entsteht [9]. Somit bleiben
Zwischenschnitte bei stereoskopischen Produktionen
möglich, solange die Einstellungsgröße beachtet wird.
S3D-Produktionen sollten weitwinklig produziert werden,
wodurch die neue Bildsprache entsteht. Ein Beispiel
hierfür sind die neuen Filme „The Hobbit“ von Peter
Jackson, in welchen Unschärfen gänzlich vermieden
werden und dem Zuschauer ein sehr weitläufiger Blick
geboten wird. Weitwinklige durchgängig tiefenscharfe
Aufnahmen ermöglichen das Betrachten des ganzen
Raumes. Die Augen des Zuschauers werden weniger
gelenkt, und er wird aufgefordert durch den Raum zu
wandern [11].
(Handlungs)-Achsenschema
Auch bei der S3D-Produktion sollte das (Handlungs)Achsenschema berücksichtigt werden [8]. Die typische
Over-Shoulder-Einstellung sollte jedoch vermieden
werden, da dabei Irritationen durch Rahmenverletzungen
entstehen können. Alternativ kann die Szene soweit
hinten platziert werden, dass die Schulter bereits hinter
der Scheinfensterlage erscheint, wodurch allerdings
eine erhöhte Distanz zum Betrachter entsteht.
Tiefensprünge
Wie erwähnt, können Tiefensprünge bei der Montage
auftreten. Der Begriff „Tiefensprung“ bezeichnet den
Unterschied zwischen Parallaxen zweier Einstellungen,
welche hintereinander montiert werden. Einerseits
kann eine Einstellung mit gleicher relativer Tiefe nach
einem Schnitt folgen, wobei die Parallaxänderung
durch die absolute Platzierung entsteht, andererseits
kann der Tiefensprung durch einen Unterschied in der
relativen Parallaxe entstehen. Dabei entsteht auch
automatisch ein absoluter Tiefensprung an Nah- und/
oder Fernpunkt. Bei diesen Arten von Tiefensprünge ist
jeweils eine positive oder negative Parallaxänderung
möglich. Hinzu kommt, dass diese Tiefensprünge auch
kombiniert auftreten können.
Durch die verwendete Brennweite wird die Parallaxe
beeinflusst. Dabei verhält sich die Parallaxe zur
Brennweite an jeder Stelle im Bild proportional. Da sich
hierbei der Bildausschnitt ändert, und üblicherweise
eine bestimmte Einstellungsgröße gewünscht ist, kann
durch den Abstand von Kamera und Motiv ein Ausgleich
erfolgen. Dabei wird der Raum optisch, wie aus der
2D-Produktion bekannt, gestaucht oder gestreckt. Um
die Parallaxen wieder an die Rahmenbedingungen
der Betrachtungssituation anzupassen, sollte nun
die Stereobasis angepasst werden. Es gilt, dass
bei einer kurzen Brennweite und dem dadurch
resultierenden nötigen Nahpunkt, zur Beibehaltung des
Bildausschnittes, eine kleinere Stereobasis notwendig
ist. Wird hingegen eine lange Brennweite verwendet und
die Distanz zwischen Kamera und Nahpunkt vergrößert,
kann eine größere Stereobasis gewählt werden. Dabei
wirken sich diese Parameter jedoch nicht in identischer
16
Form auf den Bildeindruck aus. Wird die gleiche
Einstellungsgröße mit einer längeren Brennweite
gedreht, so werden Objekte, die weit von der Kamera
entfernt platziert sind, stärker vergrößert, als wenn
die gleiche Einstellung mit einer kurzen Brennweite
aufgenommen wird. Erfolgt nun durch Veränderung der
Stereobasis ein Ausgleich der Parallaxen, wodurch zwei
Einstellungen mit unterschiedlichen Brennweiten ohne
Parallaxunterschiede an Nah- und Fernpunkt möglich
wird, so kann es zu einem Tiefensprung kommen.
Dieser besteht nun jedoch nicht in einem absoluten
Parallaxunterschied am Nah- und/oder Fernpunkt,
sondern in der relativen Tiefe von gleich tiefen
Elementen, welche gleich groß im Bild erscheinen.
Eine lange Brennweite lässt Objekte im Vordergrund
flacher erscheinen, kurze Brennweiten geben Objekten
im Vordergrund mehr Tiefe [9].
Horizontal Image Translation
Bei der Produktion von S3D-Aufnahmen mit parallelen
Kameras, ist die Positionierung der Szenen in der
absoluten Tiefe in der Postproduktion notwendig.
Wird keine Nachkonvergierung oder Horizontal Image
Translation (H.I.T.) vorgenommen, so erscheint die
Aufnahme vollständig vor der Scheinfensterlage.
Durch H.I.T. kann die Szene noch weiter vor der
Scheinfensterlage platziert werden. Dadurch wird eine
stärkere Konvergenz für die Augen des Betrachters
notwendig. Der Tiefeneindruck wird schwächer, obwohl
die relative Parallaxe über alle Elemente der Szene
erhalten bleibt. Dies entsteht dadurch, das ein Pixel
einer festen Größe unterschiedliche Winkeländerung
je nach Ausgangswinkel hervorruft [7]. Da die Szene
später zumeist hinter der Scheinfensterlage platziert
werden soll, ist durch H.I.T. eine Verschiebung nach
hinten notwendig. Dabei wird die Szene in ihrer
stereoskopischen Tiefenwirkung gestreckt. Es ist also
auch schon beim Dreh stereoskopischer Aufnahmen
eine Planung der absoluten Tiefe notwendig, wenn in
der Montage keine Tiefensprünge auftreten sollen.
Relevanz
Der Begriff Tiefensprung ist somit noch weitläufig und
beschreibt eine Vielzahl sprunghafter Änderungen
stereoskopischer Tiefeneindrücke. Inwieweit welche
Tiefensprünge für Irritationen sorgen, wurde noch nicht
untersucht.
Für die weitere Untersuchung wird angenommen, dass
irritierende Tiefensprünge aufgrund unterschiedlicher
Parallaxen auftreten, welche eine Konvergenzänderung
der Augen notwendig machen [12]. Anhaltspunkte
hierfür sind in der Literatur zu finden:
„Wird zwischen Bildern sehr unterschiedlicher
Tiefenausdehnung oder Tiefenposition geschnitten,
kann es zu einem Tiefensprung kommen. Der Zuschauer
wird dann gezwungen, blitzschnell die Augenkonvergenz
zu verändern. Zu Visueller Überforderung kommt es
dabei vor allem bei Tiefensprüngen aus der Ferne in
die Nähe.“ [13]
Die empirische Studie
Durch eine empirische Studie sollen reproduzierbare
Ergebnisse gesammelt werden, welche auf die
Filmproduktion übertragbar sind. Die Forschung soll in
Form von Probandentests durchgeführt werden, wobei
Testsequenzen betrachtet und evaluiert werden sollen.
Die Tiefensprünge werden durch die Stereobasis und/
oder Nachkonvergierung erzeugt.
Die Probanden sollten, wie bei einer Fernsehsendung,
einer logischen Handlung folgen. Die Einstellungsgröße
soll konstant bleiben. Daher fiel die Wahl auf
zwei Moderatoren, welche in einer klassischen
Fernsehsituation positioniert wurden [4]. Um beim
Wechsel zwischen den Einstellungen eine gute
Montage zu ermöglichen, wurde der Schnitt durch eine
Kopfdrehung der Moderatoren motiviert. In Abbildung 1
ist die Studiosituation zu sehen.
Abbildung 1: Studiosituation
Die Einstellungen wurden mit unterschiedlichen
relativen Parallaxen aufgezeichnet. Hierbei sollten
im Test Querdisparitäten von 10, 20, 30, 40 und 50
Winkelminuten entstehen.
Um den Probanden eine Eingewöhnung zu ermöglichen,
wurde eine totalere Einstellung produziert. Durch
eine langsame Zufahrt wird dabei der Tiefeneindruck
allmählich gesteigert. Zudem erhalten die Probanden
einen räumlichen Gesamteindruck über die Platzierung
der Moderatoren zueinander und zum Hintergrund.
Neben der eigentlichen Montage wurde in der
Postproduktion die Tiefenpositionierung vorgenommen.
17 Medienproduktion - Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Zudem wurden Farbunterschiede, welche durch den
verwendeten Spiegel des Spiegelrigs entstanden sind,
minimiert, und eine Zufallsreihenfolge für die Probanden
generiert.
Testaufbau
Für den Testaufbau wurde ein 50“ Fernseher mit
Polfiltertechnik nach ITU-R BT.500-13 aufgestellt.
Dabei ergab sich ein Betrachtungsabstand von
3,35 m als PVD [14]. Der Raum wurde für den Test
vollständig abgedunkelt. Dunkle Wände verhinderten
Reflexionen. Die Wand hinter dem Fernsehgerät, wurde
in Chrominanz und Luminanz an das Fernsehgerät
angepasst, ausgeleuchtet.
Um den Probanden eine freie Äußerung über störende
oder irritierende Inhalte zu ermöglichen, wurde die
Think-Aloud-Methode angewandt. Dadurch wurde
eine Evaluierung der Items zu jedem Zeitpunkt
gewährleistet. Eine Ton-Aufzeichnung erfolgte dabei
über den gesamten Testverlauf.
•
nach Irritationen oder Störungen durch Schnitte
Verabschiedung des Probanden
Ergebnisse
Die Anmerkungen der Probanden mussten für die
Auswertung kategorisiert werden. Die Kategorien
entstanden auf Basis der Probandenaussagen.
Dabei fiel auf, dass Schnitte nur selten als irritierend
wahrgenommen wurden.
Den 27 Probanden wurden jeweils 22 Items gezeigt.
Drei enthielten keinen Tiefensprung, sechs Items
enthielten einen maximalen Tiefensprung mit 52 Pixeln
Parallaxunterschied. In Abbildung 3 sind die Parallaxen
der 22 Items dargestellt. In den gesamten Tests wurde
lediglich 18 mal der Schnitt als irritierend angegeben.
Im Vergleich dazu wurde 422 mal keine Irritation
festgestellt.
Abbildung 3: Parallxen in den 22 Test-Items
Abbildung 2: Eigenschaften der Probanden
Testablauf
• Begrüßung und Dank beim Probanden
• Einheitliche Information über die Studie
• Ausfüllen der Einverständniserklärung
• Ausfüllen des Mediennutzungsfragebogens
• Ausfüllen von Befindlichkeitsfragebogen 1
• Durchführung eines S3D-Sehtests
• Dokumentation von Alter, Geschlecht,
Farbensehschwäche und Sehhilfe
• Aufsetzen der 3D-Brille und Abdunklung des
Raumes
• Überprüfung der Bildseparation des
Polfiltersystems
• Start der Audio-Aufzeichnung
• Start des Einführungsvideos
• Bitte um Nennung von Irritationen oder Störungen
bei der Betrachtung
• Start der Testsequenzen
• Nach jedem Item, Frage nach Irritationen
• Nach Ende der Testsequenzen, Aufzeichnung
stoppen, Licht einschalten und Brille absetzen
• Ausfüllen von Befindlichkeitsfragebogen 2
• Ausfüllen von Abschlussfragebogen mit der Frage
Einige Irritationen, welche bei den Probanden entstanden
sind, können durch das nicht perfekte Polfiltersystem
des Fernsehers erklärt werden. Ghosting wurde 45 mal
bemängelt. Einige Probanden empfanden Unschärfen
als störend. Durch den üblichen 180° Shutter wurden die
Aufnahmen mit einer Belichtungszeit von 1/50 Sekunde
aufgezeichnet [15]. Dabei sind Bewegungsunschärfen
durch
Lippenbewegungen
und
Kopfdrehungen
aufgetreten. Auch durch die geringe Schärfentiefe kam
es zu Irritationen. Insgesamt wurden 44 mal Unschärfen
als irritierend genannt.
Die
meisten
Irritationen
traten
durch
die
Tiefenpositionierung oder Tiefenausdehnung auf. Um
die großen Tiefensprünge zu ermöglichen, mussten
die absoluten Parallaxen so groß werden, dass neben
Ghosting noch weitere Irritationen auftraten. So wurde
häufig die Positionierung des Vor- oder Hintergrundes
als störend oder irritierend bemängelt.
Neben großen Anstrengungen beim Fusionieren
der Bilder aufgrund großer Parallaxen, empfanden
einige Probanden auch eine nahe Platzierung an der
Scheinfensterebene als störend. Hinzu kamen störende
Effekte durch die enorme Nachkonvergierung. Durch
H.I.T. wurden zur Erreichung der Tiefensprünge einige
18
Einstellungen so platziert, dass Gigantismus oder
übermäßige Proportionen von den Probanden bemerkt
wurde. Die Haare des Moderators wurden durch das
Skalieren nach dem H.I.T. teilweise leicht angeschnitten.
Dies wurde auch als störend empfunden. Die Ursachen
für Irritationen sind in Abbildung 4 dargestellt.
durch H.I.T. erfolgt. Die unterschiedlichen Irritationen
über die 22 Items sind in Abbildung 5 dargestellt.
Abbildung 5: Irritationen über die 22 Test-Items
Abbildung 4: Irritationen im Testverlauf
Die Antworten, dass keine Irritationen aufgetreten sind,
überwiegen deutlich. Auffällig ist, dass bei diesen Items
nur mit extremen Parallaxunterschieden von wenigen
Probanden eine Irritation durch den Schnitt bemängelt
wurde. Zumeist entstanden Irritationen viel eher durch
die räumliche Situation an sich, indem das Tiefenbudget
oder die absolute Parallaxe zu groß gewählt wurde. Die
Probanden stellten zumeist beim Betrachten fest, dass
sich die Tiefenpostion verändert. Auf die Frage, ob dies
für sie irritierend oder störend wirkte, kam meistens
die Antwort „nein“. Teilweise fanden die Probanden
den Unterschied der räumlichen Situation zwischen
den zwei Einstellungen störend. Jedoch wurde hier
nicht der Schnitt an sich als irritierend empfunden. Die
Probanden gaben an, dass sie es ungewohnt finden,
dass die Platzierung unterschiedlich erfolgt. Hier war
auch die Rede von einer Hierarchie, welche durch die
Platzierung zwischen den Moderatoren entsteht.
Auffällig waren zwei Items, bei welchen eine Anhäufung
von als irritierend wahrgenommenen Schnitten
verzeichnet wurden. Bei dem einen Item waren fünf
und bei dem anderen Item vier Probanden durch den
Schnitt irritiert. Trotz der geringen Zahl lässt sich eine
klare Tendenz gegenüber den anderen Items erkennen.
Bei beiden Einstellungen handelte es sich um den
maximalen Tiefensprung mit einem Parallaxunterschied
von 52 Pixeln. Beide Testsequenzen haben eine
Gemeinsamkeit. Nachdem der Moderator direkt an
der Scheinfensterebene platziert ist, erscheint die
Moderatorin 52 Pixel tiefer platziert. Der Unterschied der
Items besteht darin, dass diese Positionsänderung bei
einem Item durch eine Änderung der Stereobasis und
damit der Tiefenausdehnung, und bei dem anderen Item
Durch die Blickführung, welche angewandt wurde, kam
es zu Bewegungsunschärfen durch die Kopfdrehung,
welche für einen motivierten Schnitt sorgte. Die
unterschiedlichen Tiefenpositionierungen der zwei
Moderatoren sorgten dafür, dass die Blickanschlüsse
teilweise nicht stimmen. Auch wenn die Kopfdrehung für
eine Blickführung sorgt, so erscheint dann der zweite
Moderator in einer anderen Tiefe. Der Blick wird zwar in
die richtige Richtung geleitet, nicht jedoch zur richtigen
Tiefenposition.
Aufgrund
der
geringfügig
wahrgenommenen
Irritationen durch Schnitte könnte davon ausgegangen
werden, dass die Relevanz von Tiefensprüngen eher
gering ist. Insbesondere im Vergleich zu anderen
Irritationen schienen Irritationen durch Schnitte eher
eine untergeordnete Relevanz zu haben, obwohl
die Items hierfür optimiert wurden. Dabei sollte
berücksichtigt werden, dass hier explizit die Wirkung
von Parralaxunterschieden an Nah- und Fernpunkten
untersucht wurde. Daher wurden die einzelnen
Einstellungen in der gleichen Studioumgebung in einer
vergleichbaren Situation erstellt. Durch den Entfall
räumlicher Elemente sollten zwei Ebenen geschaffen
werden, auf welche die Probanden konvergieren
können. Somit wurde die Studie dahingehend optimiert,
dass eine Konvergenzänderung der Probandenaugen
beim Schnitt erforderlich ist. Der zweidimensionale
Hintergrund verhinderte dabei verzerrte Tiefeneindrücke
durch unterschiedliche Tiefenausdehnungen. Jedoch
hatten die Moderatoren im Vordergrund Tiefe, wodurch
sich hier die Umpositionierung mithilfe der Stereobasis
auch in der Dreidimensionalität der Moderatoren
bemerkbar machte.
Es ist möglich, dass Tiefensprünge nicht dadurch
irritieren, dass die Augen neu konvergieren müssen,
sondern viel eher dadurch, dass sich räumliche Elemente
in ihrem Tiefeneindruck verändern. In der Studies
19 Medienproduktion - Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
wurden räumlicher Elemente, welche unterschiedliche
Tiefeneindrücke hervorrufen, weitestgehend vermieden.
Dadurch und durch die gleichbleibende Studiosituation,
wurde zudem das visuelle System nur gering gefordert,
wodurch möglicherweise Tiefensprünge erst bei sehr
großen Parallaxunterschieden für Irritationen sorgten.
Hier wurden nur wenige Möglichkeiten, einen
Tiefensprung zu erzeugen, angewendet. Dabei wurden
die Tiefensprünge durch Stereobasisänderungen und
Nachkonvergierung erzeugt. Möglicherweise wirken
Tiefensprünge durch Nah- oder Fernpunktänderungen
sowie Brennweitenänderungen deutlich irritierender.
Dies sollte in einer Folgestudie weiter untersucht
werden.
B.Sc. Benjamin Hauser
hat seine Bachelor-Thesis
„Untersuchungen zur Montage in
S3D-Realfilmen“ an der Hochschule
Furtwangen in Kooperation mit der TU
Ilmenau geschrieben.
Literatur
[1] Hofmeyer, Frank: Grundlagen der stereoskopischen
Theorie. In: Hottong, Nikolaus/Lesik, Dominik (Hg.):
Stereoskope HD-Produktion. Grundlagen, Konzepte,
Testergebnisse. 2009
[2] Hoffmann, Albrecht (2002): Das Stereoskop.
Technikgeschichte, Modelle und Rekonstruktionen. 2.
Aufl. 2002. München: Deutsches Museum.
[7] Kuhn, Gerhard (1999): Stereo-Fotografie und
Raumbild-Projektion. Gilching: vfv.
[8] Beller, Hans (2002): Handbuch der Filmmontage.
4. Aufl. Band 5. herausgegeben von Prof. Hans Beller.
München: TR-Verlagsunion GmbH.
[9] Mendiburu, Bernard (2009): 3D movie making.
Stereoscopic digital cinema from script to screen.
Amsterdam, Boston: Focal Press/Elsevier.
[10] Frank, Anja (2009): Gestalterische Aspekte einer
stereoskopischen HD-Produktion. In: Hottong, Nikolaus/
Lesik, Dominik (Hg.): Stereoskope HD-Produktion.
Grundlagen, Konzepte, Testergebnisse.
[11] Gardner, Brian (2009): Perception and The Art of
3D Storytelling, URL: http://library.creativecow.net/
gardner_brian/magazine_3d_storytelling/1 (Zugriff am
26.02.2014)
[12] Hofmeyer, Frank: Grundlagen der visuellen
Wahrnehmung. In: Hottong, Nikolaus/Lesik, Dominik
(Hg.): Stereoskope HD-Produktion. Grundlagen,
Konzepte, Testergebnisse. 2009
[13] Tauer, Holger (2010): Stereo 3D. Grundlagen,
Technik und Bildgestaltung. 1. Aufl. 1 Band. Berlin:
Schiele & Schön. S.530.
[14] ITU-R, Radiocommunication Sector of ITU (2009):
Methodology for the subjective assessment of the
quality of television pictures, URL: http://www.itu.int/
dms_pubrec/itu-r/rec/bt/R-REC-BT.500-12-200909S!!PDF-E.pdf (26.02.2014)
[15] Steber, Josef-Anton. Nowara, Thomas. Bonze,
Thomas (2007): Bewegung in Video und Film. 1. Aufl.
Berlin: Fachverlag Schiele & Schön GmbH
[3] Moser, Leo (2010): 3-D is Back again!. In: ray
Filmmagazin.
URL:
http://www.ray-magazin.at/
magazin/2010/03/3-d-is-back-again
(Zugriff
am
17.02.2014)
[4] Katz, Steven D. (2004): SHOT BY SHOT, Die richtige
Einstellung, Zur Bildsprache des Films. Aus dem
Amerikanischen von Harald Utecht. 5. Aufl. Frankfurt:
Zweitausendeins.
[5] Schumacher, Erik (2009): Planung einer
stereoskopischen HD-Produktion. In: Hottong, Nikolaus/
Lesik, Dominik (Hg.): Stereoskope HD-Produktion.
Grundlagen, Konzepte, Testergebnisse.
[6] Bolliger, Matthias: Stereo 3D. In Film & TV
Kameramann, Ausgabe 1 & 2 (2011)
20
Interview: Stereo-3D in der Lehre
von Mara Seupel und Jennifer Raab mit Detlev Mohr und Frank Hofmeyer
Detlev Mohr (DM) ist Fernsehregisseur und seit 1999
als Dozent am Institut für Medientechnik tätig. In den
Praxiswerkstätten Fernsehstudioproduktion, Virtuelles
Studio und der Filmgestaltung lehrt er Studierenden
der TU Ilmenau alle wichtigen Aspekte der Film- und
Fernsehproduktion.
Zusammen mit Frank Hofmeyer (FH), der seit 2011 am
Institut für Medientechnik wissenschaftlicher Mitarbeiter
ist, hat Detlev Mohr die Praxiswerkstatt Stereo-3DFilmproduktion ins Leben gerufen. Diese fand erstmalig
im Wintersemester 2013/2014 statt über die ersten
Eindrücke und Ergebnisse berichten.
Detlev Mohr (l.) ist Regisseur und
Dozent an der TU Ilmenau.
M.Sc. Frank Hofmeyer (r.) unterstützt
die Praxiswerkstatt in seiner Tätigkeit
als wissenschaftliche Mitarbeiter
Wie sind Sie auf die Idee
Praxiswerkstatt anzubieten?
gekommen,
diese
wirklich um diesen Schnittpunkt zwischen künstlerischer
Arbeit und technischen Bedingungen. Was geht, was
geht nicht?
FH: Und die Auslotung von neuen gestalterischen
Mitteln, die wir bei einem 2D Film einfach nicht zu
Verfügung haben. Genau diese Situation zu analysieren,
sowohl von der künstlerischen, als auch von der
technischen Seite aus war unser Hauptanliegen für
diese Praxiswerkstatt.
Insgesamt 18 Studierende der Medientechnologie
haben an der Praxiswerkstatt teilgenommen. Sie haben
diese in 3 Gruppen aufgeteilt. Wie haben Sie den Ablauf
der Praxiswerkstatt gestaltet?
FH: Es gab eine Einführungsveranstaltung wo wir erst
mal unsere Ideen verkündet haben dann gab es drei
oder vier Termine nur Theorie, wo die Studierenden
auch ein bisschen mitdenken mussten. Auch die
Grundlagen der Physiologie waren mit dabei, als Basis
um überhaupt zu wissen, wie Stereo-3D funktioniert.
Darauf aufbauend kam die Aufgabe den Film zu drehen.
Für die Umsetzung war Detlev der Ansprechpartner. Es
musste ein Drehbuch eingereicht werden, welches wir
begutachtet haben, inwiefern es Sinn macht und sich
vielleicht sogar sehr gut anbietet für 3D. Es gab noch
eine kleine Einführung in den Schnitt mit 3D Material
und dann war gemeinsames Drehen angesagt. Der
Anfang war natürlich Einweisung in das Equipment und
die Kameras.
DM: Wir dachten uns wir müssten mal einen anderen
Weg gehen und uns um Stereo-3D kümmern. Zu
dem Konzept kann Frank etwas sagen, weil wir uns
gedanklich geteilt haben, dass ich mehr über die
inszenatorischen und künstlichen Sachen reden werde
und er von der Basis bis zum Handwerkzeug die
technischen Dinge erläutern wird.
FH: Eine Grundlage für die Idee war, dass wir für unsere
Forschungen das Kamera Equipment kaufen mussten
und was wir auch für sehr technische Fragestellungen
benutzt haben. Deshalb war es jetzt auch für mich
sehr spannend die gestalterische Ecke auszuleuchten,
weg von der sturen Technik. Ich habe mir erhofft dass
weitere Fragestellungen auftauchen, auf die wir selber
vielleicht gar nicht gekommen wären.
DM: Es geht auch hier, wie immer, wenn man für Film
und Fernsehen produziert gerade auch bei Stereo-3D
21 Medienproduktion - Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
DM: Im gestalterischen Teil geht es speziell um Schnitte,
Übergänge und die Wahrnehmungsproblematik. Das
ist das Wichtigste bei 3D, wenn da einige Parameter
nicht beachtet werden und auch Dinge, die unser
Gehirn verarbeiten kann, funktioniert das Ganze nicht.
Es tut weh und die Geschichte geht kaputt. Solche
Klemmstellen haben die Studierenden benutzt, weil
wir von vornherein darüber geredet und auch überlegt
haben: wie mache ich das jetzt in 3D?
Herr Mohr, Sie kommen aus der klassischen 2D
Produktion. Wie schwer war es für Sie, sich auf diese
andere Gestaltung des Filmes einzulassen? Welche
Probleme sind bei den Studierenden aufgetreten?
DM: Das ist am Anfang ein Stolperstein. Du musst erst
mal begreifen, was geht und was nicht geht. Natürlich
hab ich vorher schon Filme gesehen und auch Fehler
in Filmen gesehen. Zu der Möglichkeit der Umsetzung
von 2D Ideen in 3D muss ich ehrlich sagen, dass es
mich teuflisch angesteckt und ich hoffe bald etwas mehr
als nur einen 3 Minuten Test zu machen.
FH: Ein Kernproblem gab es bei Leuten die bisher nur 3D
Filme angeschaut haben ohne drüber nachzudenken.
Es ist ihnen nicht bewusst, was mit 3D möglich ist was
in 2D nicht funktioniert. Im ersten Moment wenn man
mit den Leuten darüber spricht, dass viel mehr dahinter
steckt als nur ein “Popout”, dann ist es ein bisschen
schwierig Verständnis dafür zu wecken. Das spiegelt
sich auch in der Filmlandschaft wieder. Es hat sehr
lange gedauert bis stereoskopische Filme auf den Markt
kamen, die die Möglichkeit von 3D als Mittel nutzen, um
die Aussage vom Film zu verstärken oder überhaupt zu
ermöglichen.
Die Praxiswerkstatt ist nun abgeschlossen. Wie sind die
Ergebnisse geworden?
FH: Die Studierenden mussten nicht nur einen Film
sondern auch ein Dokument abgeben, was beschreibt
wie sie zu dem Film gekommen sind, was während
des Films passiert ist, was es für Probleme gab und
wie sie die stereoskopischen Probleme gelöst haben.
Diese Berichte sind für mich persönlich fast wichtiger,
als Filmchen zu schauen. Mit dem Dokument könnten
sie mir zeigen, dass sie wirklich verstanden haben was
sie da tun. Die Filme selber sind sehr unterschiedlich.
Man kann deutlich sehen, ob jemand schon im Vorfeld
mal was im Bereich 3D Compositing und im Schnitt
gemacht hat. Von der 3D Aufgabe her fanden ich alle
spannend und ich hab bei jedem von den drei Filmen
Ansatzpunkte gefunden, die ich gern weiterverfolgen
würde.
Soll die Praxiswerkstatt noch einmal angeboten werden
und wenn ja würden Sie etwas verändern?
DM: Wir würden sie schon gerne anbieten, aber wir
träumen natürlich davon dann mit Broadcasttechnik
arbeiten zu können, um auf dem heutigen Stand zu
produzieren. Dieses Semester haben wir gut gelungene
Laborversuche durchgeführt. Das hat Frank und mich
auf viele Ideen gebracht haben, wie man weiter machen
könnte, wo wirklich gestalterische wie auch technische
Dinge aufgetreten sind über die man nachdenken kann,
die so vielleicht noch gar nicht diskutiert wurden.
22
Holger Tauer (2010): „Stereo-3D“
Eine Buchbesprechung von Paul Klimsa
Stereo-3D leicht verständlich
Technikbeschreibungen schließen oft breitere Verständlichkeit aus, da sie sich an Fachpublikum richten.
Ein Experte will keine Grundlagen seines Faches erklärt
bekommen, er interessiert sich nur für das, was für ihn
neu ist. Was ist aber dann mit denjenigen, die erst Zugang zum unbekannten Wissen finden wollen. Geeignete Einführungsliteratur ist oft rar. Noch seltener sind
verständlich geschriebene und grafisch gut ergänzte
Werke. Mit dem Buch Stereo-3D von Holger Tauer gelang es dem Fachbuchverlag Schiele und Schön aus
Berlin, eine Lücke zu schließen und ein sowohl fundiertes als auch verständliches Buch zum Thema Stereoskopie vorzulegen.
Das Buch erklärt die gesamten Grundlagen der
Psychophysik des Umgangs mit 3D-Technik und
mit Produktion von Stereo-3D-Content. Begriffe der
Neurophysiologie oder der Wahrnehmungspsychologie
werden zwar knapp aber immer verständlich erklärt.
Zuweilen ist die knappe Darstellung etwas nachteilig, da
nicht alle Aspekte eines Phänomens hinreichend erklärt
werden können (bspw. Phi-Phänomen). An manchen
Stellen wären daher Verweise auf weiterführende
Quellen wünschenswert. Dadurch aber, dass oft
Beispiele angeführt werden und der Text von sehr guten
Visualisierungen – zum größten Teil in 3D mit beigelegter
Brille – begleitet wird, relativiert sich diese Kritik. Die
Abschnitte des Buches über die Produktionstechnik
und Produktionsabläufe liefern einen umfassenden
Einblick in das neue Produktionsfeld von Medien und
sind sehr systematisch aufbereitet. Natürlich lässt
sich der Stand der Technik nicht einfrieren, so dass
manche vorgestellte 3D-Komponente inzwischen etwas
veraltet erscheint. Da sich aber der Autor stets bemüht,
allgemeine Zusammenhänge zu erklären und dabei
keinen Einkaufskatalog liefert, ist das Buch noch nach
vier Jahren keineswegs veraltet.
Der Autor beschreibt insgesamt folgende Bereiche:
Funktionsweise und Psychologie des räumlichen
Sehens,
Wahrnehmung,
Wiedergabe
und
Nachbereitung von Stereo-3D sowie Kameraarbeit bei
3D-Produktionen. Ein umfassendes Glossar ergänzt das
Werk. Insbesondere im Teil über Kameraarbeit merkt
man, dass der Autor selbst ein erfahrener Kameramann
ist und sein Wissen bereitwillig teilen
möchte. Dass man aber beispielsweise die genaue
Funktion der Gestaltungsmittel mit wenigen Stichworten
erklären kann, ist nicht zu leisten und von den Lesern
nicht zu erwarten.
Die Zielgruppe des Buches ist unter denjenigen zu
finden, die an einer leicht­verständlichen, fundierten und
umfassenden Einführung in das gegenwärtig wichtige
Thema suchen. Vor allem Studierende finden mit dem
Buch von Holger Tauer ein profundes Werk, das ihnen
den ersten Zugang zu einem speziellen Wissensgebiet
ermöglicht. Aber auch diejenigen Fachleute, die bereits
in der Medienproduktion arbeiten und für sich ein
weiteres Produktionsgebiet zum ersten Mal erschließen
wollen, werden mit diesem Buch zufrieden sein.
Holger Tauer: Stereo-3D. Grundlagen, Technik und
Bildgestaltung. Fachverlag Schiele & Schön 2010,
Berlin. ISBN: 978-3-7949-0791-5
Professor Dr. Paul Klimsa
ist Leiter des Fachgebietes
Kommunikationswissenschaft an der TU
Ilmenau und Mitherausgeber der Online
Zeitschrift Medienproduktion
23 Medienproduktion - Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Max Hemo (2012): „s3D Now! A Stereoscopic Experiment for Film and TV“
Eine Buchbesprechung von Paul Klimsa
Stereoskopische Produktion in der Praxis
Professionelle Stereo-3D-Produktionen werden nur
selten erklärt. Kommerzielle Projekte haben stets andere
Zielsetzung als Wissen zu vermitteln. Wer jedoch wissen
möchte, wie Stereo-3D-Filme produziert werden, ist mit
dem Praxisbuch von Max Hemo und den zahlreichen
Koautoren bestens beraten. Auf der beigelegten
Blu-ray 3D findet sich ein spannender Kurzfilm der
Filmhochschule in Babelsberg und der Firma Camelot
in Berlin über einen Zauberer, der die Zeit anhält. Wir
können dank Making-Off die Produktion dieses Films
hautnahe – auch in 3D – erleben. Die Systematik des
Buches ist lobenswert, da alle Produktionsschritte
ausführlich dargestellt und diskutiert werden. Neben
abgebildeten Workflows finden wir Hinweise zur
Kommunikation am Set und zu der verwendeten
Film-Technik. Die technischen Komponenten werden
übersichtlich vorgestellt und für ihre Verwendung im
Produktionsprozess bewertet. Kostenkalkulation und
Auszüge aus den Planungsdokumenten ergänzen die
Inhalte, so dass wir als Leserinnen und Leser in alle
Phasen des Produktionsprozesses Einblick erhalten.
Eine umfassende Einführung in das Thema Stereo-3D
bietet das Buch jedoch nicht. Weitgehend überflüssig
sind zudem die am Anfang stehenden Ausführungen zu
Psychophysik der Stereoskopie. Zum einen sind sie zu
knapp, um verständlich zu sein, zum anderen werden
sie für die Darstellung der Produktionszusammenhänge
in weiteren Teilen des Buches nicht wirklich benötigt.
Der große Vorteil des Buches ist daher weniger in seiner
wissenschaftlichen Fundierung zu suchen. Vielmehr ist
es eine lobenswerte Praxishilfe für Neulinge auf dem
Gebiet der Stereo-3D-Filmproduktion. Auch manche
2D-Filmprofis, die ihre erste eigene 3D-Produktion
planen, können das Buch als Praxishilfe nutzen.
Da das Buch in englischer Sprache verfasst ist,
kann seine Rezeption auch international erfolgen.
Zugleich aber schränkt die Fremdsprache die
Rezeptionsmöglichkeiten in Deutschland, Österreich
und der Schweiz etwas ein. Als Begleitung zu einer
Vorlesung oder einem Medienproduktionsseminar
wäre eine deutsche Version wünschenswerter. Und die
Hochschulen sind sicherlich eine relevante Zielgruppe
für das Buch!
Max Hemo (Editor): s3D Now! A Stereoscopic
Experiment for Film and TV. Fachverlag Schiele &
Schön 2012, Berlin. ISBN: 978-3-7949-0829-5
Professor Dr. Paul Klimsa
ist Leiter des Fachgebietes
Kommunikationswissenschaft an der TU
Ilmenau und Mitherausgeber der Online
Zeitschrift Medienproduktion
24
Impressum
Herausgeber:
Prof. Dr. Paul Klimsa Prof. Dr. Heidi Krömker (paul.klimsa(at)tu-ilmenau.de)
(heidi.kroemker(at)tu-ilmenau.de)
Chefredaktion:
Dipl.-Ing. Mara Seupel (mara.seupel(at)tu-ilmenau.de)
http://www2.tu-ilmenau.de/zsmp/
Anschrift / Besucheradresse:
Technische Universität Ilmenau
Technische Universität Ilmenau
FG Kommunikationswissenschaft
Institut für Medientechnik
Ehrenbergstr. 29FG Medienproduktion
98693 IlmenauGustav-Kirchhoff-Str. 1
98693 Ilmenau
PF 10 05 65
98684 Ilmenau
Layout:
Dipl.-Ing. Mara Seupel
Fotos:
© by Thomas Helbig (Cover) und Mara Seupel
ISSN:
2193-7699
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30.04.2014
Verantwortlicher für den Inhalt gemäß § 55 Abs. 2 RStV: Prof. Dr. Paul Klimsa und Prof. Dr. Heidi Krömker (Anschrift
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